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Trust me

Eternal Chronicles
von

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Ankunft

Das leise Rascheln, als der Mann mir gegenüber hinter seinem Tisch durch die Unterlagen ging, nagte an meinen ohnehin gefährlich dünnen Nerven. Der Flug, die Zugfahrt, das überaus unangenehme Schweigen bei der anschließenden Taxifahrt... ich war nur noch müde und wollte ins Bett, aber natürlich musste vorher alles mögliche überprüft werden.

Ob ich wirklich ich war – wer sollte ich denn sonst sein? – , ob ich mich im richtigen Wohnheim befand – da der Name meines Gegenübers mit dem meiner E-Mail-Bekanntschaft übereinstimmte mit Sicherheit – , ob ich überhaupt Herr meiner eigenen Gedanken war... Gut, das vielleicht weniger, aber so müde wie ich war, kam es mir wie eine gute Prüfung vor.

Während Agano-san weiter in den Unterlagen blätterte, nutzte ich die Zeit, um ihn erneut im grellen Licht seines Büros zu mustern. Bevor ich in diese Wohngruppe gekommen war, hatte ich einmal mit ihm telefoniert und ihm auch mehrere E-Mails geschrieben und mir meinen eigenen Eindruck von ihm gemacht – der sich absolut nicht mit der Realität deckte. Er war kein untersetzter, alter Mann mit dicken Brillengläsern, dessen kahler Kopf rot wurde, wenn er sich aufregte – er war ein recht groß gewachsener, schlanker Mann in den Vierzigern, ohne Brille, aber dafür mit dichtem schwarzem Haar. Im ersten Moment war ich aufgrund seiner Größe ein wenig eingeschüchtert gewesen, aber das hatte sich bald wieder gelegt. Er erschien mir nicht sonderlich gemein, eher verantwortungsbewusst und das gefiel mir.

Schließlich schien er endlich das richtige Formular gefunden zu haben, denn er stieß ein erleichtertes Seufzen aus und nahm einen Stift zur Hand. „Name?“

„Leana Vartanian.“

Während ich das sagte, überlegte ich, auf welche Art und Weise ein Japaner wohl versuchen würde, diese Namen zu umschreiben. Leana war kein Problem, aber Vartanian? Das war mit Sicherheit abenteuerlich.

Mit einem Nicken trug er den Namen in die entsprechende Zeile ein – leider war mir von meiner Position aus nicht möglich, zu sehen, wie genau er es schrieb – und fragte mich dann auch sämtliche anderen erforderlichen Daten ab, die ich geübt herunterrasselte als ob ich nie etwas anderes tun würde.

Erst bei der letzten Frage geriet ich ins Stocken: „Der Grund für deinen Aufenthalt?“

Da die Organisation dieser ganzen Sache von meinen Eltern übernommen worden war, bis auf wenige Mails und einen Anruf, der meine ersten Schritte nach dem Landen beinhaltete, wusste ich nicht so recht, was ich antworten sollte. Mir waren die verschiedensten Gründe genannt worden, je nachdem wann und wen ich gefragt hatte.

Eine Bildungsreise sollte es sein, hatte mein Vater zuerst gesagt.

Eine Ablenkung von den tragischen Ereignissen des letzten Jahres, war von meiner Mutter erwidert worden.

Eine Taktik, um Gras über die Sache wachsen zu lassen, war nach wiederholtem Nachfragen von meinem Vater gekommen.

Eine Stütze für meinen ansonsten verkorksten Lebenslauf, hatte meine leicht genervte Mutter nach dem unzähligsten Nachbohren geantwortet.

Meine Schwester Rosette wiederum war der Meinung, dass es eine Mischung aus all diesen Gründen war. Nicht, dass ich mich beschweren würde, Japan konnte unmöglich schlimmer sein als good old England in den letzten Monaten. Immerhin war ich hier weit fort von allen, die mich kannten und über meine Vergangenheit Bescheid wussten. Damit blieben mir weitere dumme Sprüche oder Getuschel hinter meinem Rücken erspart.

Warum es gerade Japan geworden war, erschloss sich mir aber nicht im Mindesten. Ein anderes englisch-sprechendes Land wäre doch auch gut gewesen, selbst um mich ans andere Ende der Welt zu schicken. Australien, zum Beispiel.

Aber nein, stattdessen war ich in einen Intensivkurs geschickt worden, damit ich zumindest Japanisch verstehe und Hiragana und Katakana lesen kann – und selbst das gelang mir nur mit Müh und Not. Ich wollte gar nicht daran denken, wie ich versagen würde, sobald Kanji dazukamen.

Da mir auffiel, dass Agano-san mich inzwischen abwartend ansah, räusperte ich mich hastig. „Eine Bildungsreise, um Abstand zu gewinnen.“

Das war eine Mischung aus allen Gründen, genau wie Rosette gesagt hatte.

Er nickte verstehend und trug etwas auf dem Formular ein. „Die meisten Jugendlichen, die zu uns kommen, brauchen diesen Abstand und neue Erfahrungen. Du befindest dich also in bester Gesellschaft.“

Wie toll, dachte ich trocken, ließ mir nach außen hin aber nichts anmerken und wartete darauf, dass er endlich alles erledigte, damit ich ins Bett konnte. Ich war inzwischen nicht einmal mehr hungrig so wie noch zuvor.

Ich atmete erleichtert auf, als Agano-san das Formular unterschrieb, mich bat, dasselbe zu tun und es dann in einem Ordner verschwinden ließ, den er gleich im Anschluss in einem Schrank verstaute, ehe wir beide aufstanden. „Ich zeige dir dann mal dein Zimmer, du bist mit Sicherheit müde.“

Ich folgte ihm nach einem Nicken auf den Gang hinaus, der mit dunklem Holz ausgelegt war, weswegen das dämmrige Licht noch finsterer schien und mir kaum Gelegenheit ließ, irgendwas zu erkennen. Die vorherrschende Stille schien mir beinahe unnatürlich, so als ob Geräusche jeder Art nur von irgendwas unterdrückt werden würden. Ich fragte mich, ob sonst niemand hier war oder ob sie alle bereits schliefen. Ich war noch nicht dazu gekommen, meine Uhr umzustellen, das würde ich am nächsten Tag nachholen.

Unterwegs erklärte Agano-san mir, wo die wichtigsten Räume waren, wann es die Mahlzeiten gab und dass neben mir aktuell eine Griechin und ein Spanier auf meinem Stockwerk leben würden – und ich mir keine Gedanken machen sollte, wenn die beiden sich zu streiten anfangen würden.

Ich konnte nicht anders als mich zu fragen, was das für seltsame Dinge waren, um sie einem Neuankömmling zu erzählen. Aber vielleicht war er auch aus Erfahrung klug geworden und warnte mich lieber vor.

Mein Zimmer schlussendlich war wirklich nur ein kleiner, quadratischer Raum, gerade groß genug, um einen kleinen Tisch unterzubringen und einen Futon, um sich schlafen zu legen, an einer der Wände war ein Waschbecken und ein Spiegel angebracht. Aber mir reichte das vollauf. Ich besaß ohnehin nicht sonderlich viele Sachen, die ich allesamt in meiner Reisetasche herumtrug, und die würde ich ohne Probleme im Wandschrank unterbringen können.

Agano-san wünschte mir eine gute Nacht, nachdem er erklärte, dass ich morgen früh geweckt werden würde und ging dann wieder hinaus. Endlich allein, ließ ich erst einmal meine Tasche auf den Boden fallen, ehe ich ans Fenster trat und hinausblickte. Zwar es bereits stockfinster, aber ich wollte dennoch herausfinden, wie die Aussicht war. Auf der anderen Straßenseite konnte ich einen kleinen Park erkennen. Die hellen Straßenlaternen, die ein farbloses Licht ausstrahlten, schienen alles andere um sie herum in tiefschwarze Dunkelheit zu tauchen. Es sah richtiggehend unheimlich aus, diese schwarzen Flecken zwischen den hellen Lichtkegeln. Unwillkürlich erinnerte ich mich an diesen einen Film, in dem eine Zahnfee sich in der Dunkelheit Menschen griff und sie grausam zugrunde richtete, ich schauderte bei dem Gedanken.

Glücklicherweise war das hier kein Film, kein verrücktes Videospiel und nicht einmal ein Buch, also würde hier so etwas bestimmt nicht geschehen. Das da unten war nur ein Park, ein im Dunkeln unheimlicher, aber normaler Park, dem ich bereits viel zu viele Gedanken und Adjektive gewidmet hatte.

Aber es fiel mir dennoch schwer, den Blick abzuwenden, als ich eine Person unter einer der Laternen entdecken konnte – eine Person, die direkt in meine Richtung starrte, zumindest kam es mir so vor.

Für einen Moment fiel es mir schwer, zu denken, zu atmen oder mich gar zu bewegen. Meine Ohren fühlten sich dumpf an, als ob ich gerade unter Wasser getaucht wäre und vergessen hätte, wieder aufzutauchen, was auch meine Unfähigkeit zu atmen erklärt hätte.

Aber das alles war doch unmöglich. Die Person war so weit weg, dass ich keinerlei Einzelheiten außer ihres weißen Haares wahrnehmen konnte, mit Sicherheit sah sie nicht mich an, sondern nur das Gebäude an sich, verwundert darüber, dass hier noch jemand wach war.

Mit aller Macht verdrängte ich die Gedanken hastig wieder und wandte mich endlich ab – nur um aus dem Augenwinkel plötzlich ein seltsames Blitzen wahrzunehmen. Sofort blickte ich wieder zum Fenster, aber es war nichts mehr zu sehen.

Kein weiteres Blitzen und auch die Person von zuvor war verschwunden, vermutlich in einem der schwarzen Felder zwischen den Lichtkegeln. Vielleicht hatte ich mir das aber auch nur eingebildet, ja, das musste es sein, ich war einfach nur übermüdet und litt noch unter dem Jetlag.

Was sollte eine Person auch mitten in der Nacht schon im Park machen und ein Wohnheim anstarren? Komplett verrückt.

Mindestens genausosehr wie am Fenster dieses Wohnheims zu stehen und in den Park hinauszustarren.

Wegen der immer noch anhaltenden Müdigkeit beschloss ich, mir keine Gedanken mehr zu machen und mich stattdessen endlich bettfertig zu machen. Als ich dann endlich auf dem Futon lag, dauerte es zu meinem Glück nicht lange, bis ich einschlief. Zuvor hatte ich befürchtet, dass Gedanken, Sorgen und Ängste mich wachhalten würden, aber stattdessen war ich weg, kaum dass ich meine Augen geschlossen hatte – und zu meinem Glück träumte ich auch nicht.
 

Er hatte 'Egen' bereits lange vor Frustration geschlossen. Das Buch beinhaltete Geschichten von Welten, von deren Erschaffung bis zu ihrem Untergang – aber die gesuchten Informationen über 'Shoubi' hatte er nicht erfahren können.

Also hatte er den Träger des Shinken manuell aufgespürt, überrascht festgestellt, dass es ein Mädchen war und sie sich fernab von allen anderen Shinkenträgern aufhielt – zumindest anfangs. Während er noch überlegt hatte, woher er sie kannte, waren ihre Koordinaten plötzlich verändert worden und nun befand sie sich bei allen anderen.

Aber selbst ihr Name Leana Vartanian half ihm nicht, sich zu erinnern, woher er sie kennen sollte. Unschlüssig war er vor dem Bildschirm gesessen, sich fragen, was er nun tun sollte – als er plötzlich eine Stimme hatte hören können.

Normalerweise war das nicht ungewöhnlich für ihn, er hörte oft die Stimme seines Shinjuu Great Wisdom, aber dieses Mal war es nicht seine. Es war eine Frau und zu seiner erneuten Verwunderung, kam sie ihm bekannt vor. Die Stimme jedenfalls, es war ihm nämlich nicht möglich, sie zu sehen, egal wie sehr er sich umblickte, um sie irgendwo zu entdecken.

„Es ist nicht nötig, mich zu sehen“, sagte sie als ob es ihr möglich wäre, seine fruchtlosen Bemühungen zu erkennen.

Er gab also auf und blickte wieder auf den Bildschirm, um so zu tun als würde er sich mit diesem unterhalten, denn trotz allem kam es ihm doch seltsam vor, mit der Luft zu sprechen.

„Es ist wichtig, dass Ihr mir zuhört“, wiederholte sie ihre ersten Worte an ihn noch einmal.

Er nickte. „In Ordnung. Sagt mir, was ich wissen soll.“

Natürlich interessierte er sich dafür, wer diese Person war, woher sie ihn kannte und warum er das Gefühl hatte, sie ebenfalls kennen zu müssen – aber da war auch diese Eingebung, die ihm verriet, dass sie ihm keine dieser Fragen beantworten würde, also beschloss er, lieber aufmerksam zuzuhören.

„Die Überreste von Yurushi no Yaga verbergen sich in den Schatten dieser Welt, um die Shinkenträger zu verschlingen und wieder vollständig zu werden. Es ist wichtig, dass die Träger gegen diese Gefahr kämpfen, aber...“

„Es ist nicht möglich, Shinken in dieser Welt zu beschwören“, beendete er ihren Satz nach ihrem Zögern. „Der Versorgungsturm dieser Welt ist mit einer Art Barriere versehen, die das verhindert.“

Das war ihm aufgefallen, als er versucht hatte, sich dorthin zu begeben. Da sein Shinjuu nicht über die entsprechende Teleportationsmöglichkeit verfügte, wie es bei Monobe der Fall gewesen war, hatte er es über den Versorgungsturm versucht – aber lediglich eine Fehlermeldung erhalten.

Da er nicht dorthin reisen konnte, überlegte er bereits, wie er sie von außen unterstützen könnte, aber dann war ja die Stimme erklungen.

„Das ist richtig. Aber es gibt eine Möglichkeit, diese Barriere zu umgehen.“

Aufmerksam lauschend saß Salles plötzlich aufrecht. „Und wie sieht diese Möglichkeit aus?“

„Das werde ich Euch verraten, sofern Ihr mir versprecht, nicht zu viele Fragen zu stellen und Leana zu unterstützen.“

Das mit den Fragen hatte er aufgrund seines Gefühls ohnehin nicht umsetzen wollen, aber er musste zugeben, dass er, um die Sicherheit seiner alten Kameraden zu gewährleisten, möglicherweise auf Leanas Schutz verzichtet hätte. Aber wenn diese Frau darauf bestand, dass er ihr half und er im Gegenzug verraten bekam, wie er seinen Kameraden helfen konnte, würde er genau das tun.

„Das werde ich tun.“

Er glaubte, ein erleichtertes Aufatmen zu hören, aber möglicherweise entstammte das nur seiner Vorstellung, denn er hatte das unbestimmte Gefühl, dass dieser Laut nicht zu dieser Frau passen würde.

„Die einzige Möglichkeit, diese Barriere kurzfristig zu umgehen, ist...“



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