Zum Inhalt der Seite

Trust me

Eternal Chronicles
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Monobe Akademie

Am nächsten Morgen stellte ich fest, dass die Uniform, die ich in der Monobe Akademie tragen sollte, reichlich kurz war. Ein flüchtiger Windstoß würde genügen, damit jeder, der gerade in der Nähe stand, sehen konnte, welche Unterwäsche man trug. Also entschied ich mich kurzerhand dazu, eine Strumpfhose anzuziehen. Allerdings überraschte mich das doch ein wenig, nachdem ich von den strengen Kleiderbestimmungen in Japan gehört hatte und gleichzeitig wunderte ich mich, wo ich da nur hineingeraten war.

Das Frühstück nahmen wir schweigend ein, offenbar waren sowohl Sorluska als auch Thalia so früh am Morgen nicht zum Reden aufgelegt, ich bedauerte das kein Stück, sondern schätzte mich sogar glücklich, weil es dafür sorgte, dass ich meine Ruhe hatte.

Aber kurz vor Ende des Frühstücks erwachte in Thalia wohl doch das Mitteilungsbedürfnis. Sie starrte mit gerunzelter Stirn auf die blaue Schleife an meinem Oberteil und sagte schließlich etwas, ehe ich gereizt fragen konnte, was sie wollte: „Ich dachte immer, du wärst im zweiten Jahrgang, zumindest von deinem Alter her. Aber laut der Schleife bist du im ersten.“

„Agano-san meinte, es wäre besser, wenn ich im ersten Jahrgang anfange, weil er sich nicht sicher ist, ob meine Sprachkenntnisse für eine höhere Stufe ausreichen und ob mein Wissensstand derselbe wäre.“

Mir konnte es ohnehin egal sein, immerhin kannte ich niemanden, den ich vermissen könnte, wenn ich im ersten Jahrgang war. Thalias rote Schleife verriet mir, dass sie sich in einer anderen Stufe befand als ich, ich schätzte, dasselbe galt auch für Sorluska, obwohl es bei ihm keinerlei Hinweis darauf gab. Das bedeutete, dass ich absolut niemanden in meiner Klasse kennen würde – aber mich störte das weiterhin nicht.

Wir beendeten das Frühstück schließlich, verabschiedeten uns von Agano-san, der uns einen erfolgreichen Tag wünschte und traten dann den Weg zur Schule an. Der Park war inzwischen wieder geöffnet, offenbar war die Spurensicherung beendet, jedenfalls war nichts mehr davon zu sehen, auch nicht von dem eigentlichen Verbrechen.

Unwillkürlich ließ ich den Blick über die Schüler schweifen, deren Schulweg ebenfalls durch den Park führte, in der Hoffnung, den Silberhaarigen vom Tag zuvor wiederzufinden, aber ich entdeckte ihn nicht. Dafür fiel mir allerdings jemand anderes ins Auge. Ein Mädchen, etwa in meinem Alter, vielleicht ein wenig jünger, mit langem weißem Haar, lief neben einem braunhaarigen Schüler, der ein rotes Band um seine Stirn geschlungen hatte. Was mich an ihr allerdings so irritierte war nicht das weiße Haar, auch nicht die schwarze Mütze, die sie auf ihrem Kopf trug oder die Tatsache, dass sie keine Schuluniform trug, sondern die roten Augen, die ich sehen konnte, als sie sich dem Jungen neben sich zuwandte.

Ist sie ein Albino?

Das würde jedenfalls von den Augen und dem Haar her passen. Aber ihre gesunde Hautfarbe widersprach. Das änderte allerdings nichts daran, dass ich doch fasziniert von ihr war.

Erst Sorluskas Lachen ließ mich den Blick wieder von ihr ab- und ihm zuwenden. Er grinste und enthüllte dabei überraschend spitze Eckzähne. „Jeder ist fasziniert von Baila.“

„Bai... la?“ Ich nahm an, dass es ein Wort seiner Sprache war, das dieses Mädchen oder die Umgebung beschrieb, aber Thalia nickte nach vorne. „Das ist ihr Name.“

Verwundert blickte ich wieder zu dem Mädchen, das war ein wirklich ungewöhnlicher Name, wie ich fand. Aber dadurch passte er auch zu ihr.

Kurz bevor wir die Schule erreichten, verabschiedete das Mädchen sich von dem Jungen und schlug einen anderen Weg ein. Da sie keinerlei Tasche mit sich trug, nahm ich nicht an, dass sie zu einer anderen Schule unterwegs war, ich fragte mich, was sie wohl vorhatte.

Doch der Gedanke war verflogen, als wir das Schultor hinter uns ließen. Das vor uns aufragende Gebäude und die Schülermassen, die darauf zustrebten, weckte langsam doch die Nervosität in meinem Inneren. Immerhin würde ich nicht nur in eine vollkommen neue Klasse kommen, in der ich die Neue und noch dazu Ausländerin war, ich würde außerdem dem Unterricht in einer fremden Sprache beiwohnen müssen, auf die Gefahr hin, dass ich absolut nicht mitkommen würde.

Aber für Bedenken war es nun viel zu spät.

Wir betraten das Gebäude und steuerten direkt auf das schwarze Brett zu, das im Foyer angebracht war. Ich erkannte auf den ersten Blick, dass es sich dabei um die Klasseneinteilung handelte, jede Menge Kanji prangten mir entgegen und begannen sich vor meinen Augen zu bewegen.

Irgh, ich werde mich nie an diese Schrift gewöhnen.

Triumphierend deutete Thalia schließlich auf eine Folge von Katakana, die meinen Namen darstellten. „Deine Klasse ist 1-2 und dein Lehrer... Kawatsu-sensei.“

„Dann muss ich jetzt ins Lehrerzimmer, nicht wahr?“

Zumindest, wenn ich mich richtig an Agano-sans Worte erinnerte, der mir das Prozedere bereits erklärt hatte. Thalia nickte zustimmend. „Das ist richtig. Wir bringen dich da noch hin und dann gehen wir in unser Klassenzimmer.“

So setzten wir also unseren Weg fort, eine Treppe hinauf. Dabei stellte ich fest, wie außerordentlich sauber und gepflegt das Gebäude wirkte. Meine letzte Schule in England war eine Privatschule gewesen und damit ebenfalls sehr sauber, aber diese hier war doch... einen Tick steriler, schien mir. Vermutlich aber, weil der Boden so blank gewischt war, dass es wirkte als sei alles ganz neu.

Vor einer Tür hielten wir schließlich wieder inne.

„Das ist das Lehrerzimmer“, sagte Thalia. „Wir sehen uns dann später wieder.“

„Wenn du willst, kannst du in der Mittagspause mit uns essen“, bot Sorluska an. „Wir sind dann meist auf dem Dach.“

Ich bedankte mich und blickten den beiden hinterher, ehe ich mich darauf besann, dass ich nicht alle Zeit der Welt hatte und an die Tür klopfte. Der Aufforderung folgend, trat ich schließlich hinein.

An meiner alten Schule war ich nie im Lehrerzimmer gewesen, aber ich war mir sicher, dass es dort nicht so aussah wie hier. Zwei Reihen von Tischen waren darauf zu sehen und auf diesen standen unzählige Bücher der unterschiedlichsten Fachrichtungen. An der Wand war eine Tafel zu sehen, aber ich hatte keine Zeit, die Kanji und Hiragana zu entziffern, denn die Stimme eines Lehrers lenkte meine Aufmerksamkeit auf diesen. Der Mann wirkte träge, nicht nur wegen seinem Gewicht, auch sein Blick verriet, dass er müde war, der Haarausfall, der nur noch einen dunklen Haarkranz zurückgelassen hatte, erzählte außerdem von seinem fortgeschrittenen Alter.

„Kann ich dir helfen?“

„Mein Name ist Leana Vartanian, ich suche Kawatsu-sensei.“

Er blinzelte müde, dachte einen Moment nach und nickte dann. „Ich bin Kawatsu. Dann bist du also die Engländerin?“

Irgendwie missfiel mir die Art, wie er über mich sprach, aber ich war nicht zum Diskutieren aufgelegt, deswegen nickte ich. „Das bin ich.“

„Gut, dann komm direkt mit mir mit, wir gehen jetzt in die Klasse.“

Wir verließen das Zimmer wieder und folgten dem Gang hinab, ehe wir am Ende davon einen anderen Raum betraten. Etwa 25 Schüler saßen hinter ihren Pulten und sahen uns gespannt an, wir blieben vor der Tafel stehen, so dass ich einen Blick auf alle werfen konnte. Keiner der Schüler kam mir auch nur im Mindesten bekannt vor, außer der Junge am Fenster in der ersten Reihe, auch wenn ich ihn hauptsächlich wegen seinem Stirnband wiedererkannte. Er lächelte mir sanft entgegen, so dass ich den Blick wieder abwandte.

Ansonsten fielen mir zwei freie Plätze auf, einer gehörte wohl mir.

Auch hier war der Silberhaarige nicht zu sehen, möglicherweise gehörte er einer ganz anderen Stufe an oder einer anderen Klasse oder einer anderen Schule – oder er war gar kein Schüler mehr.

Kawatsu-sensei sah zwischen der Klasse und mir hin und her. „Ihr habt sicher schon gehört, dass wir eine neue Schülerin bekommen. Stell dich bitte vor.“

Er nickte mir zu, dann nahm er ein Blatt Papier und begann, etwas an die Tafel zu schreiben, was ich schon nach den ersten zwei Zeichen als meinen Namen erkannte. Mein Blick ging wieder nach vorne, dann räusperte ich mich. „Mein Name ist Leana Vartanian.“

Ich betonte das L, damit niemand erst auf die Idee kam, mich mit Reana anzusprechen.

„Ich komme aus England, musste aber wegen einiger Probleme nach Japan wechseln. Ich will eigentlich nicht weiter erklären, warum, das ist eine Sache, die ich hinter mir lassen will. Außerdem-“

Ich unterbrach mich selbst, als am anderen Ende des Klassenzimmers eine Tür geöffnet wurde und jemand hereinkam. Nicht nur die Störung an sich irritierte mich, mir blieb noch dazu für einen kurzen Moment die Luft weg. Der Schüler, der gerade die Tür hinter sich schloss, hatte langes, silbernes Haar, das zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst war, seine eisblauen Augen blickten desinteressiert in meine Richtung, aber dennoch hoben sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln, als er mich entdeckte. Ich fragte mich, ob er mich erkannte, schalt mich aber sofort für meinen eigenen Gedanken und wartete darauf, dass er sich entschuldigte, wie es die Höflichkeit verlangte, wenn man jemanden unterbrochen hatte.

Allerdings machte er keine Anstalten dazu, stattdessen steuerte er wortlos auf den freien Platz am Fenster zu, wo er sich, ohne mich weiter zu beachten, niederließ. Ich warf Kawatsu-sensei einen auffordernden Blick zu, damit er eine Entschuldigung verlangte, darauf sah der Lehrer zu dem Nachzügler. „Akatsuki, was hat dich heute aufgehalten?“

Akatsuki setzte sich aufrecht hin. „Ich habe verschlafen, tut mir Leid.“

Mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich seine Stimme hörte, die fast noch schöner schien als sein Haar und seine Augen und das obwohl er ohne jede Reue sprach. Doch als Kawatsu-sensei diese Erklärung nur abnickte, statt ihn darauf hinzuweisen, dass er unhöflich sei, schwand meine Sympathie gänzlich. Ich sah Kawatsu-sensei ungläubig an, aber dieser forderte mich lediglich auf, fortzufahren.

Noch immer ein wenig perplex, sah ich wieder zur Klasse und sprach weiter: „Jedenfalls bin ich hier, um zu beweisen, dass ich kein hoffnungsloser Fall bin. Ich hoffe, wir werden gut miteinander auskommen.“

Das war sogar die Wahrheit. Ich konnte mir fern meiner Heimat keinen Ärger leisten, mit niemandem. Freundschaften wollte ich nicht unbedingt schließen, mir ging es nur darum, nicht aufzufallen und das Jahr bestmöglich hinter mich zu bringen.

Kawatsu-sensei nickte mir schließlich zu. „Setz dich, bitte.“

Der einzige freie Platz war nun jener in der mittleren Reihe, direkt neben Akatsuki, der inzwischen die Arme auf den Tisch gelegt und seinen Kopf darin gebettet hatte. Einerseits widerstrebte es mir, mich neben diesen unhöflichen Kerl zu setzen, andererseits war ich aufgeregt, neben ihm sitzen zu dürfen. Da ich allerdings keine Zeit hatte, mich großartig mit meinen Gefühlen auseinanderzusetzen oder gar eine Diskussion anzufangen, schritt ich hastig zum Tisch und setzte mich.

Ich warf Akatsuki dabei einen Blick zu – und stellte verdutzt fest, dass er schlief. Der Kerl war doch tatsächlich noch während meiner restlichen Vorstellung eingeschlafen!

Ärger schwoll in meiner Brust an, ich sah mich nach den anderen um, in Erwartung, ähnliche Emotionen auf ihren Gesichtern zu lesen, doch mit Enttäuschung stellte ich fest, dass es keinen zu interessieren schien. Niemand außer mir beachtete Akatsuki, sie alle sahen nach vorne, wo Kawatsu-sensei mit dem Unterricht begonnen hatte.

Ich verstand es einfach nicht, was war nur los mit diesen Leuten?

Am Liebsten hätte ich laut aufgeschrien, um meiner Frustration Luft zu verschaffen, doch stattdessen besann ich mich wieder darauf, keinen Ärger machen zu wollen. Außerdem gab es vielleicht eine vernünftige Erklärung dafür, ich würde ihn in der Pause einfach danach fragen.

Bis dahin aber wollte ich versuchen, dem Unterricht zu folgen, auch wenn mir das schwerfiel, denn mein Blick wanderte immer wieder zu dem schlafenden Akatsuki, was mein Unverständnis immer wieder aufs Neue anfachte. An meiner alten Schule wäre das nicht möglich gewesen, er wäre geweckt worden und hätte einen Brief an seine Eltern mitbekommen, noch bevor er wirklich eingeschlafen wäre.

Warum war das im strengen Japan denn anders? Es wollte mir einfach nicht in den Kopf.
 

Als eine angenehm wohltuende Glocke schließlich das Ende der Stunde verkündete, wandte ich mit Akatsuki zu – und stellte überrascht fest, dass er bereits wieder wach war.

Er streckte sich genüsslich, ignorierte mich dabei allerdings. Jedenfalls, bis ich ihn anknurrte. Das war so ein Tick von mir, ich knurrte immer, bevor ich wirklich wütend wurde, deswegen hatten sich einige Personen in England über mich lustig gemacht. Akatsuki sah mich allerdings verdutzt an. „Hast du was?“

Ich räusperte mich, damit ich nicht aus Versehen noch einmal knurrte oder wütend klang, dann antwortete ich ihm mit gefasster Stimme: „Ich will nicht unhöflich sein, aber ist es möglich, dass du krank bist?“

Er runzelte seine Stirn. „Nein, wieso?“

„Weil du gerade während des Unterrichts eingeschlafen bist.“ Dass er sich außerdem absolut unhöflich mir gegenüber verhalten hatte ließ ich lieber weg.

Diesmal lachte er spöttisch, ehe er sich zurücklehnte. „Nein, ich bin nicht krank... ich komme nur nicht immer nachts nicht zum Schlafen. Ich habe viel zu tun.“

Andere Menschen wären bei diesen Worten wohl neugierig geworden, ich allerdings begann wieder zu knurren. „Dann bist du einfach nur so unhöflich?“

„Könnte man wohl so sagen.“ Er zuckte mit den Schultern, ihn kümmerte das wohl nicht weiter.

Ich war kurz davor, zu explodieren – als ich plötzlich bemerkte, dass alle anderen geradezu unheimlich still waren und uns ansahen. Jeder von ihnen wartete offenbar nur darauf, dass die Situation eskalierte. Das führte dazu, dass ich mich zum wiederholten Male an diesem Tag besann und mich demonstrativ von ihm abwandte. „Gut, wenn das so ist, dann will ich nichts mehr mit dir zu tun haben.“

Ein Raunen ging nach meinen Worten durch den Raum, ich spürte die überraschten Blicke der anderen mehr als dass ich sie sah und hörte das Tuscheln, weil einige von ihnen es offenbar nicht glauben konnten, dass ich dem Liebling aller eine solche Ansage erteilt hatte.

Aber da auch noch etwas anderes und das war Erleichterung. Jene hatte ich oft in anderen gespürt, wenn sie bemerkten, dass meine Wut abflaute oder ich einen Raum verließ, aber diesmal betraf es wohl die Tatsache, dass man mich nicht als Konkurrenz zu betrachten brauchte.

In dem Sinne war ich froh, dass ich diese Ansage gemacht hatte, immerhin ersparte mir das einiges an Ärger, wie ich glaubte. Aber da konnte ich noch nicht wissen, was ich mit meiner Ankündigung wirklich angerichtet hatte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück