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Grow Up

Take you to Rio
von

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Früh arbeiten macht nur früh müde.

„Ich weiß nicht genau, was er gemacht hatte, aber Mr. Deklin hat sich sehr oft hier mit einigen Männern getroffen. Worum es ging, weiß ich nicht. Wahrscheinlich irgendwelche Geschäfte.“, erzählte der Barkeeper uns.
 

Das waren leider nicht sehr viele Hinweise und hilfreich war es uns schon gar nicht. Wir wollten ja nur wissen, wo er steckte und das half uns wirklich nicht weiter. Ich schielte zu Elias und so langsam war ich immer mehr der Meinung, dass wir einen Detektiv einschalten sollten, auch wenn wir bereits ohne Hilfe recht weit gekommen waren.
 

„Kommt jemand von diesen Männern noch regelmäßig hier her?“, fragte Lake den attraktiven Barkeeper. Dieser stützte sich mit den Händen an der Theke ab und schien zu überlegen. Sein Blick schien in die Ferne gerichtet zu sein und ein kleiner Funke Hoffnung machte sich in mir breit.
 

Der sofort erlosch, als der Barkeeper den Kopf schüttelte. „Ich bin mir nicht sicher. Es wäre gut möglich, aber ich kann mir auch nicht alle Gesichter merken.“ Lake nickte und lächelte ihm zu, ehe er uns ansah.
 

Elias zuckte mit den Schultern. Das brachte uns wirklich nicht mehr weiter. Elias wirkte deprimiert und ich konnte ihn gut verstehen. Wir kamen hier wirklich nicht voran.
 

Elias Vater hatte also hier irgendwelche Männer unter falschem Namen getroffen und krumme Geschäfte gedreht. Wofür? Um mehr Geld zu verdienen? Er war hier oft trinken gegangen, also aus Leichtsinn? Ich verstand es einfach nicht. Was war der Grund? Und wieso hatte er seinen eigenen Namen nicht verwendet? Er hätte Evelyn und Elias damit in Gefahr bringen können. Hatte er daran denn nicht gedacht?
 

Ich musterte Elias, der lediglich auf die Tischplatte vor sich starrte. Was wohl gerade in ihm vor ging? Ich wüsste es ja zu gern. Ich wollte ihm helfen, aber mir waren die Hände gebunden.
 

„Das hat alles keinen Sinn. Vielleicht sollten wir es einfach lassen.“ Elias Stimme klang resigniert. Gab er etwa jetzt schon auf? Wollte er alles hinwerfen?
 

Lake legte ihm seine Hand auf die Schulter und warf mir einen kurzen Blick zu. War hier wirklich schon Endstation für uns? Es konnte doch gut möglich sein, dass einer dieser Männer die mit Jospeh gearbeitet hatten öfter noch hierher kam. Wir müssten nur die Augen offen halten!
 

Ich beugte mich auf dem Tresen vor und sah zu dem Barkeeper. „Können Sie uns Anrufen, wenn Sie etwas hören?“ Der Typ arbeitete doch hier, dem sollte eigentlich etwas auffallen, zumindest hoffte ich es.
 

„Ich arbeite hier. Es ist nicht meine Aufgabe, meine Kunden auszuspionieren.“ Der Barkeeper warf mir einen kurzen skeptischen Blick zu. Lake beugte sich nun auch vor. „Vielleicht könnten Sie ja mal eine Ausnahme machen?“, fragte er galant und strich dem Mann vor sich kurz mit seinen Fingern über dessen Handrücken. Der Barkeeper senkte den Blick.
 

„Jungs, ihr bringt mich noch in Teufels Küche! Wenn das raus kommt, hab ich auch Ärger am Hals!“, meinte er kopfschüttelnd. Bettelnd sahen wir ihn mit unseren Dackelaugen an und ich hoffte wirklich, dass er noch mal seine Meinung ändern würde.
 

„Na ja, vielleicht lässt sich da ja was machen.“ Der Mann sah uns resigniert an und auf unsere Gesichter schlich sich ein breites Lächeln. Jetzt hatten wir ihn so weit und konnten nur hoffen, dass er etwas herausfinden würde. Das wäre wirklich großartig!
 

Elias sah ebenfalls etwas besser aus. Wir mussten nur am Ball bleiben und uns nicht abschrecken lassen, egal wie schwierig es werden würde. Hoffentlich sah er es genauso positiv wie ich?
 

Da wir den Barkeeper nicht länger von seiner Arbeit abhalten wollten, wenngleich sowieso eher wenig zu tun war, beschlossen wir die Bar zu verlassen und gingen langsam zurück zu unserem Auto. Wir würden nun warten müssen, es sei denn uns fiel noch etwas anderes ein. Mein Kopf jedenfalls war blank und ich hatte leider keinen Geistesblitz. Lake und Elias sahen allerdings auch nicht besser aus.
 

„Ist es nicht komisch, dass Joseph einen anderen Nachnamen verwendet hat? Ich meine, was hat es ihm gebracht sich für jemand anderen auszugeben?“, fragte ich in die Runde, als wir am Wagen ankamen und Elias ihn aufschloss. Erstaunlicherweise schien noch alles da zu sein, wenn man bedenkt, in welcher Gegend wir geparkt haben.
 

Wir stiegen ein und Elias zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung.“
 

„Vielleicht hatte er ja schon genug Dreck am Stecken und wäre mit seinem richtigen Nachnamen nur ins Visier der Leute geraten?“, vermutete Lake.
 

„Welcher Leute?“, fragte ich ihn und drehte mich zu Lake herum, während Elias den Wagen zurück auf die Straße dirigierte. Wir fuhren bis zu einer Kreuzung und landeten wieder auf der Hauptstraße.
 

„Na ja, irgendwelche halt! Leute mit denen er schon mal zu tun hatte und die vielleicht nichts davon mitkriegen sollten, dass er noch etwas nebenbei am laufen hatte, weil es ihn möglicherweise in Schwierigkeiten bringen könnte!“
 

Klang plausibel, aber wäre das nicht gefährlich? Mir gefiel der Gedanke einfach nicht, dass er locker Evelyn und Elias mit hineinreißen konnte. Was, wenn er irgendwo da draußen herumlief? Wenn die Leute, die ihn kannten sich Evelyn als Geisel nehmen würden oder wenn sie uns fanden, weil wir so dreist waren Elias Vater auf eigene Faust zu suchen?
 

So langsam wurde mir mulmig zumute und ich war mir wirklich nicht sicher, ob es so eine gute Idee gewesen war, Joseph zu suchen. Mal ganz davon abgesehen, dass meine Eltern sich wahnsinnige Sorgen machen würden. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie sie reagieren würden, wenn ich heimkam!
 

Lake und Elias würden da wohl eher weniger Probleme kriegen als ich. Ich sah aus dem Fenster und ließ meine Gedanken schweifen. Ich wusste nicht wohin das Ganze uns führen würde. Bis jetzt lief ja alles noch relativ einfach, aber es könnte doch sein, dass wir Ärger bekommen würden. Machte ich mir zu viel Sorgen?
 

Ich hatte mir nie sonderlich Gedanken über etwas gemacht. Seit wann ging das so? Lake meinte, ich würde Elias kopieren. Färbte der Umgang mit ihm auf mich ab? Wo war der alte Sam geblieben? Ich wollte keine billige Kopie von Elias sein. Unmöglich, wie kam ich überhaupt auf die Idee? Niemand ist gleich. Auch nicht ich und Elias. Wir waren völlig unterschiedlich!
 

Irgendwie wurde alles nur noch komplizierter. Vielleicht sollte ich einfach aufhören zu denken? Das würde mir sicher einiges erleichtern. Ironisch grinste ich vor mich hin. Als ob dadurch alles einfacher werden würde...
 


 

◆ ◆ ◆
 

Zurück im Hotel setzten wir uns in der Küche an den Tisch. Die Stimmung war noch immer bedrückt und jeder hing seinen Gedanken nach. Elias war schon die ganze Zeit ruhig. Okay, so war er schon immer, aber diesmal war er stiller als sonst. Er tat mir Leid und ich würde ihm so gerne helfen, aber im Moment war ich machtlos und hatte keine Idee was wir tun sollten.
 

„Soll ich uns etwas kochen?“, fragte Lake in die Runde und ich nickte. Etwas zu essen könnte ich wirklich vertragen. Bis auf das Frühstück hatte ich noch nichts gegessen und wir waren an diesem Tag ziemlich lange unterwegs gewesen.
 

Lake stand auf und ging zu den Tüten. Er nahm einige Zutaten heraus und ging zum Kühlschrank um das Gemüse herauszuholen. Ich sah ihm beim zerkleinern der Zutaten zu und wie er alles in eine Pfanne gab. Nach kurzer Zeit duftete es herrlich und mein Magen machte sich bemerkbar.
 

„Ich lege mich hin, bis das Essen fertig ist.“ Elias stützte sich am Tisch ab und stand auf. Ich sah ihm hinterher, als er den Raum verließ und sah dann zu Lake.
 

„Bleib hier. Er braucht auch mal ein bisschen Ruhe für sich.“ Lake sprach mit mir ohne mich dabei anzusehen und gab ein paar Gewürze zum Gemüse hinzu. Dann befüllte er den köchelnden Topf daneben mit Nudeln.
 

Ich nickte und sah auf die Tischplatte vor mir. Irgendwie gefiel es mir nicht, dass wir uns jetzt alle so anschwiegen und keiner etwas zu sagen hatte.
 

„Schwarzarbeit oder? Also ich meine, dass was Elias Vater gemacht hat, dass war doch wohl kaum richtige Arbeit, nicht wahr?“, fragte ich Lake.
 

„Sicher. Irgendwelche krummen Geschäfte hatte der am laufen. Ich frage mich nur wofür er das Geld so dringend benötigte und was er gearbeitet hatte.“
 

Ich nickte erneut und verschränkte meine Arme auf dem Tisch, legte meinen Kopf darauf und brummte leise. Ich hätte nie gedacht, dass Elias Vater solche Dinge machen würde. Ich dachte immer er hätte sie nur im Stich gelassen, weil er Angst vor der Verantwortung gehabt hatte oder weil er möglicherweise mit einer anderen Frau durchgebrannt war. Oh je, ich schaute eindeutig viel zu viele Dokusoaps mit meiner Mutter!
 

Apropos Mutter... Ein bisschen Angst hatte ich ja schon wieder zurückzufahren. Meine Eltern würden mich bestimmt irgendwelche lästigen Arbeiten machen lassen oder mir sonst was für Strafen aufdrücken. Darauf war ich nicht sonderlich scharf.
 

Mein Magen knurrte erneut, nur diesmal lauter. Lake kicherte amüsiert und stellte sich hinter mich. Er lehnte sich gegen meinen Rücken und wuschelte mir durch meine Haare.
 

„Mach dir nicht so viele Sorgen, das passt überhaupt nicht zu dir!“, meinte er grinsend und hielt meine Hände auf den Tisch gedrückt, als ich mich wehren wollte.
 

„Lass meine Haare in Ruhe!“, murrte ich. Klar, er hatte ja Recht, aber meine Gedanken abschalten konnte ich noch nicht.
 

„Sieh es mal so! Wenn wir Elias Vater nicht finden und wirklich nicht weiter kommen, auch nicht mithilfe des Detektivs, so hat er doch immer noch uns und wir kümmern uns schon um ihn, damit er uns nicht eingeht wie eine Pflanze!“, versuchte Lake mich aufzumuntern.
 

„Werde du erst mal wieder so ein Biest, dann nehme ich deinen Vorschlag auch an!“, murrte ich.
 

Lake lachte und ließ von mir ab. „Wieso sollte ich schlechte Laune haben, Kleiner? Ich bin verliebt, da habe ich keine Zeit Trübsal zu blasen!“
 

Er ging zurück an den Herd und sah nach dem Rechten. „Hol schon mal das Geschirr raus und dann kannst du Elias holen!“, forderte er mich auf. Ich kam seiner Bitte seufzend nach und ging zum Schrank, öffnete die Tür und nahm drei Teller heraus. Ich suchte noch nach dem Besteck und Gläsern. Als alles auf dem Tisch stand begann Lake die Teller zu füllen und ich ging nervös zum Schlafzimmer.
 

Elias lag auf dem Bett, als ich hinein ging. Ich betrachtete einen Moment lang seinen schmalen Körper. Von hinten sah er nicht sehr männlich aus. Seine dunklen schwarzen Haare müssten mal wieder geschnitten werden. Er hatte sich die Hose ausgezogen und lag lediglich mit Shirt und Boxershorts im Bett. Seine Haut war so blass. Ich sah auf meine Arme, die mal wieder schön dunkel waren. Kaum verbrachte ich meine Zeit im Freien bekam ich Farbe im Gesicht. Elias wirkte da eher wie eine wandelnde Leiche.
 

Ich ging zum Bett, kletterte auf die freie Bettseite und legte mich zu Elias. Ich schmiegte mich an seinen Rücken und legte ihm einen Arm um.
 

„Vielleicht sollten wir einfach aufhören?“, meinte er leise. Ich spitzte die Ohren und hatte das Gefühl etwas verpasst zu haben.
 

„Aber wieso? Wenn wir nicht weiterkommen, schalten wir den Detektiv ein, den du gefunden hast! Keine Sorge, wir finden ihn schon noch!“, versuchte ich Elias aufzumuntern.
 

Er schüttelte den Kopf. „Ich habe mir überlegt, was ich ihn alles fragen will und so weiter, aber was bringt mir das eigentlich? Schön, dann weiß ich wer er ist, dann weiß ich vielleicht auch wieso er Mum und mich verlassen hat, aber das bringt ihn ihr auch nicht mehr zurück! Sie vermisst ihn, aber ich denke nicht, dass er sich umentscheiden wird. Wir haben ihn jahrelang nicht mehr gesehen, wieso sollte er ausgerechnet jetzt noch seine Meinung ändern? Möglicherweise hat er längst ein völlig neues Leben angefangen und wenn ich dann auftauche, zerstöre ich alles und dann bin ich es, der eine Familie auseinander reißt...“
 

Ich klammerte mich an Elias und küsste ihn im Nacken. Was sollte ich ihm denn jetzt sagen? Ich wollte nicht, dass er aufgab, aber ein wenig Angst hatte ich schon. Ich wusste ja nicht, was uns erwarten würde, ebenso erging es Elias.
 

„Egal, wie du dich entscheidest. Ich bleibe bei dir.“
 

Elias drehte sich in meiner Umarmung um, so dass ich ihm jetzt in sein bitteres Gesicht sehen konnte. Ich musste schlucken. Er tat mir unheimlich Leid. Ich wollte nicht, dass er so litt.
 

„Du willst bei mir bleiben, aber nicht mit mir zusammen sein. Weißt du wie das schmerzt? Ich habe Gefühle für dich, aber wenn du sie nicht erwiderst und ich dich trotzdem jeden Tag sehe, dann geht es mir dadurch auch nicht besser. Ich will auch nicht, dass du mit jemand anderem zusammen kommst. Das würde ich einfach nicht ertragen!“ Elias versteckte sein Gesicht in meinem Hemd und hielt sich an mir fest.
 

Ich fühlte mich elendig. Allein mit meiner bloßen Anwesenheit schien ich alles nur noch schlimmer zu machen. Jetzt machte ich mir auch noch Vorwürfe.
 

Sollte ich alles so lassen wie es war? Mit Elias zusammen bleiben, mit ihm die Nächte verbringen und so tun, als wäre es wie immer? Damit könnte ich aber nicht leben. Ich wollte meine Freiheit, wenigstens ein bisschen und ich konnte nicht mit Elias zusammen sein und solche Sachen mit ihm machen, wenn ich einfach nichts für ihn empfand. Doch, natürlich mochte ich ihn sehr, aber ich wusste nicht, ob es Liebe war.
 

Ich war doch noch nie verliebt, wie sollte ich es denn wissen?
 

Wir sind immer durch dick und dünn gegangen, waren füreinander da und noch immer unzertrennlich. Wir waren Freunde, aber mehr? Konnte aus Freundschaft so schnell Liebe werden? Wann hatte Elias gemerkt, dass er mich liebte? Wann war es mehr für ihn geworden? Wieso hatte ich es nie bemerkt? Wieso empfand ich nicht dasselbe für ihn?
 

Mir schwirrten lauter Fragen durch den Kopf, auf die ich einfach keine Antwort wusste und ich hatte auch Angst davor es zu erfahren. Ich war einfach noch nicht richtig bereit für die Liebe. Konnte man dafür überhaupt bereit sein, oder überrollte es einen einfach?
 

Ich drückte Elias eng an mich und fuhr ihm mit der Hand durch die Haare. Gerade in so einer schweren Zeit fiel es mir schwer für ihn da zu sein. Ein feiner Freund war ich ihm, aber ich wollte Elias auch nichts vormachen und es dadurch nur verschlimmern.
 

„Das Essen ist fertig...“, murmelte ich leise. Elias nickte, blieb aber noch liegen und rührte sich nicht. Ich seufzte und löste mich ein Stück von ihm, damit ich mich im Bett hinsetzen konnte. „Komm schon, Elias. Wenn du jetzt auch nichts mehr isst, breche ich alles ab und wir fahren heim!“, murrte ich und zog ihn hoch. Elias sah mich lustlos an und ließ sich hinterher zerren.
 

Ich bugsierte ihn in die Küche und setzte ihn neben Lake an den Tisch. Es duftete so gut und mir lief das Wasser im Mund zusammen. Es war eigentlich nur eine Kleinigkeit, die Lake gemacht hatte, aber ich schob nun mal Kohldampf. Ich setzte mich und begann sofort zu essen. Elias hingegen aß eher wie ein Spatz, was mich ein wenig beunruhigte, weil er sowieso schon so dürr war.
 

Ich konnte ja verstehen, dass er keinen Appetit hatte, wegen der Probleme momentan, aber ich fand es nicht gut, dass er sich gehen ließ. Das würde ich wohl im Auge behalten müssen.
 

Lake sah zu mir und lachte. „Wenn du weiter so alles in dich rein schaufelst, erstickst du noch!“
 

„Na und? Wird schon nicht passieren.“ Ich versuchte langsamer zu essen und trank den Orangensaft, den Lake in die Gläser gefüllt hatte.
 

„Was machen wir jetzt noch?“, fragte ich die beiden Jungs, aber die schienen auch nicht wirklich eine Idee zu haben und zuckten beinahe synchron mit den Schultern. Sollten wir jetzt hier im Hotel versauern? Wir wussten nicht mal ob der Barkeeper sich überhaupt noch einmal bei uns melden würde.
 

„Fahren wir wieder heim oder bleiben wir hier im Hotel?“, fragte ich nach.
 

Lake zuckte erneut mit den Schultern. „Fürs Erste wäre es wohl besser wir bleiben noch ein paar Tage hier. Ich denke, dass ist das beste.“
 

Ich nickte und warf einen kurzen Blick zu Elias, der lustlos in seinem Essen herumstocherte. Scheinbar war ich nicht der einzige, der sich Sorgen um ihn machte, denn Lake sah auch des öfteren zu ihm.
 

Nach dem Essen verteilten wir uns in dem Appartement. Elias legte sich wieder ins Bett und Lake ging für eine Weile auf sein Zimmer. Ich blieb noch eine zeitlang alleine in der Küche sitzen, ließ mir einiges durch den Kopf gehen und bekam davon leider nichts als Kopfschmerzen. Es hatte alles so gut begonnen, aber nun wurde es immer schwieriger und ich wusste nicht, wie wir das noch packen sollten.
 

Ich stand auf und ging zu meinem und Elias Zimmer. Diesmal lag er unter der Decke und schien zu schlafen. Genau konnte ich das nicht wissen, da er mir den Rücken zugedreht hatte. Ich knabberte auf meiner Unterlippe und wollte zu ihm gehen, trat einen Schritt ins Zimmer, nur um meinen Fuß zurückzuziehen und im Türrahmen stehen zu bleiben.
 

Ich drehte mich um und zog die Zimmertür leise zu. Dann ging ich zu Lakes Zimmer. Dort lagen immerhin noch ein paar meiner Sachen.
 

Ohne anzuklopfen betrat ich das Zimmer und blieb fassungslos stehen. „Was machst du da?“, fragte ich Lake entgeistert.
 

Er sah ertappt zu mir. Lake lag komplett nackt im Bett und hatte die Beine leicht angezogen. Er war erregt und hielt seinen Penis fest mit seiner Hand umschlossen. Was mich jedoch mehr überraschte, war, dass Lake sein Handy über sich hielt.
 

„Schon mal was von anklopfen gehört?“, fragte er mich grummelnd und entspannte sich ein wenig.
 

„Wieso filmst du dich dabei? Wie kannst du überhaupt in so einem Moment... sowas machen?“, fragte ich ihn und blieb stocksteif im Zimmer stehen.
 

Lake sah mich einen Moment lang an und ließ seine Hand mit dem Handy aufs Bett sinken. „Wann soll ich es denn sonst machen? Wann denkst du ist denn der richtige Zeitpunkt dafür? Wenn alles vorbei ist? Ich habe nun mal Bedürfnisse und im Gegensatz zu dir, lebe ich sie auch gerne aus. Was das Handy angeht, das sollte ein Video für Jason werden. Den Typen muss man bei der Stange halten und ich stehe auf ausgefallene Dinge.“, erklärte Lake, während er sich im Bett aufsetzte und kurz auf seinem Handy herumtippte.
 

„Du spinnst doch!“
 

„Schon immer. Kleiner, wenn du etwas willst, dann raus damit, sonst lass mich in Ruhe, damit ich hier weitermachen kann!“, murrte er und sah zu mir.
 

Ich schluckte. Langsam ging ich auf das Bett zu und setzte mich auf die Bettkante. Die Tatsache, dass Lake nackt war, überging ich galant. „Ich mache mir Sorgen um Elias.“
 

„Glaubst du ich nicht? Er hat seinen eigenen Kopf, er wird schon wissen, was zu tun ist, denke ich mal.“, erwiderte Lake nur und zog sich die Decke über seine Beine.
 

„Da ist aber auch noch die Sache mit seinen Gefühlen für mich...“, murmelte ich und zupfte am Bettlaken herum.
 

„Sam, was erwartest du eigentlich von mir? Ich habe nicht auf alles eine Antwort für dich! Du musst selber herausfinden, was genau du willst. Möglichst schnell, damit Elias sich nicht ewig umsonst Hoffnungen machen muss.“
 

„Das sagt sich so einfach. Ich will nichts falsch machen!“, erklärte ich Lake und sah ihn stirnrunzelnd an.
 

„Man macht immer Fehler im Leben. Da kannst du nichts gegen tun. Nur daraus lernen und versuchen es das nächste Mal besser zu machen!“
 

„Heißt das, ich soll es mit Elias versuchen? Eine Beziehung mit ihm führen und hoffen, dass es gut mit uns läuft?“, fragte ich ihn.
 

„Das nicht, aber es wäre eine Möglichkeit.“
 

Ich schwieg einen Moment. Es war nicht das, was ich wollte. Elias wäre glücklich, aber wie würde ich mich mit so einer Entscheidung fühlen? Was, wenn ich mich so richtig in jemanden verlieben würde? Was sollte ich dann mit Elias machen? Würde er es verkraften? Er war so schon ziemlich labil.
 

„Das ist alles so furchtbar kompliziert!“, meinte ich genervt.
 

„Wer hat denn gesagt, dass es einfach sein würde?“, erwiderte Lake mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
 

Ich musste lächeln. Das Leben war für mich noch nie einfach gewesen. Seit meinem Aufwachen aus dem Koma. „Glaubst du, dass ist eine zweite Chance für mich? Damit ich einiges besser machen kann?“
 

Lake zog fragend seine Augenbraue in die Höhe. „Was laberst du da?“
 

Ich lachte leise und stand vom Bett auf. „Keine Ahnung, kam mir nur kurz in den Sinn. Ich wüsste allerdings nicht, was es da besseres geben sollte. In sechs Jahren kann man nicht so viel falsch machen, wenn man noch ein Kind ist, oder?“
 

Lake wog seinen Kopf hin und her und sah mich dann einfach nur schweigend an. „Du hast immer auf Elias aufgepasst, er hat sich dafür 12 Jahre lang bei dir revanchiert. Vielleicht bist du jetzt wieder dran, dich um ihn zu kümmern?“, meinte er vage.
 

Ich blieb kurz im Türrahmen stehen. „Ich weiß es nicht, aber es klingt schön. Dann hätte ich wenigstens mal eine Aufgabe.“
 

Ich schloss die Tür hinter mir und ließ Lake mit seinem wirren Vorhaben alleine. Ich ging zu Elias und öffnete zögernd die Tür. Ich musste lächeln. Das war doch dumm. Elias war keine Aufgabe für mich, er war mein Freund. Vielleicht nicht so wie er es sich wünschte und auch nicht wie ich es mir wünschte, aber klar war, dass wir einander brauchten.
 

Ich kletterte auf das Bett und kroch zu Elias. Vorsichtig beugte ich mich über ihn und stellte fest, dass er wirklich am Schlafen war. Er wirkte so ruhig und zufrieden. Mit meiner Hand strich ich ihm ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und legte mich dann zu ihm. Wie schon zuvor, legte ich Elias einen Arm um und schmiegte mich an ihn.
 

„Ich weiß nicht, ob ich mich noch mal richtig in jemanden verlieben kann, wenn überhaupt. Ich habe meine ganze Kindheit verpennt. Ich kann das alles nicht von heute auf morgen nachholen. Mehr Zeit bekomme ich leider auch nicht geschenkt.“, flüsterte ich leise und versteckte meine Nase in Elias Haaren. „Du bist mir wichtig, mehr als alle anderen. Ich hab dich lieb, Elias. Vielleicht tue ich es jetzt noch nicht, aber möglicherweise kann ich deine Liebe irgendwann erwidern?“
 

Ich horchte und spürte in meiner Umarmung, wie sich Elias Körper leicht durch das Atmen bewegte. Ich lächelte leicht und gab ihm einen Kuss in den Nacken.
 

Es war doch so einfach. Wieso zermarterte ich mir das Gehirn? Ich konnte doch für den Moment leben. Es war ein Wunder, dass ich überhaupt noch lebte, ich sollte mich freuen und jeden Tag genießen. Morgen könnte es schon der letzte Tag sein. Ich hatte jemanden, der mich wirklich liebte und begehrte, wann würde ich diese Person noch mal finden?
 

Fing nicht sowieso alles mit Freundschaft an? Wenn man nicht miteinander befreundet wäre, wie sollte dann mehr aus einer Beziehung werden? Nur von Sex allein funktionierte so etwas nicht.
 

Leise seufzte ich. Meine Aufgabe war nicht Elias. Meine Aufgabe war es, endlich mal anzufangen zu leben, so wie ich es wollte, auch wenn ich es nicht jedem Recht machen konnte. So war das eben.
 

Vielleicht machte ich einen Fehler, einen großen Fehler, aber machte es mich nicht auch stärker? Den kleinen Sam gab es nicht mehr. Ich war jetzt 18 Jahre alt. Ich wollte nicht mehr meinem ganzen Leben hinterher trauern, was ich alles verpasst hatte und was ich machen wollte. Ich konnte es genauso gut jetzt noch machen.
 

Ich drückte Elias Körper fester an mich. Es war wohl langsam an der Zeit, meinen Arsch zu bewegen und den anderen nicht mehr nachzusehen, sondern aufzuholen und gleichauf mit ihnen zu laufen. Ich musste mich von meinem Schatten befreien und meine Vergangenheit ruhen lassen. Krampfhaft darüber nachzudenken würde sie mir auch nicht zurück bringen. Dann wusste ich eben nicht, was es mit dem Unfall auf sich hatte und wenn schon? Es gab Wichtigeres im Leben.



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