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Prinzen des Chaos

Alles, aber nicht glamourös
von

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Sleeping in my Car

„Wir haben alles gegeben – und ihr auch, wenn nicht noch mehr! Ich liebe euch, gute Nacht!“

Es war nicht das erste Mal, dass Deidara sich absolut sicher war, von dieser Heuchelei kotzen zu müssen. Ehrlich gesagt rechnete er damit, bei dem entsprechenden Anlass auch an seinem Mageninhalt zu ersticken und elend vor aller Augen in ein paar krampfartigen Zuckungen zu krepieren. Poetische Gerechtigkeit! Das wäre auch ein viel besserer Bandname.

Mit einem lässigen Schwung drehte er den Fetzen Oberbekleidung, von dem er schwor, dass es ein Damenbolero aus der letzten Saison war, zu einem schweißverklebten, glitterbestäubten Strang und warf ihn in die kreischende Menge, die wie eine riesige Dünndarmschleimhaut ihre Zotten- äh, Arme ausstreckte, um dieses unglaublich begehrenswerte Stück ekelhafter Wäsche zu ergattern. Deidara wünschte ihnen viel Spaß damit – Frauen konnten das sicherlich tragen.

Ihm lief der Schweiß aus allen Poren, die Hitze von Anstrengung, Scheinwerferlicht und schlichtem Adrenalin schien seinen Körper auszupressen. Sein Kreislauf war zu zäh, um ins Straucheln zu geraten, denn eins war bei minderjährigen Fans fatal: schwach zu sein. Sie konnten sich in ihren kleinen Zuckerwatteträumen stundenlang vorstellen, ihn aus der dreckigsten Gosse, der tiefsten Hölle und der unglücklichsten Zwangsehe zu erretten und zu beschützen, aber er durfte niemals, niemals konkreten Anlass dazu geben, an ihm zu zweifeln.

So gesehen war der Boxring im Schwergewicht wahrscheinlich weniger hart.

Na schön, sein Wasserhaushalt machte mit. Trotzdem konnte er schwören, dass diese Bauchtanz-Verrenkungen, die ihm ein kranker Ästhetikverweigerer von Choreograph aufgezwungen hatte, irgendwo links einen Muskel gezerrt hatten. Zu Kabutos endlosem Leidwesen war nämlich seine Struktur des Musculus rectus abdominis nur unzureichend deutlich von Intersectiones tendineae unterteilt.

Was im Grunde nur hieß, dass er keinen Waschbrettbauch bekommen würde, und wenn er noch so dämlich dafür strampelte. Was Deidara eigentlich chronisch egal war, allerdings war er anscheinend der Einzige der ganzen Band, bei dem dieser kleine anatomische Tritt in die Eier des Schönheitsideals vorlag. Sogar Sasori, der eine halbe Stunde Sport auf dieselbe Stufe von Unannehmlichkeit mit einer Blasenspiegelung setzte, hatte die physischen Voraussetzungen, um gerippte Muskelwellen unter seiner Hühnerbrust zu entwickeln.

Na, das war verdammt geil. Als wäre nicht eh schon jeder Zoll seines Körpers zur Staatsangelegenheit erklärt worden.

Das Toben der Halle zog sich nur minimal zurück, als Deidara in die schummrige Glitzerwelt der Garderobe eintauchte, trotzdem ließ das Pochen hinter seinen Augäpfeln gnädig ein wenig nach. Er wünschte sich so sehnlich eine lauwarme Dusche, dass er sich am liebsten wie ein trotziger Zweijähriger im Supermarkt auf den Boden geworfen hätte, um seinen verfickten Willen zu bekommen.

Leider war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man ihm durch die Visage trampeln würde, und das war ihm die Verzweiflung der Maskenbildner doch nicht wert. Und darüber hinaus käme er in der Pelle dieser ekelhaften, in seinem Schweiß getränkten Lacklederhose wohl kaum allein wieder hoch… Er durfte schon froh und dankbar sein, wenn er sie überhaupt allein ausgezogen bekam. Je weiter man oben war, desto infantiler wurde man behandelt.

„Packst du die Zugabe überhaupt noch, Prinzessin?“ Kisame klopfte ihm spöttisch auf den Rücken. Deidara grinste boshaft, als der auf ihm verstreute Bodyglitter daraufhin auf einen neuen Wirt übersprang.

„Ich will dich mal sehen, Hackfresse – du würdest nicht so einen Scheiß labern, wenn du nicht hinter deinem kleinen Trommelkasten deinen Hintern plattsitzen würdest, hm.“

„Wenn mich das mal davon erlöst, mir deinen mickrigen Arsch anschauen zu müssen, ist das doch mal ‘ne Idee“, grunzte Hidan und wischte sich mit einem Handtuch über sein erhitztes Gesicht. Es war die dritte Zugabe gewesen, und so ungern Deidara es zugab, seine Energiereserven waren ausgebrannt. Was durchaus fair war, wenn er die ganze Zeit dieses Gehampel zur allgemeinen Bespaßung vortragen musste, während die anderen hinter ihren Instrumenten halbherzig mitschunkelten. Halbherzig. Das war so ein ungewöhnlich treffendes Wort, und Deidara hasste Menschen, die nicht alles gaben, wenn es darauf ankam. Es mussten hundert Prozent sein und nicht weniger.

Wohingegen es immer legitim klang, hundertzehn Prozent zu geben, und das wiederum war blanker Größenwahn, gepaart mit fortgeschrittener Dämlichkeit.

„Du darfst dich gern an Kisames strammem Rektalbereich erfreuen, sobald wir hier durch sind, hm.“ Deidara fuhr sich durch sein zerwühltes Haar und unterdrückte den Drang, sich die Kopfhaut zu kratzen. Er trug Clip-in-Extensions (denn egal, was diese Idioten mit seinem Haar anstellten, dieses Maß an Fülle erreichte kein vernünftiger Kopf allein), und sie juckten scheußlich, mal ganz davon ab, dass sie schwer waren. Sein Nacken schmerzte von der Anstrengung, sie herumzuwirbeln – man konnte nicht das Haar eines Sexgottes tragen, ohne entsprechendes Muskelaufbautraining zu betreiben, aber man hatte ihm explizit verboten, zu viel Muskeln anzusetzen. Keine zu breiten Schultern. Kein zu knotiger Hals. Kein zu vorgewölbter Nacken. Es gab keinen Zoll seines äußeren Körpers, den Deidara selbst bestimmen konnte, alles war säuberlich abgesteckt wie die Grenzen von feindlichen Nationen.

Umso besser, dass ihm seine verdammte Lunge gehörte, und die ruinierte er, wie es ihm passte. Unwillkürlich wandte sein Blick sich zur abgesperrten Tür nach draußen, und die Sehnsucht nach glimmendem Tabak wallte ungewohnt stark in ihm auf. Seine Finger begannen zu zittern. Selbst das Wasser, das man ihm reichte, schien nach Nikotin und Teer zu schmecken, allein der erlösende Qualm fehlte.

Eine kühle, glatte Hand auf seiner Schulter, die kurz zwei Finger auf seine pochende Halsschlagader drückte. Deidara hatte längst aufgehört, bei plötzlichen Berührungen aus der Haut zu fahren, auch wenn er jetzt nicht übel Lust gehabt hätte, Kabuto seine Wasserflasche ins Gesicht zu donnern.

Nicht jetzt. Nicht vor den Roadies, die auf eine Anweisung warteten, wie sie mit der Bühne verfahren sollten. Nicht hundert Meter entfernt von einem kreischenden, tobenden Meer von Östrogen. Und vor allem nicht vor diesen Arschlöchern von Bandkollegen, die keine Blöße von ihm zu sehen bekommen würden.

„Hältst du das durch?“, erkundigte Kabuto sich in einem neutralen Ton, von dem jeder annehmen würde, er schlüge ihn an, um Deidaras männlichen Stolz zu schonen. Tatsächlich wussten sie beide, worum es ging, nämlich dass das Maß an Erschöpfung und euphorischer Energie fein austariert sein musste, und sie sich keine Patzer leisten konnten. Es gab einen genauen Plan, wann er müde sein konnte: während der Tour, und das hier war keine Tour. Was er hier nicht schaffte, musste er später doppelt und dreifach wettmachen.

Er hielt immer durch, nicht mehr und nicht weniger.

Deidara lächelte, leise, abfällig. „Wann habe ich dich je enttäuscht, Babe, hm?“

Kabuto lächelte dünn zurück und wischte etwas Glitter an seiner Hose ab.

„Du bist ekelhaft.“ Itachi schüttelte den Kopf, während er minutiös Schweiß aus seinen Fingerzwischenräumen trocknete. Allein seine monotone Stimme ging Deidara auf die Nerven, und erneut schien sich die Schwerkraft der Flasche in seiner Hand aufheben zu wollen.

„Weißt du, manchmal machst du mir Sorgen, Tatschi, hm.“

„Ah. Ich hoffe, es kostet dich keinen Schlaf.“

„Du meinst, wenn ich nicht gerade wach liege und von deiner markerschütternden Langweiligkeit fantasiere, hm?“ Deidara schnalzte klickend mit der Zunge. „Dafür…“

Sasori räusperte sich dezent. Nicht, weil er ihren Streitigkeiten irgendein Interesse entgegenbrachte (der Kerl sah schon wieder aus, als wollte er flauschige Hundewelpen töten und ihr Gehirn essen), sondern weil sie sich in ihrem Tonfall hart an der Grenze zur offenen Feindseligkeit bewegten. Das durfte nicht passieren – offenbar war er doch erschöpfter als gedacht. Nichts an der Bühne strengte ihn mehr an als dieses Geschrei. Für seinen Namen war das okay, auch für eventuell sofort zu vollziehende Kinderwünsche, spontane Strips, Dates mit ihren Muttis oder eine fetzigen Partie Seifenkistenrennen, was auch immer den Mädels heutzutage Spaß machte. Aber nicht dieses Mantra. ‚Ich liebe euch!‘

Ich liebe euch – hat doch damit nichts zu tun. Ich liebe euch, es war nicht mein Fehler. Ich liebe euch, warum denkst du, ich könnte das nicht tun? Ich liebe dich, auch wenn’s nicht so schien.

Und jetzt drosch er dieselbe Phrase. Autogene Selbsttherapie, oder eben sein ganz privater Insiderwitz. Und seine Kopfhaut juckte wirklich wie verrückt. Deidara fuhr sich mit der Kante seines Daumennagels über die Unterlippe und versuchte, das Zittern seiner Finger zu unterdrücken. Die anderen hatten sich bereits zum Gehen gewandt und tauschten irgendein grenzdebiles Gegrunze miteinander aus. Die Versuchung, aus hundert Prozent achtundneunzig zu machen, war groß.

Konan trat vor ihn und tauchte ein Wattestäbchen in feucht glänzenden, rosenholzfarbenen Lipgloss. Im Grunde war sie gar nicht anders als er, nur dass die Auflagen ihres Körpers darin bestanden, alles zu unterdrücken und sorgsam zu verschandeln. Deidara hätte mit ihr sympathisiert, aber bei hundert Prozent blieb für diesen sentimentalen Kindergartenkram keine Energie. Sie brauchte seine zwei Prozent Mitgefühl nicht, und er wollte sie ihr auch nicht geben. Perfekt.

Deidara legte den Kopf schief und öffnete die Lippen einen Spalt, um sie das Makeup nachbessern zu lassen, gefährlich nah an seiner Netzhaut mit dem Kajal zu hantieren, bis er sich vorkam wie ein dämliches Küken in einem Einzelnest. Dann folgte er den anderen über den kurzen Flur, zurück zur Bühne. Der Tumult schwoll wieder an, als hätte man ein Ventil geöffnet, und Deidara lächelte, das Zittern seiner Hände ließ nach, verdrängt von der Gewissheit, dass er die Kontrolle über seine Muskeln jetzt brauchte. Im Licht der Scheinwerfer war es unerträglich heiß, und Schweiß schoss wieder aus jeder Pore seines Körpers, als er die Arme ausbreitete und einen ekstatischen Ausdruck nachahmte (Frauen waren beileibe nicht die Einzigen, die manchmal einen Orgasmus vortäuschen mussten). Hidan fing schon wieder zu früh an zu spielen und zerrte Itachi mit sich, der daraufhin die paar Riffs überspringen musste, die er schon konnte – für sein kleines Kadavergehorsam-Gehirn vermutlich eine Katastrophe, der gleich ein Kurzschluss folgen würde.

Neues Adrenalin ließ ihn schneller denken, bis seine eigenen Gedanken so schnell waren, dass sie an ihm vorbeiflogen. Bevor irgendjemandem die Disharmonie auffiel, verneigte Deidara sich (und egal, was Hidan behauptete, sein Arsch war über jeden Zweifel erhaben!) und fischte etwas aus dem Teppich hormonbeladener Devotionalien am Rand der Bühne. Seine Finger ertasteten in diesem Moment ein bisschen glitschige Seide, und als er den roten String in die Höhe hielt, ging ein schrilles Kreischen durch das Meer erhobener Arme.

Hatten diese Weiber keine Ahnung, wie himmlisch es war, das nicht tragen zu müssen?! Ein Stringtanga! Den hatte ihm unter Garantie Kabuto hier hingeschmissen, um ihn darauf einzustimmen, womit er sich demnächst die Nüsse klemmen durfte.

Hidan hatte den Beat wieder. Itachi nicht, aber das fiel nicht weiter auf. Ohne dass sein verruchtes Lächeln auch nur schwankte, drehte Deidara den String zwischen seinen Fingern, dann öffnete er den Mund. Die Kamera erfasste ihn und übertrug sein Gesicht aus der Nahaufnahme auf die Bildschirme, jedes winzige Detail, jedes verschmierte Makeup, das Konan so umsichtig noch gerichtet hatte. Als die Godzilla-artige Vergrößerung seines Selbst die Zungenspitze über das schmierige Stoffdreieck gleiten ließ, steigerte sich der Tumult zum Pandämonium.

O Gott, er würde sich überlegen müssen, sich die Zigarette diesmal mit dem glühenden Ende voran in den Mund zu stecken.

 

„Wenn Gonorrhö auch oral übertragbar ist, dann hast du es verdient.“ Sasori spießte mit angewiderter Miene ein Stück schlaffen Chicorée auf und drehte es in der Soße, bis das gequälte Gemüse sich in seine Einzelteile aufzulösen begann. Deidara lachte.

Am Abendessenstisch arbeitete jede gute Familie ihren Tag auf. Kabuto befürchtete allmählich, dass das bedeutete, dass auch sein Magen sämtliche Mahlzeiten der letzten acht Stunden aufarbeiten würde, um sie ihm dann zur Ansicht zu präsentieren.

„Hey, Gonorrhö ist Tripper. Oder für Itachi: das, was passiert, wenn man drei Tage hintereinander nicht den Spinat aufisst.“ Kisame schüttelte grinsend den Kopf. „Mann, du bist eine kranke Drecksau, Tuntenbrigade.“

Kabuto wollte gar nicht so genau wissen, ob das in seiner Stimme Respekt oder Ekel war. Fakt war, Deidara hatte mit seinem spontanen Blowjob aus der sicheren Entfernung von zirka zwanzig Metern eine neue Schlagzeile gemacht, sowohl für die Presse als auch für CL. Sie waren gezwungen, sich miteinander zu beschäftigen, und doch hätte er sich gewünscht, der Sänger wäre nicht ganz so offensiv geworden. Die Eltern der Mädchen so abrupt zu provozieren erforderte feinfühligen Umgang und beeinflusste mehr als die Band, es konnte so weit kommen, dass Madara sich einschaltete, weil sein Label ebenso betroffen war, und Kabuto würde ihm keinen Fußbreit Einmischung gestatten. Ein Zwei-Fronten-Krieg, der möglichst noch die Publicity bringen sollte, die es brauchte, und das nur, weil Deidara eine aufmerksamkeitsgeile Nervensäge ohne Würgereiz war.

Aber wer rechnete denn auch mit den fatalen Auswirkungen von Haarspray auf das menschliche Gehirn, noch dazu dem einer Blondine.

Deidara grinste unübersehbar überheblich. Er hatte sich abgeschminkt und sein schon leicht obszönes Quetschkostüm gegen Trainingshose und T-Shirt eingetauscht, und in seinem Haar verbargen sich immer noch feuchte Strähnen vom Waschen. Er hatte sein Essen bisher kaum angerührt, und Kabuto erkannte in seinen noch geweiteten Pupillen den Einfluss eines anhaltenden Adrenalin-Schubs und den Triumph der Selbstbestimmung. Er würde den Jungen in Zukunft vorerst an der kurzen Leine halten müssen. Mit Elektrohalsband.

„Nach deiner Logik wird das Antibiotikum dann also rektal eingenommen, damit es nicht zu komplex wird. Gut zu wissen.“ Itachi schien ebenfalls keinen Appetit zu haben, allerdings vermutete Kabuto in seinem Fall, dass ihm die Thematik auf den Magen schlug. Die Jungfrauen von heute waren zu zartbesaitet.

„Ich kann nicht glauben, was du für einen Scheiß redest – du erträgst nicht mal totes Fleisch, wie steht’s dann mit Lebendem, Familiengruft?!“ Wie um unter Beweis zu stellen, was er meinte, wedelte Hidan mit dem blutigen Stück Steak auf seiner Gabel herum, an der etwas Fleischsaft herunterrann. Itachi musterte ihn bohrend, doch Kabuto entdeckte den Ekel hinter seinem langsamer werdenden Kauen. „Wenn deine Hirnrinde nicht längst aus Verzweiflung vertrocknet wäre, würde dir auffallen, dass das nichts miteinander zu tun hat.“

„Und wenn du deinem eigenen pseudo-makrobiotischen Gelaber selbst glauben müsstest, könnte ich dich anstecken, obwohl du doch so ein braver Junge warst – wie steht’s, soll ich dich küssen, hm?“ Deidara hob eine Augenbraue, als zöge er in Erwägung, sich quer über den Tisch zu setzen, wo Itachi ihn für einen Moment tatsächlich mit stummem Entsetzen anstarrte. Für gewöhnlich hätte Kabuto dahinter nur das übliche Karussell gegenseitiger Provokation gesehen, allerdings war Deidara derzeit unberechenbar. Und solange Itachi es ablehnte, mit genauso herzhafter Häufigkeit Witze über Sex zu reißen, würde ihm ewig eine gigantische Zielscheibe unter die Gürtellinie gemalt sein.

„Was er meinte“, schaltete Kabuto sich versöhnlich ein, während Sasori mit einem nassen Klatschen Kressesprossen aus seinem Salat sortierte. Er hatte die aufkommende Gewohnheit, seine Mahlzeiten nach ständig wechselnder Kategorisierung zu essen. Früher oder später konnte er damit wohl jeden Koch zum Weinen bringen. „… ist dass wir diese Aktion eher von Hidan erwartet hatten.“

Oder anders gesagt, der vulgäre und schlüpferlutschende Rockstar ist schon vergeben, du spaghettihaariger Volltrottel, und es wird nicht auf fremdem Gebiet gewildert. Und ob es dir passt oder nicht, das schließt Itachis Wohlfühlzone von der Größe eines Baseballfeldes ein.

Jetzt spielte er schon den Tugendwächter. Grausam.

„Ach, so ist das. Und, heulst du schon vor Neid?“ Kisame schien als Einziger in der Lage, sein Abendessen selbstständig und ohne Stochern, Kleckern und Sabbern durchzuführen. Wenn er sich jetzt noch um zehn ins Bett schicken ließ, würde Kabuto ihm Personalausweis und Papiere abnehmen, damit der Kerl sich bloß nie mehr verpisste.

Hidan schaufelte den Rest seines Steaks in den Mund, nachdem er ausreichend damit herumgefuchtelt hatte wie ein Steinzeitmensch mit einer hart erjagten Stange Sellerie. Als Ausgleich dafür kaute er kaum.

„Nicht vor allen Leuten, Mann. Aber wenn ich irgendwann mal nicht die Fotze nehme, sondern einen Fetisch für die Scheiße von kleinen, weißen Würmern habe, dann frage ich den Homofürsten.“

„Ich gehe.“ Sasori legte sein Besteck abrupt in die Styroporschale, aus der er gegessen  hatte (oder vielmehr gewütet hatte, dem Massaker nach zu urteilen) und stand auf. Bei seinem Anblick verspürte Kabuto ein kurzes, warnendes Pochen in seinem Nasenbein, das ihm die kleine Schlägerei unter Berufsfeinden noch nicht verziehen hatte, aber dank entsprechender Kühlung nicht angeschwollen war.

Seit wann brauchte man denn nicht mehr Mommys Okay, um vom Tisch aufzustehen, bevor man aufgegessen hatte? Bestenfalls vegetative Gehirnaktivität war doch kein Grund, die Erziehung zu vernachlässigen. Kabuto würde ein ernstes Wörtchen mit Sasoris Mutter reden müssen, wenn die Frau endlich aus der Schönheitsfarm mit den piependen Maschinen und den stilvoll gepunkteten Hemdchen kam.

Eigentlich diente diese Bemerkung nur dazu, anzukündigen, dass sein so geliebter Keyboarder heute Abend nicht mehr zur Verfügung stand. Dabei wusste Kabuto gar nicht, was sie ohne einen lebensmittelvergewaltigenden Giftzwerg in ihrer Runde anfangen sollten. Außer tief betrübt und still in ihre Ärmel zu weinen, natürlich.

Er würde das so lange nicht ruhen lassen, bis sein Schmerzgedächtnis endlich diesen Headbutt vergaß.

„Schlaf schön.“ Kabuto lächelte kamerareif. Wenigstens das kriegst du doch hin, du kleiner Möchtegern-Berserker. Der Großteil deiner Hirnrinde ist eh dauerhaft ausgeschaltet.

„So ganz ohne warme Milch mit Honig? Bist ja’n wildes Ding, Rotkäppchen.“ Kisame hob seine widerliche Polaroid-Kamera und portraitierte Sasoris unfreundlichen Blick für die Ewigkeit. Diesmal wurde wenigstens keine weitere Prügelei erwogen – entweder war Kisame einfach zu groß und zu kräftig, oder Sasori stufte diese Beleidigung als relativ flach ein. Oder er war müde. Kabuto war nicht entgangen, dass gewisse Erschöpfungserscheinungen sich bei allen zeigten, nur oberflächlich und morgen wieder behoben. Aber nach sechs Tagen, in denen man seinen verhassten Bandkollegen gegenüber auf der Hut sein musste, mochte das anders aussehen.

Hidan kratzte sich an dem verschorften Riss in der Unterlippe und wischte mit dem Handrücken etwas Blut aus der Minimal-Verletzung. Kabuto ließ seine Brille ein Stück das Nasenbein herunterrutschen, um es nicht so genau zu sehen.

Dreh deine geistige Sparflamme doch mal einen Moment auf, und wenn du sie mit den Fäulnisgasen deiner toten Gehirnzellen antreiben musst. Du sollst verdammt noch mal geschniegelt aussehen, dein armseliger Kratzer hatte seinen großen Tag! Wenn du das zu einer Narbe ausweitest, werde ich dein ausgeblasenes Ei von Kopf-

Kabuto betäubte seinen plötzlichen Ärger mit einem Schluck Kaffee. Er stand nur minimal unter Stress, doch das war gut. Cortison und Koffein hatten ihn bis jetzt immer über Wasser gehalten. Außerdem musste er nicht in dieser fahrenden Jugendherberge schlafen, und allein das beruhigte seinen Puls immens, bis sein Herzschlag den Takt eines hämischen ‚Ha-haaas!‘ anschlug.

„Was ‘ne Schwuchtel.“ Offensichtlich hatte Hidan seine Lieblingsbeleidigung schon viel zu lange nicht mehr benutzt.

„Die Homo-Vibes nisten sich demnächst bei dir ein, Zuckerpo – aber wenn du infiziert bist, komm nicht zu mir, hm.“ Deidara imitierte zumindest halbwegs überzeugend Hidans angewidert hochgezogene Schultern.

Hidan grinste, seine Unterlippe schimmerte immer noch leicht blutig und ließ seine weißen Zähne unheilvoll schimmern. Der Anblick versorgte Kabuto mit der lauen Anregung, demnächst mal wieder ein Fotoshooting mit Fantasy-Cast zu machen. Er hätte schon eine perfekte Besetzung für den Vampirgraf von Homophobia.

Ansonsten nicht mal eine schlechte Idee, sobald seine Lippe verheilt war.

„Wenn’s so weit ist, erwarte ich dich mit einem Pflock aus Strass und Gleitgel, du Transe.“ Er trat mit seiner Ferse gegen den Tisch, der zwar aufgrund der Stabilität im Bus am Boden festgeschraubt war, doch dadurch ins Vibrieren geriet und beinahe die Becher umstieß. Während derjenige, der in Deidaras Schoß landete, bereits leer war, hielt Itachi seinen nur mit einem ungewöhnlich geschickten Manöver davon ab, sich auf seine Hose zu ergießen.

Kabuto war ihm dankbar. Er glaubte nicht, dass er den Geruch von Zitronentee ertragen hätte. Sein eigener Becher schwappte nur minimal, als sein Griff sich festigte. Er hätte Itachi ja angelächelt, doch die  Jungfrau hatte sich wieder ihre Stöpsel in die Ohren gerammt, wahrscheinlich um sein Hörspiel von ‚50 Shades of Spaßlosigkeit‘ in Ruhe genießen zu können.

„Hier wird niemand irgendwen heimsuchen“, mischte Kabuto sich ein, bevor Deidara die Steilvorlage mit dem Pflock gebührend ‚pfählen‘ konnte. „Ihr solltet euch einigen, wie ihr die Bettenaufteilung gestaltet. Zwei Stockbetten und ein Einzelbett, Jungs.“

Falls das nicht schon genug nach Klassenausflug klang. Kisame schien denselben Gedanken zu haben. „Ah. Frühstück um acht, immer schön den Sonnenhut aufsetzen, und wer Heimweh hat, geht zum Heulen in den Schrank?“

Halt die Fresse. Und ansonsten: ja, genau das heißt es.

„Auf die Gefahr hin, dass der Schrank gleich voll ist – Sasomaso gehört mir, hm.“ Deidara verpasste der leeren Sitzfläche neben sich einen kurzen Klaps.

„Das ist nicht fair, wieso hat der Zwitter schon die komatöse Hühnerbrust abgegriffen?! Der hält ja wenigstens den Rand!“ Hidan stemmte seinen zweiten Fuß gegen den Tisch, und Deidara lachte. „So heiß auf ihn, hm?“

„Schließ‘ nicht immer von dir auf andere, Enddarmakrobat. Hackfresse, du schläfst mit dem Chorknaben. Hol dir keinen Schnupfen von seiner frigiden kalten Schulter, ich bin sicher, du darfst ein bisschen mitbeten.“

Kisame schmunzelte, aber Kabuto entging nicht, dass er Hidans abschätzige Gesten mit einem lauernden Glitzern in den Augen verfolgte. Es besagte in etwa: ‚Ich hau dir auf die Fresse in 3…2…1…‘ Erstaunlich, dass er sich ärgerte. Es lag schließlich in Hidans Wesen, andere durch seine Versuche, die Kontrolle über die Situation zu übernehmen, entweder zu verunsichern oder zu reizen. Er besaß sogar ein gewisses Charisma dafür, und Kisame reichte es für gewöhnlich an Gegenwehr, sich nicht mitziehen zu lassen.

Wenn diese Strömung Madaras dreckige Fingerabdrücke trug, würde Kabuto seinem Drummerboy persönlich Valium schießen.

„Seit wann entscheidest du das, du kleiner Arschkriecher?“ Kisames kräftige, fleischige Finger trommelten auf das Polster. „Du wärst mit Itachi ganz sicher… Vorausgesetzt, du lässt ihn mit seinen langen Zotteln nicht als Frau gelten.“

Himmelarschundzwirn, warum taten diese Idioten eigentlich einstimmig so, als müssten sie in Ehebetten schlafen und nicht in Stockbetten?! Offensichtlich hatten sie auf Klassenfahrten nie erprobt, dass die Dinger wirkungsvollere Tugendwächter waren als Stacheldraht-Elektrozäune. Und sie konnten einem auch in etwa so weh tun.

Itachi hörte auf, so zu tun, als wüsste er nicht, dass über ihn in der dritten Person gesprochen wurde. Während er etwas an dem iPod in seiner Tasche verstellte, musterte er die anderen unter seinen dunklen Wimpern hervor.

Deidara lachte und schien überhaupt keine Motivation zu haben, sich schlichtend einzuschalten. Natürlich nicht. Dass Sasori und er eine Abmachung getroffen hatten, von der der Sänger auch nicht zurücktreten wollte, war noch etwas, das Kabuto störte wie ein Juckreiz an der Fußsohle, wenn man gerade Schuhe trug. Welchen Nutzen hatten die beiden aneinander? Hoffentlich nicht die erotische Anziehung langen Haars. Itachis konnte ja abgeschnitten werden, aber bei Deidara gehörte es genauso zum Kapitel wie seine Beine, sein Arsch und seine mittelmäßige Stimme. Und seine neu auftretende Unberechenbarkeit.

„Warum spielen wir nicht darum?“ Itachis Mundwinkel zuckte schwach und verlieh seinem strengen Gesicht einen beinahe milden Ausdruck. Seinem Blick war schwer zu entkommen, er konnte Menschen festhalten wie eine Spinne ein Insekt in ihrem Netz, und in etwa so subtil. Einer der Gründe, warum Kabuto ihn rekrutiert hatte und nicht den jüngeren Bruder der Familie Uchiha.

„Häh?!“ Hidan hob spöttisch eine Augenbraue. „Was’n, Lady Lollipop, etwa Twister?“

Kisame schnaubte und klatschte sich vielsagend gegen die Stirn. Itachi rückte einen seiner Kopfhörer zurecht und sah zur Seite. „Nur so eine Idee“, sagte er sanft und trank seinen Tee aus.

Kabuto betrachtete das Thema somit als beendet und verließ den Bus wenig später, nachdem die Jungs ganz primitiv eine Münze geworfen hatten. Das Interesse war schließlich schnell erloschen, und er hatte noch mehr zu tun, damit morgen alles glatt lief.

So viel, dass er sich nicht mehr fragte, ob es nicht ungewöhnlich war, dass die Band sich nach seinem Aufbruch nicht zerstreut hatte, als gäbe es noch etwas zu bereden.

 

Deidara wachte immer langsam auf.

Er hatte einen niedrigen Blutdruck, und das konnte in vielen Lebenslagen ein echter Nachteil sein. Man war meistens nicht früh genug wach, um morgens unauffällig zu verschwinden. Man kam nicht sofort hoch, wenn es darauf ankam. Eine Zeit lang hatte er auch bei den Proben kurze Pausen gebraucht, um Schwindel zu vermeiden. Sein Kreislauf gewöhnte sich daran, weil er es so wollte, aber nachts war er so unerbittlich wie eh und je.

Es war tatsächlich noch Nacht, erkannte er. Der Bus ließ sich gut verdunkeln, dennoch konnte man das orangefarbene Licht von Laternen nie mit der Dämmerung verwechseln. Es dauerte lange, wenn er nicht durchschlief, und sein Bewusstsein fuhr so träge hoch wie ein altersschwacher Rechner.

Offensichtlich war er doch noch aufgebracht. Deidara blinzelte und konzentrierte sich auf das ruhige Atmen. Er wusste nicht, warum er aufgewacht war, und jetzt suchte er sich die Fetzen des Schlafs zusammen. Er lag auf dem Bauch, sein Haar wieder überall auf dem Kissen verteilt, über seinem Gesicht, einen Arm unter sich vergraben, sodass er ihn nicht mehr spürte. Sein anderer Arm… Wo war der noch mal? Ah, da. Unter seinem Hals, wo das Kissen endete. Der Nagellack fühlte sich unangenehm warm darauf an, er hasste dieses Zeug.

Verdammt. Er hoffte, dass Hidan sie gefickt hatte, und er hoffte, dass es richtig mies gewesen war. Die Art von Sekundenfick, die schneller schal wurde als in der Sonne stehende Cola, und während deren Durchführung man sich schon fragte, warum man das gewollt hatte. Oder es nicht aufhielt, aber da war’s ja schon vorbei. So armselig, dass man es nicht mal in den Bettpfosten einritzte. So unglaublich scheiße, dass es gar nicht als Sex galt, sondern als… unglückliches Missverständnis.

Angenehm, so was zu denken, dafür nicht gerade einschläfernd. Immerhin, ab morgen würden sie das Spiel spielen, und wenn er ehrlich war, war es interessant. Kisame hatte den Münzwurf gewonnen, also hatte er das Einzelbett für diese Nacht. Aber Deidara hatte den zweiten Wurf gewonnen, und er würde sich das Spiel für den kommenden Abend überlegen. Es würde nichts mit dämlichen Münzwürfen zu tun haben.

Er spürte, dass er lächelte, als eine schwache Erschütterung durch das Bettgestell ging. Sein Verstand war noch nicht wach genug, um zu begreifen, woran das lag, oder von wo es kam. Es dauerte lange. Deidara öffnete seine Augen mühevoll etwas weiter und blinzelte.

Für eine Sekunde sah er Itachi. Sein Haar offen, seine Augen dunkel und geweitet wie ein schwarzer Mahlstrom, die Lippen zu einer langen, dünnen Linie gepresst. Sein Haar ließ seine angespannte Miene härter wirken, fast atemlos. Deidara begegnete seinem Blick, doch er war nicht sicher, ob Itachi eigentlich wahrnahm, dass er wach war.

Was bitte tat der Kerl?

Er bildete es sich ein. Das bestimmte sein Gehirn mit absoluter Sicherheit und zog den Stecker seines Bewusstseins einfach wieder. Er würde sich nicht erinnern.

 

A/N: Das hat jetzt ein Jahr gedauert, und dann passiert im Kapitel auch noch so gut wie nichts – aber ich wollte die Fanfiction auch nicht erhängen. Falls das also noch wer liest, wir sind hier noch nicht fertig! Danke für die Intervention. Ich bin nicht stolz drauf, aber manchmal muss es bei mir sein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2013-04-20T15:03:37+00:00 20.04.2013 17:03
Yeah endlich ein neues Kapi!!!
Von:  Neven
2013-04-08T14:07:14+00:00 08.04.2013 16:07
Ich finde es gut, dass wir hier noch nicht fertig sind. XD Gut, dass es anscheinend eine Intervention dazu gab.

Mir hat dieses Kapitel sehr gefallen, vor allem weil ich so oft lachen musste. XD Du schreibst das wirklich gut und ich finde dieses AU mit den Akatsukis sehr interessant.
Und auch ich bin äußerst gespannt darauf zu erfahren was Itachi da nachts treibt. ô o
Von:  Uchan382
2013-04-07T16:18:04+00:00 07.04.2013 18:18
Yey *-* es geht weiter XD
Hatte schon sorge um die liebe FF Q-Q
Deidara ist einfach genjal dreist XD
Bin schon gespannt wie es weiter geht *g*
Auch wenn ich mir um Itachi grade Sorgen machen Q.Q°°°

Lg
Uchan ^.^
Von: abgemeldet
2013-04-07T14:18:22+00:00 07.04.2013 16:18
Ich bin froh, dass du doch noch weiter schreibst ;)
War doch gar nicht schlecht, ich bin gespannt wie es weitergeht.

LG
Von:  neko_kiara
2013-04-07T13:27:10+00:00 07.04.2013 15:27
Also mir hat das Kapitel super gefallen ^^ und ich freue mich riesig, dass es weiter geht *aufgeregt auf und ab hüpf*
Was Itachi wohl bei Sasomaso im Bett wollte, dieser Schlingel. Und warum wollte Sasori überhaupt mit Deidara in ein Zimmer (wobei ich mich vage erinnere, dass Sasori eigentlich unten schlafen wollte, aber was solls)
Bin schon unglaublich gespannt darauf wie es weitergeht.
PS: Warum macht Kisame eigentlich mit so einer Vorliebe Fotos von Sasori? Oder kommt mir das nur so vor.
Antwort von:  Palmira
07.04.2013 16:46
Zimmer gibt's nicht, das ist in Bussen gangartig angeordnet. Sasori war auch unten, aber das sieht Deidara dann natürlich vom Bett darüber aus nicht. :)


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