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Dark Night's Kiss

von

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5. Kapitel

„Bitte füllen Sie die Formulare aus und warten Sie hier“, echote er die überarbeitete Stimme der Frau an der Rezeption nach, die ihm das schon vor mehr als einer Stunde mitgeteilt hatte.

Das Formular lag mit feinsäuberlicher Handschrift ausgefüllt neben ihm auf dem harten Plastikstuhl und half ihm trotzdem nicht weiter, endlich etwas über Ms. Barnes Zustand zu erfahren. Da er kein Verwandter von ihr war, durfte man ihn getrost wartenlassen.

Eigentlich hätte er einfach gehen sollen, da sie hier schließlich in einem Krankenhaus und somit in gute Hände war, aber er hatte ihr gesagt, er würde sie nach Hause bringen, und selbst wenn er bis morgen früh hier saß, er würde sein Wort halten. Dennoch machte ihn die Aura von Krankheit, Elend und Tod reizbar. Weshalb seine Finger schon seit einer ganzen Weile damit begonnen hatten, mit dem Reißverschluss an Emmas Jacke zu spielen.

Ein nervöser Tick, den er sich eigentlich schon abgewöhnt zu haben geglaubt hatte, aber wenn es hier sonst nichts zu tun gab, war das immer noch besser als Däumchendrehen.

 

Wieder war ihr Sichtfeld etwas eingeschränkt. Diesmal allerdings von dem sterilen, grünen Tuch, das ihr die Ärztin über den Kopf gelegt hatte, um ihre Wunde sauber mit ein paar Stichen zu nähen.

Emma war bloß froh gewesen, dass sie ihr nicht gesagt hatte, wie viele es sein würden. Sie kam sich schon jetzt eher wie ein kleines Kind vor als eine Erwachsene.

Die Schwester, die sie in den Behandlungsraum gebracht hatte, war nicht unbedingt besorgt gewesen. Erst als sie gehört hatte, woher Emma die Verletzungen hatte, war ihr Blick steinern und dunkel geworden und sie hatte die Polizei noch vor der Ärztin verständigt.

Jetzt sah Emma unter dem grünen Tuch hervor noch zwei schwarze Schuhe hinter ihren Fingerspitzen, die nervös aneinander tippten, während sie versuchte, gleichzeitig ihre Kopfschmerzen zu ignorieren und die Fragen zu beantworten, die man ihr stellte.

„Ich fasse nochmal zusammen. Der Mann, der sie überfallen hat, war groß, hager, hatte dunkle, kurze Haare und trug folgende Kleidung. Jeans, Turnschuhe und ein dunkles Shirt. Stimmt das so weit, Miss Barnes?“

Die Hand, die sich sofort an ihren Kiefer legte, hielt sie nicht zum ersten Mal davon ab, der Einfachheit halber zu nicken. Die Ärztin kannte die Prozedur und auch die Reaktion ihrer Patienten wohl schon zur Genüge. Ihre Finger lagen in den dünnen Handschuhen warm auf Emmas Wange und hinterließen einen seltsam angenehmen Eindruck, nachdem sie sich wieder dem Nähen zugewandt hatte.

„Ja, das ist alles, woran ich mich erinnern kann.“

Sie hörte, wie der Polizist mit einem Stift auf Papier herumkratzte, und hoffte schon, dass er gehen würde. Das Reden und Denken war wirklich anstrengend. Und solange er hier war, würde sie nicht gehen dürfen. Selbst wenn ihr Kopf und ihr Knöchel versorgt sein sollten.

„Das ist schon eine ganze Menge. Es ist ziemlich schwierig, sich in so einer Situation auch nur daran zu erinnern, was der Mann anhatte.“

Emma schwieg beharrlich. Sie empfand es nicht unbedingt als Auszeichnung, dass sie sich auch noch gemerkt hatte, wie der Kerl roch. Oder zumindest, was dieser Geruch in ihr ausgelöst hatte. Noch jetzt war ihr kalt und unwohl. Und obwohl sie es dem Schock, den Schmerzen und der Situation an sich hätte zuschreiben können, wurde Emma das Gefühl nicht los, dass es nicht nur das war. Da war mehr gewesen. Die Furcht war so überwältigend gewesen.

„Miss Barnes?“

Emma zwinkerte, als ihr bewusst wurde, dass der Polizist sie noch einmal etwas gefragt hatte.

„Entschuldigung. Ich ... bin ziemlich müde.“

In diesem Moment ließ die Ärztin das Nähbesteck auf ein Metalltablett fallen und brachte Emma erneut dazu, zusammenzuzucken. Allerdings hieß das auch, dass ihr nur noch ein kleines Pflaster über die Wunde geklebt und dann dieses Tuch entfernt werden konnte.

„Ich habe gefragt, ob Sie jemand nach Hause bringt. Sie sollten nicht allein mit dem Taxi fahren, geschweige denn laufen.“

Es hörte sich nicht so an, als sage der Mann das aus Besorgnis. Vielmehr hatte es etwas mit seinem Job und seiner Erfahrung zu tun. Aber es war trotzdem nett, dass er sie ... daran erinnerte.

„Ja, mich bringt jemand nach Hause. Mein Chef hat ... mich hergebracht. Er fährt mich heim.“

Zumindest glaubte Emma sich zu entsinnen, dass Mr. Calmaro das gesagt hatte. Vor einer Ewigkeit, wie es ihr vorkam.

„Gut. Dann verabschiede ich mich. Machen Sie sich keine Sorgen, Miss Barnes. Gehen Sie nach Hause und ruhen Sie sich aus.“

Er schob keine Floskel und keine Versprechungen hinterher. Nichts in der Art: 'So was passiert nur selten. Eigentlich sind sie sicher.'

Emma war dem Beamten dankbar dafür.

Sie gab ihm die Hand, nachdem sie ihn endlich hatte sehen können. Genauso, wie die Ärztin, die ihr das Tuch wegzog und sich anschließend um ihren Knöchel kümmerte, der nur gestaucht war. Insgesamt keine große Sache. In zwei Wochen würde alles wieder in Ordnung sein.

 

Er saß auf einem hellgrauen Plastikstuhl, der für seine Statur viel zu klein und schmal wirkte, und hielt ihren Mantel in den Händen. Emma zögerte kurz, zu Calmaro hinüberzugehen, der wirklich fast zwei Stunden hier gewartet hatte.

„Sie ... lassen mich gehen“, sagte sie zögerlich, als seine grünen Augen sie schon lange getroffen hatten und er aufgestanden war, um zu ihr herüberzukommen.

Emma sah zu ihrem Chef hoch und schämte sich dafür, dass ihre Gänsehaut bei seinem Anblick wieder zunahm.

Er hatte sie gerettet. Das war doch bestimmt kein Grund dafür, dass die kalte Furcht in ihr noch einmal hochkam.

Emma kämpfte sie hinunter, indem sie sich ihre Umgebung bewusst machte, ihren Mantel in seinen Händen ansah und mit gesenktem Kopf seinem Blick auswich. Sie wollte nicht fragen, ob er sie wirklich nach Hause fahren würde. Eigentlich hatte er ja schon genug getan.

 

Sie sah schon besser aus, als sie da im Krankenhausflur stand mit etwas mehr Farbe im Gesicht und mit Augen, die zwar immer noch wachsam, aber auch klar waren.

Da sie deutlich humpelte, kam er auf sie zu, sobald er sie gesehen hatte, immer noch den Mantel in seiner Hand, der inzwischen zumindest annähernd trocken war. Seinen Eigenen hatte er angelassen, damit nicht jeder die Blutflecken im hellen Licht der Neonröhren anstarren konnte.

„Gut. Dann bringen wir Sie jetzt endlich nach Hause“, meinte er ruhig und hielt ihr den Mantel so entgegen, damit sie hineinschlüpfen konnte.

Emma drehte sich nur zögerlich um und ließ sich dabei helfen. Sie schien etwas sagen zu wollen, brachte es aber nicht über die Lippen und Cayden war nach den Ereignissen heute Nacht nicht darauf erpicht, das Schweigen zwischen ihnen zu brechen.

Es gab Vieles, über das er nachdenken musste, bevor er mit ihr darüber sprach. Wenn sie das überhaupt taten. Am liebsten wollte er ihr nicht allzu stark die genauen Einzelheiten in ihr wachrufen. Denn vielleicht hatte er Glück gehabt und sie hatte dank des Schocks kaum etwas mitbekommen.

Verflucht sei dieser verdammte Vampir, der nicht einmal so etwas wie eine einfache Mahlzeit auf die Reihe brachte, ohne gleich ihre ganze Spezies zu gefährden und dann noch vor jemanden wie Emma!

Cayden überlegte den ganzen Weg vom Fahrstuhl bis zu seinem Auto, wie er herausfinden konnte, wie viel Emma genau gesehen hatte. Aber alle Fragen, alle Andeutungen oder Ausflüchte, hätten es nur noch verdächtiger gemacht. Also schwieg er und passte sich ihrem langsamen Tempo an, da sie mit dem verstauchten Fuß nur schwer vorankam.

Im Auto herrschte das gleiche drückende Schweigen zwischen ihnen. Ein paar Mal spürte er, wie sie kurz davor war, etwas zu sagen, aber am Ende offenbar doch nicht den Mut fand oder was auch immer in ihr vorging.

Es wurde lediglich kurz darüber gesprochen, in welcher Straße sie wohnte. Danach herrschte wieder Stille, bevor er vor einem kleinen Haus anhielt.

Ein kurzer Blick auf die hölzerne Treppe und zu der grünen Haustür, ehe er den Motor ganz abstellte und ausstieg, um Emma die Tür aufzuhalten und ihr dabei zu helfen, aus dem tiefgelegten Auto zu kommen.

Der Kontrast zwischen seinem Fahrzeug und dieser Wohngegend hätte nicht größer sein können, dennoch ließ sich nicht abstreiten, dass das Haus, trotz des absplitternden Lacks etwas Anziehendes, ja beinahe Gemütliches hatte. Kein Wunder, dass sie es ihr Zuhause nannte.

„Lassen Sie mich Ihnen noch die Treppe hochhelfen“, forderte er sie einfach auf, da er nicht gewillt war, mit ihr wegen etwas herum zu diskutieren, das ohnehin nur ein Ende hatte. Nämlich seinen Willen.

Außerdem hätte sie sehr viel länger die Treppe hoch gebraucht, wenn er ihr nicht geholfen hätte und er wäre so lange im Auto geblieben, bis die Haustür hinter ihr zugegangen wäre.

Die Frau war heute schon einmal überfallen worden. Da ging er lieber auf Nummer sicher.

Als sie schließlich auch diese Bürde genommen hatten, schaute er sie noch einmal prüfend an und kam zu dem Urteil, dass sie nach einer Nacht wie heute, das Ganze eigentlich relativ gut überstanden hatte. Nicht jede Frau hätte so gekämpft, wie sie es getan hatte. Was das leichte Ziehen an seiner Wange nur noch bestätigte.

„Bleiben Sie ruhig so lange zuhause, wie Sie benötigen und melden Sie sich ab und zu, damit wir wissen, wie es Ihnen geht“, wies er sie noch höflich an.

Sie nickte, während ihre Hände zuckten oder vielleicht war es auch einfach nur ein Zittern.

„Gute Nacht.“

Er drehte sich auf dem Absatz um und kam gerade mal die erste Holzstufe hinunter, als er ihre Stimme hinter sich hörte.

„Ehm … Vielen Dank.“

Cayden wandte sich noch einmal halb zu ihr um, doch statt etwas darauf zu erwidern, lächelte er warm und dieses Mal erreichte es seine Augen.

Danach stieg er in sein Auto und fuhr los.

Egal wohin. Er musste nachdenken. Denn eines stand schon einmal fest, er konnte Emma Barnes nicht mehr so leicht aus den Augen lassen.

Das, was er war, sein Leben, seine Existenz, das alles stand auf Messersschneide, wenn sie doch mehr gesehen hatte, als gut für einen Menschen war. Erst recht mit ihren Erbanlagen.

 
 

***

 

Der Fernseher flackerte fast stumm vor sich hin.

Emmas Augen brannten und außerdem hatte sie Mühe, dem leisen Gespräch der Schauspieler zu folgen, während Rob auf der Couch schnarchte. Eines seiner Beine ging über die Lehne, das andere auf den Boden, und es sah sehr süß aus, wie er sich in die rosa Decke gekuschelt hatte, nachdem er um drei Uhr morgens eingeschlafen war.

Kathy hatte nicht so lange durchgehalten. Ihr Arm lag schon mehrere Stunden über Emmas Bauch und ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig, während ihre Augen manchmal unter ihren Lidern hin und her zuckten.

Die beiden waren zu lieb.

Als Emma nach Hause gekommen war und bei Kathy an der Zimmertür geklopft hatte, war sofort die Hölle in der kleinen Wohnung los gewesen, nachdem ihre Mitbewohnerin auch nur einen Blick in Emmas Gesicht geworfen hatte.

Rob war in Shorts und T-Shirt aus dem Bett gezogen und zum Tee kochen verdonnert worden, während Kathy die Matratzen aus ihrem und Emmas Zimmer vor den Fernseher schleppte und sämtliche Gute-Laune-DVDs zusammensuchte.

Emma war mit dem Stapel immer noch nicht durch. Inzwischen war es fast fünf und bald würde die Sonne aufgehen. Aber sie schaffte es immer noch nicht, zu schlafen.

Ein paar Mal hatte sie es versucht, war weiter die Matratze hinuntergerutscht und hatte sich neben Kathy gekuschelt, aber schon zwei Minuten später, hatte sie ihre Augen wieder erschrocken aufgerissen und den Raum im zuckenden Licht des Fernsehers nach irgendwelchen Eindringlingen durchsucht.

Ihr Herz klopfte immer wieder laut und ängstlich, wenn sich vor dem Fenster etwas bewegte, wenn der Vorhang sich wegen der undichten Fenster ein wenig bauschte oder sie doch halb einnickte und dann wegen eines minimalen Geräusches wieder hochschreckte.

Es war grässlich. Emma fühlte sich schlecht. Allerdings nicht unbedingt deswegen, weil ihr der Kopf immer noch wehtat und ihr Knöchel vor einer Stunde angefangen hatte, unter dem festen Verband zu pochen.

Sie fühlte sich elend, weil sie sich hilflos vorkam. Weil sie sich nicht vorstellen konnte, in der kommenden Nacht allein in ihrem Zimmer zu schlafen – im Dunkeln.

Als sie sich über die Augen wischte, glitzerten Tränen auf ihren Fingerspitzen. Emma hasste es, schwach zu sein.

 
 

***

 

Das heiße Wasser kroch seinen Bauch bis zu seiner Brust hoch und ließ die schwarzen Linien auf seiner Haut unter der Oberfläche tanzen. Ganz so, als hätten sie ein Eigenleben entwickelt und wollten das jetzt auskosten.

Cayden ließ sich nur noch tiefer ins Wasser sinken, bis es ihm fast zum Hals ging.

Gehalten nur von seinen beiden Armen, die am Rand der Badewanne zu beiden Seiten seines Körpers im Freien lagen.

Das Licht war gedämpft und so sehr er auch absolute Dunkelheit bevorzugte, er konnte nicht leugnen, dass ein Dimmer und Kerzenschein seine Reize hatten. Besonders wenn nicht nur sein Körper, sondern auch seine Gedanken vollkommen angespannt waren.

Nach dem er noch lange mit seinem Auto herumgefahren war und er hatte einsehen müssen, dass er so nicht zur Ruhe kam, hatte er beschlossen, sich zuhause in die Badewanne zu legen und dort noch einmal sein Glück zu versuchen.

Im Grunde war das hier genauso wenig sein Zuhause, wie all die anderen Häuser, Appartements, Villen, Ferienhäuser und Blockhütten, die er überall auf dem Erdball verteilt erworben hatte. Doch da Vanessa – seine Frau – hier ihren Wohnsitz hatte, machte es das vermutlich auch zu seinem Heim. Wenn auch nur schriftlich.

Trotzdem genoss er die Annehmlichkeiten, die der Luxus, mit dem nicht nur er sich gerne umgab, bot.

Die freistehende Badewanne war groß genug, damit er seine langen Beine ausstrecken und trotzdem noch die eine oder andere Person mit zu sich einladen konnte. Dazu war er umgeben von weißem Marmor, goldenen Armaturen, duftenden Seifen und Ölen, flauschigen Handtüchern und sogar Stuckverzierungen an der Decke.

Doch heute interessierte ihn das alles nicht. Stattdessen verschloss er die Augen vor der ganzen Pracht und versetzte sich zurück zu jener Stunde, als er einen seiner Art davon abgehalten hatte, Emma die Kehle herauszureißen. Denn das wäre mit großer Wahrscheinlichkeit passiert, wenn er nicht eingegriffen hätte.

Der Vampir hatte nicht nur Blut sehen, sondern sie auch für ihren Widerstand brechen wollen.

Je länger Cayden darüber nachdachte, umso mehr zweifelte er seine Entscheidung – den Vampir laufen zu lassen – an. Er hätte ihn nicht so einfach gehenlassen sollen, denn auch wenn seine Drohung gewirkt hatte, bedeutete das dennoch nicht, dass dieser davor zurückscheute, sich einfach ein anderes Opfer zu suchen. Eines, dem nicht geholfen wurde.

Diese Gedanken brachten ihn in einen Zwiestreit.

Denn auf der einen Seite war Emma nur ein Mensch. Ihre Art war der seinen gegenüber schwach, auch wenn sie zugegebener Maßen dennoch in einigen Dingen überlegen waren. Sie waren nicht nur weit in der Überzahl, sondern setzten beinahe mühelos so viele Nachkommen in die Welt, wie es ihnen gefiel.

Egal wie viele von ihnen jährlich starben. Sie waren nie am Rande des Aussterbens und gerade auch deshalb so gänzlich unwichtig, wenn es um einzelne Individuen von ihnen ging.

Das brachte ihn auf die andere Seite.

Vampire waren von Natur aus starke Geschöpfe. Wahre Überlebenskünstler. Raubtiere in ihrer vollendetsten Form.

Sie waren den Menschen an Kraft, Schnelligkeit, Widerstand, Ausdauer und Lebenszeit bei weitem überlegen. Doch leider nur auf der männlichen Seite der Geschlechter. Womit die Natur eine weise und doch so dumme Vorkehrung getroffen hatte.

Die Männer seiner Art mussten so stark sein, weil es ihnen nur so möglich war, ihre Frauen zu beschützen, für sie zu sorgen und sie am Leben zu halten.

Vampirfrauen waren keine Vamps, wie die Medien, Literatur und Mythen der Menschen gerne einem weißmachen wollten. Sie waren ätherische Schönheiten, daran gab es keinen Zweifel. Doch sie waren ursprünglich nicht dazu in der Lage, alleine zu überleben.

Ihre Männer mussten ihnen das Blut beschaffen, da ein gewöhnlicher Durchschnittsmensch eine Vampirfrau mit bloßen Händen töten könnte, sollte er sich auch nur einmal zu heftig verteidigen. Schwere Berufe waren ihnen unmöglich und Caydens Art verbot es auch, dass ihre Frauen selbst für ihren Unterhalt aufkamen.

Das war zwar nicht gerecht, da es sehr stark an das menschliche Pendant zur früheren Lebensführung erinnerte: Als Männer noch arbeiten gingen, während die Frauen Heim, Herd und Kinder versorgten. Etwas, das man sich in der heutigen Zeit nur noch schwer vorstellen konnte.

Allerdings hatte diese menschliche Lebensführung noch einen Vorteil, den Vampirfrauen nicht hatten. Sie durften das Haus verlassen, wann immer sie wollten, während man ihre Frauen wie in einem goldenen Käfig hielt. Viele von ihnen sahen Menschen nur während einer Mahlzeit. Das war die traurige aber aber oftmals nötige Wahrheit.

Es war daher nicht so einfach, über den Tod eines Vampirs zu entscheiden, vor allem, wenn er noch so jung war, wie Emmas Angreifer.

Jedes Kind ihrer Art war unendlich wertvoll, denn nur allzu viele Frauen und auch Kinder starben während der Geburt.

Seine eigene Mutter war gestorben, um ihm das Leben zu schenken.

Cayden konnte daher nicht einfach losziehen und den Vampir zur Strecke bringen, der Emma so verletzt hatte. Dazu bestand einfach kein schwerwiegender Grund.

Denn Andere seiner Art könnten ihm bereits vorwerfen, dass er dem Vampir eine Mahlzeit verwehrt hatte, obwohl dieser sie bereits dringend benötigt hatte.

Der Mensch war in diesem Fall nichts weiter als ein Gegenstand. Unbedeutend und ohne Rechte. Ein weiterer Grund, warum sich Cayden schon seit sehr langer Zeit aus der vampirischen Politik heraushielt.

Für viele seiner Art mochte das logisch und einleuchtend sein, doch er, der unter Menschen aufgewachsen, von ihnen am Leben erhalten und umsorgt worden war, würde immer mehr für diese fühlenden und denkenden Wesen übrig haben, als andere von seinesgleichen.

Das war auch der einzige Grund, warum er Emma gerettet hatte, als er noch nicht wusste, dass sie die kleine zusammengesunkene Gestalt in der Toilettenkabine gewesen war.

Seitdem er es allerdings wusste, wollten sich auch noch andere Gründe in seinem Kopf einnisten.

Cayden seufzte, als er sich wieder einmal bewusst wurde, wie weit seine Gedanken bereits abgedriftet waren. Dabei war das Warum und Weshalb nicht wichtig. Vielmehr sollte er sich fragen, wie viel Emma gesehen hatte. Ob sie ein paar der seltsamen Umstände auf ihren Schock zurückführen würde oder ob sie sofort die richtigen Schlüsse zog.

Dabei war er vorsichtig gewesen. Hatte aufgepasst, seine Natur nicht zu stark zu zeigen, aber nur Emma alleine mochte wissen, was der Vampir ihr bereits alles offenbart hatte, bevor Cayden den Raum betreten hatte. Vielleicht war es daher schon zu spät.

Es lief also alles am Ende nur noch auf die Frage hinaus, was er tun würde, wenn er erfuhr, dass sie eine Gefahr für seine Spezies darstellen könnte.

Nicht nur wegen der Tatsache, dass in ihren Adern das Blut von Jenen floss, die seiner Art als Einzelner wirklich gefährlich werden konnten, sondern da es in einer Zeit wie der jetzigen es nur eine Frage von Beweismittel war, um jemanden schwer belasten zu können. Denn die Menschen wollten inzwischen an sie glauben.

Sie waren inzwischen keine Gruselgestalten aus einer Mär mehr, die man dazu einsetzte, um Leute zu erschrecken. Nein, inzwischen waren Vampire zu dem gemacht worden, was sie durchaus sein konnten: dunkle, verführerische Kreaturen, deren Biss einer gefährlichen Verlockung gleichkam. Nicht wissend, ob er tötete, oder tief verborgene Sehnsüchte wecken konnte.

Es lag also alles nur bei Emma.

Wie viel sie von ihrem eigenen Potential und über seine Art bereits wusste. Wie sehr sie gewillt war, ein so großes Geheimnis wie das der Vampire ans Licht zu bringen und ob der erste Vorgeschmack auf einen Vampir ausreichte, um alle anderen für sie ebenso zu unkontrollierten Monstern verdammen zu lassen.

Cayden würde sie im Auge behalten. Ob er die Zeit, den Willen und die Mittel dazu hatte, war egal. Er musste es tun. So untreu er bisweilen seiner eigenen Art gegenüber auch war und so langweilig die Aussicht auf Ewigkeit auch sein konnte, er hing dennoch an seinem Leben, da er die Hoffnung noch nicht vollkommen aufgegeben hatte, dass ihn noch irgendetwas überraschen konnte.

Mit diesem Entschluss, den er hier und jetzt fasste, konnte er seine Gedanken zumindest etwas beruhigen. Dennoch rutschte er in der Badewanne so weit hinunter, dass nur noch seine Arme auf dem Rand im Freien lagen und die Welt vor seinen Augen, Ohren und seinem Geruchssinn ausgeschlossen wurde.

Er verweilte lange auf diese Art. So lange, bis man meinen könnte, er wäre bereits ertrunken. Doch das war er nicht und sogar entgegen der geläufigen Meinung über Vampire, musste auch seine Art atmen. Genauso viel und genauso häufig wie ein Mensch. Aber wie auch bei den Menschen, war alles nur eine Frage der Übung und des Trainings.

Als er schließlich wieder auftauchte, war er nicht mehr allein.

Die Nässe wegblinzelnd erkannte er Vanessa am Ende der Badewanne zu seinen Füßen mit nichts weiter bekleidet als einem Morgenmantel aus weißer Seide, der ihr nur bis zur Mitte ihrer zart gebräunten Oberschenkel reichte.

Ihre Blicke trafen sich, nachdem sie sich an seinem, im klaren Wasser deutlich erkennbaren Körper, sattgesehen und offenbar etwas in seinen Augen gelesen hatte.

Mit einem eleganten Handgriff löste sich der Gürtel um ihre Mitte, ehe der seidene Stoff verführerisch über ihren nackten Körper und zu Boden glitt.

Danach stieg sie zu ihm in die Wanne.

Sie glitt mit ihren Händen seinen Körper nach oben, während sie sich so auf ihm arrangierte, dass es für sie beide angenehm war. Danach legte sie ihre Hände auf seine Brust, musterte ihn mit Augen, die ihm momentan mehr als unergründlich waren. So wie es meistens war, wenn sie schwieg und wie er sie bevorzugte.

Es war Vanessa, die ihn schließlich küsste. Zuerst zögerlich, doch dann mit mehr Intensität, als sie merkte, dass er mitmachte.

Niemals mit ganzem Herzen, aber für das Körperliche reichte es. Währenddessen blieben seine Arme immer noch ruhig auf dem Rand der Badewanne liegen.

Es war nicht nötig, sie festzuhalten. Sie würde ohnehin nicht gehen.

Dieses Mal war Cayden seiner Frau sogar dankbar für ihre Annäherung. Denn mit ihrem Erscheinen vertrieb sie vorerst die vielen Gedanken über Emma aus seinem Kopf und ließ ihn stattdessen an etwas anderes denken.

Nachdem sie sich eine Weile lang nur geküsst hatten, entzog sich Vanessa seinen Lippen, ließ ihn nicht aus den Augen, während sie die Spange aus ihrem Haar löste, das ihr in blonden Wellen bis über die Schultern fiel.

Sie legte die Spange zur Seite und strich sich das Haar auf einer Seite ihres Halses nach hinten, danach umschlang sie seinen Nacken. Hielt sich an ihm fest, während sie sich noch näher an ihn heranschob und ihm mit geneigtem Kopf direkt ihren entblößten Hals offenbarte.

Wenn schon ihr nackter Körper so dicht an seinem ihn nicht hatte reizen können. Zumindest nicht sehr, so war es das deutliche Pochen ihrer Ader, unter der seidigen Haut, das sein Zahnfleisch zum Pulsieren und seine Fangzähne schließlich zum Vorschein brachte. Zudem duftete sie heute nur nach Weiblichkeit, ohne den stechenden Geruch eines Parfums und das hatte an ihr durchaus seine Reize.

Vanessa verfiel in Reglosigkeit und würde sich auch eine ganze Weile nicht rühren, sollte er sich dazu entschließen, sie warten zu lassen. Das wusste Cayden. Darum schlang er schließlich doch seine Arme um ihren Körper, leckte sich über die Fänge und biss dann ohne zu zögern zu.

Ein leises Seufzen, ein kurzes Zittern. Das war alles, was seine Frau von sich gab, während er seelenruhig in tiefen Zügen von ihrer Ader trank.

Erst nach einer Weile spürte er ihre Hände über seinen Körper gleiten. Wie sie sich an ihm zu reiben und ihre Erregung zu erwachen begann.

Als ihre Hände schließlich seinen Bauch hinab zu seiner schlafenden Männlichkeit fanden, um sie mit gekonnten Berührungen aufzuwecken, löste er seinen Mund von ihrem Hals und leckte über die nur noch gerötete Stelle, ehe er sich wieder mit dem Rücken an die Wanne sinken ließ.

Es gab viele Tabus in der Vampirwelt, doch nur dieses eine – von ihm selbst erschaffen – bedeutete wirklich etwas.

Cayden würde niemals von einer Frau trinken und gleichzeitig Sex mit ihr haben, die ihm nichts bedeutete. Davor und danach war es okay. Aber diese beiden Akte der Sinnlichkeit und Lust würde er nie miteinander vermischen, wenn es ihm nichts bedeutete. Das war seine Art, um sein vor Langweile geschwächtes Herz vor tiefgreifenden Verletzungen zu schützen, wie sie einem die Liebe durchaus zufügen konnte.

Für ihn war Sex und Blut zusammen etwas Heiliges. Etwas Bedeutendes.

Etwas, das er weder für Vanessa noch für einen anderen Menschen beschmutzen würde, für den er im Grunde nichts als Gleichgültigkeit übrig hatte.

Da sein Körper durchaus willig war, Anspannung mit Sex abzubauen und es für ihn ohnehin schon eine ganze Weile her war, hielt er Vanessa nicht auf. Ganz im Gegenteil.

Auch ohne, dass sie ihn darum bat, fuhr er sich schließlich mit dem Daumen über einen seiner scharfen Fangzähne, bis er Blut schmeckte, und führte ihn seiner Frau an die Lippen, die nur allzu bereitwillig daran zu saugen begann.

Ihre Augen schlossen sich ekstatisch, als der Geschmack seines Blutes – der für jeden Menschen ein bisschen anders war – über ihre Zunge und seine Erektion tief in sie glitt.

Sie ritt ihn, während sie saugte und er ihr wie ein stiller Beobachter dabei zusah.

Auch das war ein Tabu. Aber eines, das er schon so oft gebrochen hatte, dass es ihn nicht mehr kümmerte.

Einem Menschen sein Blut zu geben, war etwas Schändliches, Verachtenswertes und dennoch wurde es inzwischen von so vielen Vampiren praktiziert, dass man sich als Einzelner dabei nicht mehr schlecht fühlen musste. Seine Art war nun einmal so sehr in der Minderzahl, dass menschliche Frauen eine wunderbare Alternative zu ihren eigenen darstellten, um die Ewigkeit nicht alleine verbringen zu müssen.

Wie praktisch war es da, dass man auf diese Art die Menschen so lange am Leben erhalten konnte, bis man ihrer überdrüssig wurde.

Nein, an dieser Sache gab es nichts, was falsch gewesen wäre und trotzdem würde es sich für Cayden wohl immer falsch anfühlen.

Ganz so, als gebe er Vanessa mehr als nur sein Blut.

 
 

***

 

Die nächsten Tage zogen sich immer nach dem gleichen Prinzip hin, das der Erste aufgeworfen hatte. Kathy und Rob standen auf, machten sich fertig für die Arbeit und verließen das Haus. Natürlich nicht, ohne Emma noch einmal zu drücken, ihr zu sagen, wann sie wieder zu Hause sein würden und ihr einen schönen Tag zu wünschen.

Emma konnte in ihren Augen sehen, dass die beiden sich große Sorgen machten. Aber darauf konnte sie nicht reagieren. Selbst nachdem sie in der Morgendämmerung noch eine oder zwei Stunden gedöst hatte, war sie noch nicht ganz sie selbst.

Sie fühlte sich erschlagen, müde und vollkommen durch den Wind. Und das änderte sich auch in den nächsten Tagen nicht.

Emma startete das Ende der Nacht damit, dass sie sich auf die Couch verfrachtete, mit einer Kanne heißem Tee und durch die wenigen Fernsehprogramme zappte. Vormittags sah sie sich meistens Cartoons oder Kinderserien an, weil sie da sicher sein konnte, dass es ein Happy End gab oder zumindest lustig zuging. Das klappte ganz gut und hielt sie bei einer Laune, die es ihr sogar erlaubte, für zwei Stunden wirklich einzuschlafen und danach noch erschlagener als zuvor, wieder aufzuwachen.

Wenn ihr dann irgendwann der Magen so stark knurrte, dass er die Gemütlichkeit des Sofas übertönte, raffte Emma sich auf, ging in die Küche und schob Instant-Porridge in die Mikrowelle.

Fast niemand verstand, was sie an diesem klebrigen Zeug fand, das die meisten Leute an Leim erinnerte. Aber sie hätte sich eine Weile ausschließlich von den verschiedenen Sorten, die es gab, ernähren können. Vielmehr tat sie das sogar, bis Kathy sie dazu zwang, wieder etwas Anständiges zu essen.

 

Ihr Tief dauerte vier Tage.

Vier Tage, in denen Emma immer wieder an das dachte, was passiert war. Das Gesicht des Mannes hatte sich ihr eingeprägt. Genauso, wie das Gefühl, gepackt und mit Gewalt gegen eine Wand gedonnert zu werden.

Mit Gewalt, die sie verletzen sollte.

Etwas, das sie sich zuvor nie hatte auch nur im Ansatz vorstellen können.

Emma war auf dem Sofa gesessen, hatte in ihr Porridge gesehen, darin herumgerührt und sich gefragt, was sie tun sollte. Es gab eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Sie konnte sich davon fertigmachen lassen. Sie würde die Wohnung kaum mehr verlassen und wenn, würde sie Angst haben. Vor jedem Schatten, vor jedem Mann, der sie ansah. Sie würde seltsam werden, in ihrem eigenen Müll leben, weil sie sich irgendwann überhaupt nicht mehr vor die Tür traute. Und dann würde sie einsam und verdreckt sterben. Denn selbst Kathy und Rob würde irgendwann der Geduldsfaden reißen. Spätestens, wenn sie heirateten und Kinder kriegten, denen sie nicht erklären konnten, warum Tante Emma im Müll lebte und sich nicht aus der Tür traute.

Oder sie konnte da rausgehen. So wie bisher.

Emma konnte das, was passiert war als das abtun, was es gewesen war und weiterleben. Immerhin hatte sie verdammtes Glück gehabt. Verdammt großes Glück, für das sie dankbar sein sollte.

Am nächsten Tag ging sie zur Arbeit.

Sie fuhr mit dem Bus, arbeitete ohne die übliche Musikbeschallung durch Kopfhörer und ging pünktlich nach Hause. Nur Kim hatte sie kurz angesprochen und gefragt, ob sie sich wirklich schon vollkommen erholt hatte.

Emma hatte nur lächelnd genickt. Ja, sie war in Ordnung. Es würde noch eine Weile dauern. Immer wieder würde sie über ihren eigenen Schatten springen müssen, aber sie würde wieder sie selbst werden. Nicht dieses Häufchen Elend, das jemand aus ihr gemacht hatte, indem er ihr wehtat. Das wollte sich Emma auf keinen Fall gefallen lassen. Sie würde nicht ständig über ihre Schulter sehen, ob jemand hinter ihr stand und sie verletzen wollte.

 
 

***

 

Ein paar Tage nach ihrer Rückkehr ging Emma in der Mittagspause mit ein paar Kollegen zur Salatbar, die nur ein paar Straßen weiter lag. Vorher war Emma noch nie hier gewesen, da es ihr komisch vorkam, in einer Salatbar, die rein dadurch ihren Standort hielt, dass die Geschäftsleute zum Mittagessen kamen, allein zu sitzen. Umso besser gefiel es ihr jetzt, mit ein paar freundlichen Leuten aus dem Büro hier zu sein. Sie unterhielten sich nett, aber oberflächlich. Es wurde über Musik gesprochen, ein paar Bürogerüchte neu aufgeblasen. Und Calmaros Name fiel.

Das war der Zeitpunkt, an dem Emmas Gabel mit der Kirschtomate darauf in der Luft verharrte und sogar wieder in ihr Schälchen zu dem griechischen Salat zurückwanderte.

Emmas Aufmerksamkeit richtete sich ganz von selbst auf Liz, deren Freund wohl ganz Feuer und Flamme für Calmaros Wagen war. Das Modell gäbe es auch mit roten Felgen und anderen Accessoires, die Emma sich nicht einmal bemühte, länger zu behalten, als die Sekunde, in der sie ausgesprochen wurden. Viel mehr interessierte sie da schon, was Liz weiter zu erzählen hatte.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass er noch einen Wagen hat. Vermutlich auch ein Boot. Hat er nicht irgendjemanden mal zum Fischen mitgenommen? Ein paar Leute aus der Chefetage? Zu einer Art Feier oder sowas?“

So schnell wurde aus einem kleinen Boot, mit dem ihr Chef ab und zu zum Fischen rausfuhr, eine kleine und dann eine große Jacht, auf der er regelmäßig Cocktail-Partys veranstaltete.

Emma fand das faszinierend, konnte sich aber dem Sog der Gerüchteküche beim besten Willen nicht entziehen. Das schien eine allgemeine, menschliche Schwäche zu sein. Und im Bezug auf Calmaro spitzte Emma, seit ihrer letzten Begegnung mit ihm, besonders die Ohren.

Vorher hatte sie nie wirklich über ihren Chef nachgedacht. Er war eben der Boss, den sie nicht oft zu Gesicht bekam. Von seinem großen Büro aus leitete er die Firma und war auch sonst ... weiter oben in der Hackordnung. Trotzdem fand Emma ihn ganz nett. Er war höflich und zuvorkommend. Einer von der seltenen Sorte, die einer Frau vielleicht sogar noch die Tür aufhielten. Ob er –

„Na, jedenfalls bin ich gespannt, wie das alles laufen wird. Sind alle fertig?“

Die Kollegen packten schon zusammen und Emma war überrascht, feststellen zu müssen, dass sie in ihre Gedanken versunken ihren Salat gegessen hatte, ohne auch nur etwas davon wirklich zu schmecken.

Ein wenig verdutzt schüttelte sie innerlich über sich selbst den Kopf, packte sich ihre Cola light ein und ging mit den Anderen zurück ins Büro, um ihre Aufgaben für heute zu erledigen.

 

Es fiel ihr immer noch schwer, einzuschlafen. Die ersten Nächte hatte sie tatsächlich ihre Nachttischlampe brennen lassen und ungefähr alle zwei bis drei Minuten die Augen wieder aufgerissen, um sich zu versichern, dass die einzigen Geräusche im Zimmer allein von ihr ausgingen.

Die Lampe konnte sie inzwischen wieder ausschalten. Was aber leider nicht hieß, dass Emma hätte entspannt einschlafen können.

Sie las so lange, bis sie wirklich schon fast über dem Buch einschlief – was normalerweise niemals passierte – legte sich dann hin und las noch etwas länger. Erst wenn sie das Gefühl hatte, das Buch könne ihr jeden Moment auf die Brust sinken, schaltete sie das Licht aus, zog sich die Decke bis unter die Nase hinauf und schloss die Augen.

Es würde immer besser werden, sagte sie sich jeden Abend.

Immer weniger Zeit würde vergehen, in der sie immer wieder die Zahlen auf dem Wecker ansah, bloß um festzustellen, dass sie immer noch nicht schlief. Und die Albträume würden vergehen. Ganz bestimmt. Sie musste nur geduldig sein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Koori
2012-03-22T10:19:00+00:00 22.03.2012 11:19
Ich hasse Formulare und in Krankenhaus warten >.<
Man ich find es echt so toll, wie ihr die Gedanken beschreibt, wie sie reagieren, oh wo wie oft schreib ich des noch XD Ach ich find es so klasse :D

Wow, wenn er was sagt, hält er es auch, cooler Typ. Zuerst war ich sowieso verwundert, weil ich die Beschreibung der Fanfic las, dachte das es gleich dazu kommt, doch ihr erzählt von Anfang an, nicht mitten drin ^^ Bin so neugierig wann es dazu kommt und wie lang die Fanfic wird!!

Bewundernswert finde ich es auch, wie lang ihr eine Szene schreibt. Wie das mit dem Krankenhaus, diese Kleinigkeiten :O
Juhuuu ich erfahre mehr über Vampire :)

Und Emmas Angst :O Wie könnt ihr euch nur so gut rein versetzen? Muhahaha seine Frau würde nie Blut mit Sex bekommen, yay *w*




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