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Nanu?

Es kommt eines aufs andere
von

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Bitte, was?

„Jetzt dort rüber!“

In einem harschen Befehlston deutete eine junge Frau in Richtung eines modernen Fashionladens. Wie die meisten anderen Besucher des berüchtigten Einkaufscenters war auch sie darin bestrebt, an dem heutigen Tage ordentlich Geld auf den Kopf zu hauen.

Fünfzig Prozent auf alles!, so lautete für die nächsten drei Tage das Motto in sämtlichen Geschäften des Centers. Und noch immer satte dreißig Prozent in den übrigen Läden außerhalb des Shoppingparadieses. Da musste man zugreifen, so schnell es ging! Sonst wären alle guten Stücke ratzfatz vergriffen.

„Nun komm schon, James! Leg mal ‘nen Zahn zu und trödel nicht so rum!“ Sichtlich genervt wandte sie sich nach ihrer Begleitung um und stemmte ungeduldig die Hände in die Hüften.

Japsend und schon sichtlich erschöpft stapfte ihr Partner mit den blauvioletten Haaren hinter ihr her. In den Händen hielt er je zwei große, bis zum Rand gefüllte Einkaufstüten in einem weiß-rosa Streifenmuster. Allerlei Schnickschnack befand sich darin; von irgendwelchen Plüschtieren, weiter über ein Kissen und natürlich unermesslich viele Klamotten. Und das alles hatte Jessie binnen einer Stunde nur für sich gekauft. Aber wie sollte es auch anders sein, durfte er natürlich wieder den persönlichen Packesel für sie spielen.

Genau aus diesem Grund hatte er nicht mitkommen wollen, aber wann konnte er sich schon groß gegen diese Frau durchsetzen?

„Jess, können wir nicht mal eine Pause machen? Ich bin schon ganz fix und fertig“, bat er flehend, während er nun endlich neben seiner Partnerin die schweren Tüten kurz abstellen konnte. Doch ein kurzer Blick in ihr vertrautes Gesicht machte ihm sofort klar, dass er umsonst um Gnade bat.

„Pause machen wir, wenn wir fertig sind! Ist ja nicht so, als hätten wir öfters das Glück, zum Shoppingevent frei zu haben.“ Sie wandte sich bereits wieder ihrem nächsten Ziel zu, als sie noch hinzufügte: „Außerdem je mehr wir trödeln, desto mehr sind von den tollen Sachen weg. Ha, Cassidy wird Bauklötze staunen, wenn sie meine Ausbeute sieht!“

Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend folgte James seiner Partnerin, wobei ihr schallendes Gelächter Böses ahnen ließ. Noch bevor er diese neue Hölle aus parfümierten Textilien aus den verschiedensten Stoffen betreten hatte, konnte er bereits anhand des schmerzenden Lärmpegels erahnen, dass auch dieser Shoppingladen von stürmenden Kaufsuchtenden weit überfüllt war. Also auf in ein weiteres Geschiebe und Gedränge, auf dass er auch hier ohne weitere Verletzungen nach unendlichen Minuten schubsend wieder herauskommen würde.

„Cassidy, Cassidy… Immer diese blonde Zicke. Kommt Jessie denn niemals über sie hinweg?“ Mit einem entnervten Seufzen kletterte das sprechende Katzen-Pokémon neben James auf die schmale, gelbe Sitzbank, die an der hellen Wand angebracht war.

Auch James stimmte in das Seufzen ein, während er die Tüten links und rechts neben seine Füße abstellte. Skeptisch blickte er in die tosende Meute um die vielen, kleinen Verkaufstische und beobachtete, wie unter Zetern und Kreischen bunte Teile zum Opfer skrupelloser Kämpfe unter den Frauen wurden. „Ich verstehe generell nicht, wieso Frauen zu solchen Hyänen werden, sobald es ums Einkaufen geht. Das artet ja richtig in Krieg aus, nur wozu? Müssen sich Frauen irgendetwas beweisen, was wir Männer nicht verstehen?“

„Selbst wenn wir es verstehen könnten, würde Jessie wohl mal wieder aus dem Rahmen fallen.“

Bei diesem Kommentar von Mauzi musste James doch grinsen. „Ja, da hast du wohl recht.“

In diesem Moment hallte eine hysterische Frauenstimme laut brüllend über das gesamte Getöse des überfüllten Raumes. James und Mauzi erkannten das vertraute Gemecker noch ehe sie Jessie erblickten, wie jene auf einen der fast leeren Tische gesprungen war, um auf die restlichen Mitstreiterinnen überlegen herabschauen zu können.

„Die Party ist zu Ende, Ladies. Die Teile gehören MIR - also Finger weg, ist das klar?!“ Doch eine brünette Frau mittleren Alters leistete Widerspruch gegen diese klare, warnende Ansage der Rothaarigen. Eine laute Diskussion entbrannte zwischen den beiden Frauen, bis Jessie der Dame drohend einen ihrer Pokébälle entgegenhielt. „Schluss mit den albernen Kindereien. Akzeptier deine Niederlage oder freunde dich mit meinem Vipitis an, Tantchen!“

„Das ist jetzt nicht ihr Ernst!“, platzte es erschrocken aus Mauzi heraus und er sprang auf seine Hinterbeine.

James tat es ihm gleich und starrte mit Entsetzen zu seiner entschlossenen Partnerin. „Jessie, komm wieder runter!“, rief er so laut er konnte durch die wütende Menschenmenge zu Jessie hinüber, aber entweder hörte sie ihn nicht, oder sie ignorierte ihn gekonnt. Ihre blauen Augen hatten dieses eisig-entschlossene Funkeln, welches James nur zu gut kannte.

Rein instinktiv griff er nach Mauzi und hob ihn wie ein Speerwerfer seinen Wurfspeer über seine Schulter. „Schnapp dir den Pokéball, Mauzi! Sie darf Vipitis hier nicht einsetzen!“

„Jawohl!“

Und schon flog Mauzi in rasanter Geschwindigkeit über den Köpfen der gespannten Zuschauermenge auf Jessie zu, die just in diesem Moment ihr Vipitis rief und zum Wurf des weiß-roten Balls ansetzte. Geschickt gelang es dem Katzen-Pokémon, den Pokéball an sich zu nehmen, noch ehe Jessie hatte werfen können. So schnell hatte selbst sie nicht auf den Eingriff reagieren können und schaute recht verdattert drein, als dann auch noch James neben ihr in der aufgeregten Menschenmenge auftauchte.

„Lass es gut sein, Jess! Komm runter, bitte!“, bat er, wobei er noch immer sehr laut sprechen musste, um über das Getuschel und Gerede zu ihr durchdringen zu können.

Es dauerte dann noch einen Moment, in dem Jessie anscheinend die Situation ordnen musste, dann aber sprang sie zu ihrem Partner hinunter. Sofort packte sie ihn am Kragen und schüttelte den Ärmsten so heftig, dass ihm schwindelig wurde. Dabei bemerkte sie nicht, dass sie all ihre hart erkämpften Stücke aus den Armen verlor und die bunten Stoffe ihr zu Füßen segelten.

„Was mischt ihr euch ein?! Gebt mir gefälligst mein Vipitis zurück, ABER SOFORT!!“, begann sie alsbald auch noch mit ihm zu meckern, bis James kapitulierend die Hände hob.

„I-ist doch a-alles o-okay. M-M-Mauzi hat es.“

Mit einem widerspenstigen „Tze“ ließ Jessie ihren Partner wieder los und beobachtete grummelnd, wie sich zu ihren Füßen bereits eine kleine Meute versammelt hatte, die nun um ihre verlorenen Kleidungsstücke stritten. Auch das noch! Dabei hatte sie selbst so hart um diese schönen Stoffe gekämpft…

James bemerkte das verräterische Zittern ihrer zu Fäusten geballten Hände und fand gerade noch rechtzeitig wieder zu sich, als Jessie bereits wieder zu toben begann. In lautem Gebrüll griff sie noch hastig nach einem neonpinken Schal, ehe James sie auch schon mit Mühe von den menschlichen Geiern fortzerrte. Zwar trat sie wie wild geworden um sich und er fürchtete ernsthaft, dass sie damit jemanden böse verletzen könnte, aber wenige Minuten später waren sie endlich aus der Hölle der Frauenmode entkommen.

 

Nach dieser hektischen Aufregung war das Trio eine Zeit lang ziellos weiter durch das große Center geschlendert. Bei jedem neuen Einkaufsladen bangten James und Mauzi, dass Jessie erneut losstürmen würde. Doch ihr Gemüt schien fürs Erste abgekühlt nach ihrer phänomenalen Darbietung im Modegeschäft zuvor. Ihr trügerisches Schweigen war den beiden fast noch unheimlicher als wenn sie wie gewohnt die ganze Zeit auf sie eingemeckert hätte.

„Jessie ist echt sauer…“, bemerkte Mauzi irgendwann leise flüsternd an James gewandt und besah die Rothaarige mit einem Blick, als erwarte er von ihr sein Todesurteil.

Neben ihm seufzte James schwer und ließ die Schultern nach vorn fallen. „Und wie…“, stimmte er dem Pokémon bei.

„Ob sie uns noch umbringen wird, James?“

„Gut möglich… Die Frage ist nur, wann?“

Im gewohnten Chor seufzten nun beide gleichzeitig und ließen niedergeschlagen die Köpfe hängen. Für sie war klar wie Kloßbrühe, dass ihr Eingreifen vorhin noch Konsequenzen haben würde. Jessie wäre immerhin nicht Jessie, wenn sie ihnen ausnahmsweise nicht die Hölle heiß machen würde für ihr Erdreisten, sie zurechtzuweisen.

Und das Gefährliche daran war: Je ruhiger Jessie nach einer solchen Aktion blieb, umso mehr hatten sie von ihr zu befürchten. Das war nur die Ruhe vor dem Sturm; oder vielmehr eines tosenden, vernichtenden Unwetters.

„Lasst uns was essen.“

Gleichzeitig hoben James und Mauzi ihren Blick, als Jessie vor ihnen zum Stehen gekommen war. Sie folgten der Weisung ihres ausgestreckten Arms und erkannten den vergoldeten Schriftzug eines Restaurants.

„A-aber doch nicht hier? Das ist das teuerste Restaurant der ganzen Stadt, Jess!“, bemerkte James schnell und sah irritiert zu seiner Partnerin hinüber. Innerlich hoffte er, dass sie schlichtweg nicht wusste, vor was für einen Laden sie gestoppt war. Doch als er das gemeißelte Grinsen in ihren aufgesetzten Gesichtszügen sah, war er sich sicher: Sie wusste es GANZ genau.

„Wieso nicht? Wir haben uns etwas Gutes verdient, meint ihr nicht?“, säuselte sie nun in einer falschen Lieblichkeit und trügerischen Ruhe. Ihr anschließendes engelsgleiche Lächeln ließ James regelrecht das Herz stocken. Wie vom Schlag getroffen beobachtete er mit offenem Mund, wie sich Jessie bereits auf einen der roten, samtenen Stühle setzte und demonstrativ die Ellenbogen auf den edel betuchten Glastisch stützte, die Finger ineinander verschränkend.

„Oh oh, James. Du tust mir jetzt schon leid...“, flüsterte Mauzi von unten zu dem jungen Mann herauf und bedachte ihn mit einem mitleidigen Blick. Als Antwort konnte James nur schwer schlucken.

Noch immer lächelte Jessie zu ihren beiden Partnern hinüber, als könne sie kein Wässerchen trüben. Mit einer Geste deutete sie ihnen, sich ihr gegenüber auf die vornehmen Stühle zu setzen. „Na kommt schon, setzt euch. James wird die Rechnung übernehmen, also lasst uns kräftig reinhauen, ja?“

‚Oh, bitte nicht!‘, war alles, was man James daraufhin von den entgleisten Gesichtszügen ablesen konnte. Er war sich nicht einmal sicher, ob sein Geld auch nur ansatzweise für die Horrorrechnung genügen würde. Es war schwer zu sagen, wie viel von seinem letzten Gehalt überhaupt noch übrig geblieben war, nachdem Jessie auf ihren Beutezügen der letzten Stunden öfters nach seiner Geldbörse gegriffen hatte, ohne dass er es hatte verhindern können. Er sah sich schon jetzt in der Küche stehen, wie er Berge von dreckigem Geschirr spülen musste, um die Differenzen zu begleichen.

Doch er wusste, dass er keine Wahl hatte. Weglaufen brachte nichts, Jessie war kaum langsamer als er. Und er wusste, dass sie kein Erbarmen kannte, wenn sie ihren Frust auf solch milde Art an ihm auslassen wollte.

Also setzte er sich, auf die schlimmsten Minuten des heutigen Tages gefasst, seiner Partnerin gegenüber und tat einen stummen Fluch, als im selben Moment eine junge Kellnerin aus dem Restaurant an ihren Tisch trat. Mit einem hellen Lächeln reichte sie zwei Speisekarten an die Agenten und zückte anschließend ihren schmalen Notizblock.

„Bitte, darf ich Ihnen schon etwas zu Trinken anbieten?“, fragte sie frohen Mutes, dass James schon jetzt ganz schlecht wurde. Er konnte das schwere Klimpern von unzähligen Geldmünzen in seinen Ohren hören und sah sein letztes Geld ihm weinend zum Abschied zuwinken.

Jessie bestellte sich sogleich einen Café au lait und ein Glas irgendeines Weines, von dem sich James sicher war, dass sie es nur aus Trotz tat. Auch Mauzi ließ sich ein großes Glas Milch kommen, was hoffentlich nicht zu überteuert sein würde. Er selbst begnügte sich mit einem Glas Wasser.

 

Die folgende Stunde war für James ein reiner Akt von Überlebenskunst. Was sich Jessie letztlich alles bestellt hatte, merkte er sich aus Prinzip nicht. Er wollte sich schlichtweg nicht ausrechnen, was ihn der ganze Spaß am Ende kosten würde. Und auch Mauzi war ihm letztendlich in den Rücken gefallen, indem er sich das größte und edelste Steak bestellt hatte. So ein Verräter! Von wegen Mitleid.

Die Höhe war schließlich, dass beide ihre Teller gar nicht leerten. Sie ließen fast die Hälfte ihres Essens einfach stehen, während sie sich gesättigt die Bäuche hielten. Toll, also zahlte James nicht nur Mörderpreise für ein überteuertes Restaurant, welches Jessie nur ihm zuliebe ausgesucht hatte – nein, er zahlte auch noch dafür, dass die Hälfte davon in den Müll wanderte! Dabei hatte er sich selbst nichts weiter bestellt, um wenigstens ein wenig an Kosten zu sparen.

Es wäre vielleicht weniger ärgerlich gewesen, wenn er von den Resten hätte zehren dürfen. Aber nein. Alles, was er bekam, war ein „Selbst schuld“ und die Rechnung der Kellnerin. Welche er, wie durch ein Wunder, gerade noch so zähneknirschend und magengrummelnd begleichen konnte.

„Ich hätte mir wirklich mehr von diesem Schuppen erwartet“, murrte Jessie schließlich, gerade als sie sich von ihrem Platz erhob. James glaubte, sich verhört zu haben!

„Worüber beschwert sie sich nur?“, gab er seinen Missmut kund und obgleich er auf keine Erklärung abzielte, legte Mauzi neben ihm nachdenklich die Pfote ans Kinn.

„Es ist wirklich offensichtlich, hätte ich nicht gedacht.“

„Offensichtlich? Was ist offensichtlich?“, fragte James nun noch verwirrter als zuvor an den Kater gewandt. Sein Blick ging abwechselnd zwischen seiner Partnerin und dem Pokémon hin und her, während er versuchte, ebenfalls das Offensichtliche zu erkennen. „Was meinst du, Mauzi?“

„Also bitte“, seufzte jener und bedachte den jungen Mann mit einem nahezu vorwurfsvollen Blick. Er schwieg daraufhin und schien zu warten, dass es bei James Klick machte. Doch die Erkenntnis blieb bei dem Freund aus.

Der Kater schüttelte den Kopf. „Ihre Launenschwankungen. Ihr Heißhunger. Dass sie Fisch und Fleisch durcheinander futtert. Und das, obwohl ihr das Essen offensichtlich nicht geschmeckt hat. Dann auch noch Kaffee und Alkohol mischen“, zählte er überlegend auf, ehe er kurz pausierte. Mit gedämpfter Stimme fuhr er schließlich fort: „Wobei sie zumindest den Alkohol besser hätte bleiben lassen sollen.“

„Wieso?“, kam prompt die Frage des Agenten und wieder besah er sich seine Partnerin eingehend, die sich bereits einige Meter von ihnen entfernt hatte. „Okay, sie ist dann meist noch launischer… aber es war doch nur ein Glas.“

„Mann, James! Jetzt mach doch mal die Augen auf, oder bist du wirklich so blind?!“, fauchte der Kater nun sichtlich gereizt und schlug dem Mann auf den Kopf.

Jener rieb sich anschließend die schmerzende Stelle, wobei er das Pokémon ohne jegliche Erleuchtung ansah. „Was meinst du?“

„Mensch, das ist doch offensichtlich!“ Mauzi verschränkte die Arme vor dem Körper. Nochmals seufzte er lautstark, ehe sich dann aber ein breites Grinsen auf sein Gesicht legte.

Schließlich ließ er die Katze aus dem Sack: „Jessie ist ganz offensichtlich schwanger, Blödi.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Venedig-6379
2014-04-11T09:17:06+00:00 11.04.2014 11:17
Na Mauzi kennt sich ja aus mit Frauen :3
Hätten sie sich den Rest des Essens nicht einpacken lassen können?
Antwort von:  Shizana
11.04.2014 11:36
Huch, ein Venedig! Du hast mich eben ganz schön aus der Bahn geworfen mit deinem Kommentar auf meiner Startseite, weißt du das? x'D
Mh, hätten sie bestimmt. So weit hatte der Autor damals bestimmt nicht gedacht. x3


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