Zum Inhalt der Seite

Der fremde Freund

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Milly Ashford, Part I

Die Inszenierung beginnt mit Musik.
 

Es ist eine Sinfonie aus metallischen Klängen, misstönend und schrill, tödlich und dem Tode geweiht. Schwert und Revolver, im Kampfe vereint. Der Revolver liegt schwach in der Hand des Tyrannen und verweht schon bald mit einem kläglichen Schrei im Wind. Mit dem Revolver verklingt auch die Sinfonie, doch die Stille währt nicht lang.
 

Der Tyrann weicht einen Schritt zurück. Eine neue Melodie ertönt, die tödliche Melodie eines Schwertes, das in dunkler Bestimmung die Luft durchbohrt. Das Schwert senkt sich über den Tyrannen. Der Tyrann lächelt.
 

---
 

Lelouch vi Britannia, der vermeintlich tote Thronfolger des Heiligen Britannischen Reichs, ächzte unter dem Gewicht ihrer Einkaufstüten. Milly wusste, dass sie vielleicht etwas Mitleid für ihn aufbringen sollte, aber dafür war sie viel zu amüsiert. Ich sollte ihn öfter dazu verdonnern, mich beim Einkaufen zu begleiten, dachte sie. Dann habe ich was zu lachen und er bekommt das Training, das er so bitter nötig hat. Eine eindeutige Win-Win-Situation!

Bei jedem anderen Jungen hätte sie vermutet, dass dieser seine Erschöpfung nur vortäuschte, um auf diese Weise sein Missfallen kundzutun, aber bei Lelouch war es anders. Lelouch würde sich niemals absichtlich eine Schwäche anmerken lassen, eher im Gegenteil – Lelouch bemühte sich in Gegenwart anderer immer, möglichst selbstsicher und besonnen aufzutreten. Und weil er schon von Natur aus eine unvergleichliche Würde und Arroganz ausstrahlte, war es umso amüsanter, ihn in diesem Zustand zu sehen.

„Hey, Lelouch!“ Milly versuchte halbherzig, ein Grinsen zu unterdrücken, und scheiterte auf ganzer Linie. „Beeil dich mal ein bisschen, wir haben noch viel zu tun, wenn wir mit dem Einkaufen fertig sind! Außerdem ist es nicht mehr weit bis zum nächsten Schreibwarenladen, also stell dich nicht so an!“

„Schreibwarenladen?“ Sie meinte, milde Entrüstung aus seiner Stimme herauszuhören. “Aber wir waren doch eben erst in einem Schreibwarenladen!“

„Ich weiß, ich weiß!“ Milly winkte ab. „Aber die haben da keine guten Poster, leider. Hatten sie noch nie. Deshalb müssen wir jetzt noch mal in einen anderen Laden.“

„Milly.“ Jetzt konnte sie deutlich spüren, wie sehr er sich darum bemühte, ruhig und sachlich zu bleiben. „Wenn du von Anfang wusstest, dass es im ersten Schreibwarengeschäft nicht alles gibt was du brauchst, warum sind wir dann nicht gleich in das zweite gegangen?“

„Na, ist doch klar! Weil ich für die Flyer buntes Papier brauchte, und das ist nirgendwo besser und günstiger als dort! Wenn ich morgen für den Vorsitz des Schulrats kandidiere, muss alles perfekt sein. Und jetzt hör auf, unnötige Fragen zu stellen und geh weiter!“ Sie tänzelte um ihn herum, legte ihm beide Hände ins Kreuz und schob ihn vor sich her wie ein Auto, das mitten auf der Straße liegen geblieben war. Er ließ es über sich ergehen, als sei es das Normalste auf der Welt und lief tatsächlich etwas schneller, hörte aber nicht auf, unnötige Fragen zu stellen.

„Ich verstehe trotzdem nicht, warum du wegen dieser Wahl so einen Aufstand machst. Es steht doch sowieso schon längst fest, dass du gewinnen wirst, weil es niemand wagt, sich ernsthaft mit dir anzulegen. Warum willst du dann noch Flyer verteilen, Luftballons, Girlanden und Poster aufhängen und Muffins backen und verschenken? Das ist doch alles völlig überflüssig.“

„Es ist nicht überflüssig“, widersprach Milly. „Ich möchte nicht, dass im Nachhinein der Eindruck entsteht, ich hätte die Wahl nur gewonnen, weil ich die Enkelin des Rektors bin, verstehst du? Unsere Mitschüler sollen wissen, dass ich mir ernsthaft Mühe gebe und dieses Amt auch verdiene.“

„Das kann ich durchaus nachvollziehen, aber ich bin trotzdem der Meinung, dass du es ein wenig übertreibst. Was mir eigentlich egal wäre, wenn du mich nicht in diese Sache mit reingezogen hättest.“

„Du musst das positiv sehen“, sagte Milly fröhlich, einer spontanen Eingebung folgend. „Da du mein Stellvertreter sein wirst, musst du natürlich auch von Anfang an in alle Vorgänge involviert werden.“

„Wie bitte?!“ Lelouch so abrupt stehen, dass Milly von hinten gegen knallte. Die Tüten rutschten ihm aus den Händen; ein Regenbogen aus Luftballons, Buntpapier und anderen Bastelutensilien ergoss sich über den Asphalt.

„Lelouch!“ Milly bückte sich sofort, um ihre Einkäufe wieder einzusammeln. „Pass doch auf! Wir können von Glück reden, dass der Boden so trocken ist!“

„Glück!“ Milly schaute auf und erblickte einen Gesichtsausdruck, der nichts Gutes verheißen konnte. Tatsächlich hatte sie ihn selten so aufgebracht gesehen, aber sie hatte mit so einer Reaktion gerechnet und außerdem vor langer Zeit gelernt, sich von seiner finsteren Miene nicht abschrecken zu lassen.

„Wie kommst du darauf, dass ich dein Stellvertreter sein möchte?“ Eine nicht ganz unberechtigte Frage.

„Nun, ich hielt es für eine gute Idee.“

„Eine gute Idee? Und wann hattest du vor, mich darüber zu in Kenntnis zu setzen?“

„Das habe ich doch gerade getan!“ Aber ich hätte vielleicht noch etwas länger damit warten sollen.

„Ja, aber du stellst es so hin, als wäre es längst beschlossene Sache, dabei hast du mich noch nicht einmal nach meiner Meinung gefragt!“

„Also gut, Lelouch, wenn ich die Wahl gewinne - möchtest du mein Stellvertreter sein?“

„Nein!“

„Warum nicht?“

„Das ist irrelevant!" Leicht überheblich fügte er hinzu: "Ich muss mich vor dir nicht rechtfertigen.“

Milly presste entschlossen ihre Lippen aufeinander. Sie starrten einander an, er wütend, sie unnachgiebig. Mehrere Sekunden vergingen, allmählich schien sich Lelouch zu beruhigen. Seine Wut wich kühler Gleichgültigkeit und Milly begriff, dass sie sofort handeln musste. Sie musste ihn überzeugen, solange er emotional aufgewühlt war, ansonsten hatte sie kaum eine Chance, ihn kleinzukriegen.

„Lelouch, ich tue das nicht, um dich zu ärgern, sondern weil ich es gut mit dir meine.“

Schweigen.

„Du bist jetzt schon seit zwei Jahren Schüler an der Ashford-Akademie und du verhältst dich immer noch genauso abweisend gegenüber den anderen wie früher. Ich bin die einzige, die dich etwas besser kennt, alle anderen Schüler lässt du nicht an dich heran. Du kapselst dich total ab, was bei deiner Vergangenheit ja auch verständlich ist, aber so geht es einfach nicht weiter. Lelouch, ich weiß, dass du trotz deiner harten Schale ein guter Mensch bist, ich merke es jedes Mal, wenn ich dich zusammen mit Nunnally sehe. Meinst du nicht auch, dass es langsam an der Zeit ist, Freunde zu finden?“

Schweigen.

„Freunde finden ist am einfachsten, wenn man gemeinsamen Hobbys nachgeht, und weil die Sport-Clubs für dich nicht in Frage kommen, hielt ich den Schulrat für eine gute Alternative. Es wäre für uns beide ideal, weil wir uns gut ergänzen. Ich bin kreativ und kann andere Menschen für Ideen begeistern und du-„

„-ich bin so blöd, mich von dir herumkommandieren zu lassen.“

„-du hast ein Auge fürs Detail und ein großes planerisches Talent. Du weißt, dass ich ziemlich chaotisch bin, ich brauche jemanden, der mir bei der Organisation hilft und der über alles den Überblick behält, und dafür kann ich mir niemand besseres als dich vorstellen.“

„Versuchst du gerade, mich um den Finger zu wickeln?“

„Ein bisschen.“ Milly lächelte zaghaft. „Aber du weißt, dass ich Recht habe.“

Er schwieg wieder. Milly konnte unmöglich einschätzen, was gerade in ihm vorging, sein Gesichtsausdruck war absolut nichtssagend. Schließlich seufzte er leise.

„Milly, warum interessiert dich das überhaupt?“

„Soll das ein Witz sein? Weil wir Freunde sind!“ Ein unruhiges Flackern huschte über sein Gesicht. Millys Lächeln wurde breiter. „Weil ich mich für dich verantwortlich fühle. Du und deine Schwester, ihr seid Gäste in unserem Haus, und deshalb ist es meine Pflicht, mich um euch zu kümmern. Ihr seid wie kleine Geschwister für mich.“ Dieser Vergleich schien unangenehme Assoziationen bei ihm auszulösen. Sie konnte nur vermuten, dass er gerade an seine anderen Halbgeschwister dachte, aber sie redete trotzdem weiter. „Wenn du es nicht für dich selbst tust, dann tu es für Nunnally. Ich bin mir sicher, sie würde sich sehr freuen, wenn ihr großer Bruder ein paar neue Freunde findet.“

Das war der Todesstoß. Sie wusste es in der Sekunde, in der sie das letzte Wort aussprach – Nunnallys Glück war für Lelouch immer wichtiger gewesen als sein eigenes, das hatte sie inzwischen begriffen.

„Wenn du willst, dass ich dein Stellvertreter werde ...“ Lelouch sprach langsam und bedächtig.

„Ja?!“

„Dann nimm mir gefälligst ein paar dieser Tüten ab! Ich habe keine Lust, alles alleine zu tragen!“

Milly hob mit einem Lachen drei Tüten vom Boden auf und versuchte dabei, sich ihren Triumph nicht allzu sehr anmerken zu lassen.

Ha! Die Nuss, die ich nicht knacken kann, muss erst noch gefunden werden!



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yumegatari
2012-01-16T19:49:44+00:00 16.01.2012 20:49
Hallo ^^
Nachdem ich die Beschreibung deiner FF gelesen hatte, wusste ich, dass ich sie auch gerne lesen wollte. Denn ich mag die 3 auch wirklich sehr x3 *alle knuff*
Zu dem ersten Part: Ich finde es sehr herzlich, wie Milly und Lelouch miteinander umgehen. So wie wir die Präsidentin und ihren Vize halt lieben und kennen xD Auch ihre Dialoge haben mir gefallen, das hat einfach zu ihnen gepasst. Außerdem finde ich Millys Gedanken, die kursiv erscheinen, auch sehr passend und erheiternd für die Geschichte ^^
Von:  Tonja
2012-01-10T19:46:08+00:00 10.01.2012 20:46
Hi,
du hast Recht, es gibt viel zu wenig über die Drei.
Wobei ich vor allem Milly interessant finde. ;)
Daher freue ich mich schon wirklich auf den nächsten Part.
LG Tonja


Zurück