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Die Kunst der Liebe

Einer verliert immer
von

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Angst

„Tina, jetzt komm schon. Mach die Tür auf“, flehte Melanie bereits. Tina ließ sie auch bereits eine halbe Stunde vor der Tür stehen und machte keine Anstalten, diese zu öffnen. Melanie hämmerte daher weiter gegen die Wohnungstür, obwohl die Hand schon richtig wund war. Auch einige Nachbarn hatten schon vor ihre eigenen Wohnungen zu Melanie gelugt.

„Tina. Jetzt komm endlich. Ich weiß, dass du da bist. Ich hör deinen Fernseher und deine Lieblingsserie im Hintergrund.“ Eigentlich konnte Melanie nur ein Rauschen und eher Getuschel wahrnehmen, aber sie kannte Tina eben. Das würde jetzt aber funktionieren.

Nur wenige Augenblicke später öffnete sich die Wohnungstür einen Spalt. Das hieß, dass Melanie herein kommen konnte. Sie öffnete die Tür weiter und trat über die Schwelle in die Wohnung. Dabei stolperte sie fast über ein herumliegendes Paar Schuhe. Als Melanie aufblickte erschrak sie sogar ein wenig, denn die Wohnung wirkte wie ein kleines Schlachtfeld. Kleidungsstücke lagen herum, einige Geschirrteile fanden sich auf dem Couchtisch und dem Boden wieder. An sich wirkte die Wohnung allgemein etwas wüst. Und Tina hockte auf ihrer zugestellten Couch mit angezogenen Beinen.

„Also ehrlich. Das letzte Mal, wo du so eine Unordnung hinterlassen hattest, warst du extrem gefrustet wegen einer vergeigten Berufsschularbeit. Was ist los, Tina?“

Melanie war sowohl erstaunt als auch ein wenig besorgt. Das war nicht unbedingt normal für Tina. Sie war ansonsten ein reinlicher Mensch.

„Felix“, war Tinas kurze Antwort.

„Was hat er denn jetzt schon wieder gemacht?“ Melanie wusste nicht mehr, was Felix alles gemacht hatte, um Tina so aus der Fassung zu bringen, dass sie sich anders verhielt als sonst.

„Der Typ regt mich einfach auf“, erklärte Tina ein wenig zähneknirschend.

„Was hat er denn nun gemacht?“, fragte Melanie nochmals.

„Er hat mir etwa 30 Nachrichten geschrieben und mindestens 50 Mal versucht anzurufen. Ich will von ihm nichts mehr wissen. Wann kapiert der das endlich?“ Tina nahm aus Wut ein großes Kissen zu ihrer rechten in die Hand, schlang ihre Arme darum und krallte sich förmlich rein.

Melanie setzte sich zu ihrer guten Freundin und legte ihr eine Hand auf das Knie. Tina schaute nicht sehr begeistert zu Melanie, aber dieser verklang dann auch wieder und Tränen rollten ihr über die Wange.

„Hey, vergiss den Typ. Lass ihn doch schreiben und anrufen ohne Ende. Er wird sich ja doch nicht ändern.“

Ob es eine tröstliche Aussage von Melanie war, kam etwas fraglich herüber.

„Wie soll ich ihn vergessen, wenn er immer noch so präsent ist?“

Tina sah ihre gute Freundin vertränt an und flehte beinahe nach einer Antwort.

„Ganz ehrlich: Du brauchst ne Ablenkung. Ich treff mich morgen mit meinem Kumpel Alex. Da kommst du am besten mit.“

Es war ein spontaner Einfall von Melanie, doch vielleicht würde es helfen.

„Ich will euch aber nicht zur Last falle“, erwiderte Tina traurig.

„Ach, wie könntest du. Ich hätte nichts dagegen, und Alex ist da auch relativ locker bei. Der hat sicher auch nichts gegen.“

Melanie ließ diese Aussage erst einmal auf Tina wirken. Diese schien aber immer noch nicht begeistert von dieser Idee zu sein.

„Aber wenn du willst, dann frag ich ihn vorher einmal“, ergänzte Melanie und zog bereits ihr Handy aus der Hosentasche. Sie tippte ihre Nachricht kurz ein: „Hi Alex. Könnte morgen vllt noch ne Freundin mitkommen? VG Melanie“. Nur noch den Empfänger ausgewählt und den „Senden“-Button gewählt.

„So, nun kurz warten. Alex ist meist von der schnellen Sorte, außer er ist mit ein paar Kunden beschäftigt. Glaub ich um diese Uhrzeit aber weniger“, erklärte Melanie kurz die Situation. Tina sah dabei jedoch immer noch sehr unbeteiligt und betrübt aus.

Nur wenige Augenblicke später bekam Melanie ihre Antwort: „Hab ich nichts gegen. Bring sie ruhig mit. ;-) Bis morgen. VG Alex“.

„Er hat schon geantwortet. Kannst mitkommen.“ Melanie wendete sich freudig zu Tina. Sie war sich auch ziemlich sicher, dass sie ein flüchtiges Lächeln auf Tinas Gesicht gesehen hatte.

„Danke. Du bist eine echte Freundin“, bedankte sich Tina und schlang im Sitzen einen Arm um Melanie, welche diese Geste freudig erwiderte. Wenigstens war sie einen Moment abgelenkt von Felix.

„Schön, wenn ich dir helfen kann. Aber bitte erdrück mich nicht, sonst hast du nicht mehr viel von mir“, stöhnte Melanie, wenn auch etwas freudig.

„Tschuldigung“, meinte Tina lächelnd und ließ ihre Freundin wieder los.

Ein Moment Stille durchflutete Tinas Wohnung, bis beide in schallendes Gelächter ausbrachen. Die ging vielleicht einige Minuten so, bis beide leiser wurden und sich nur noch angrinsten.

„Das hatten wir schon lange nicht mehr. Also, so amüsiert, meine ich“, sagte Melanie zu Tina, immer noch strahlend lächelnd.

„Hast Recht. Dabei tut uns das doch immer richtig gut.“

Blicke konnten bei beiden oft sehr vielsagend sein. Sie mussten sich schon lange nicht mehr alles sagen, um zu wissen, was die jeweils andere von ihnen sich dachte.

„Dann gehen wir morgen zusammen in die Stadt. Ich hab bis 16.30 Uhr Schicht. Holst du mich ab, oder treffen wir uns irgendwo?“, durchdrang Melanie wieder die Ruhe.

„Ich hab bis 15.30 Uhr Berufsschule. Liegt ja halb auf der Ecke. Ich hol dich dann ab. Dann können wir zusammen hin fahren.“

Tina konnte wieder lächeln. Das war beinahe das Schönste, was Melanie damit erreichen wollte. Aber das Wichtigste war eben, dass ihre Freundin endlich aus ihrem Schneckenhaus kriechen sollte.

Wie aufs Stichwort klopfte jemand mit aller Gewalt gegen die Tür. Melanie brauchte gar nicht fragen, wer dran war. Sie konnte es sich gut denken, wer so wenig Taktgefühl nur hatte nicht wie jeder normale Mensch leise zu klingeln.

„Verschwinde, Felix“, rief sie in Richtung Wohnungstür.

„Misch dich da nicht ein. Ich will nur mit Tina sprechen“, antwortete Felix mit eindeutiger Wut im Bauch.

„Hau ab und lass mich in Ruhe! Sonst ruf ich die Polizei“, meinte nun Tina in einem ungewohnt harten Ton.

„Irgendwann bist du dann doch alleine. Und dann reden wir, klar!?“ Das war keine Frage: das war ein Versprechen. Und keins, auf das man Stolz hätte sein können.

Langsam hörte man sie harten Sohlen das Treppenhaus durchschreiten. Und der Klang wurde mit jeder Sekunde ein wenig leiser. Nach knapp einer Minute war nichts mehr zu hören.

„Sag mal: klopft der hier noch jeden Tag so an die Tür?“, fragte Melanie leicht beunruhigt.

„Ja, fast jeden Tag. Es nervt langsam. Ich hab echt Angst, dass er mir irgendwann was antut. Was soll ich nur machen?“ Tinas Besorgnis ging zu einem Teil sogar auch ihre beste Freundin über.

„Dann sag ihm nicht nur immer, dass du die Polizei rufen würdest, sondern mach es einfach. Vielleicht können die eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirken. Dann darf er sich dir nicht mehr nähern.“ Ein paar Gerichtsshows am Nachmittag hatten schon ihre Vorteile, ansonsten hätte Melanie gar nichts von solchen Verfügungen gewusst.

„Meinst du, das bringt was?“ Skeptisch blickte Tina auf.

„Wenn du es nicht versuchst, wirst du es nicht erfahren. Komm, wir fahren mal zu einem Anwalt und fragen nach.“

„Und zu was für einen?“

„Ich würde mal sagen: Zivilrecht. Na komm!“

Melanie erhob sich von der Couch und war sofort zum Aufbruch bereit. Sie schaute erwartungsvoll auf ihre beste Freundin.

„Wenn du jetzt nicht kommst, wirst du ihn nie mehr los werden. Also mach schon.“

Auf ihre Freundin Tina zugehend, zog Melanie sie an ihrer Hand von der Couch hoch.

„Ich bin mir wirklich unsicher diesbezüglich. Soll ich das echt machen?“ Tina hatte eindeutig Angst. Nur wovor? Schlimmer konnte es damit kaum werden.

„Besser so, als anders. Wer weiß, was der Kerl irgendwann mal macht, nur um an dich ran zu kommen? Irgendwann wird er vielleicht sogar gewalttätig. Gegen die Tür hämmert er ja so oder so schon wie ein Durchgeknallter.“

Wo Melanie Recht hatte, hatte sie Recht. Irgendwann würde er noch die Tür eintreten. Und was sollte sie dann machen? Die Polizei käme dann vermutlich zu spät.

„Das stimmt wohl. Vielleicht sollte ich mich zumindest informieren.“

„Und ich komme mit. Du bist nicht allein, Große. Also, komm mit.“

Melanie zog ihre beste Freundin aus der Couch heraus. Tina musste sogar lächeln. Was würde sie nur machen, wenn sie nicht solche Unterstützung von ihr bekommen würde?

„Danke, dass du das für mich machst“, bedankte sich Tina, während sie ihrer guten Freundin um die Schulter fiel und sie fest hielt.

„Wenn du mich aber weiter so drückst, hast du nicht mehr lange was von mir“, ächzte Melanie lächelnd.

„Schon gut. Dann gehen wir besser.“

Beide schlüpften schnell in ihre Schuhe, zogen sich ihre Jacken an und verließen Tinas Wohnung.
 

„Und sie können diese Verhalten auch bezeugen?“, fragte der Anwalt Melanie bedächtig.

Sie und Tina saßen nun bestimmt eine halbe Stunde beim Anwalt um über einen Weg zu sprechen, wie sie Felix von sich fern halten konnte.

„Ja, kann ich. Ich hab es jetzt schon zweimal persönlich mitbekommen und einmal am Telefon. Allein in dieser Woche.“

Nur das Schreiben mit dem Kugelschreiber war kurz vom Anwalt zu hören, bis er endlich aufblickte und beide Mädchen abwechselnd ansah.

„Ich schätze, das wird erst einmal reichen. Ich werde einen Antrag stellen für eine einstweilige Verfügung. Sie und auch auf der Antragsgegner bekommen es selbstverständlich schriftlich zugesendet, wenn der Antrag vom Gericht bestätigt wurde.“ Der Anwalt lächelte ein wenig. Als wäre dieser Ausgang einfach nur sehr positiv gelaufen.

„Und wie lange kann das ungefähr dauern?“, fragte Tina nicht sehr begeistert nach.

„Das geht meist relativ schnell. Vielleicht eine Woche. Oder zwei.“

„Und was mache ich bis dahin, wenn er doch extrem aufdringlich werden sollte?“

„Sollte er vor der einstweiligen Verfügung zu aufdringlich werden, rufen sie notfalls die Polizei. Öffnen sie ihm am besten gar nicht erst die Tür.“

„Das hatte ich gar nicht erst vor.“

„Gehen sie am besten erst einmal nach Hause. Ich regel den Rest für sie.“

„Vielen Dank“, meinte Tina erleichtert.

Melanie und sie standen auf, nahmen ihre Jacken und Taschen und gingen zur Tür.

„Einen schönen Tag noch“, wünschte der Anwalt den beiden Mädchen, als diese die Tür bereits geöffnet hatten.

„Danke, ebenfalls“, antwortete Tina.

„Ihnen auch“, kam es von Melanie.

Beide schlossen die Tür hinter sich, als sie das Anwaltsbüro verlassen hatten.

„Das lief doch ganz gut, oder?“, meinte Melanie und sah ihrer bester Freundin beim Gehen ins Gesicht.

„Ich hoffe sehr, dass das klappt und Felix mich endlich in Ruhe lässt. Ich krieg langsam echt Panik, dass er irgendwas irgendetwas Dummes machen wird.“

„Das kriegen wir schon hin. Und weißt du, was wir jetzt machen werden!?“, fragte Melanie und schlag Tina einen Arm um die Schulter.

„Hhmmm. Ein Eis essen gehen?“ Tina begann wieder zu lächeln.

„Oh ja. Einen Stracciatella-Erdbeer-Becher für dich und für mich einen Schwarzwälder-Kirsch-Becher ohne Alkohol. Was sagst?“

„Eisbecher-Zeit!“

Tina und Melanie lachten kurz auf und gingen in Richtung Stadt. Der Nachmittag war immerhin noch jung.



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