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Worthalten

Ein Geburtstagsdrama in fünf Akten
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallihallo! :)

Hier ist also das letzte Kapitel dieser FF. Ob es das letzte über die beiden Streithanseln sein wird, bezweifele ich irgendwie. Dazu macht es viel zu viel Spaß, sie auf einander zu hetzen. ;P Muhahaha ...

Viel Spaß!

LG Zyra Komplett anzeigen

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Unerwünschter Besuch

Hallo!
 

Eine neue Geschichte von mir. Zu und über Setos Geburtstag. Natürlich geht es nicht nur um den Geburtstag. ;) Ich bemühe mich, ihren Aufbau an den eines fünfaktigen Dramas anzulehen.
 

Viel Spaß beim Lesen! Ich hoffe, sie wird euch gefallen!
 

LG Zyra
 

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Worthalten
 

1. Akt: Unerwünschter Besuch
 

„Guten Morgen, großer Bruder“, begrüßte ihn Mokuba überschwänglich.
 

Kaiba blinzelte verschlafen. Sein erster Blick galt dem Wecker. Sechs Uhr. Selbst für ihn keine Zeit, um am Wochenende aufzustehen. Der zweite Blick galt seinem Bruder, der breit übers ganze Gesicht grinste. O je, ihm schwante böses.
 

„Mokuba“, schnappte er zerknirscht. „Ich wiederhole mich nur ungern. Ich habe keinerlei Interesse daran, meinen Geburtstag zu feiern.“
 

Scheinbar verfehlte der Ton seine Intension. Mokuba wirkte nicht sonderlich beeindruckt. Das mochte daran liegen, dass er in bestimmten Lebensbereichen noch nie auf Seto gehört hatte. Leider gehörte das Organisieren einer unerwünschten Geburtstagsfeier dazu. Oder es war einfach der Tatsache verschuldet, dass man selten einen bedrohlichen Eindruck erweckte, wenn man zerzaust im Bett lag und sich noch nicht einmal den Schlaf aus den Augen gerieben hatte.
 

„Sag das nicht mir, sondern dem sexy Chinesen, der unten in der Eingangshalle wartet – mit der wohl leckersten Marzipantorte, die ich jemals gesehen habe“, erwiderte er grinsend. Sein Ton schwankte zwischen Feixen und Begeisterung.
 

Kaiba konnte das abgrundtiefe Seufzen nicht unterdrücken. Ebenso wenig den Impuls sich zurück in die Laken fallen zu lassen. Er hasste es, überrascht zu werden, wenn er noch nicht vollständig wach war. Und im Moment verabscheute er noch mehr, das, was sich Gefühle schimpfte.
 

Ein warmes Kribbeln breitete sich in seinem Bauch aus und ein leichtes Ziehen in der rechten Schulterpartie kündigte Phantomschmerzen an.
 

Nachdenklich rieb er sich mit beiden Händen übers Gesicht und presste die Handballen leicht auf die Augen. Wie löste er die Situation schnell und befriedigend? In seine Problemlösung mischte sich immer wieder der Gedanken, dass der Idiot tatsächlich gekommen war.
 

„Schick ihn weg“, sagte er, ohne Mokuba anzusehen, nachdem er die Hände sinken gelassen hatte, „und das möglichst unfreundlich. Sag ihm, ich will ihn nicht sehen und nichts mit ihm zu tun haben. Wenn er trotzdem darauf besteht, mit mir sprechen zu wollen, richte ihm aus, dass es mir nicht gut geht.“
 

„Und was genau stellst du dir unter ‚möglichst unfreundlich‘ vor?“, fragte Mokuba stirnrunzelnd. „Soll ich ihm vielleicht sagen, dass er dich mal kreuzweise kann. Oder wie darf ich das verstehen?“
 

„Genau das solltest du nicht tun“, sagte Kaiba. Die Aufforderung würde der andere nur zu gerne wörtlich nehmen, da war er sich sicher. „Nutz meinetwegen dein ganzes jugendliches Schimpfwörterrepertoire, aber sexuelle Anspielungen sind absolut kontraproduktiv. Ich will ihm keinen Vorwand bieten, zu mir ins Bett zu kriechen, sondern ich will ihn loswerden.“
 

Mokuba öffnete verblüfft den Mund, dann verzogen sich seine Lippen wiederholt zu einem Grinsen. „Das hätt ich dir gar nicht zugetraut, großer Bruder.“
 

Kaiba erwidere daraufhin nichts. Es hatte seinen Grund, dass er Mokuba nichts von dieser … Angelegenheit erzählt hatte. Er war sich nicht einmal selbst darüber im Klaren, was es gewesen war. Fakt war jedoch, dass dort mehr als nur Sex im Spiel gewesen war. Selbst Kaiba stritt das vor sich selbst nicht ab. Man versuchte nicht seine Geschäftsreisen aufeinander abzustimmen, nur weil man regelmäßig mit ein und derselben Person schlafen wollte.
 

„Mokuba“, hielt Kaiba ihn auf, als der sich bereits zum Gehen gewendet hatte. „Warum bist du überhaupt schon wach?“
 

Mokuba lächelte liebevoll verschmitzt. „Na, um eine kleine Überraschung für dich vorzubereiten“, erwiderte er gelassen. „Happy Birthday, Seto!“
 

Happy? Dass er nicht lachte. Er bezweifelte arg, dass irgendetwas an diesem Tag glücklich sein würde. Als keine fünf Minuten später sein Handy klingelte, schien sich seine Vermutung zu bestätigen. Mokubas Nummer leuchtete auf dem Display auf.
 

„Ja?“, fragte er genervt. Er ahnte bereits, dass es Probleme dabei gab, den Idioten loszuwerden.
 

„Warum hast du Schluss gemacht?“, stellte Mokuba die Gegenfrage. Er klang in einer seltsamen Mischung sowohl genervt als auch neugierig.
 

„WAS?“
 

„Er sagt, er wird nur gehen, wenn du ihm erklärt hast, warum du Schluss gemacht hast“, meinte Mokuba. „Also, warum hast du Schluss gemacht?“
 

„Und ich dachte immer, man müsste eine Beziehung geführt haben, um Schluss machen zu können“, sagte er spöttisch. Mokuba gab es weiter – samt einer Beschreibung seines Tonfalls.
 

Kaibas Herz setzte einen Schlag aus, als er die Stimme des anderen im Hintergrund hörte. Im selben Moment verfluchte er bereits die Reaktion seines Körpers. Das machte es wirklich nicht einfacher.
 

„Er scheint der Meinung zu sein, ihr hättet eine Beziehung geführt“, sagte Mokuba wenig später.
 

Natürlich ist er das, dachte Kaiba gereizt. Sonst wäre nicht von „Schluss machen“ die Rede gewesen. Er selbst hatte keine Ahnung, was es für ihn gewesen war. Mehr als eine reine Affäre jedenfalls, aber eine Beziehung? … Nein, das traf es definitiv nicht. … Er wollte zumindest nicht, dass es das traf.
 

„Er wird gehen, wenn er die Antwort hat?“, fragte Kaiba und fand diese Art der Kommunikation lächerlich infantil. Ändern würde er sie dennoch nicht. Persönlich mit ihm zu sprechen konnte nicht förderlich sein. Wenn er die kühle, dunkle Stimme nur im Hintergrund hörte, lenkte ihn das schon genug ab.
 

„Er gibt dir sein Wort darauf“, teilte Mokuba ihm mit.
 

„Seine Geschäfte“, sagte Kaiba knapp. Es war nicht gelogen. Vielleicht waren sie sogar das Kernproblem. Letztendlich musste er sich jedoch eingestehen, dass es vordergründig das Verhalten des anderen gewesen war, weswegen er den Kontakt abgebrochen hatte. Aber das sprach er nicht aus, in seiner ganzen Komplexität gestand er es sich noch nicht einmal ein.
 

Kaum hatte Mokuba seine Antwort weitergegeben, hörte Kaiba am anderen Ende der Leitung Schritte, leichtes Gerangel und ein protestierendes „Hey“ seines Bruders.
 

„Erzähl mir keinen Unsinn, Seto“, erklang keine zwei Sekunden später die herrisch-kühle Stimme seines … was auch immer er gewesen war. Nun jedenfalls Ex – was auch immer er gewesen war.
 

„Das ist eine Tatsache, Jian“, hielt Kaiba eiskalt dagegen, obwohl er sich eingestehen musste, dass sein Name aus dem Mund des anderen, eine seltsame Wirkung auf ihn hatte. Keinesfalls eine gewünschte.
 

„Gib mir sofort mein Handy wieder“, hörte er Mokuba im Hintergrund. „Du hast deine Antwort, also verschwinde.“
 

„Ich lasse mich nicht mit einer Lüge abspeisen.“
 

„O, tolle Methode sich um seine Versprechen zu drücken.“
 

„Junge, je eher du deinen Mund hältst und mich kurz mit deinem Bruder sprechen lässt, desto eher bin ich verschwunden.“
 

Mokuba grummelte etwas, von dem Kaiba nur das Wort „auflegen“ verstand und war danach tatsächlich ruhig.
 

„Wenn du recht hast und dein Bruder für sein Alter tatsächlich reif ist“, sagte Jian auf Chinesisch und nun wieder ins Telefon, „will ich keinem normalen 15-jährigen Teenager begegnen.“
 

„Ich weiß nicht, wie du auf die Idee kommst, Mokuba zu beleidigen, würde deine Situation verbessern“, erwiderte Kaiba maliziös. Er fragte sich, warum er nicht einfach auflegte. Vielleicht, weil der andere danach innerhalb von zehn Minuten bei ihm im Schlafzimmer auftauchen würde. Und dort wollte er ihn unter den gegebenen Umständen wirklich nicht haben.
 

„Ich will eine ehrliche Antwort, Seto“, sagte Jian eindringlich, ohne auf seinen Einwurf einzugehen.
 

„Die hast du bekommen“, entgegnete Kaiba kalt und setzte sarkastisch hinzu: „Hättest du jetzt also die Güte, dich von meinem Grundstück zu entfernen.“
 

Am anderen Ende der Leitung wurde zischend ausgeatmet. Scheinbar war Jian wütend. „Wie können meine Geschäfte das Problem sein, wo wir doch vereinbart hatten, uns nicht in die Geschäfte des jeweils anderen einzumischen?“, fragte er bemüht beherrscht.
 

„Ist dir vielleicht schon einmal in den Sinn gekommen, dass es genau daran liegen könnte?“, stellte er ungerührt die Gegenfrage. „Nur, weil du nicht verstehst, musst du mich nicht des Lügens bezichtigen.“
 

Jian seufzte. „Also gut“, sagte er schließlich, ohne es auf irgendetwas zu beziehen. „Ich halte meine Versprechen, das weißt du. … Wo ai ni, Seto.“
 

Damit legte er auf. Kaiba schob das Handy auf den Nachttisch und schlug seine Bettdecke zurück. Nun würde er sicher nicht mehr schlafen können. Da konnte er ebenso gut aufstehen und ins Bad gehen.
 

Ich liebe dich. Vielleicht lag der Knackpunkt in genau dieser Aussage. Es hätte ohne Zweifel etwas geändert, wenn Jian ihm das niemals gesagt hätte.

Marzipantorte zum Frühstück

Hallo!
 

Vorneweg möchte ich ein Dankeschön aussprechen. Leute, ich bin baff! Ich hätte nicht gedacht, dass die FF so gut bei euch ankommt. Vielen lieben Dank euch allen! Ich habe mich riesig über eure Kommentare und euer Lob gefreut!
 

@ Onlyknow3: Ich würde Seto in erster Linie nicht als schüchtern bezeichnen. Der ist hochgradig angepisst, enttäuscht und verletzt (wobei er sich die letzteren natürlich nicht eingesteht ;)). Was Jian betrifft: Er könnte einem tatsächlich ein wenig Leid tun, aber da er Mist bebaut hat ... Und er hat auch so seinen Weg die Torte abzuliefern. ;)

Da bringt das nächste Kapitel schon etwas Licht ins Dunkel!
 

@ ThoraEightysix und LydiaDeetz: O Mann, ich fühl mich echt geehrt. ^^ Ich hab mich wirklich sehr über euer Lob gefreut, besonders, weil ich ja weiß, wie gerne ihr Joey und Puppyshipping mögt. Ich hoffe, die weiteren Kapitel gefallen euch auch so gut - trotz Joey-Abewesenheit.
 

@ JSK5017: Ich will ja nicht zu viel vorwegnehmen, aber du hast da ein paar interessante Fragen gestellt. Was genau die Hintergründe sind, werde ich natürlich nicht verraten, dann wäre die ganz schöne Spannung ja futsch. Aber zu der Frage, ob sie den Geburtstag noch zusammen verbringen, spoiler ich wohl nicht zu viel, wenn ich sage, definitiv einen Teil. Schließlich müssen sie irgendwann aufeinander treffen. Aber wie das in Setos momentanen Gemütszustand ausgehen wird ... lass dich überraschen! ;)
 

@ Karma: Danke für dein Lob! Du hast es echt auf den Punkt getroffen. Gefühle, besonders wenn man sie nicht abstellen kann, sind für Seto wirklich nicht das Wahre. ;) Aber was interessiert mich das schon ... Er weiß einfach nicht, was gut für ihn ist. Insofern hast du absolut Recht, wenn du denkst, dass noch einiges auf ihn zu kommt.
 

So, jetzt aber genug gequatscht! Ich wünsche allen viel Spaß mit dem zweiten Kapitel und hoffe, dass es zumindest ein wenig eure Erwartungen erfüllt.
 

LG Zyra
 

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2. Akt: Marzipantorte zum Frühstück
 

Als Kaiba später in den Speisesaal kam, erwartete ihn Mokuba bereits – mit seinem besten „Erzähl mir alles, und noch viel mehr“ Lächeln. Er war kurz davor auf der Türschwelle kehrtzumachen und sich in seinem Zimmer einzuschließen. Das hatte ihm noch gefehlt.
 

„Irgendeine Chance dieses Gespräch zu verschieben?“, fragte er sarkastisch. „Vielleicht, weil ich Geburtstag habe?“
 

Mokuba lachte leise und schüttelte den Kopf. „Sorry, großer Bruder, du hast mich echt neugierig gemacht.“
 

Kaiba wusste, dass es keine ernstzunehmende Option war, Mokuba zu sagen, er solle sich um seinen eigenen Kram kümmern. Was allerdings nicht hieß, dass er ihm alles haarklein erzählen würde.
 

„Er hat die Torte und ein kleines Päckchen für dich da gelassen“, sagte Mokuba und wies mit der Hand auf eine Stelle neben Kaibas Platz.
 

Natürlich hatte Jian das. Kaiba hätte sich gewundert, wenn es anders gewesen wäre. Es war ihm bereits klar gewesen, als Mokuba ihn zum ersten Mal erwähnte. Und die Erinnerung, dass er seine Versprechen hielt, war eine deutliche Bestätigung dieser Annahme gewesen. Kaiba würde Millionen darauf wetten, dass er den anderen heute noch zu Gesicht bekam. Freuen, tat er sich darauf wahrlich nicht … obwohl sein Körper das ein wenig anders zu sehen schien.
 

„Ich wusste nicht, wie du damit …“, fuhr Mokuba fort, ließ den Satz jedoch unvollendet, als Kaiba abwinkte.
 

„Hast du hier einen Tortenheber?“, fragte er.
 

Innerhalb von Sekunden schwenkte Mokuba mit dem Besteckstück. „Darf ich? Darf ich?“, fragte er und strahlte übers ganze Gesicht.
 

„Nimm dir, und gib mir auch ein Stück“, meinte er nur und gestattete sich ein leichtes Lächeln, als sein Bruder sich mit einem lauten „Yippie!“ auf die Kuchenplatte stürzte und ihnen beiden in Windeseile ein Stück auf den Teller schob. Es tat auf unerwartete Art und Weise gut, zu sehen, dass Mokuba sich sein inneres Kind bewahren konnte.
 

„Mm. Die ist absolut göttlich!“, stieß er bereits gedehnt aus, als Kaiba sich noch nicht einmal ganz gesetzt hatte. Seine Augen richteten sich neugierig auf den älteren. „Wo bekomme ich das Rezept her? Und überhaupt, woher weiß der Typ von der einzige Torte, die du magst? Mm … wie heißt er eigentlich?“
 

Kaiba schwieg und aß seinerseits eine Gabel vom Kuchen. Andere Leute hätten bei den Erinnerungen, die das Aroma hervorrief, wahrscheinlich angefangen zu heulen. Er verdrängte sie einfach in die hinterste Ecke seines Gehirns und genoss den Geschmack.
 

Zu seiner Überraschung bohrte Mokuba nicht sofort nach. In einträchtiger Stille verzehrten sie beide ihr erstes Stück.
 

„Jian“, sagte Kaiba schließlich, während er sich Kaffee einschenkte. Sein Bruder blickte ihn fragend an. „Er heißt Jian. Die Torte gab es bei einer Feierlichkeit und ihm ist aufgefallen, dass es die einzige war, von der ich gegessen habe. An das Rezept zu kommen, habe ich bereits vergeblich versucht. Seine Köchin gibt es nicht heraus – scheint ein Familiengeheimnis zu sein.“
 

„Schade“, murrte Mokuba seufzend, dann siegte endgültig der neugierige Ausdruck in seinen Augen. „Wo habt ihr euch kennengelernt?“
 

Plötzlich flammten warme Erinnerungen in ihm auf. An intelligente Gespräche und kulturelle Einführungen. Da war zweifelsohne mehr gewesen als bloßer Sex. Er vermisst dieses Etwas sogar, wie er zu seinem Ärger dann und wann feststellen musste.
 

„In China“, antwortete er knapp und entschloss sich im nächsten Moment, bei den weniger „persönlichen“ Fragen etwas ausführlicher zu sein. Vielleicht konnte er damit die Neugier wenigstens ein bisschen stillen. „Im Restaurant eines seiner Hotels. Sein Stammplatz war vergeben und er hat einen riesigen Aufstand gemacht.“
 

„Ich kenn da noch jemanden, der das vorzüglich kann“, warf Mokuba halb bitter, halb amüsiert ein.
 

„Nicht auf die Art und Weise“, wehrte Kaiba ab. Er hatte mit dem Einwand gerechnet. Hin und wieder waren sie bei Beschwerden nicht derselben Meinung. Aber auch er würde keinen Ärger machen, wenn ein beinahe identischer Platz direkt neben seinem reservierten noch frei wäre. Jian hatte noch nicht einmal eine Reservierung gehabt. Wahrscheinlich hatte zu dem Zeitpunkt, in dem er im Lokal auftauchte, selbst die Hotelleitung gerade mal fünf Minuten gewusst, dass er in der Stadt war. Zudem war es bereits nach Mitternacht gewesen und im gesamten Restaurant hatten vielleicht eine Handvoll Leute gesessen. Es wäre deutlich unkomplizierter und angenehmer gewesen, einen anderen Tisch zu nehmen.
 

„Und was ist dann passiert?“
 

„Ich musste für eine Konferenz am übernächsten Tag noch einiges vorbereiten und konnte wegen des Jetlags sowieso nicht schlafen“, erklärte Kaiba. „Jedenfalls habe ich gearbeitet, bis plötzlich Jian mitten in der Nacht in meiner Suite auftauchte.“
 

Kaiba hatte zu dem Zeitpunkt nicht gewusst, wer der andere war. Letztendlich hätte es nichts geändert. Abgesehen davon, dass die folgende Diskussion vielleicht etwas kürzer ausgefallen wäre, weil er sich den Verweis auf die Hotelleitung gespart hätte.
 

„Du hast dich natürlich mit ihm angelegt“, schlussfolgerte Mokuba grinsend.
 

„So in der Art“, gestand Kaiba ein. „Angelegt“ war eher nicht das richtige Wort. Sie hatten verhandelt, wenn man denn so wollte. „Ich habe ihm gesagt, wenn er der Auffassung sei, mich aus der Suite werfen zu können, sei er falsch informiert.“
 

„Hatten die dir seine Suite gegeben oder warum ist er überhaupt bei dir aufgetaucht?“, fragte Mokuba neugierig nach.
 

„Seine Abstelllager-Suite, wenn man so will“, entgegnete Kaiba trocken und konnte immer noch nicht glauben, mit wie viel Gerümpel der Mann immer reiste, dass eine geräumige Wohnung nicht für seinen Kram ausreichte.
 

„Was?“
 

Er erklärte es ihm, und Mokuba runzelte ungläubig die Stirn. „Wie habt ihr euch geeinigt?“
 

„Ich habe ihm eines der Schlafzimmer überlassen und dadurch den Preis gedrückt.“ Es klang ganz simpel, was es aber keinesfalls gewesen war. Einmal davon abgesehen, dass sie die halbe Nacht gebraucht hatte, um zu dem Punkt zu gelangen, waren sie ständig aufeinander getroffen, wenn Jian irgendwelche Sachen aus der Suite geholt hatte. Den Part verschwieg er bewusst. „Das nächste Mal habe ich ihn bei der Konferenz wieder gesehen.“
 

„Bei der Konferenz?“, echote Mokuba überrascht. „Ich dachte, er wäre Hotelier.“
 

„Glaub mir, es wäre deutlicher einfacher, aufzuzählen, was er nicht ist“, erwiderte Kaiba trocken und griff nachdenklich nach dem Päckchen, dass neben der Tortenplatte lag. Er hatte schon eine leise Ahnung, was darin war. Jian hatte die ungewöhnliche Gabe, seine Wünsche an den kleinsten Regungen abzulesen. Nur, dass er ihn in Ruhe lassen sollte, schien er nicht zu begreifen zu können … oder er ignorierte es beharrlich.
 

Dennoch konnte Kaiba nicht verhindern, dass abermals warme Erinnerungen in ihm aufkamen. An kleine Geschenke und ausgedehnte Dinner. Er drängte die Gedanken und Gefühle zurück. Unglaublich, wie hartnäckig sie sich in seinem Kopf hielten.
 

„Aha“, meinte Mokuba und begann ungläubig zu blinzeln, als Kaiba das Geschenk ausgepackt hatte. „Ist das … Das ist doch … Woah!“
 

„Ein Gangshi Cxt-591-K“, sprach Kaiba es aus und holte das kleine, flache Gerät aus seiner Verpackung. Er hatte es geahnt. Das Handy stand in dem Ruf, weltweit das beste Smartphone zu sein.
 

„Also, wenn du so sauer auf ihn bist, dass du es nicht willst, könnte ich es verstehen“, sagte Mokuba und grinste breit. „In dem Fall gib es ruhig mir!“
 

„Ich bitte dich“, erwiderte er kühl und ein wenig spöttisch. Sein Verhältnis zu Jian war kein Grund, es wegzugeben. Da fiel ihm eher ein anderer ein. Er hegte die starke Vermutung, dass es überwacht wurde, aber das würde sich leicht überprüfen lassen. Nach dem Frühstück würde er es sicherheitshalber erst einmal liegen lassen.
 

„Du, Seto?“, sagte Mokuba vorsichtig und schien seltsam hin und her gerissen. „Ich glaube, er mag dich wirklich. Ich meine, er schenkt dir zum Geburtstag ein Handy, das noch nicht mal auf dem Markt ist, und das schätzungsweise einen Kaufpreis von ner knappen halben Million haben wird. Außerdem … er wirkte ziemlich ehrlich, als er sagte, dass er dich liebt.“
 

Das warme Kribbeln suchte wieder seinen Magen heim. Die Vergangenheit schien nicht ruhen zu wollen. Gedanken an warme Lippen, geflüsterte Worte und unglaublich guten Sex kamen in ihm hoch. Sekundenlang schloss er die Augen, um sie abzuschütteln.
 

Mokuba war in solchen Dingen ein guter Beobachter, aber es war irrelevant – zumindest vom Kopf aus. Jian mochte tatsächlich der Meinung sein, ihn zu lieben. Es änderte nichts, machte die Situation wenn überhaupt nur noch schlimmer. Was er selbst empfand … er wusste es nicht und er gab sich die größte Mühe, es nicht herauszufinden. Er wollte es nicht wissen. Im Augenblick kam er ohne jegliches zusätzliche Wissen wohl deutlich besser mit der Situation klar.
 

„Darum geht es nicht, Mokuba“, wehrte Kaiba ab und trank einen großen Schluck Kaffee in der Hoffnung, es könnte seinen Magen beruhigen.
 

„Ich muss zugeben, ich verstehe auch nicht, wie seine Geschäfte das Problem sein können, wenn ihr sie außen vor lassen wolltet“, gestand Mokuba ein und blickte ihn fragend an.
 

„In der Konsequenz waren sie nicht außen vor zu lassen“, sagte Kaiba nach einem Moment des mit sich Haderns wahrheitsgemäß. Seine Stimme schwankte ungewohnt. Er wollte nicht darüber sprechen, auch nicht mit Mokuba. Als der die Stirn runzelte und im Begriff war, nachzufragen, schüttelte er den Kopf. Wie man es drehte und wendete, die Geschäfte blieben doch immer erhalten in der Problemgleichung.
 

„Ist das von dir?“, fragte Kaiba stattdessen und zeigte auf das zweite kleine Päckchen neben seinem Teller. Der Themawechsel hatte beim letzten Mal ja grundsätzlich funktioniert.
 

„Jap“, sagte Mokuba stolz und die Nachdenklichkeit verschwand aus seinen Zügen. „Es ist nur eine Kleinigkeit, aber ich glaube, du hast danach gesucht.“
 

Kaiba hob eine Augenbraue. Er riss das – in seinen Augen völlige überflüssige – Geschenkpapier ab und öffnete die kleine Dose, die zum Vorschein kam. Darin entdeckte er einen Computerchip.
 

„Wo hast du den her?“, fragte er überrascht. Er war tatsächlich erfreut. Für seine neuste Erfindung benötigte er einen solchen und er hatte schon gedacht, komplett um planen zu müssen. Es war ein Modell, das bereits solange ausgelaufen war, dass sich niemand in der Lage gesehen hatte, weitere herzustellen. Im Internet hatte er kein Exemplar mehr auftun können und auch seine Suche bei Fachgeschäften hatte nichts ergeben.
 

„Das war reines Glück“, erwiderte Mokuba, lächelte aber strahlend. „Ich hab ihn in einem kleinen Laden in Tokio entdeckt, als wir dort mit dem Club ein Auswärtsspiel hatten.“
 

„Der bringt mich weiter“, sagte Kaiba und schenkte Mokuba ein seltenes Lächeln. Jetzt konnte er mit seiner Planung fortfahren wie gehabt.
 

„Das freut mich“, antwortete er ehrlich und kratzte sich dann ein wenig verlegen an der Wange. „Apropos, der Club …“
 

„Geh ruhig zu deinem Fußballspiel“, erwiderte Kaiba. Im Grunde war ihm das ganz recht. „Es macht mir nichts aus. Ich werde in der Zeit selbst ein wenig im Fitnessraum trainieren. Komm nur nicht auf die Idee, mich mit schleppen zu wollen.“
 

„Hey, das ist gar keine so schlechte Idee“, sagte Mokuba neckend und grinste über beide Ohren. „Na ja, es dauert auch nicht so lange, ist ja kein Auswärtsspiel. Ich bin sicherlich gegen vier wieder da.“
 

Den größten Teil des Vormittages verbrachten sie damit, ein Videospiel in der Entwicklungsphase Probezuspielen – mit allen Pannen, die nur irgendwie möglich waren. Wackelnde Bilder, übersprungene Level, Tastenkombination, die irgendetwas auslösten, dass eigentlich gar nicht möglich sein sollte …
 

Kaiba war so darauf konzentriert, dass er für die Zeit tatsächlich vergessen konnte, dass ihm heute aller Wahrscheinlichkeit noch ein sehr unangenehmes Treffen ins Haus stand. Mokuba hatte nicht weiter nachgehakt, er schien ihm eine kleine Auszeit von seiner Fragerei zu gönnen. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, in dem das Spiel ihnen komplett abstürzte.
 

„Oh, ich glaube, die Entwicklungsabteilung wird sich über unsere Liste freuen“, kicherte Mokuba vergnügt. Er lehnte sich mit dem Kopf an Kaibas Schulter. „Seto?“
 

„Hm“, machte er nur, während er das Spiel neustartete.
 

„Sagst du mir, wann du den Kontakt abgebrochen hast?“, fragte er vorsichtig. Ein kurzes Schielen zeigte Kaiba, dass wieder deutliche Neugier in seinen Augen stand. Aber anscheinend hatte er bemerkt, wie ungern der ältere darüber sprach und wollte ihn nicht zu sehr bedrängen.
 

„Ende August“, sagte Kaiba, da er der Frage keine allzu große Bedeutung beimaß und keinen Wert darauf legte, dass sich die Neugier seines Bruders ins Unendliche steigerte. Seine Fehleinschätzung wurde ihm bewusst, als Mokubas Blick ernst wurde.
 

„Seto“, sagte er eindringlich. „Was ist in den drei Tagen passiert, in denen ich dich nicht erreichen konnte?“

Drei Tage

Hallo!
 

Wie gehabt am Anfang die Antworten auf euren Kommentare:
 

@ Lukras: Schön zu hören, dass dir die FF gefällt. ^^ Ja, Jian ist mein eigener Charakter. Ich hoffe mal, das schreckt dich jetzt nicht ab.
 

@ JSK5017: Es freut mich, zu hören, dass das Kapitel neugieriger gemacht hat. Genau das war meine Absicht. Im dritten Kapitel erfährt man nun was vorgefallen ist und warum Seto so schlecht auf Jian zu sprechen ist. Viel Spaß damit!
 

@ Onlyknow3: Mokuba ist schon knuffig, aber auf seine Art und Weise hat er es faustdick hinter den Ohren. Das vergisst Seto dann und wann schon einmal. Ich hoffe, das dritte Kapitel kann deine Neugier ein wenig befriedigen.
 

Ich wünschen alle viel Spaß beim Lesen und würde mich über Rückmeldungen sehr freuen! ^.^
 

LG Zyra
 

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3. Akt: Drei Tage
 

„Seto?“, fragte Mokuba leise, aber beharrlich. „Wo warst du?“
 

„Ich habe keine Ahnung“, antwortete er und plötzlich war der Phantomscherz in Schulter, Bauch und Bein wieder da. Seine Stimme war ein ähnliches Wispern, wie die von Mokuba.
 

„Was hat er getan?“, fragte der ein wenig ängstlich.
 

Ja, was hatte er getan? Kaiba wusste es nicht. Jedenfalls nicht das, was er von ihm erwartet hatte. Er konnte nicht genau sagen, in welche Richtung Mokuba dachte, auf dem exakten Weg war er jedoch noch nicht. Dennoch erstaunte es ihn immer wieder, wie gut der jüngere inzwischen Zusammenhänge erfassen konnte. Er hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass er begreifen würde, dass die drei Tage Ausschlaggebend gewesen waren.
 

„Seto?“, sagte er wieder. Die warme Wange veränderte etwas ihre Position an Kaibas Schulter.
 

„Nicht jetzt“, entgegnete er und es klang viel zu sehr nach einer Bitte als nach einem Befehl. Er schloss kurz die Augen, drängte Erinnerungen und Schmerzen zurück.
 

„Okay“, murmelte Mokuba und nahm seinen Controller wieder zur Hand. Vielleicht hatte der fehlende herrische Ton seine Wirkung nicht verfehlt. Auf jeden Fall ließ er das Thema auf sich beruhen. Fürs erste zumindest.
 

Sie spielten das Spiel zur Hälfte durch und erstellten danach eine detaillierte Fehlerliste. Kaiba hätte gern noch ein wenig gearbeitet, aber er wusste, dass er dadurch nur Ärger mit Mokuba hinaufbeschwören würde. Das Spiel zu testen, war die einzige Produktivität, die der jüngere ihm heute zugestand.
 

Zu Mittag aßen sie relativ zeitig. Schließlich hatte Mokuba sein Fußballspiel. Nachdem er gegangen war, saß Kaiba noch ein Weilchen im Speisesaal und tippte sich nachdenklich nur die verschiedenen Menüs des Handys. Es wäre tatsächlich ein Jammer, wenn er das Gerät nicht in Betrieb nehmen könnte.
 

Kaiba seufzte lautlos. Es gab eine ganz einfach Möglichkeit herauszufinden, ob er mit seiner Vermutung der Überwachung richtig lag. Er sollte sich endlich einen Ruck geben. Um das Treffen kam er so oder so nicht herum. Da konnte er es ebenso gut früher als später hinter sich bringen. Es konnte nur Vorteile haben, den Treffpunkt zu bestimmen.
 

Entschlossen machte er sich auf den Weg in sein Zimmer, um sich fürs Trainieren umzuziehen. Dort warf er das Handy aufs Bett, sein Hemd und seine Hose folgten. Kurz entschlossen griff er nach eher figurbetonten Kleidern. Den Gedanken dahinter konnte er nicht ganz fassen, und er wollte es auch gar nicht. Es würde wahrscheinlich nahe einer Gefühlsduselei enden.
 

Kaiba stieg die Treppen in den Keller hinab und sobald er die Tür zum Fitnessraum öffnete, wusste er, dass der andere dort wartete. Die Luft war nicht so abgestanden, wie sonst, wenn man den Raum nach Tagen betrat. Außerdem meinte er irrationaler Weise, dass ihm ganz leicht das bekannte Aftershave in die Nase stieg.
 

„Hallo, Jian“, sagte er sarkastisch, ohne den Raum nach ihm abzusuchen, und ging auf den Kühlschrank in der Ecke zu. „Was für eine Überraschung.“
 

Während er mit Zufriedenheit feststellte, dass der Kühlschrank vollständig bestückt war, hörte er das Klicken der Tür, als sie geschlossen wurde.
 

Ich wusste es, dachte er, aber richtiges Triumphgefühl wollte nicht in ihm aufkommen. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn er sich geirrt hätte und Jian nicht da gewesen wäre.
 

Kaum dass er eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank gezogen hatte, schlangen sich bereits zwei starke Arme um ihn. Jian drückte ihn an seine Brust und warmer Atem streifte seinen Nacken. Die Gänsehaut, die der Luftzug auslöste, versuchte Kaiba zu ignorieren und hoffte inständig, dass der andere diese Regung nicht bemerken würde.
 

„Hallo, Seto“, murmelte Jian in sein Ohr. „Was hat mich verraten?“
 

„Reine Logik“, erwiderte er kalt. „Du bist nicht so unberechenbar, wie du annimmst.“
 

„Ach ja?“ Jian blieb unbeeindruckt. Kurz vergrub er sein Gesicht in Kaibas Haaren, dann küsste er seinen Hals. Kaiba verwünschte die Reaktion seines Körpers und schaffte es nur mit Mühe sein Gefallen zu verbergen. Wenn schon so eine verhältnismäßig kleine Geste, einen solchen Gefühlssturm auslösen konnte, sah er besser schleunigst zu, Abstand zwischen sie zu bringen.
 

„Ich bitte dich“, sagte er spöttisch, während er sich mit einer verärgerten Bewegung aus der Umarmung befreite. „Du kommst mit einer versprochenen Torte, gehst aber wieder ohne mich auch nur gesehen zu haben, und schenkst mir ein Handy. Da steht die Wahrscheinlichkeit, dass das Gerät verwanzt ist bei 99 zu 1.“
 

„Ich mag deine Kombinationsgabe“, entgegnete Jian und über seine sonst so kühle Miene huschte ein leichtes Lächeln. „Dich zu überlisten, macht gleich doppelt Spaß!“
 

Ehe Kaiba sich versah, hatte ihn Jian an den Kühlschrank gepresst und drückte ihm einen Kuss auf. Vor Überraschung fiel ihm die Wasserflasche aus der Hand und rollte polternd über den Boden davon. Automatisch senkten sich seine Lider und die warmen, schmalen Lippen riefen etliche Gefühle und Erinnerungen in ihm wach, die er in den letzten Monaten sorgsam weggesperrt hatte.
 

Im ersten Moment war er zu überrumpelt, um mehr tun zu können, als den Kuss zu genießen. Er hatte Jians Küsse tatsächlich vermisst. Gerade als er versucht war, seine Hände in den langen, schwarzen Haaren zu vergraben, die wie so oft hochgesteckt waren, und den Kuss ebenso leidenschaftlich zu erwidern, fiel ihm wieder ein, warum er diese Lippen in den letzten Monaten nicht gespürt hatte.
 

Wütend auf sich selbst und ganz besonders auf Jian, schaffte er es tatsächlich, seine Hände gegen dessen Schultern zu stoßen und ihn ein Stück von sich weg zu drücken. Die braunen Augen blickte ihn halb verklärt, halb verärgert an.
 

„Lass das!“, knurrte Kaiba mit all der Aggression, die er aufbringen konnte. Er selbst war zwar auch ein wenig verzückt, aber die Tatsache, dass sich Jian so deutlich über seine Aufforderung, ihn in Ruhe zu lassen, hinwegsetzte, glich das problemlos aus.
 

„Warum sollte ich?!“, erwiderte Jian gelassen und strich mit einem Finger federleicht an Kaibas Kieferknochen entlang. Allein diese Geste jagte ihm einen warmen Schauer über den Rücken. „Ich hab doch schließlich versprochen, dich an deinem Geburtstag zu verwöhnen.“
 

Er beugte sich wieder zu Kaiba vor, doch dieses Mal war der schnell genug. Er hob seine Hand, drückte den Zeigefinger gegen Jians Stirn und hielt ihn auf Abstand.
 

„Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass inzwischen deine Abwesenheit das ist, was ich unter ‚verwöhnen‘ verstehe?!“, sagte Kaiba verächtlich und kämpfte dabei gegen seine eigenen Gefühle, die deutlich für „Anwesenheit“ votierten.
 

Zum ersten Mal, seit er Jian gesagt hatte, dass er den Kontakt abbrechen würde, sah er so etwas wie Verletzung in dessen Zügen. Jian zog sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und seufzte tief.
 

„Wie ich sehe, scheinst du tatsächlich nicht sehr viel Wert darauf zu legen, dass ich mein Versprechen einlöse“, sagte er schließlich, aber er erweckte nicht den Eindruck, sich dadurch aufhalten zu lassen.
 

„Sag bloß, du hast das bereits begriffen?“, entgegnete er sarkastisch. Langsam beschlich ihn das ungute Gefühl, sich auf eine „Aussprache“ einlassen zu müssen, um eine Möglichkeit zu haben, den anderen loszuwerden.
 

„Sei nicht so zickig und lass uns in Ruhe reden.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, packte Jian ihn an den Ellenbogen und bugsierte ihn zu den Hantelbänken hinüber. Dass der Kerl auch immer alles bestimmen musste.
 

„Ich bin nicht zickig, sondern wütend!“, wehrte er energisch ab und versuchte umgehend aufzustehen, aber Jians Hände schnellten zu seinen Schultern und hielten ihn in der sitzenden Position.
 

„Sag mir endlich, was dich zu diesem debilen Generalstreik veranlasst hat!“, verlangte er, während er sich auf einer nebenstehenden Hantelbank niederließ. Seine Hände umschlossen Kaibas, als wollte er sicher gehen, dass der nicht einfach verschwand.
 

„Generalstreik?“, echote Kaiba kalt und rang innerlich um Ruhe. „Ehrlich, hast du dir überhaupt einmal die Zeit genommen, fünf Minuten darüber nachzudenken, was Ende August passiert ist?“
 

„Ich grübele ständig darüber … und über dich“, erwiderte er ernst. „In einer Häufigkeit und einem Umfang, die für meine Geschäfte nicht gut sein können. Dieser Streik …“
 

„Es ist kein Streik“, schnitt Kaiba ihm das Wort ab. Diese Unterhaltung begann schon jetzt seine kaum vorhandene Geduld zu strapazieren. „Ein Streik ist temporärer Natur. Ich habe den Kontakt endgültig abgebrochen. Ich verlange nichts von dir, abgesehen davon mich in Ruhe zu lassen.“
 

„Okay. Gut“, sagte Jian knapp und Kaiba stöhnte innerlich auf, als er dessen beinahe geschäftsmäßige Miene bemerkte. „Du willst keinen Umgang mit mir. Das heißt aber nicht, dass ich das akzeptieren muss. Und das werde ich nicht, solange ich keine plausible Erklärung bekommen habe.“
 

Kaiba presste die Zähne aufeinander. Er hatte es kommen sehen. Zu gerne hätte er Jian gesagt, in dem Fall sähen sie sich eben vor Gericht, und ihm mit einer Unterlassungsklage gedroht. Aber dergleichen war in keiner Weise zweckmäßig – es wäre richtiggehend kontraproduktiv. Es ging nicht um den Kontakt als solchen, vielmehr waren die Konsequenzen von Jians Gefühlen für ihn das Problem.
 

„Du wirst mich nicht los, bevor wir das geklärt haben, Seto“, sagte Jian erstaunlich sanft. Er beugte sich vor und schien ihn küssen zu wollen. Kaiba zog die Notbremse, in dem er sich zurücklehnte. Auf eine etwaige positive Reaktion seines Körpers wollte er es nicht ankommen lassen. „Wo wir schon beim Klären sind“, seufzte sein Gegenüber. „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir heute noch Sex haben werden?“
 

„Es geht nicht um Sex“, erwiderte Kaiba kühl. Er konnte nicht glauben, dass der andere das tatsächlich gefragt hatte. Es klang, als ob es hier nur um einen kleinen Streit ging, als dessen Konsequenz er sich weigerte, mit Jian zu schlafen – was er auch nie getan hatte.
 

„Natürlich nicht“, sagte Jian ernst und es klang durchaus ehrlich. „Aber du weißt, ich hasse Abstinenz. Eineinhalb Monate keinen Sex zu haben und zu wissen, wann ich dich wiedersehe, ist eine Sache. Über diese Zeitspanne keinen Sex zu haben und es nicht zu wissen, ist eine vollkommen andere.“
 

„Vielleicht solltest du überlegen, für Sex zu bezahlen“, antwortete er zynisch. „Da kannst du die Termine machen, wie es in deinen Kalender passt.“
 

Kaiba konnte nicht sagen, woher diese heftige Reaktion kam. Eigentlich ging es vordergründig um einen anderen Gegenstand. Dennoch war es dieser Moment, in dem er feststellte und sich eingestand, dass Jians Verhalten ihn verletzte. Für ihn war es nicht nur Sex gewesen. Diese Tatsache akzeptierte er bereits länger. Dass Jian den Sex gerade in den Mittelpunkt rückte, traf ihn vielleicht deshalb so sehr.
 

„Seto, so war das nicht gemeint“, murmelte der beschwichtigend. „Es geht nur darum, dass ich gerne einschätzen würde, womit ich rechnen muss. Also, besteht die Chance, dass wir heute noch Sex haben werden und unsere … zwischenmenschliche Interaktion wieder ähnliche Ausmaße annimmt wie zuvor?“
 

Seine Mundwinkel zuckten, als er ein anderes Wort für „Beziehung“ suchte und wählte. Aber wahrscheinlich sollte Kaiba es ihm zu Gute halten, dass er überhaupt soweit auf ihn einging, dass er einen anderen Terminus nutzte. Für Jian war das alles andere als selbstverständlich. Und zumindest spielte nun nicht mehr nur der Sex eine Rolle.
 

„In der Theorie ja, aber in der Praxis stehst du dir wahrscheinlich selbst im Weg“, hörte Kaiba sich sagen, bevor er überhaupt einen Entschluss gefasst hatte, wie er mit dieser Frage umgehen wollte. Er hatte tatsächlich einfach die Wahrheit gesagt. Wie ungewöhnlich in Bezug auf dieses Thema.
 

Es stimmte. Nicht zu diesen Konditionen und ohne weiteres, aber es bestand die Möglichkeit, dass sie annähernd dort weitermachen konnten, wo sie Ende August aufgehört hatte. Kaiba wusste zwar nicht warum, aber es stimmte. Warum sein Körper dem nicht abgeneigt war, konnte er nachvollziehen, aber das sein Verstand zum selben Ergebnis kam …
 

Kaiba erwartete von Jian Veränderungen, aber im Grunde konnte er sich vorstellen, dass sie sich wieder näher kamen. Er schloss kurz die Augen, als ihm klar wurde, dass er sich wünschte, dass es für alles eine Erklärung gab – eine mit der er leben könnte. Er hatte genossen, wie es gewesen war, und er wollte es zurück. Dennoch war er nicht in der Lage, über das hinwegzusehen, was geschehen war. Es erschien unklug sich nochmals darauf einzulassen und wohlmöglich den Fehler wieder zu begehen.
 

„Okay, das ist eine Antwort, die ich akzeptieren kann“, entgegnete Jian, runzelte jedoch nachdenklich die Stirn, „auch, wenn ich sie nicht vollständig verstehe.“
 

Er beugte sich abermals zu Kaiba hinüber und dieses Mal war der nicht schnell genug. Ehe er reagieren konnte, streiften Jians Lippen seine eigenen. Es war nur ein flüchtiger, hauchzarter Kuss, aber Kaiba funkelte sein Gegenüber dennoch eiskalt an.
 

„Meine Güte, Seto. Was habe ich getan, das eine solche Reaktion von dir verdient?“, fragte Jian seufzend. Damit waren sie endgültig beim Thema angekommen.
 

„Es geht vielmehr um das, was du nicht getan hast!“ Die Antwort kam ohne größere Umstände über Kaibas Lippen. Er hatte nicht erwartet, dass es so einfach sein würde, darüber zu sprechen.
 

Er hasste die passive Rolle, in die Jian ihn in diesem Gespräch immer wieder zwang. Allerdings musste er wohl oder übel einsehen, dass seine einzige Möglichkeit, den anderen langfristig auf Abstand zu halten, in einer Aussprache bestand. Und es tat erstaunlich gut, ihn mit seinem Fehlverhalten zu konfrontieren.
 

„Was ich nicht getan habe?“, echote Jian. Seine kühle Miene veränderte sich nur geringfügig, aber Kaiba kannte ihn gut genug, um die leichte Verwirrung zu bemerken. Einen Moment lang schwieg er nachdenklich. „Was hätte ich denn tun sollen?“
 

Normalerweise war Kaiba ein äußerst direkter Mensch. Er hasste es lange um den heißen Brei herumzureden und kam lieber gleich auf den Punkt. Doch sobald es um Gefühle ging, wurde er wortkarg oder umständlich. Er wollte nicht über das reden, was ihn bewegte. Niemandem gegenüber wollte er eine Schwäche eingestehen.
 

Anderseits ging es momentan nur indirekt um ihn. Es waren Jians Fehler. Außerdem … im Leben bekam man nie etwas kostenlos. Alles hatte seinen Preis. Wenn er also einen Schritt vorankommen wollte, musste er wohl etwas investieren.
 

„Du behauptest, mich zu lieben, aber …“, setzte er schließlich an. Jian hatte geduldig gewartet – etwas, das er schon immer an ihm geschätzt hatte – nun unterbrach er ihn jedoch.
 

„Ich meine es auch so“, erwiderte er eindringlich.
 

„Für mich ist es erst einmal nur eine Behauptung, die ich entweder verifizieren oder falsifizieren kann. Und nach meinem derzeitigen Wissenstand, tendiere ich dazu, dir nicht zu glauben“, sagte Kaiba.
 

Zu keinem Zeitpunkt hatte er für sich in Anspruch genommen, zu wissen, was genau Liebe war. Aber man konnte sagen, was man wollte, er liebte seinen Bruder und hatte dadurch doch zumindest eine Vorstellung, was Liebe nicht war.
 

„Und du kommst zu dieser Annahme, weil …?“, fragte Jian und Kaiba konnte tatsächlich abermals ein wenig Verletzung in seinen Augen erkennen.
 

„… du mich zu keiner Zeit auf das Risiko aufmerksam gemacht hast und ich ganze drei Tage lang in einem dunklen Kellerloch gesessen habe“, führte er den Satz emotionslos zu Ende. Allerdings kam in ihm der irrationale Drang auf, auf Jian loszugehen und ihm richtig wehzutun. Etwas, das normalerweise wirklich nicht seine Art war, aber … verdammt … er war drei scheißverdammte Tage misshandelt worden und es hatte zwei gottverdammte Tage gedauerte, bis der Mistkerl überhaupt reagiert hatte. Die Stellen an Schulter, Bauch und Bein, an denen man ihn geschnitten hatte, schmerzten abermals, obwohl sie gut verheilten.
 

Kaiba presste Zähne und Lippen fest aufeinander und versuchte seine Gefühle niederzukämpfen. Die Blöße, die Kontrolle zu verlieren und dem anderen eine – mehrere – zu scheuern, würde er sich gewiss nicht geben.
 

„Seto?“, sagte Jian leise. Augenscheinlich hatte er dennoch bemerkt, dass Kaiba innerlich mit sich rang. Zumal der sich auch nicht vollständig unter Kontrolle hatte, seine Schultern bebten leicht.
 

„Komm ja nicht näher!“, knurrte er und Jian tat tatsächlich wie geheißen. Er hielt immer noch Kaibas Hände, aber er kam glücklicherweise nicht auf die Idee, zu meinen, beruhigend mit den Fingern über sie streichen zu müssen. Das hätte ihm gerade noch gefehlt.
 

„Ich bedauere, dass es zwischen uns zu einem Missverständnis gekommen ist“, sagte Jian, als Kaiba sich wieder unter Kontrolle hatte. „Ich bin davon ausgegangen, dass du dir des Risikos bewusst bist, weil du deine Sicherheitsvorkehrungen erhöht hast.“
 

„Missverständnis?“, wiederholte er und die mühsam zurückgedrängten Gefühle regten sich abermals. „Jian, du hast dir immer die größte Mühe gegeben, mich über deine Geschäfte im Dunkeln zu lassen. Wie soll ich die Gefahr definieren können?! Du stehst in dem Ruf unsaubere Geschäfte zu machen, deshalb habe ich Vorkehrungen getroffen. Aber mit dem Abschaum zu rechnen, das …“
 

Kaiba brach ab und schüttelte den Kopf. Ein Teil von ihm konnte immer noch nicht glauben, dass er dieses Gespräch tatsächlich führte. Dass er diese evidenten Tatsachen wirklich aussprechen musste. Er fühlte sich nicht wohl dabei. Einerseits wollte er nicht darüber reden, anderseits dachte er so realistisch, dass er erkannte, dass er es tun musste. Es war ein innerer Kampf.
 

„Damit konnte niemand rechnen“, gestand Jian ein und blickte ihm eindringlich in die Augen. „Auch meine Sicherheitsmaßnahmen hätten dafür vermutlich nicht ausgereicht.“
 

„Vielleicht hätte das etwas geändert, wenn du vorher mit mir darüber gesprochen hättest“, erwiderte Kaiba distanziert. Vielleicht wäre er in dem Fall damit klar gekommen, entführt worden zu sein, um Jian zu erpressen. Aber so … „Es klingt nicht gerade nach Liebe, sich nicht um die Sicherheit desjenigen zu bemühen, dem man …“
 

„Seto“, murmelte Jian und rieb sich seufzend die Nasenwurzel. Seine Antwort ließ ein wenig auf sich warten. Es schien gerade so, als ob er mit sich rang. „Ich gebe das wirklich nicht gerne zu“, sagte er schließlich, „aber ich habe mich verschätzt. Ich dachte, es wäre eine Sache nur zwischen uns und nichts davon wäre nach außen gedrungen. Das war wahrscheinlich ein wenig … blauäugig.“
 

„Das war in der Tat naiv“, antwortete Kaiba, aber es war immerhin ein Eingeständnis. Ein kleiner Anfang. „Es erklärt aber immer noch nicht die drei Tage.“
 

Einen Augenblick schien Jian nicht zu begreifen, worauf er hinaus wollte. „Ich habe mich umgehend, um deine Freilassung gekümmert …“
 

„Umgehend?“, echote Kaiba und konnte nicht verhindern, dass ein wenig Unglaube und Empörung in seiner Stimme mitschwang. „Zwei Tage sind eine merkwürdige Vorstellung von ‚umgehend‘!“
 

„… als ich davon erfahren habe“, vollendete er seinen Satz und schloss die Augen. Er wirkte etwas gequält. „Es tut mir leid, Seto. Ich habe erst später erfahren, dass du es warst. Man hatte mich nur am Rande über eine Erpressung für ‚irgendeinen angeblichen Geliebten‘ informiert.“
 

Es fehlte nicht viel und Kaiba hätte ihn mit offenem Mund angestarrt. Er musste an sich halten, um nicht vollkommen irrational zu reagieren. Ob nun mit einem Wutausbruch oder einer Lachattacke. Wie beim bisherigen Gespräch besann er sich auf seine kühle, geschäftliche Art.
 

„Das soll ich dir glauben?“, fragte er und klang trotz seines Vorsatzes etwas verächtlich. „Es hat dir nicht zu denken gegeben, dass du mich zweitagelang nicht erreichen konntest, als du von einer Erpressung wusstest? Ich bitte dich.“
 

„Es waren nur drei Anrufe“, wehrte Jian ab und wurde energischer. „Das erste Mal habe ich gedacht, du säßest wohl im Flugzeug. Beim zweiten habe ich einfach angenommen, du hättest dein Handy noch nicht wieder eingeschaltet und am nächsten Tag … Gott, Seto. Es gibt tausende Erklärungen dafür, warum man jemanden nicht erreichen kann. Meetings, in denen man nicht gestört werden will, Funklöcher, leere Akkus, was weiß ich.“ Er seufzte abermals und wurde ruhiger. „Ich werde ständig erpresst. Ich habe den Zusammenhang wirklich nicht gesehen. Ich bin davon ausgegangen, dass niemand von unserer Verbindung wusste. Es tut mir leid!“
 

„Das klingt nicht nach dir“, antwortete Kaiba und wusste selbst nicht genau, ob er sich auf die Erklärung bezog oder darauf, dass Jian nun schon zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Minuten, die Worte „Es tu mir leid!“ in den Mund genommen hatte und dabei auch noch ehrlich wirkte.
 

„Ich weiß“, bestätigte er. „Ich muss gestehen, dass ich es mir leicht gemacht habe. Ich wollte nicht, dass sich irgendetwas an unserer Beziehung ändert und ich habe befürchtet, dass es so kommen würde, wenn ich dich auf die Gefahren aufmerksam mache. Also habe ich mich bemüht, es unter Verschluss zu halten. Das war … unklug.“
 

Kaiba hob eine Augenbraue. Das war mehr, als er jemals erwartet hatte, als Entschuldigung zu hören. Im Grund hatte er nur mit Rechtfertigungen gerechnet. Aber das Jian sogar den Fehler bei sich erkannte.
 

„Hör zu“, fuhr Jian fort, als Kaiba nicht sofort reagierte. „Nichts lag mir ferner, als dich zu verletzten oder zuzulassen, dass du verletzt wirst. Ich habe kurzsichtig gehandelt und die Konsequenzen bedauere ich. Ich hätte dir das alles gerne erspart, besonders die Fahrlässigkeit in meinem Unternehmen, die zu der Verlängerung von zweieinhalb Tagen geführt hat.“
 

Zweieinhalb? Aber das bedeutete ja, dass Jian ihn innerhalb von sechs Stunden befreit hatte. So gesehen, warf es ein ganz neues Licht auf die Angelegenheit.
 

„Du hast sofort bezahlt“, schlussfolgerte er und konnte den leicht überraschten Unterton nicht unterdrücken. Betrachtete man die Konsequenzen machte es die ganze Sache nicht besser. Eher im Gegenteil. Das schnelle Bezahlen zeigte nur zu deutlich, dass er Jian etwas bedeutete. Obwohl sich das auf seine Sicherheitslage nicht gerade positiv ausdrückte, fühlte er sich aufgrund dieser Informationslage ein bisschen weniger von Jian verraten. Er hielt in seinen Überlegungen inne, überdachte den Gedanken nochmals skeptisch und musste sich eingestehen, dass er tatsächlich so fühlte. Hintergangen und verletzt.
 

„War das jetzt auch wieder falsch?“, erwiderte Jian fast schon gereizt. „Ehrlich, Seto, manchmal verstehe ich dich wirklich nicht …“ Er hielt inne und wenig später huschte Verständnis über seine Züge. „Du hast den Kontakt abgebrochen, um aus der Schusslinie zu kommen.“
 

„Unter anderem“, gestand Kaiba ein. Er gab das vor sich selbst nicht gerne zu, aber das fehlende Bemühen um seine Sicherheit und die lange Reaktionszeit hatten einen beträchtlicheren Einfluss auf seine Entscheidung gehabt.
 

„Ich verstehe“, sagte Jian und wirkte nachdenklich. Kaiba hatte den Eindruck, dass er durchaus verstanden hatte, was zu dem Kontaktabbruch geführt hatte. Jian rieb sich kurz die Schläfen und drückte danach sanft Kaibas Hände. „Also gut. Was müsste geschehen … was müsste ich ändern, damit du wieder … zu mir zurückkommst?“
 

Mit der Frage hatte Kaiba ganz und gar nicht gerechnet.

Die Sache mit dem Vertrauen

Hallo!
 

Endlich habe ich das nächste Kapitel fertig. ^______^
 

@ LydiaDeetz: Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich bin die letzte, die über lange Wartezeiten meckern darf. Man schaue sich nur an, wie lange dieses Kapitel gedauert hat. -_-° Ich freue mich, dass es dir so gut gefällt, dass du mir überhaupt einen Kommentar hinterlässt. Und vielen Dank für deine ganzen Komplimente. =)

Und ja, die Beziehung zwischen Jian und Seto zeichnet sich deutlich durch ein Katz und Maus Spiel aus. Das wird man in diesem Kapitel genauer sehen. Ich hoffe, du hast Spaß daran.

@ Onlyknow3: Tja, wie antwortet Seto wohl. Eigentlich klar oder? Nur ist das nicht ausschlaggebend für ihre weitere Beziehung. ;) Wo kämen wir denn hin, wenn Jian plötzlich eine abweisende Antwort akzeptieren würde?! ;) Ich hoffe, das Ergebnis entspricht deinen Vorstellungen.

@ Sachmet9559: Du hast das Zusammenhänge mal wieder sehr gut getroffen. Abgesehen davon, das Jian eher nicht süß ist. Der geht eher in Richtung Setos Charakter mit deutlich mehr Abgründen. ;) Ansonsten hast du Setos Beweggründe aber gut erkannt und deine Vermutung trifft es gut. Aber das wirst du ja sehen. Ich hoffe, es gefällt dir!

@ Salmandria: Danke für deinen Kommentar! Ich freue mich, dass dir die FF so gut gefällt. Setos Antwort gibt's gleich am Anfang des Kapitels. ;)

@ red-skyangel: Schön, dass dir die FF gefällt und danke für dein Kompliment. :)Und die Länge des Kommentars hat mir überhaupt nichts ausgemacht. Jian als toll zu bezeichnen, finde ich ein wenig zweifelhaft. Er ist oftmals ein herrischer, rechthaberischer Arsch. Aber dadurch passt er natürlich wunderbar zu Seto und ihm gegenüber verhält es sich sogar für seine Verhältnisse echt nett. ;) Insofern hast du Recht. :) Viel Spaß mit dem nächsten Kapitel.
 

Auch allen anderen viel Spaß beim Lesen. Ich hoffe, es gefällt!
 

LG Zyra
 

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4. Akt: Die Sache mit dem Vertrauen
 

„Du wirst so oder so nichts ändern“, sagte Kaiba nach einem Moment bestimmt. Er hatte die Frage nicht erwartet, aber dennoch brauchte er sich keine Gedanken über detaillierte Forderungen zu machen.
 

Jian würde nichts an seinen Geschäftspraktiken ändern. Dazu war er viel zu sehr Geschäftsmann. Mit der Aufgabe eines Teils seiner illegaler Aktivitäten brächen ihm etlichen Einnahmen weg. Die genauen Dimensionen konnte Kaiba nicht abschätzen, aber der illegale Sektor beschwerte dem anderen sicherlich mehrere hundert Millionen pro Jahr.
 

„Die Entscheidung solltest du wohl mir überlassen!“, verlangte Jian. Wieder einmal näherte sich sein Tonfall der Gereiztheit. Er atmete tief durch und wurde ruhiger. „Es sind meine Geschäfte, nicht wahr? An ihnen müsste sich etwas ändern, aber wir hatten vereinbart, dass wir uns nicht in die Arbeit des anderen einmischen. Auch ein Grund, warum du gegangen bist, nehme ich an. Das war es, was du heute Morgen gemeint hast.“
 

Kaiba nickte nur. Es wunderte ihn nicht, dass Jian diese Zusammenhänge erfasste. Nicht ohne Grund war sein Gegenüber derzeit einer der erfolgreichsten Geschäftsmänner weltweit. Er wartete Jians Reaktion ab. Der rieb sich nachdenklich-frustriert die Augen. Kein gutes Zeichen.
 

„Ich wüsste nicht, was ich ändern könnte“, sagte Jian schließlich und lehnte sich leicht zu ihm hinüber. Kaiba setzte zu einer bissigen Antwort an, aber Jian schüttelte den Kopf und legte einen Finger an seine Lippen. „Das heißt nicht, dass ich nichts ändern will. Das Problem liegt in dem, was ich tun kann. Es wird sich nicht positiv auf deine Sicherheit auswirken, wenn ich einfach die illegalen Geschäfte abbreche. Damit bringe ich meine Geschäftspartner nur gegen mich auf. Falls ein Deal kurzfristig platzt, haben auch sie Verluste. Das macht es nicht besser.“
 

„Ich kann warten“, hörte Kaiba sich sagen und wusste im selben Moment, dass es „von Herzen“ kam – wie Mokuba sagen würde. Kurz schloss er die Augen und überdachte seine Antwort. Kühl und geschäftsmäßig setzte er hinzu: „Ich erwarte nicht, dass du das Problem von heute auf morgen lösen kannst. Es ist mir auch egal, wie du es löst. Aber wenn du den Kontakt zu mir wünscht, wirst du es lösen und mir Beweise dafür vorlegen – welcher Art auch immer.“ Jians Miene verdüsterte sich. Diesmal war es Kaiba, der ernst den Kopf schüttelte. „Nach dem, was passiert ist, werde ich dir sicher nicht blind vertrauen.“
 

Er sagte nicht, dass er das nicht konnte. Ein Kaiba ist stets bemüht, keinen Fehler zwei Mal zu machen. Er gestand es sich nicht gerne ein, aber er hatte Jian blind vertraut … und hatte die Konsequenzen tragen müssen. Nicht ohne Grund war er starker Befürworter des Grundsatzes: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“
 

„Verstehe“, erwiderte Jian leise. „Ich kann wohl nicht erwarten, dass sofort wieder alles ist wie zuvor.“
 

„Es wird niemals wieder so sein wie zuvor“, erwiderte Kaiba bestimmt. Das war eine Tatsache, was nicht hieß, dass er nicht durchaus eine Chance sah, dass es ebenso gut sein konnte. Aber definitiv anders.
 

„Natürlich nicht“, murmelte Jian resigniert. Er beugte sich die letzten Zentimeter vor und küsste Kaiba sanft. Dieses Mal ließ er es einfach geschehen, genoss die vermisste Berührung und das warme Gefühl, das sich in seinem Körper auszubreiten begann.
 

„Wer weiß, dass du hier bist?“, fragte Kaiba, nachdem Jian den Kuss beendet hatte und er wieder klar denken konnte.
 

„Abgesehen von uns beiden nur dein Bruder“, antwortete Jian und es war ihm deutlich anzusehen, dass er sich schöneres vorstellen konnte, als ein Gespräch zu führen.
 

Kaiba hob skeptisch eine Augenbraue. „Du bist dir sicher, dass dir niemand gefolgt ist? Und von deinen Leuten weiß ebenfalls keiner, wo du dich aufhältst? Nicht einmal Lang?“
 

„Lang hat eine Woche Urlaub“, erklärte Jian. Normalerweise war sein Personal Assistent wie sein Schatten und wusste immer über alles Bescheid. „Offiziell bin ich in meinem Ferienhaus 50 Kilometer von Tokio entfernt und arbeite allein an ein paar geheimen Projekten. Als ich ging, war ich sehr vorsichtig. Nicht einmal mein eigenes Sicherheitspersonal hat bisher meine Abwesenheit bemerkt. Gefolgt ist mir niemand, da bin ich mir sicher. Ich weiß, wie ich unbemerkt bleibe.“
 

Kaiba nickte nur. So gesehen war es irrelevant, wann Jian ging. Wenn niemand wusste, dass er hier war, konnte auch niemand über seine Aufenthaltszeit auf dem Kaiba‘schen Grundstück Rückschlüsse darauf ziehen, wie ein Gespräch zwischen ihnen ausgegangen war.
 

Jian beugte sich abermals vor und küsste ihn. Erst ganz sanft, schnell aber stürmischer. Kaiba ging gerne darauf ein. Als Jians Zungenspitze verlangend gegen seine Lippen stieß, öffnete er sie bereitwillig, nur um im nächste Moment mit seiner Zunge vorzuschnellen und Jians zurückzudrängen. Diese Initiative kam für Jian anscheinend überraschend, denn Kaiba schaffte es beinahe mühelos den Zungenkuss in Jians Mund zu verlagern.
 

Jian gab einen positiv überraschten Laut von sich, der Griff um Kaibas Hände wurde fester und nachdem ein leichter Ruck durch dessen Körper gegangen war, fand er sich auf Jians Schoß wieder. Kaiba seufzte auf und prompt nutzte der andere die Reaktion, um wieder die Oberhand zu gewinnen. Ihre Hände lösten sich voneinander und schlangen sich wie von selbst um den Körper des jeweils anderen, um nach der langen Zeit wieder ein paar Erkundungen anzustellen.
 

Erst als Jians Finger unter Kaibas T-Shirt schlüpften, wurde es dem zu viel. Er erbebte unter der sanften Berührung und brach den Kuss ab. Ihr beider Atem ging schnell, beinahe keuchend.
 

„Was?“, fragte Jian rau und blickte ihn erstaunt an. Seine Finger glitten streichelnd über Kaibas untere Wirbelsäule. Ohne dass der es verhindern konnte, breitete sich Gänsehaut auf seinem Rücken aus.
 

„Lass das“, murmelte er und rang mit sich. Für einen Moment herrschte in ihm ein Chaos aus Gedanken und Gefühlen, in dem er nicht wusste, was er wollte. Dann begriff er, dass es auch in dieser Sache wohl nicht so einfach war, dort weiterzumachen, wo sie aufgehört hatten. Er schien nicht in der Lage zu sein, die Begierde seines Körpers die Oberhand gewinnen zu lassen, obwohl nicht viel dazu fehlte.
 

„Nein“, flüsterte Jian und Kaiba wollte bereits protestieren, als die warmen Hände von seiner Haut verschwanden. Er blickte in die braunen Augen seines Gegenübers und erkannte Resignation und Frustration in ihnen. Es war keine Weigerung, Jian schien eher mit sich selbst zu sprechen. „Nicht das auch noch.“
 

Er legte seine Hände locker um Kaibas Rücken, sodass der jederzeit problemlos aufstehen konnte. Seine Lippen suchten und fanden dessen Mund. Der Kuss war kurz, aber zärtlich. Sacht drückte er seine Stirn gegen Kaibas. „Ist das … so in Ordnung für dich?“, fragte er nach einem Moment und wirkte tatsächlich ein wenig unsicher.
 

„Seit wann interessierst du dich fürs Kuscheln?“, erwiderte Kaiba und alleine aus Gewohnheit schlich sich ein leicht spöttelnder Unterton in seine Stimme. Dabei war er eher erstaunt. Jian hatte daran nie großes Interesse gezeigt.
 

„Seit ich anscheinend dein Vertrauen zu mehr verloren habe“, sagte Jian und das ehrliche Bedauern war nicht zu überhören. Er drückte Kaiba ein wenig fester an sich und vergrub sein Gesicht in dessen Haaren.
 

Abermals jagte Kaiba der leichte Atemhauch, der über seine Kopfhaut strich, einen Schauer über den Rücken. Ganz automatisch lehnte er sich an den anderen und genoss tatsächliche die Situation. Er fühlte den warmen, kräftigen Körper unter sich und es war einfach angenehm … entgegen jeder seiner Erwartungen. Er hätte niemals gedacht, dass dieses stille Beisammensein und das schlichte … Spüren des anderen eine solche Wirkung auf ihn haben würde.
 

„Trainierst du mit?“, fragte Kaiba irgendwann leise. Er wollte nicht, dass Jian ging. Es behagte ihm zwar auch nicht, dass der andere ihm beim Trainieren zu sehen würde, aber seine Abwesenheit erschien ihm momentan alles andere als wünschenswert. Seltsamerweise nahm er dafür in Kauf, dass Jian sah, in welchem Maß er nach der – durch die Verletzungen diktierten – Trainingspause an Form verloren hatte.
 

„M-hm“, brummte Jian. Seine Lippen wanderten kurz von Kaibas Haaransatz über dessen Hals, aber er löste sich von ihm und schlüpfte aus seinem Pullover und dem langärmligen Shirt, dass er darunter trug.
 

Sie trainierten eine halbe Stunde lang, wobei Jian einfach nur Kaibas Geräteeinstellungen übernahm, die aufgrund seiner Fitness keinerlei Anstrengung für ihn waren. Am Ende hatte er noch nicht einmal geschwitzt, während Kaiba ausgepowert war.
 

Kaiba zog missmutig die Augenbrauen zusammen. Verdammt. Er hatte tatsächlich einiges an Form verloren. Zwar hatte er nie ganz mit Jian mithalten können, weil der so viel Kampfsport betrieb, aber im Sommer dieses Jahres hatte er zumindest teilweise Anschluss finden können. Der Aufwand war rückblickend für die Katz gewesen.
 

„Überanstreng dich nicht“, sagte Jian in seinem besten Befehlston und hielt ihm eine Mineralwasserflasche hin. Kaiba sah ihn kalt an, nahm die Flasche allerdings gern entgegen. Er hatte Durst. „Es ist ja nicht so, als ob du völlig untrainiert wärst“, fügte Jian versöhnlicher hinzu, aber Kaiba war sich sicher, dass der andere die aus der körperlichen Kraft resultierende Machtstellung in gewissem Maß genoss. Alles andere wäre nicht Jian gewesen.
 

„Zumindest habe ich mich angestrengt“, meinte er kühl und vorwurfsvoll, aber Jian zuckte lässig mit den Schultern. Kaiba nahm mehrere große Schlucke Wasser.
 

„Ich denke, ich kann meine Energie sinnvoller verwenden“, erwiderte er und um seine Lippen legte sich ein anzügliches Lächeln.
 

„Für den Nachhauseweg?“, fragte Kaiba spöttisch-distanziert und hob eine Augenbraue. Das musste er sich wirklich nicht bieten lassen.
 

„Peripher auch dafür“, antwortete Jian sachlich. Sein Lächeln schwand etwas, wenn ihn der Konter allerdings getroffen hatte, dann verbarg er es gut. „Im Wesentlichen hatte ich an etwas anderes gedacht.“
 

Nachdem Kaiba die halbe Flasche leer getrunken hatte, stand er auf und zog sich sein T-Shirt über den Kopf. Er lächelte innerlich, als sich Jians Blick scheinbar automatisch auf seinen nackten Oberkörper richtete.
 

„Ich gehe duschen“, sagte er und blieb auf seinem Weg ins angrenzende Badezimmer vor Jian stehen. „Schade eigentlich, dass du keinen Grund hast, mitzukommen, weil du nicht geschwitzt hast.“
 

Er küsste Jian flüchtig und drückte ihm das T-Shirt in die Hand. Dessen Miene veränderte sich kaum, aber Kaiba spürte dennoch die leichte Verstimmung – wahrscheinlich darüber, sich ein Eigentor geschossen zu haben.
 

Hoch erhobenen Hauptes marschierte er ins Bad hinüber und spürte dabei Jians begierigen Blick im Rücken. Er lächelte schmal. Es machte Spaß, Jian zu reizen und in die Schranken zu weisen. Der sollte nur nicht zu überheblich werden, aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit.
 

„Sag Bescheid, wenn du Hilfe brauchst, dich aus deinen engen Shorts zu schälen“, sagte Jian provokant, als Kaiba gerade dabei war, sich seine Sportschuhe auszuziehen.
 

„Und das soll das Niveau eines Mannes sein, der so gerne damit hausieren geht, sämtliche Abschlüsse mit 1,0 bestanden zu haben?!“, spöttelte Kaiba. Zu seiner Überraschung lachte Jian leise auf.
 

„Ein Satz über Niveau aus dem Munde desjenigen, der meint, es nötig zu haben, so enge Shorts zu tragen, ts“, schoss er genauso spöttisch zurück.
 

„Die lag gerade obenauf“, log Kaiba, ohne mit der Wimper zu zucken. Außerdem waren sie gar nicht so eng. Figurbetont sicherlich und auch enger, als die Sporthosen, die normalerweise trug, aber es war nun nicht so, als würden sie ihm am Körper kleben. „Also fühl dich gar nicht angesprochen.“
 

„Selbstverständlich“, meinte Jian ironisch. Seine Augen wanderten kurz über Kaibas Körper. „Ansprechend finde ich es dennoch.“
 

Kaiba zog seine Socken aus und schloss kurz die Augen. Es war seltsam, wie einfach es war, wieder in alte Angewohnheiten zu verfallen – trotz ihrer stillschweigenden Einigung, einen gewissen Punkt nicht zu überschreiten. Nicht, dass es ihm nicht Spaß machte, aber es wunderte ihn.
 

Er verstand sich selbst nicht. Nur zu deutlich spürte er sein Begehren, dennoch war es plötzlich zu viel gewesen. Trotzdem bereitete es ihm keinerlei Probleme, Jian sexuell zu reizen. Er legte es quasi darauf an, dass der sich vergaß. Das war doch paradox.
 

„Also?“, fragte Jian und hob provokant eine Augenbraue.
 

„Danke, nein. Ich brauche deine Hilfe nicht“, antwortete er kühl, streifte aber langsam und für den anderen gut sichtbar, seine beiden Shorts ab. Damit provozierte er abermals eine Grenzüberschreitung Jians. Dessen Augen klebten zwar förmlich an ihm und seine Lust war nicht zu übersehen, aber er hielt sich zurück.
 

Während Kaiba duschte, spürte er geradezu Jians Blick in seinem Rücken. Mehrmals juckte es ihm in den Finger, sich extra aufreizend zu bewegen. Warum war er bereit, Jian so zu reizen? Wollte er etwa einfach nur die Bestätigung, dass der sich unter Kontrolle halten konnte und nichts täte, was ihm widerstrebte? Scheinbar. Es war jedenfalls die einzige Erklärung, die ihm einfiel.
 

„Ich bin einem entspannendem Bad nicht abgeneigt“, erklärte Jian zu Kaibas Überraschung, als der sich gerade das Shampoo aus den Haaren wusch. „Du könntest ebenso eins vertragen.“
 

„Der Whirlpool ist nebenan“, meinte Kaiba leichthin, „aber das weißt du ja sicherlich bereits.“
 

„Allerdings“, bestätigte Jian selbstsicher. Kaiba konnte nicht sagen, ob er sich illegal Baupläne besorgt oder sich vorhin in den Nebenräumen umgesehen hatte. Wahrscheinlich beides. Es würde jedenfalls zu Jian passen.
 

Kaiba beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, als er in den Nebenraum verschwand. Jians Miene blieb wie so oft ungerührt und weder Lust noch Langeweile waren aus ihr abzulesen. Er schien sich wieder voll und ganz unter Kontrolle zu haben, aber Kaiba zweifelte daran. Für ihn wirkte es eher wie das Ziehen der Notbremse. Wenn Jian sich der Kontrolle sicher gewesen wäre, hätte er keinen Grund gehabt zu gehen und Kaiba nicht weiter zu beobachten.
 

Einen Moment lang überlegte Kaiba, sein Spiel mit Jians Selbstbeherrschung bereits ruhen zu lassen. Aber er wollte nicht. Im Gegenteil, er wollte die Grenzen sehen. Den schmalen Grad bis zu dem er gehen konnte. Er wollte wissen, ob er Jian soweit vertrauen konnte.
 

Kaiba spülte sich den Rest Shampoo aus den Haaren, trat aus der Dusche und griff nach mehreren Handtücher. Doch anstatt sie zu benutzen, nahm er sie mit nach nebenan. Als er eintrat, lag Jian bereits in dem sprudelnden Wasser. Er hatte die Augen geschlossen, sich entspannt zurückgelehnt und wirkte geradezu ungefährlich.
 

Kaiba wusste aus eigener Erfahrung, dass das nicht stimmte. Er hatte gesehen, dass Jian einem seiner Bediensteten aus dem Schlaf heraus beinahe eine Schulter ausgekugelt hatte, als der unbedacht versucht hatte, ihn zu wecken. Kaiba würde die präzise, schnelle Bewegung in seinem Leben nicht vergessen.
 

Seit dem Moment hatte er sich überraschend sicher gefühlt, immer wenn er mit Jian in einem Bett geschlafen hatte. Der Gedanke, dass es ihm einmal genauso ergehen konnte, hatte ihn seltsamerweise nie beunruhigt und Jian hatte ihn auch nie angegriffen.
 

Kaiba legte die Handtücher auf der breiten Massagebank ab und ließ sich versetzt Jian gegenüber in das heiße Wasser sinken. Er streckte sich und streifte mit Absicht das Bein des anderen. Geradezu genüsslich strich er mit seinem Fuß an dessen Oberschenkel entlang.
 

Jians Augen richteten sich glühend auf ihn. Im Gegensatz dazu war seine Stimme gewohnt kühl: „Wenn das dein übliches Spielchen um die bessere Selbstbeherrschung sein sollte, gebe ich mich hiermit geschlagen. Unter den gegebenen Bedingungen ist es“ Seine Stimme schwankte kurz, als Kaiba seinen Fuß abermals an seinem Bein rieb. „sicherlich keine sonderlich gute Idee, das bis zum Ende auszutragen.“
 

„Wenn du meinst“, erwiderte Kaiba gelangweilt und belächelte ihn. Verstärkt breitete sich das Triumphgefühl in ihm aus, das sich am Anfang ihres Treffen nicht hatte einstellen wollen. Es gefiel ihm, dass Jian so leicht eingestand, dass er derjenige mit der besseren Selbstbeherrschung war. Außerdem beruhigte es ihn, dass Jian einem Kontrollverlust vorbeugen wollte.
 

„Ja, ich meine“, bestimmte der im herrischen Ton, aber er war nicht zu übersehen, wie sehr er mit sich rang.
 

Kaiba lehnte sich entspannt zurück und ließ sich vom sprudelnden Wasser massieren. Seinen Fuß beließ er, wo er war, und genoss das Gefühl der harten Muskeln unter der Haut, sparte es sich aber, ihn vorwitzig an Jians Schenkel entlang zu bewegen.
 

„Bleibst du und verwöhnst mich, wie du es versprochen hast?“, fragte er nach einem Moment des Schweigens. Ihm waren wieder die Vorteile von Jians Versprechen eingefallen. Irgendwann einmal hatte er sich vorgenommen, eine Liste zu machen, was er von dem anderen immer schon mal verlangen wollte, aber darüber war er hinweggekommen. Er grinste innerlich. Einiges würde ihm sicherlich aus dem Kopf einfallen.
 

„Willst du mich beleidigen oder muss ich mir Sorgen machen, dass du unter plötzlicher Amnesie leidest?“, entgegnete Jian halb im Ärger, halb sarkastisch. Sein Blick lag immer noch brennend auf Kaiba.
 

„Dann massier mich“, verlangte er in seinem besten Befehlston und rutschte so wenig umständlich wie möglich hinüber an Jians Seite.
 

„Das hatte ich mich eigentlich anders vorgestellt“, murmelte der kaum verständlich, aber deutlich säuerlich.
 

„Bitte?“, harkte Kaiba lauernd nach und hob eine Augenbraue. Dieses Mal unabsichtlich streifte sein Knie über Jians Oberschenkel. Kaiba sah durch das blubbernde Wasser wie erregt der andere war.
 

„Ich denke, wir sollten erst …“, sagte Jian bemüht ruhig, brach dann aber ab. Seine Augen waren dunkel vor Lust. „Ich lass dich auch freiwillig nach oben, sollte das etwas ändern“, bot er überraschend an.
 

„Es ändert nichts“, antwortete Kaiba ruhig, abgesehen davon wollte er gar nicht freiwillig nach oben. Die wenige Male, die er – nach einem wie auch immer gearteten Kräftemessen – den dominanten Part übernahm, waren ein Triumph und den würde er sich nicht schmälern lassen, in dem Jian es ihm freiwillig gab. Ansonsten würde es fortan immer heißen, er hätte einfach nachgegeben.
 

„Ich habe befürchtet, dass du das sagst“, meinte Jian seufzend und schloss um Kontrolle ringend die Augen.
 

„Ich nehme an, du wolltest vorschlagen, das Bad zu beenden und mich erst zu massieren, wenn ich mir ein wenig übergezogen habe?!“, sagte er sachlich, aber wahrscheinlich blitzten seine Augen amüsiert.
 

„Du hast die abkühlende kalte Dusche vergessen“, bemerkte Jian trocken. Sein Blick war mehr lustverschleiert als amüsiert. Alles andere hätte Kaiba auch gewundert. Nun hatte er den anderen wohl lange genug gereizt. Noch mehr wollte er dann doch nicht riskieren.
 

„Nein, habe ich nicht“, sagte er und küsste Jian neckisch, nachdem er sich zu ihm hinübergebeugt hatte. Der stöhnte langgezogen auf, als Kaiba Hand ihren Weg in seinen Schritt gefunden hatte. „Ein kleiner Vorgeschmack auf eine andere vielleicht mögliche Befriedigung.“
 

***
 

Kaiba lehnte sich zufrieden im Sofa zurück und blätterte in einem Wirtschaftsmagazin. Von seinen Schultern stieg ihm der leicht würzige Geruch des Massageöls in die Nase. Er fragte sich, warum er früher nie auf die Idee gekommen war, Jian um eine Massage zu bitten. Der Mann konnte selbst das in einem Maß, das an Perfektion grenzte. Jedenfalls fühlte sich sein Rücken so entspannt an, wie schon lange nicht mehr.
 

Zuvor hatte Jian ihm eine weitere Anregung gegeben, ihm zu vertrauen. Zwar hatte er seine Arme verlangend um ihn geschlungen und ihn gierig geküsst, aber ansonsten hatte er ihm voll und ganz die Kontrolle überlassen.
 

Und Kaiba würde lügen, wenn er behauptete hätte, dass es ihm nicht gefallen hätte, Jian in der Hand zu haben. Im wörtlichen wie im übertragenem Sinne. Das Gefühl der Macht und Kontrolle war durchaus berauschend gewesen. Gerade bei einem Mann von Jians Kaliber.
 

„Hier“, sagte Jian und zog damit Kaibas Aufmerksamkeit auf sich. Im letzten Moment konnte er reflexartig seine Hand hochreißen, um das Handy aufzufangen. Kurz betrachtete er es skeptisch und schaute danach zu Jian hinüber, der gerade verschiedene Sachen, darunter auch eine winzige Wanze, in seiner kleinen Reisetasche verstaute.
 

„Ich werde das überprüfen“, sagte Kaiba kühl.
 

„Natürlich wirst du das“, erwiderte Jian und lächelte schmal. „Du wärst bescheuert, es nicht zu tun. Ich überprüfe umgehend alle Geräte, die die Konkurrenz in den Fingern gehabt hat.“
 

Er ließ sich dicht neben Kaiba im Sofa nieder und drehte dessen Kopf zu sich, um ihn lange zu küssen. Sanft und besitzergreifend in einer bizarren Mischung. So etwas konnte wohl auch nur Jian.
 

Kaiba hatte festgestellt, dass Jian kaum zehn Minuten von ihm ablassen konnte. Die Tatsache – das gestand er sich zwar nicht gerne ein – gefiel ihm außerordentlich. Er wollte gar nicht reflektieren, warum. In gleichem Maß gefiel es ihm, Jian „herumkommandieren“ zu können. Er grinste in den Kuss.
 

„Sei so gut und mach Kaffee und Kuchen“, sagte er, nachdem Jian seine Lippen wieder freigegeben hatte. Was nach der Wortwahl noch als Bitte durchgehen konnte, klang deutlich wie ein feixender Befehl. Er machte sich nicht die Mühe, seine Belustigung zu verbergen … auch wenn die Chancen hoch standen, dass Jian sich dafür irgendwann revanchieren würde.
 

„Aber natürlich, Airen“, erwiderte Jian übertrieben freundlich und gedehnt. Das war wahrscheinlich seine Methode, im Rahmen seines Versprechens dagegen zu halten. Nicht die schlechteste, wie Kaiba zugeben musste. Er hasste den Tonfall und als „Liebster“ bezeichnet zu werden sowieso. „Wahrscheinlich kann ich froh sein, nicht versprochen zu haben, zu tun, was du willst“, fügte Jian trocken hinzu. Ohne ein weiteres Wort verließ er den Raum in Richtung Küche.
 

Im Eingangsbereich schien er auf Mokuba zu treffen, der wohl gerade von seinem Fußballspiel zurückkehrte. Jedenfalls drang ein kurzer, undeutlicher Wortwechsel an Kaibas Ohren und wenig später kam sein Bruder ins Wohnzimmer gestiefelt.
 

„Was tut er denn hier?“, fragte er wenig begeistert
 

„Kaffee kochen und Torte holen“, antwortete Kaiba schlicht und blätterte eine Seite weiter.
 

„Oh, hervorragend“, erwiderte Mokuba sarkastisch. „Du hast einen herrischen Multi-Milliardär als Bedienung engagiert. Ich bin beeindruckt, das schafft auch nicht jeder.“
 

Kaiba lachte auf. Die Formulierung würde er sich auf jeden Fall merken. Damit würde er Jian noch ein Weilchen triezen können.

Problemlösung

Öhm hi!
 

Mir ist gerade erst bewusst geworden, dass ich über ein Jahr an diesem Kapitel geschrieben hab. O.O Dementsprechend ist es laaaaang geworden. Irgendwie hat es sich zu einer Charakter- und Beziehungsstudie entwickelt ... Ich wollte es zu kürzen, aber na ja, ich hab's nicht über mich gebraucht - an einige Stellen grins ich mir heute noch einen über die drei ab. ^^

Ich hoffe, euch geht es ähnlich und die Story ist noch nicht in Vergessenheit geraten.
 

Viel Spaß mit dem letzten Kapitel!
 

LG Zyra
 

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5. Akt: Problemlösung
 

Einen Moment lang blieb Mokuba unschlüssig im Raum stehen, dann seufzte er und ließ sich im Schneidersitz neben Kaiba im Sofa nieder.
 

„Ihr habt euch wieder vertragen“, sagte er wiederwillig.
 

„Wir haben uns ausgesprochen, ja“, bestätigte Kaiba.
 

„Also seid ihr jetzt wieder zusammen.“ Die rhetorische Frage wollte noch weniger über Mokubas Lippen. Es war offensichtlich, dass er Jian nicht sonderlich mochte.
 

Kaiba wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Er sträubte sich gedanklich noch immer gegen alles, was Jian und ihn in einer romantischen Interaktion beschrieb: zusammen sein, Beziehung, Paar, Freund, Geliebter. Das klang total fremd… Davon einmal abgesehen hatte er mit Jian darüber bisher keine Einigung getroffen.
 

„Ich weiß es nicht“, gestand Kaiba schließlich ein. „Jedenfalls ist … es höchst inoffiziell. Was bedeutet, dass du – abgesehen von uns beiden – der einzige bist, der davon weiß. Und ich erwarte, dass das so bleibt.“
 

Er blickte Mokuba ernst an. Der nickte ein wenig verwirrt, grinste im nächsten Moment aber. Kaiba war schleierhaft warum. Er konnte nur mutmaßen, dass Mokuba sich über die alleinige Einweihung freute oder die Antwort für so typisch für seinen großen Bruder hielt, dass er sie belächelte.
 

„Wie war das Spiel?“, fragte er, um das Thema zu wechseln.
 

Das Grinsen auf Mokubas Gesicht wurde gleich einen Spur breiter. „Super“, begann er enthusiastisch zu erzählen. „Wir haben zwar nur 1:0 gewonnen, aber ein klasse Spiel abgeliefert. Wir waren alle echt zufrieden – selbst Higorashi-sensei, der sonst immer etwas zu meckern hat. Die Abstimmung in der Viererkette funktioniert inzwischen ganz gut. Ich hab die Flanke zum 1:0 geschlagen.“
 

„Das freut mich“, sagte Kaiba und hoffte, damit den Redeschwall seines Bruders stoppen zu können. Natürlich gelang das nicht, aber zumindest wurde er nicht mehr mit Fragen gelöchert. Er ließ ihn reden und blätterte eine Seite in seinem Magazin weiter. Seine Augen verengten sich, während sie rasch über die Doppelseite huschten und die relevanten Kerninformationen suchten.
 

Es war ein Bericht über ein Unternehmen, dass er hatte übernehmen wollen. Erfolglos. Es hatte ihn damals unglaublich verärgert. Die Firma stellte Hardware für Computer her und darunter auch – was für ihn so interessant gewesen war – allerlei Komponenten, die er für den Bau seiner Duell-Systeme benötigte.
 

„Was ist los?“, fragte Mokuba verwundert, vermutlich, weil er Kaibas missmutigen Gesichtsausdruck bemerkt hatte.
 

„Ich hätte den Umsatz verdreifachen können“, brummte der und hielt seinem Bruder den Bericht hin.
 

Schnell leuchtete auf Mokubas Gesicht Verständnis auf. „Allerdings“, bekräftigte er. „Was ist das überhaupt für ein Unternehmen, das dich überboten hat? Wangshi Youxian Gongsi. Kennst du die?“
 

Kaiba hatte eine böse Vermutung, wer dort erster Gesellschafter war. „Klingt nach Jian“, mutmaßte er wenig angetan.
 

„Was klingt nach mir?“, erklang die Stimme des vermuteten Übeltäters.
 

Kaiba hatte ihn nicht kommen hören und unterdrückte jetzt den Impuls, sich überrascht umzudrehen. Erst als Mokuba kicherte und ihm halblaut – für Jian jedoch hörbar – zuraunte „Er eignet sich ja wirklich als Bedienung“, warf er einen Blick über die Schulter. Er konnte sich das Grinsen nicht verkneifen.
 

Jian balancierte in einer Hand ein Tablett mit Tellern, Kaffee- sowie Teegeschirr und einer Teekanne. In der anderen trug er die mit einem Deckel verschlossene Kuchenplatte, auf der er zusätzlich noch eine Kaffeekanne abgestellt hatte. Er wirkte dabei souverän, beinahe als würde er täglich kellnern.
 

„Wie bitte?“, fragte er frostig und warf Mokuba einen vernichtenden Blick zu.
 

„Als ich Mokuba erzählte, dass ich dich um Kaffee und Kuchen gebeten habe, bemerkte er treffend, dass ich einen herrischen Multi-Milliardär für den heutigen Tag als Bedienung engagiert hätte“, sagte Kaiba. Er ging Jian lieber persönlich auf die Nerven. „Wenn man dich so ansieht, könnte man tatsächlich meinen, du übst den Beruf professionell aus.“
 

„Glaub mir, das könntest du dir nicht leisten“, erwiderte Jian, ging mit einer geschmeidigen Bewegung vor dem niedrigen Couchtisch in die Hocke und begann das Geschirr aufzudecken.
 

„Anscheinend ja doch“, feixte Kaiba und legte provokant seine Füße auf Jians Oberschenkeln ab.
 

„Das macht dir Spaß, oder?“
 

„Oh ja“, bestätigte er gedehnt mit hämischer Genugtuung.
 

Indes blickte Mokuba skeptisch zwischen ihnen hin und her. „Ich hab irgendwas verpasst, nicht wahr?!“, sagte er schließlich.
 

„Nichts weiter“, beeilte Kaiba sich gleichmütig zu sagen, bevor Jian auf die Idee kam, ausführlich vor Mokuba auszubreiten, wie er vorgehabt hatte, den Tag mit seinem Bruder im Bett zu verbringen, „nur ein Versprechen, das Jian inzwischen bereut.“
 

„Ich bereue es nicht“, erwiderte der eindringlich. Der Seitenhieb war ihm wie erwartet nicht entgangen. „Allerdings hatte ich mir das Ganze etwas anders vorgestellt.“
 

„Bitte?!“ Mokuba blickte sie weiterhin auffordernd an. Er wollte sich damit nicht abspeisen lassen.
 

„Wir haben eine kleine Meinungsverschiedenheit bei der Auslegung des Wortes ‚verwöhnen‘“, erklärte Kaiba widerstrebend.
 

„Das nächste Mal werde ich mich definierter ausdrücken“, versprach Jian. Es klang beinahe wie eine Drohung.
 

„Das nächste Mal?“, wiederholte Kaiba mit skeptisch gehobenen Brauen. Ihm gefiel die Selbstverständlichkeit nicht, mit der Jian sprach. „Wer sagt, dass es das geben wird?“
 

Sie lieferten sich ein Blickduell, wobei keiner von seiner Position abweichen wollte, in dem er als erster wegschaute. Erst Mokubas Stimme lieferte einen Grund, die Augen abzuwenden. „A ja. Ich denke, diese Meinungsverschiedenheit macht ihr lieber unter euch aus.“
 

„Nach deiner Meinung hat sowieso keiner gefragt“, brummte Jian und schob das nun leere Tablett auf die untere Tischplatte.
 

„Das hast du nicht zu beurteilen“, versetzte Kaiba finster, obwohl Mokuba sich aus der Erwiderung nichts zu machen schien. Er konnte es nicht leiden, wenn Jian über seinen Kopf wegentschied. „Warum hast du überhaupt Tee gemacht?“
 

„Du trinkst zu viel Kaffee“, bestimmte Jian und schenkte ihm einfach eine Tasse Tee ein. Nach Geruch und Farbe zu urteilen, war es wohl grüner Tee – den mochte Kaiba zumindest. Dennoch bestimmte er dabei abermals über ihn. Kaiba funkelte ihn wütend an. Leider zeigte das bei Jian selten Wirkung.
 

„Da hat er allerdings recht“, bekräftigte Mokuba. Kaiba wandte sich zu ihm um. Aber auch an seinem Bruder prahlte der finstere Blick wirkungslos ab. Er genehmigte sich ein seltenes schmales Lächeln. Es sah ganz so aus, als hätte er es mit den einzigen Menschen zu tun, die den frostigen Ausdruck seiner Augen einfach ignorieren konnten. Gut, dann musste er eben andere Saiten aufziehen. Sein Lächeln wurde hinterlistig.
 

Ehe sein Bruder auf den Strategiewechsel reagieren konnte, hatte er ihn gepackt und begann ihn zu kitzeln. „Wie war das?“, knurrte er ihm gespielt bedrohlich ins Ohr. „Du willst mir doch wohl nicht in den Rücken fallen, oder?“
 

Es dauerte eine Weile, in der er sich lachend in Kaibas Griff wand, bis Mokuba reagierte. Schließlich keuchte er: „Dein Kaffeekonsum ist vollkommen in Ordnung.“
 

„Das will ich aber meinen“, sagte Kaiba und ließ ihn japsend zu Atem kommen. Ohne Jian zu beachten, schenkte er sich demonstrativ eine Tasse seines Lieblingsheißgetränks ein. Soweit kam es noch, dass ihm jemand vorschrieb, wie viel Kaffee er trinken durfte. Pah.
 

„Ich brauch Zucker“, murmelte Mokuba kichernd und wendete sich immer noch ein wenig aus der Puste in Richtung Küche.
 

Sobald Kaiba die Kaffeetasse nach einem ersten, genießerischen Schluck wieder auf dem Tisch abgestellt hatte, ging ein Ruck durch seinen Körper. Mit einer Hand zog Jian an dem Fuß, der auf seinem Bein geruht hatte; mit dem anderen Arm umfing er wenig später Kaibas Oberkörper und zog ihn mit sich in einen der Sessel. Abermals fand er sich auf Jians Schoß wieder.
 

„Legst du es darauf an mir irgendwelche Gelenke auskugeln?“, zischte Kaiba bedrohlich. Jedoch ärgerte er sich nicht nur über Jian, sondern auch über sich selbst. Ihm war ungewollt ein überrascht-erschrockener Laut entwichen.
 

Jian legte seine Stirn an Kaibas. Ohne es zu sehen, wusste Kaiba, dass der andere leicht lächelte. „Ich mag es, wenn du widerspenstig bist; dass du deinen eigene Kopf hast“, murmelte er gegen seine Lippen. „Fügsamkeit kann so schrecklich langweilig sein.“
 

Bevor Kaiba dazukam, ihn abermals anzufauchen, verschlossen warme Lippen seinen Mund. Er erwartete einen harten, gierigen Kuss, aber er blieb sanft. Jians Zunge glitt feucht und warm über seine Lippen, stupste sie leicht an, um sich dann lockend zurückzuziehen. Ein paar Mal ließ er den anderen das Spielchen wiederholen, bis seine der fremden Zunge folgte. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass Jian rasch die Geduld verlieren und mit härteren Mitteln sein Ziel verfolgen würde. Er schien heute weniger rücksichtslos zu sein.
 

Als Kaiba sich schließlich voll und ganz auf den Zungenkuss einließ, wurde er schnell stürmischer. Jians linke Hand, die vorher auf seinem Schenkel geruht hatte, suchte sich ihren Weg über seinen Rücken und wühlte sich in sein Haar. Der rechte Arm blieb wo er war, hielt ihn umschlugen und drückte ihn sachte näher an Jian.
 

Unter seinen Finger spürte Kaiba Jians kräftigen Herzschlag. Je länger der Kuss andauerte, desto mehr steigerte sich die Herzfrequenz. Kaiba genoss die Macht, das Blut des sonst so ruhigen Mannes dermaßen in Wallung zu bringen. Obwohl er wusste, dass Jian die Situation nutzen würde, um den Kuss deutlicher zu dominieren, lächelte er leicht. Er schob eine Hand in dessen Nacken, um ihn leicht zu kraulen. Sein Finger streiften dabei das weiche Haar und er fragte sich unweigerlich, wann Jian ihn wohl das erste Mal daraufhin weisen würde, seine Pfoten doch von seiner perfekten Frisur zu lassen.
 

Erst Mokubas Räuspern ließ sie innehalten. Ein Blick über die Schulter zeigte, dass sein Bruder es sich inzwischen mit Tee und Kuchen auf der Couch gemütlich gemacht hatte. Trotz des leicht verlegenen Ausdrucks seiner Augen, schaffte er es verschmitzt zu grinsen.
 

„Lass euch durch mich nicht stören“, sagte er betont gelassen, aber Kaiba erkannte den spitzbübischen Unterton sofort, „allerdings weise ich darauf hin, dass ihr dann wohl nicht mehr viel von der Torte bekommen werdet.“ Er wies mit der Gabel auf das halbgegessene Stück auf seinem Teller.
 

Kaiba spürte geradezu, wie der Ärger in Jian hochstieg. Bevor der harsch darauf hinweisen konnte, dass es sicherlich keine gute Idee war, die für seinen großen Bruder bestimmte Torte aufzuessen, verwickelte er ihn abermals in einen Kuss. Im ersten Moment war Jian überrascht. Allerdings fing er sich rasch und riss die Dominanz wieder an sich.
 

Mit Sicherheit konnte Kaiba nicht sagen, was den anderen dazu bewog. Vielleicht konnte er einfach nicht genug von seinen Küssen bekommen. Das war ganz und gar nicht auszuschließen, so wenig, wie er von ihm lassen konnte. Ganz und gar nicht, dachte Kaiba und seufzte leise, als Jians Zunge geschickt in seinen Mund glitt, sanft seinen Mundraum erkundete und dann seine Zunge abermals verlangend anstupste.
 

Möglicherweise hatte Jian aber auch begriffen, dass eine Erwiderung unklug gewesen wäre. Egal, was Mokuba sagte, Kaiba wusste ganz genau, dass es ihn sehr wohl störte, dass die beiden nur mit sich selbst beschäftigt waren. Er hatte die verärgerte Antwort geradezu kalkuliert und dahingehend wollte Kaiba sich sicherlich nicht manipulieren lassen. Für seinen Geschmack tat sein kleiner Bruder das eh schon zu oft. Deshalb kam Jian zu einem weiteren Kuss, auch wenn das Mokuba gegenüber nicht gerade höflich war.
 

Nach einer gefühlten, kleinen Ewigkeit löste sich Kaiba schließlich von Jian. Neckisch drückte er ihm noch einen kurzen Kuss auf und ließ sich wieder neben seinem Bruder im Sofa nieder. Jian entließ ihn ohne Murren aus der Umarmung.
 

Der eingeschenkte Kaffee war nicht mehr allzu heiß, hatte aber noch genug Temperatur. Mit Genuss leerte Kaiba seine Tasse, goss provokativ sofort neuen ein und nahm sich ein Stück der Torte. Währenddessen begann Mokuba, Jian nach den verschiedenen Branchen zu fragen, in denen er tätig war – sein großer Bruder hätte da so eine Andeutung gemacht …
 

Obwohl Mokuba impertinent in seinen Berufs- beziehungsweise Branchenvorschlägen war – Zuhälter und Waffenfabrikant gehörten zu den ersten – und auch keinen Hehl daraus machte, dass ihm dieses Ausfragen einigen Spaß bereitete, lehnte Jian niemals die Antwort völlig ab. Teilweise blieb er jedoch vage, meistens, wenn es sich um illegale Arbeitszweige handelte.
 

Kaiba wusste, dass Jian mächtig stolz auf das breite Portfolio seiner Firmen sowie Quasi-Firmen war und gerne mit seinen Kontakten, seinem Einfluss und seinem Erfolg hausieren ging. Sicherlich war das auch der Grund, warum er sich auf dieses Spielchen einließ. Mokuba konnte ihn noch so mit wenig angesehenen Tätigkeitsfeldern aufziehen, letztendlich würde er einsehen müssen, dass in Jians Händen einiges an Macht zusammenkam. Im Umgang miteinander konnte das definitiv nur förderlich sein. Deshalb ließ Kaiba sie reden. Zugegebenermaßen auch, um einen gewissen Überblick über Jians Imperium zu bekommen.
 

Schließlich gingen Mokuba die Berufe und Branchen aus. Darüber hinaus schien er tatsächlich begriffen zu haben, dass sein Gegenüber ein großer Wirtschaftsmogul war. Ein größerer sogar als sein Bruder. Nun konnte er Jian einen gewissen Respekt nicht mehr absprechen.
 

Nach einem ausgezeichneten, leichten Abendessen – das Kaiba natürlich Jian zubereiten ließ – überredete Mokuba sie dazu, gemeinsam einen Film zugucken. Dass sie die Wahl des Films ihm überließen, bereuten Kaiba und Jian schnell. Die ausgewählte Komödie traf so gar nicht ihren Humor, sodass es Kaiba mit Erleichterung erfüllte, als Mokuba nach einer halben Stunde einschlief, ohne dass es vorher zu einer weiteren Auseinandersetzung mit Jian gekommen war.
 

„Das war ja kaum auszuhalten“, beklagte sich Jian. Er schaltete sofort den Ton aus, als er bemerkte, dass Mokuba eingeschlafen war.
 

„Nicht dein Lieblingsfilm?“, erwiderte Kaiba spöttisch. „Ach, ich vergaß, das war ja ‚Der Pate‘.“
 

„Das ist ein guter Film. Keiner, der diesen Seitenhieb verdient hätte. Ts.“ Jian bedachte ihn mit einem amüsierten Blick. „Immerhin ein gutes hatte dieser Film: Er war so langweilig, dass ich dich den Rest des Abends für mich habe.“ Er drückte ihm einen besitzergreifenden Kuss auf.
 

„Sei so gut“, sagte Kaiba und lächelte mit Genugtuung – er hatte die meisten seiner „Wünsche“ so begonnen, „und räum hier auf, während ich meinen Bruder in sein Bett bringe.“ Jian ließ sich nicht anmerken, in welchem Maß ihn der erneute Befehl verärgerte. „Ich gehe davon aus, du weiß, wo sich meine Räumlichkeiten befinden.“
 

„Sicher?“
 

„Ich wäre enttäuscht von deiner Recherchearbeit“, betonte Kaiba abfällig. Spionage traf es wohl besser, „wüsstest du es nicht.“
 

Vorsichtig, um ihn nicht aufzuwecken, nahm er Mokuba auf den Arm und verließ das Wohnzimmer. Hinter sich hörte er Jian leise in sich hineinlachen. Arroganter Mistkerl.
 

Noch eine Weile nach dem er seinen Bruder sorgsam ins Bett verfrachtet hatte, saß er an seiner Seite und dachte nach. Er hatte keine Ahnung, wie er jetzt weiter mit Jian umgehen sollte. Es war klar, dass der weiterhin mit ihm schlafen wollte, aber was er selbst wollte, war ihm immer noch ein Rätsel.
 

Mit ungutem Gefühl erinnerte er sich an die Panik, die Jians Berührungen aus irgendeinem Grund ausgelöst hatten. Er konnte sich nicht erklären, woher diese Blockade kam. Es war nicht diese Art von Misshandlungen gewesen, die er erlitten hatte. Und schon gar nicht war es Jian gewesen, der ihm die Schmerzen zugefügt hatte. Die letzten Monate war er wütend und enttäuscht gewesen, in gewisser Weise verletzt von Jians Verhalten – auch wenn er sich das nur ungern eingestand. Aber das konnte nicht der Grund für die Abwehrhaltung seines Unterbewusstseins sein. Zumindest ergab das für ihn keinen Sinn.
 

Kaiba beschloss, das Problem von der anderen Seite anzugehen. Wollte er heute mit Jian schlafen? Die Antwort fiel ihm überraschend leicht. Ja, verdammt. Er hatte Jians Berührungen vermisst und sie heute nach der langen Zeit sehr genossen – abgesehen von dem einen Moment. Danach hatte Jian jedoch bewiesen, dass er durchaus in der Lage war, Rücksicht zu nehmen und sich unter Kontrolle zu halten. Dennoch befürchtete Kaiba, dass ihm sein Unterbewusstsein einen Strich durch die Rechnung machen würde.
 

Seine Lippen verzogen sich zu einem dünnen Strich. Wer war er denn, dass er sich von seinem Unterbewusstsein etwas diktieren ließ, wenn er ganz genau wusste, was er wollte … und brauchte? Jian gegenüber hatte er das nie gezeigt, nicht zeigen wollen, aber auch er hatte seine Bedürfnisse, die er nicht nach Belieben kontrollieren konnte. Eines davon war Sex. Und den wollte er mit Jian – Jian über sich und manchmal auch Jian unter sich.
 

Kaiba legte eine Hand vor die Augen. Der Gedanke war ja geradezu erniedrigend. Aber was sollte er machen? Er stand darauf. Jian würde er das ganz sicher niemals sagen, obwohl der es sicher bereits wusste.
 

Plötzlich drängte sich der Gedanke auf, dass er Jian nach der heutigen Nacht für lange Zeit nicht mehr für sich haben würde – solange bis der seine illegalen Angelegenheiten geregelt hätte. In einem lächerlichen Anflug von Eifersucht fragte er sich, ob Jian ihn wohl betröge. Noch alberner kam er sich vor, als er diesen Zweifel sofort wegwischte. Aus irgendeinem Grund war er sich sicher, dass Jian definitiv treu sein würde.
 

Blieb nur die Frage, wie er sein Unterbewusstsein überlistete. Konnte er das mit seinem Verstand überhaupt? Teilweise, vermutlich. Sein Körper würde in Panik wahrscheinlich nie ganz seinem Verstand gehorchen.
 

Jian könnte sie ignorieren, kam ihm plötzlich in den Sinn. Der hatte bereits einmal seinen Protesten keine Beachtung geschenkt. Solange, bis sein Körper ihn betrog, weil er großen Gefallen an den Berührungen fand.
 

Jian darum zu bitten, kam überhaupt nicht in Frage. Danach würde er seine Einwände ignorieren, wie er gerade lustig war. Das tat Kaiba sich sicherlich nicht an. Er grinste hinterlistig. Also würde er wohl seine Lieblingstätigkeit zur Perfektion treiben müssen – Jian zu reizen.
 

Er begann, sich zu überlegen, wie er Jian soweit bringen konnte, dass er die Kontrolle verlor; er selbst dabei aber das Gesicht wahrte.
 

„Er liebt dich wirklich“, erklang unerwartet Mokubas verschlafene Stimme neben ihm.
 

„Wie bitte?“, fragte Kaiba verwundert. Das ganze kam zu überraschend, um neutral zu klingen.
 

„Du sahst so aus, als würdest du angestrengt nachdenken“, erklärte Mokuba und gähnte. „Und das war die Antwort auf die Frage, die du dir meiner Meinung nach gestellt hast.“
 

„Nein“, sagte Kaiba sachlich. „Ich dachte darüber nach, wie ich ihn am besten in den Wahnsinn treibe.“
 

Mokuba lachte leise. „Wie konnte ich nur jemals die Hoffnung haben, du würdest irgendwann eine halbwegs normale Beziehung führen?!“
 

„Das hättest du tatsächlich besser wissen müssen“, stimmte Kaiba zu. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er Mokubas Aussagen als Tatsachen wahrnahm. Er wusste, dass Jian ihn liebte und hatte innerlich bereits akzeptiert, dass ihr Verhältnis eine Art von Beziehung war.
 

„Ich bin mir sicher, dass schaffst du irgendwann von ganz allein. Ohne viel darüber nachzudenken“, ließ Mokuba vergnügt verlauten. Die Vorstellung, dass sein Bruder den immer noch nicht beliebten Jian in den Wahnsinn trieb, schien ihn zu amüsieren.
 

„Heute, nicht irgendwann“, erwiderte Kaiba. Er war überrascht über seine Offenheit, aber seltsamer Weise hoffte er darauf, dass Mokuba irgendetwas aufgefallen war, was ihm weiterhalf. Dass sein Bruder ein guter Beobachter sein konnte, hatte er durch seine Aussage noch einmal unterstrichen, und dass er die Dinge manchmal anders als er selbst wahrnahm, war Kaiba gleichermaßen bewusst.
 

„Warum heute?“, fragte Mokuba und rieb sich die Augen. Er sah müde aus und seine Neugier würde ihn auch nicht mehr allzu lange wachhalten. Es musste ein anstrengendes Spiel gewesen sein.
 

„Das muss unter uns bleiben“, verlangte Kaiba ernst. Er verspürte den seltenen Wunsch, mit seinem Bruder über höchstprivate Angelegenheiten zu reden. Oftmals ignorierte er das Gefühl, aber dieses Mal war ihm klar, dass er es irgendwann so oder so erklären musste. Mokuba hatte das Gespräch vom Morgen sicherlich nicht vergessen.
 

„Okay“, antwortete der und seine Stimme schwankte. Irgendetwas musste er in seinem Blick wahrgenommen haben, dass ihn irritierte.
 

„Ich bin damals entführt worden, um Jian zu erpressen. Aufgrund von Kommunikationsproblemen in Jians Unternehmen, die er mir gegenüber erst heute eingestanden hat, dauerte es einige Tage, bis ich wieder freikam. Weil ich mit seinen illegalen Geschäften nichts zu tun haben wollte, brach ich den Kontakt ab. Ich sehe es auch jetzt nicht ein, mich seinetwegen in Gefahr zu begeben. Wir sind übereingekommen, dass Jian sich darum kümmert, den schlimmsten Abschaum loszuwerden. Solange er damit nicht fertig ist, werden wir auf Abstand bleiben.“
 

Kaiba war zufrieden mit sich. Das war eine knappe, sachliche Schilderung, die im Grunde nicht in sein Gefühlsleben eindrang. Er verspürte nicht das Bedürfnis, Einzelheiten zur Entführung und zu seinen Entscheidungen zu geben. Schon gar nicht wollte er darüber sprechen, wie er sich dabei gefühlt hatte. Er ging davon aus, dass seinem Bruder das sehr wohl bewusst war.
 

„Ich verstehe“, sagte Mokuba langsam. Der Schreck war ihm deutlich anzusehen. Ungelenk – vermutlich aufgrund von Müdigkeit und der Bettdecke, in die Kaiba ihn geschlungen hatte – kam er zu seinem Bruder hinüber gekrabbelt und schlang die Arme um dessen Hals. „Ich hätte dich verlieren können“, murmelte er entsetzt. Die Erkenntnis schien ihn hart getroffen zu haben und wie erwartet blieb er auf der Ebene seiner Person. Er sagte nicht, dass es ihm leid tat oder sonstige Sentimentalitäten. Kaiba war dankbar dafür, dass sein kleiner Bruder ihn so gut kannte.
 

„Hast du nicht“, antwortete er und legte die Arme um ihn.
 

„Er wird dafür sorgen, dass du mit dem Abbruch der Aktivitäten nicht in Verbindung gebracht wirst?“, fragte Mokuba leise, den Kopf immer noch an Kaibas Halsbeuge.
 

„Ja“, bestätigte er. „Bis die Sache endgültig vom Tisch ist, wird es keine privaten Treffen geben.“
 

„Gut.“ Mokuba löste sich vom ihm und zerstörte dabei Kaibas Frisur. Selbst im Dunkeln erkannte Kaiba das spitzbübische Grinsen. „Dann verstehe ich deine Eile.“
 

„Was soll das?“, fluchte Kaiba, während er sich bemühte, seine widerspenstigen Haarsträhnen wieder zu bändigen. Er funkelte seinen Bruder böse an.
 

„Ach Seto“, meinte Mokuba in seinem Besten „Ich bitte dich“-Tonfall. Er seufzte – so, als müsse er sich zur Erklärung etwas Offensichtlichen herablassen. „Ihr bemüht euch ständig, Risse in das kühle, aber perfekte Auftreten des anderen zu reißen. Wie könnte ihm da die zerzausten Haare, die zerstörte Frisur, nicht gefallen?“
 

Kaiba hielt in seinem Bestreben seine Haare zu richten inne. Abgesehen von einigen Strähnen schmiegten sich seine Haare wie gewohnt um seinen Kopf. Aber war es wirklich so simpel wie Mokuba es beschrieb? Sollte er ihren Spleen, sich gegenseitig zu Fehlern zu treiben, so einfach gegen Jian verwenden können? Nur, in dem er sich selbst kleine Mängel in Aussehen und Auftreten zugestand?
 

„Gute Nacht, großer Bruder“, sagte Mokuba und kuschelte sich lächelnd in seine Decke. Bei genauerem Hinsehen war das Grinsen neckend. „Und schlaf gut!“
 

Kaiba stupste ihn in die Seite, was ihn zum Kichern brachte. Irgendwie konnte er ihm nicht böse sein. „Gute Nacht, Mokuba“, sagte er ihm Gehen.
 

Auf dem Weg zu seinem Zimmer gelang es ihm nicht, die Frage zu beantworten. Einen Versuch war es sicher wert. Problematisch war nur, diese Fehler offen zu zeigen, würde ihm später einen handfesten Nachteil in ihrem Spielchen bereiten. Jian ließe es sich nicht nehmen, ihn ständig daran zu erinnern.
 

Zu einem Entschluss führten schließlich Jians Augen, die sich beinahe schnurstracks auf seine Haare richteten und ihn sonst kaum musterten, als er eintrat. Jian saß im Bett, als wäre es sein Eigentum. Schuhe und Pullover hatte er ausgezogen. Er lehnte in den dicken Kissen am Kopfende und hatte entspannt die Füße übereinandergeschlagen. In seinen Händen hielt er eine Zeitschrift, auf die sich sein Blick inzwischen wieder gerichtet hatte. Kaiba erkannte sie als sein Wirtschaftsmagazin.
 

„Ich kann mich nicht erinnern, mein Bett als Treffpunkt vorgeschlagen zu haben“, sagte Kaiba herablassend und bedachte ihn mit einem eiskalten Blick.
 

„Es ist Teil des Zimmers“, erwiderte Jian leichthin.
 

Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, ging Kaiba ins Bad. Langsam reifte ein konkreter Plan in ihm heran. Im Rahmen von Normalität würden die kleinen Mängel im Auftreten als erfolgreicher Firmenleiter ihm später nicht zum Nachteil gereichen. Im Grunde wäre es geradezu lächerlich, sich in seinem eigenen Schlafzimmer wie ein eiskalter Geschäftsmann zu gebärden. Niemand hatte im Bett eine perfekte Frisur oder trug tadellos sitzende Kleider. Und es sich nicht in seinem Bett bequem zu machen, nur weil Jian da war, wäre zu viel der Ehre gewesen. Den Einfluss gönnte er Jian nicht.
 

Wie jeden Abend putzte er Zähne und machte sich etwas frisch. Seinen Pullover hatte er einfach über den Kopf gezogen, ohne auf seine Haare zu achten. Wie erwartet standen nun einige Strähnen ab. Boxershorts und Hemd ließ er an, öffnete bei letzterem einige Knöpfe.
 

Jian beachtete ihn nicht, als er zurück ins Schlafzimmer kam. Nicht einen einzigen Seitenblick warf er ihm zu. Insgeheim musste Kaiba diese Selbstbeherrschung anerkennen, obwohl er das selbstverständlich nicht zeigte. Er streckte sich gemütlich auf der freien Seite des Bettes aus – Jian hatte sich natürlich dort breit gemacht, wo Kaiba normalerweise schlief.
 

„Das ist mein Magazin“, sagte Kaiba und griff danach. Erst war Jian schneller, aber nachdem er sich ihm zugewandt hatte, bekam Kaiba das Heft doch zu packen.
 

Jian hatte ihn wohl spöttisch ansehen wollen. Ein Hauch dessen war in den leicht geweiteten Augen noch zu erkennen. Er starrte zu ihm hinunter und sein Blick blieb nacheinander an den wirren Haarsträhnen, der vom aufgeknöpften Hemd entblößten Haut und den nackten Beinen hängen. Der Ausdruck war glühend und seine Lippen standen einen Spaltbreit offen.
 

„Was wolltest du gerade sagen?“, fragte Kaiba süffisant, während er die Zeitschrift aufschlug.
 

„Deine Haare sind unordentlich“, sagte Jian, als hätte er ihm nicht zugehört. Seine Stimme klang bereits ein wenig rau.
 

Kaiba ließ das Magazin etwas sinken und hob die Brauen. „Du erwartest nicht allen Ernstes, dass ich deinetwegen frisiert ins Bett gehen?!“, fragte er maliziös.
 

„Es ist unhöflichen, seinem Gast nichts zum Lesen anzubieten“, erwiderte Jian kühl. Er schien sich wieder gefasst zu haben – ein bisschen zumindest.
 

„Du sitzt mir im Licht“, warf Kaiba ihm vor und fügte herablassend hinzu: „Einmal davon abgesehen, dass du dich selbst eingeladen hast, steht dort drüben unübersehbar ein Bücherregal, aus dem du dich gerne bedienen darfst und –“
 

Er stoppte sich, bevor er seine Zeitschriftensammlung unterm Bett erwähnte. Die konnte er vielleicht noch zu einem anderen Zweck benutzen. Er unterdrückte ein hinterlistiges Grinsen. Eifersucht wäre sicherlich ein effizientes Mittel.
 

„Und?“
 

„Nichts, was dich interessiert“, sagte Kaiba leichthin und winkte ab. Sogleich hatte Jian ihm die Zeitschrift wieder entrissen. Wie infantil…
 

„Dann beschäftige du dich einfach damit“, meinte Jian abwesend, so als wäre er bereits in einen Artikel vertieft. „Wenn du dich hinsetzt, hast du auch kein Problem mit dem Licht.“
 

„Ts. Als ob ich meine Gewohnheiten ändern würde“, schnarrte Kaiba spöttisch, „nur, weil du dich an einer Stelle breit machst, an die du nicht gehörst.“
 

Jian ignorierte ihn. Vielleicht war das ganz gut so. Hätte er ihn beachtet, wäre es Kaiba wohl schwerer gefallen, seinen Triumph zu verbergen. Viel besser hätte das Gespräch nicht verlaufen können. Er seufzte genervt und rutschte zu Jian hinüber. Ein wenig verwundert hob der die Brauen, aber Kaiba beachtete ihn nicht, beugte sich einfach über ihn hinweg und zog die oberste Schublade seines Nachtschränkchens auf.
 

Wie er es in Erinnerung hatte, lag obenauf ein Wirtschaftsmagazin auf dessen Titelseite ein junger, französischer Geschäftsmann abgebildet war, der im Moment in voller Munde war. Ein Lebemann, dem für Kaibas Zwecke praktischerweise nachgesagt wurde, bi zu sein. Irgendwo darunter lag seine Fernbedienung fürs Licht … sowie Kondome und eine Tube Gleitcreme. Er begann in der Schublade herumzukramen, schob letztere nach vorne und die Fernbedienung nach hinten. Dann knurrte er: „Verdammte Unordnung!“ Er riss die Zeitschrift aus der Schublade und drückte sie Jian in die Hand. „Halt mal!“ Er beugte sich tiefer über die Lade und fischte schließlich die Fernbedienung heraus, um für bessere Lichtverhältnisse auf seiner Seite des Bettes zu sorgen.
 

„Francois Lineteau?“, fragte Jian leise. Bedrohlich leise. Natürlich hatte er Gleitcreme und Kondome entdeckt … direkt unter der Zeitschrift mit dem Franzosen.
 

Kaiba ließ sich dadurch nicht beirren. „Augenscheinlich“, sagte er, ohne einen Blick über die Schulter zu werfen, und schloss die Schublade kräftiger als nötig gewesen wäre. Im Nachhinein stellte er fest, dass er Jian wohl besser nicht aus den Augen gelassen. Denn wie schon am Nachmittag riss Jian an ihm und er fand sich auf dessen Schoß wieder. Nur Millimeter von seinem Gesicht entfernt funkelte ihn kalte Augen an.
 

„Du betrügst mich mit diesem schmierigen Franzosen?!“, presste Jian ungehalten hervor, ehe Kaiba überhaupt einen Laut des Protestes von sich geben konnte. Er war überrascht von der heftigen Reaktion. Jian stellte das ja geradezu als Tatsache dar. So war das nicht geplant gewesen.
 

„Wie bitte?“, zischte Kaiba erbost zurück. Er musste es gar nicht spielen. Dass Jian ihm tatsächlich unterstellte, ihn mit diesem Lackaffen zu betrügen, empörte ihn unbestreitbar.
 

„Du gehörst mir“, bestimmte Jian herrisch. Er wirkte zornig. „Ich werde diesem …“
 

„Ganz sicher nicht.“ Mühsam verschränkte Kaiba die Arme vor der Brust. Jian drückte ihn so fest an sich, dass es ihm kaum gelang.
 

„… geleckten Schleimbeutel jeden Finger brechen. Einem nach dem anderen …“
 

„Ich. gehöre. nur. mir.“ Kaiba betonte eindringlich jedes einzelne Wort. „Und hör auf mich zu beleidigen!“
 

„Du empfindest es als Beleidigung, dass ich deinen Geliebten verwünsche?“ Jian sah aus, als würde er jeden Moment die Kontrolle verlieren – nur nicht auf die Art und Weise, wie Kaiba es sich vorgestellt hatte. Oder vielleicht doch? Schläge erwartete er jedenfalls keiner, vielmehr den Griff zum nächsten Telefon, um dem Franzosen via Mittelsmann eine angsteinflößende Warnung zukommen zu lassen.
 

„Ich empfinde es als Beleidigung, dass du mir unterstellst, mit diesem Widerling ins Bett zu gehen.“ Wieder kamen Wut und Empörung von ganz allein. Zweifel wären verständlich gewesen, diese Schuldzuweisung war es nicht. Sie kam wie aus heiterem Himmel. Kaiba war davon ausgegangen, dass der andere ihn besser kannte.
 

„Oh, ich bitte dich.“ Jian sah ihn verächtlich an. „Den Zusammenhang zu erfass…“
 

„Seite 34“, knurrte Kaiba und drückte dem anderen das Magazin vor die Brust. Eigentlich hatte er das ja nicht zugeben wollen.
 

Jian zögerte einen Moment, bis er die Zeitschrift nahm und aufschlug. „Ein Bericht über mich. Und?“
 

Kaiba lehnte sich zur Seite und langte unters Bett. Augenblicklich streiften seine Finger Papier. Blindlings zog er einige Zeitschriften hervor, warf je einen kurzen Blick darauf und schleuderte sie neben Jian aufs Bett. „Seite 13. Seite 104. Seite 67. Seite 38“, kommentierte er. Im Grunde war es peinlich, dass er so genau wusste, wo die Berichte über Jian zu finden waren, selbst wenn es Magazine neueren Datums waren.
 

„Alles Berichte über mich“, stellte Jian fest. Er wirkte überrascht.
 

„Was du nicht sagst.“ Das klang vielleicht zu spöttisch. Jians Züge verschlossen sich wieder. Nur die distanzierte Wut war nicht zu übersehen.
 

„Ich bitte dich“, knurrte Jian. Seine Arme drückten Kaiba nun schmerzhaft fest an sich. „Das ist keine Erklärung für die Gleitcreme – die angebrochene Tube Gleitcreme.“
 

„Lissabon“, presste Kaiba hervor. Das zeigte seine Wut und verbarg zufriedenstellend die Schmerzen.
 

„O. Ich –“ Jians Griff wurde plötzlich sanfter und seine Hände glitten unsicher über Kaibas Rücken. Er schien sich sehr gut an die Nacht in Lissabon zu erinnern, in der er selbst ausnahmsweise keine Tube dabei gehabt hatte.
 

Kaiba musste unweigerlich grinsen, als er an Jians Flüche dachte, während der in seiner Reisetasche wühlte und nach etwas suchte, das er offensichtlich vergessen hatte.
 

„Ich entschuldige mich für die Unterstellung“, sagte Jian schließlich. Er meinte es ehrlich, obwohl ihm anzusehen war, dass er sich nicht gerne entschuldigte. Einfach aus Prinzip. Seine Hände fuhren durch Kaibas zerzaustes Haar. Als er weitersprach, klang seine Stimme unerbittlich. „Aber du wirst akzeptieren müssen, dass du in gewisser Weise doch mir gehörst. Ich habe nicht vor, dich mit anderen Liebhabern zu teilen.“
 

Jian streifte Kaibas Lippen mit den eigenen. Spielerisch schnappte er nach ihnen und küsste sie sacht. Lächelnd schlang Kaiba die Arme um Jians Hals. Bald hätte er ihn dort, wo er ihn haben wollte. „Ich weiß“, murmelte er, bevor er ihn seinerseits leicht küsste. „Allerdings besitzt du mich noch lange nicht, nur weil du keine anderen Liebhaber duldest.“
 

„Dann spielst du mit dem Feuer“, raunte Jian zurück. Seine Stimme klang inzwischen unüberhörbar rau. „Ich bin gefährlich.“
 

Er lehnte sich in die Kissen zurück – mit Kaiba auf seinen Schoß und seine Brust gedrückt. Seine Hände streiften über Kaibas Schenkel, dessen Rücken und Po.
 

Kaiba unterdrückte den Anflug von Panik, der in ihm aufkam. So kurz vor dem Ziel würde er nicht riskieren, dass Jians Verstand noch über seine Instinkte siegte.
 

„Nicht für mich“, flüsterte er. „Doch nur für meine etwaigen Liebhaber. Mir würdest du doch nichts tun?!“ Jian brummte zustimmend in den Kuss, den Kaiba ihm aufdrückte. „Vielleicht werde ich so sogar die eine oder andere Konkurrenz los.“
 

Kaibas Augen funkelten amüsiert. Er vergrub seine Hände in Jians Haaren. Nur zu deutlich spürte er Jians Erregung. Bloß noch ein kleines bisschen.
 

„Soso.“ Die Belustigung in Jians dunkler Stimme war nicht zu überhören. „Das kannst du auch einfacher haben.“ Er küsste Kaiba verlangend. „Mach mir bei Gelegenheit einfach eine Liste. Ich kümmere mich darum.“ Er sagte das, als wäre es eine absolute Nebensächlichkeit. Vielleicht war es das für ihn auch. Noch einmal zog er Kaiba näher an sich und eine Hand schlüpfte unter dessen Hemd.
 

Abermals kämpfte Kaiba die irrationale Angst nieder. Momentan hatte er noch alles unter Kontrolle. Gänsehaut bildete sich auf seinem Rücken.
 

„Daran besteht im Moment kein Bedarf“, sagte Kaiba. „Du weißt doch, letztendlich bekomme ich immer, was ich will.“
 

Er begann die Haarnadeln aus Jians Haaren zu ziehen. Inzwischen gelang ihm das flugs. Ehe der andere auch nur protestieren konnte, flossen die schwarzen, langen Haare über seinen Rücken.
 

„Wirst du es jemals lassen, meine Frisur zu zerstören?!“ Es war eine rhetorische Frage und Jian seufzte eher resigniert als genervt. Seinerseits vergrub er eine Hand in Kaibas wirren Strähnen. Der Griff war hart, das Kraulen seiner Finger sanft.
 

Kaiba seufzte aufgrund des erregenden Gefühls. Aus der Befürchtung, es könnte sich bald in eine handfeste Panik verwandeln, zog er einen weiteren Trumpf. Damit gestand er zwar eine kleine Schwäche ein, aber vielleicht hörte danach endlich diese ewigen Beschwerden über die zerstörte Frisur auf.
 

„Es gefällt mir, dass es dir einen wilden Ausdruck verleiht. Und ich mag es, wenn die kühlen, weichen Strähnen meine Wangen und meine Brust streifen“, flüsterte er Jian lasziv ins Ohr. Dabei stieg ihm der leichte Walnussgeruch der schwarzen Haare in die Nase.
 

„Ach tatsächlich?!“ Es hatte einen Moment gedauert, bis in Jians lustverschleierten Augen Verständnis aufblitzte. Mit ihr kam das Amüsement. „Nun ja, das wäre immerhin eine annehmbare Exemplifikation für die leidliche Angewohnheit meine Frisur zu ruinieren.“
 

Kaiba erwiderte nichts, küsste ihn nur. Irgendwann, als er mit seiner unterbewussten Angst kaum noch klarkam, fragte er anklagend zwischen mehreren Küssen: „Jian? Wie kommst du eigentlich auf die Idee, ich würde einen weiteren Liebhaber brauchen?“
 

Im nächsten Moment fand er sich rücklings in den Laken wieder. Wenig später verschwanden Hemd und Shorts und die Berührungen intensivierten sich. Jian ignorierte beharrlich jeglichen panischen Protest und schaffte es trotzdem Kaiba nicht zu verletzen. Und irgendwann verflüchtigte sich auch die Angst des Unterbewusstseins.
 

***
 

Kaiba erwachte, als Jian sich neben ihm zu regen begann. Er bekam es immer mit, wenn der andere aufstand. Bisher hatte er sich jedes Mal schlafend gestellt und er sah keinen Grund, das zu ändern. Jian tat und sagte erstaunliche Sachen, wenn er dachte Kaiba bekäme es nicht mit. Und wer wusste schon, wie er dieses Wissen noch einmal verwenden konnte.
 

Nach einem Moment rutschte Jian näher zu ihm herüber. Eine warme Hand streichelte durch seine Haare und zeichnete sanft seinen Unterkiefer nach. Warmer Atem kitzelte seine Haut und gleich darauf drückte Jian ihm einen leichten Kuss auf die Stirn. „Ich werde dich vermissen“, murmelte er.
 

Kaiba realisierte, dass er nicht länger ruhig liegen bleiben durfte. Dank Jians Spöttelei – und späterem Videobeweis – wusste er, dass er automatisch zu dem anderen herüberrollte, wenn er nach dem Sex als erster einschlief. Dem Beispiel folgend schmiegte er sich nun an Jians nackte Brust und wurde sogleich in einer leichten Umarmung umfangen. Zu seiner Schande entwich ihm ein wohliger Seufzer von ganz allein.
 

Jian hielt ihn noch eine gefühlte Ewigkeit sich gedrückt. Dann vergrub er sein Gesicht in Kaibas Haaren und dieser spürte die Atemzüge, die seine Haut kitzelten. „Im Grund hättest du jemand tausendfach besseren verdient“, sagte Jian seufzend, ehe er ihn sanft küsste.
 

Jian schlüpfte aus dem Bett und deckte Kaiba sorgfältig zu, nachdem der sich prompt auf die andere Seite gerollt hatte. Das Geräusch von raschelnden Kleidern war zu vernehmen, leise Schritte und später das Prasseln der Dusche.
 

Kaiba lächelte leicht. Dieser Idiot. Es gab niemanden, der besser zu ihm gepasst hätte. Zumindest das hatte er nach dem vergangenen Tag begriffen. Sein Grinsen bekam einen gerissenen Zug unnd machte er sich daran, das Handy zu verwanzen. Er würde dafür sorgen, dass er die nächsten Monate zumindest Jian hören konnte, wann immer ihm danach war.
 

Leise Atemzüge. Den kühlen, herrischen Bass. Nachdenklich gemurmelte Selbstgespräche.
 

Natürlich, um notfalls reagieren zu können, falls der andere auf eifersüchtige Gedanken kam. Nicht etwa, weil er ihn liebte und vermissen würde. Nein, gewiss nicht deshalb.
 

Kaiba – The End
 

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Wer sich über die letzte Zeile wundert: Ich habe beschlossen einen 'kleinen' Zusatz aus Jians Sicht zu schreiben. Die fünfteilige Form ist mir so oder so schon aus dem Ruder gelaufen und da ich die beiden gerade so ins Herz geschlossen habe, bekommt Jian auch mal das Wort. ;)
 

Also hoffentlich bis zum Kapitel vom Waffenfabrikanten, Zuhälter, Drogenbaron, Mörder ... (O Moment, das hatte er ja gar nicht zu gegeben ... ) ähm bis zu Jians Kapitel...

In aller Früh

In aller Früh
 

Es war fünf Uhr morgens, als Jian durch ein leises Piepen geweckt wurde. Obwohl noch reichlich dösig, griff er rasch nach seiner Armbanduhr, um den integrierten Wecker abzustellen. Er gönnte seinem Freund mehr als die drei kläglichen Stunden Schlaf, die er selbst diese Nacht haben würde.
 

Seto schlief nah bei ihm, hatte einen Arm locker über Jians Taille gelegt und seinen Kopf an dessen Brust geschmiegt. Glücklicherweise benutzte er heute nicht den Oberarm des anderen als Kopfkissen. Jian hatte aufgehört zu zählen, so oft war er bereits wegen eingeschlafener Gliedmaßen aufgewacht. Er hatte sich deswegen nie beschwert, ahnte er doch, dass es nur in einer unbefriedigenden Diskussion enden würde. Schließlich war er selbst der Grund, warum sein Geliebter so dicht bei ihm schlief. Seto wartete wahrscheinlich nur darauf, ihn damit aufzuziehen, dass er ständig sämtliche Decken an sich riss – ob er sie nun brauchte oder nicht.
 

In diesem Moment schien alles perfekt zu sein. Trotz des wenigen Schlafs und des anstrengenden gestrigen Tages fühlte er sich ungewöhnlich wohl. Es war behaglich warm gemeinsam mit Seto unter der Decke. Seichter Atem strich über seine Brust und weiche Haare kritzelten ihn an Schultern und Hals. Bei jeder seiner Bewegungen streifte er verführerische, nackte Haut.
 

Es hätte ein perfekter Morgen werden können. Dösig-entspannte und stürmisch-befriedigende Morgenstunden mit dem Mann an seiner Seite. Nur, dass er leider bis spätestens neun Uhr wieder zurück in seinem Ferienhaus sein musste.
 

Jian beugte sich über seinen Geliebten, um ihm einen kurzen Kuss zu stehlen. Wie immer erwiderten Setos Lippen den Druck leicht. Leise seufzte er. Mindestens sechs Monate ohne Momente wie diesen. Dabei hatte er die letzten zwei schon kaum ausgehalten. Seto-Entzug, gab es etwas Schlimmeres?
 

Der Gedanke, wie wichtig ihm sein Freund geworden war, wirkte immer wieder beängstigend. Jian war es nicht gewöhnt, jemanden zu haben, der ihm so viel bedeutete. Unwillkürlich strich er über die dünne, helle Narbe, die sich 15 Zentimeter lang über Setos Schulter zog. Seinen Geliebten entführt und verletzt zu wissen, hatte ihm erst die Augen geöffnet. Das Leben seines Freundes abhängig von Irren – das hatte ihn beinahe wahnsinnig gemacht.
 

Jian spürte, wie die Erinnerung an die Entführung immer lebendiger wurde. Seine Anspannung stieg. Unter leisem Rascheln schob er Setos Decke von sich. Er wollte ihn nicht wecken. Wie erwartet, dauerte es nicht lange bis Seto sich auf die andere Seite rollte. Kaum eine Minute später drehte er sich erneut, lag nun in die Decke eingewickelt und wieder mit dem Gesicht zu Jian.
 

Ein leiser Seufzer entwich ihm, während er seinen Freund beobachtete und versuchte seine Gedanke in eine andere Richtung zu lenken. Die kommende Zeit ohne ihn war da ein vielversprechendes Thema. Er würde ihn vermissen.
 

Seto, der ihm selbstsicher Paroli bot; der sich grundsätzlich erst einmal gar nichts sagen ließ; mit dem er so hervorragend um Recht und Kontrolle ringen konnte; den er nie wirklich unterwerfen konnte, selbst wenn der lustvoll stöhnen unter ihm lag; mit dem er die besten Diskussionen führen konnte; der so oft seinen Humor teilte; der häufig bereits wusste, was er tun würde, bevor er es tat; der gleichzeitig genial wie das reiste Chaos sein konnte. Sein Seto.
 

Jian seufzte abermals. Genervt strich er sich eine leicht verknotete Haarsträhne aus dem Gesicht. Die nächsten Monate würden hart werden. In doppelter Hinsicht. Mit viel Stress und ohne Geliebten, der das irgendwie kompensieren konnte. Seto wäre dazu bestens in der Lage – das hatte er herausgefunden.
 

Nach kurzem Überlegen rutschte er näher zu seinem Freund. Ein paar Liebkosungen würden ihn bestimmt nicht wecken. Mit einer Hand streichelte er durch die weichen, zerzausten Haare und zeichnete sanft den Unterkiefer nach.
 

„Ich werde dich vermissen“, murmelte er nachdenklich, nachdem er ihm einen sachten Kuss auf die Stirn gegeben hatte.
 

Jian musste unweigerlich lächeln, als Seto sich wohlig seufzend an ihn schmiegte. Das war einer der Gründe, warum er die Momente mit seinem schlafenden Freund so genoss. Unterbewusst reagierte Seto deutlich stärker auf seine kleinen Liebkosungen. Zufrieden legte Jian seine Arme um ihn.
 

Er wollte nicht gehen – schon gar nicht für unbestimmte Zeit. Selbst wenn er seine Gefühle außer Acht ließ, blieb immer noch die Frage, wie sich Setos Leben in diesen Monaten entwickeln würde. Vielleicht lernte er ja jemanden anderen kennen, ohne dass Jian überhaupt die Chance bekam, zu intervenieren.
 

Jemanden, der ihn nicht ständig verstimmte; der nicht wegen jeder Kleinigkeit um Recht und Kontrolle rang; der ihn seinen dominanten Charakter mehr ausleben ließ; der nicht temporär zu Grobheit neigte; der mehr Zeit für ihn hatte und sich nach seinem Terminplan richtete. Ein anderer.
 

Jian hätte noch eine Weile so weiter machen könnten. Er wusste, dass er ein herrschsüchtiger Mensch war und viele seiner Eigenschaften als Geschäftsmann nicht unbedingt beziehungstauglich waren. Und genauso war er sich darüber im Klaren, dass ihn diese Liste letztlich nicht im Mindesten interessierte. Er würde Seto aufs Verrecken nicht hergeben. Dazu hatte er diesen eigensinnigen Klugscheißer viel zu gern an seiner Seite.
 

Vor dem Gedanken von jemandem abhängig zu sein grauste es ihm – selbst wenn dieser Jemand sein Freund war. Jedenfalls würde er keine Kontrolle über diese Situation haben. Das ließ die Aufgabe der nächsten Monate nicht zu.
 

Der Blick auf den Wecker zeigte, dass es nun endgültig Zeit war, aufzustehen. Ein letztes Mal vergrub er sein Gesicht den Haaren seines Geliebten, um den einmaligen „Seto nach dem Sex“-Geruch zu verinnerlichen.
 

„Im Grund hättest du jemand tausendfach besseren verdient“, sagte Jian seufzend, ehe er ihn sanft küsste. Es stimmte ihn ein wenig versöhnlich, dass Seto Lippen wie gewohnt den Druck leicht erwiderten.
 

Kaum war Jian aus dem Bett geschlüpft, änderte sein Geliebter prompt seine Position. Um die verlorene Wärmequelle zumindest etwas zu kompensieren, deckte Jian ihn mit beiden Decken zu. Dann sammelte er seine Kleidungsstücke zusammen und verschwand im Bad, um schnell zu duschen.
 

Als er ins Schlafzimmer zurückkehrte, drückte er Seto einen letzten Kuss auf die Wange. Er musste los. Durch die vorherige Gefühlsduselei hatte er seinen Zeitpuffer bereits dezimiert. Ein zweites Mal konnte er sich das nicht leisten. Mit seiner Tasche über der Schulter verschwand er nach draußen auf den Flur.
 

„Was zur …?“, entfuhr es ihm überrascht, bis er sich darauf besann, dass er Seto ja nicht wecken wollte.
 

„Guten Morgen!“, begrüßte ihn Mokuba Kaiba gutgelaunt, obwohl er ihn gerade kräftig angerempelt hatte und es noch nicht einmal sechs Uhr am Morgen war.
 

„Was willst du?“, zischte er ungehalten. Die kleine Nervensäge hatte ihm gerade noch gefehlt.
 

„Dass du dich anständig von meinem Bruder verabschiedest. Das gehört sich so, wenn man sich länger nicht mehr sieht“, antwortete der in bester Moralapostelmanie.
 

Jian verdrehte die Augen. „Ich hab keine Zeit …“
 

„Mit mir darüber zu diskutieren, sicherlich“, unterbrach ihn der kleine Kaiba selbstsicher. Eigentlich hatte Jian „für diesen Unsinn“ sagen wollen. „Also gehst du am besten gleich zurück, denn ich werde dich nicht eher vorbeilassen, bis du dich nicht ordentlich verabschiedest hast.“
 

„Wir haben uns bereits gestern Abend anständig verabschiedet“, knurrte Jian genervt, aber auch diese Strategie schlug fehl.
 

Mokuba Kaiba schüttelte energisch den Kopf. „Das zählt nicht!“, sagte er mit Bestimmtheit. Er zeigte auf Setos Schlafzimmertür. „Mindestens zehn Minuten, oder ich ruf den Sicherheitsdienst!“
 

Dieses Mal gelang es Jian, das Fluchen zu unterdrücken. Der Sicherheitsdienst. Woher wusste der Bengel nur, womit er drohen musste? Bemerkt zu werden, war das letzte, was er gebrauchen konnte. Seto würde sich ewig beschweren, schließlich lief es ihrer Abmachung zuwider.
 

Jian funkelte den Plagegeist wütend an und machte kehrt. Zumindest zerstörten die zehn Minuten seinen Zeitplan nicht. Nach wie vor lag sein Freund in die zwei Decken eingerollt im Bett. Vorsichtig nahm er auf der Bettkante Platz und rüttelte leicht an dessen Schulter.
 

„Hey Seto“, sagte Jian leise, aber eindringlich, „dein Bruder ist eine penetrante Nervensäge.“
 

„Das fällt dir erst jetzt auf?!“ Der Satz klang reichlich genuschelt. Dennoch bemerkte Jian, dass Seto nicht tief und fest geschlafen hatte.
 

„Du warst wach?!“ Verdammt! Er hatte doch nicht etwa seine gefühlsduseligen Äußerungen mitbekommen.
 

„Nicht richtig“, antwortete Seto dösig. „Die Dusche.“
 

„Hm.“ Das war einleuchtend und beruhigte ihn. Jians Hand begann abermals sanft durch Setos Haare zu streicheln. „Er ist der Meinung, ich solle mich ordentlich verabschieden.“
 

„Das überrascht mich nicht“, meinte er immer noch nicht vollständig wach und rollte sich zu Jian herum. Dessen Hand kam auf seiner Wange zum Liegen.
 

„Er droht, den Sicherheitsdienst zu rufen, wenn ich innerhalb der nächsten zehn Minuten, dein Zimmer verlasse“, erklärte Jian verdrießlich. Nicht, dass der andere nur im Entferntesten auf den Gedanken kam, die folgenden Minuten wären seine eigene Idee gewesen.
 

Begehrlich schaute er auf Seto hinab. Der blickte verschlafen zurück und schien sich nicht bemüßigt zu fühlen, etwas dagegen zu tun, dass Jian auf ihn herabsah. Jian stellte sich vor, wie es wohl wäre, in diesem Zustand mit ihm zu schlafen. Ohne ihr ständiges Machtgerangelt; wenn er einfach etwas gefügiger wäre. So verging eine Minute schweigend bis wieder Leben in seinen Geliebten kam – und der sich prompt aufsetzte, um auf Augenhöhe mit ihm zu sein.
 

„Ich wette, er horcht auf Stimmen“, sagte Seto spöttisch. „Mich anzustarren, als wolltest du mich sicher und zur freien Verfügung in deinen Keller sperren, ist zwar schmeichelhaft, wird allerdings nicht dazu beitragen, dass du pünktlich dieses Grundstück verlässt.“
 

„Warum stand diese Möglichkeit nie zur Diskussion?“, entgegnete Jian, der dem Gedanken tatsächlich nicht abgeneigt war. Würde viele Probleme lösen …
 

„Weil du nicht möchtest, dass ich dich bis zum Ende deiner Tage hasse.“ … und deutlich größere schaffen. „Außerdem wurde mir glaubhaft versichert, ich wäre kein angenehmer Gefangener.“
 

Dem hatte Jian nicht viel entgegenzusetzen. Allein Seto zu bändigen, bedurfte einer nicht geringen Kraftanstrengung. Ihn gegen seinen Willen, irgendwo festzuhalten, wäre tierisch umständlich.
 

„Unter der ein oder anderen Bedingung würde ich das sogar in Kauf nehmen“, sagte Jian und vergrub eine Hand besitzergreifend in den wirren, braunen Strähnen. Wenn der andere sich einen anderen Liebhaber nehmen wollte, zum Beispiel.
 

Mit düsterem Blick legte Seto die Stirn in Falten. Er schien sich gut ausmalen zu können, was das bedeutete. Plötzlich lächelte er schmal, neigte den Kopf und beugte sich zu Jians Ohr hinüber – ungeachtet der Hand in seinen Haaren.
 

„Sollte ich dich in den nächsten Monaten betrügen, erfülle ich dir die Fantasie, die dir gerade eben durch den Kopf gegangen ist“, flüsterte er verheißungsvoll, pustete ihm neckisch ins Ohr und küsste ihn flüchtig auf die Wange.
 

Jian erstarrte. Nur seine Augen weiteten sich leicht. Ein gefügiger Seto wäre bestimmt ein grandioses Erlebnis, aber nichts, was das Gefühl eines Betruges wegmachen könnte.
 

„Du hast nicht die leiseste Ahnung, was ich mir vorgestellt habe“, murmelte Jian abwesend.
 

„Vollkommen irrelevant“, erwiderte Seto selbstsicher und winkte ab. „Du könntest verlangen, wonach dir der Sinn stände. An deiner Stelle würde ich allerdings nicht allzu viel Zeit darauf verwenden, dir etwas auszudenken. Dich zu betrügen, gehört nicht im Entferntesten zu den Dingen, die ich während deiner Abwesenheit zu tun gedenke.“
 

Das Angebot klang überzeugend. Seto, Kontrollmensch durch und durch, würde niemals riskieren, ihm so ausgeliefert zu sein. „Versprochen?“
 

„Sicher. Du kannst mir gerne, nachdem alles erledigt ist, in aller Ausführlichkeit hinterherspionieren“, sagte Seto spöttisch. Er hasste es, wenn jemand das tat. Es dennoch anzubieten, bedeutete, dass er bereit war, in ihre Vereinbarung zu investieren. Alles nur, damit Jians Eifersucht ihren Plan nicht zerstören konnte.
 

„In Ordnung“, erklärte Jian und fragte sich, warum es solcher Abmachungen bedurfte, um genug Vertrauen in seinen eigenen Freund zu haben. Er lockerte seinen Griff und kraulte entschuldigend durch die Haare. „Das gleiche gilt natürlich für dich.“
 

„Unnötig“, bestimmte sein Freund und legte die Arme um Jians Nacken. Die blauen Augen funkelten neckisch. „Ich bin sicher, du wirst dich nach mir verzehren und noch viele weitere Fantasien entwickeln. Vielleicht kommt ab und an ein Beitrag über mich in den Spätnachrichten, dann kannst …“
 

Jian unterbrach ihn mit einem Kuss. Diese Frotzelei musste er sich nicht anhören. Traurig genug, dass es der Realität ziemlich nahekommen würde. Sich die Wirtschaftsnachrichten für den Abend aufzunehmen, wäre wahrscheinlich keine allzu auffällige neue Angewohnheit.
 

„Gut. Wenn das so ist, kann ich mir in der Zwischenzeit ja ein paar hübsche, japanische Sexsklaven halten. Vielleicht finde ich ein Exemplar mit blauen Augen“, gab er spöttisch zurück. Das konnte er so schließlich nicht auf sich sitzen lassen.
 

„Das würde ich merken.“
 

„Wie denn, wenn du mir nicht hinterherspionierst?“
 

„Im Bett.“ Aus Seto sprach die pure Überzeugung.
 

„Ich bitte dich.“ Jian runzelte die Stirn. Das wäre beunruhigend. Ihm fielen auf Anhieb drei Situationen ein, in denen er jemand anders gehabt hatte, nachdem er schon mit Seto geschlafen hatte.
 

„Vor unserer zweiten Begegnung und vor Peking im Januar.“ Sein Freund blickte ihn mit erhobener Augenbraue herausfordernd an.
 

Verdammt. Er traf vollkommen ins Schwarze. Aber das war am Anfang ihrer Bekanntschaft gewesen. Das konnte er ihm unmöglich übelnehmen.
 

„Ja und ja“, gab er also zerknirscht zu.
 

Die kühlen Augen funkelten triumphierend. „Und dann war da noch etwas im Mai. Ich befürchte allerdings, dass es nicht allzu befriedigend war.“
 

Jian knirschte mit den Zähnen. Die Sache konnte er ihm übelnehmen. Besser er erklärte das. „Wieder richtig“, brummte er. „Das war vor meinem Geburtstag. Ich musste meine Familie davonabhalten, für die Tage bei mir einzuziehen. Die zwei Callboys haben prima funktioniert.“
 

Seto lachte auf und Jian entspannte sich. Kein Problem also. Zu fragen, was Seto in der Zeit so getrieben hatte, traute er sich jedoch nicht.
 

„Bist du bis zu deinem Geburtstag fertig?“, fragte Seto. Er sah ihn dabei nicht an, sondern schlang sich die zweite Bettdecke um die Schultern.
 

„Das strebe ich an“, bestätigte Jian. Die Zeit war viel zu lang.
 

„Gut, dann kann ich dir deine Geschenke vor der Konferenz in Lissabon geben. Das hätte etwas von eine Jahrestagfeier gehabt.“ Er verdrehte die Augen. „Solche Dinge werden allgemein überbewertet.“
 

Der Ausspruch entlockte Jian ein Lächeln. Lissabon als Jahrestag. Also der 17. Juni. Dann waren sie in der Paar-Sache ja doch einer Meinung. Obwohl er Jahrestag eigentlich nicht überbewertet fand.
 

Jian beugte sich zu Seto hinüber und küsste ihn. So gierig, dass es unmöglich gefühlsduselig erscheinen konnte.
 

„Machst du an meinem Geburtstag, was ich möchte?“, fragte er dann schelmisch.
 

Seto schnaubte. „Ich hab drei Geschenke für dich, aber das gehört ganz sicher nicht dazu.“
 

„Drei?“, wiederholte Jian. Ihm fielen kaum drei Wünsche ein, geschweige denn welche von denen sein Freund wissen konnte.
 

„Ich bin ein sehr aufmerksamer Mensch“, entgegnete Seto schulterzuckend.
 

„Eiskalter Analytiker, meinst du wohl.“ Keine fünf Sekunden später schwebte Setos Gesicht mit bedrohlich kaltem Ausdruck dicht vor Jians Nase. Dieser erkannte das spielerische Element.
 

„Pass besser auf, was du sagst“, meinte er leise. „Sonst bin ich nicht mehr so gönnerhaft.“
 

Jian grinste innerlich und unterdrückte mit Mühe die Impulse, sofort über ihn herzufallen oder eine freundschaftliche Rauferei zu beginnen.
 

„Aber dafür liebe ich dich doch“, erwiderte Jian ebenso kühl.
 

Sie lieferte sich ein Blickduell, das Jian verlor, als etwas Hartes gegen seine Brust stieß. Überrascht schaute er nach unten und erkannte den Smartphonekarton in Setos Hand.
 

„Ich hab nie gesagt, dass ich es will“, sagte er belehrend. Jian schloss die Augen. Verdammt. Er war sich so sicher gewesen, dass sein Freund … „trotzdem hast du gewusst, dass ich es mir wünsche.“
 

Darauf wollte er also hinaus. Jian lächelte. „Das klingt so, als sollte ich mich auf meinen Geburtstag freuen.“
 

„Unbedingt“, bestätigte Seto, hielt ihm die Schachtel jedoch weiter hin. Jian hob fragend eine Augenbraue. „Es wäre viel zu leicht zu dir zurückzuverfolgen.“ Jians Mundwinkel zuckte, da es Seto in keinerlei Weise gelang, sein Bedauern zu unterdrücken. „Außerdem ist es peinlich, wie abhängig du von deinem P.A. bist. Leg dir ein ordentliches Terminerfassungsprogramm zu.“ Jian starrte ihn böse an. „Speicherplatz und Leistung für ein paar gute Mafia-Spiele hast du auch.“ Jians Laune sank gegen den Gefrierpunkt. „Und wenn du dein altes Handy weiter zum Telefonieren benutzt, weißt du, wenn das Smartphone klingelt, dass du etwas vermasselt hast und ich deine Hilfe brauche.“
 

Dieser kleine manipulative Mistkerl. Jian griff nach dem Smartphone. Da machte er sich vier Sätze lang über ihn lustig, und mit den letzten vier Wörtern besänftigte und stimmte er ihn um. Typisch Seto.
 

„Du hast die Nummer?!“, brummte Jian.
 

„Sicher. Bekomme ich dann das Nachfolgemodell?“
 

„Kleiner durchtriebener Mistkerl!“
 

Seto lachte auf. „Ich dachte, dafür liebst du mich“, sagte er sarkastisch.
 

Das tat er tatsächlich. Jian drückte seinen Freund in die Laken und küsste ihn verlangend. Mm, das war gut. Wie würde er ihn vermissen. Kurzentschlossen entschied er, Seto als Rache einen kleinen Abschiedsgruß zu hinterlassen. Unter dessen Seufzen saugte und knabberte er an der Haut überm rechten Schlüsselbein bis dort ein Knutschfleck entstand.
 

„Ich glaub, du musst los“, murmelte Seto, fing aber seine Lippen noch einmal für einen Kuss ein.
 

„Bis in ein paar Monaten“, verabschiedete sich Jian, als er Tasche und Smartphone nahm.
 

„Denk an deinen Geburtstag“, erwiderte Seto und zog die verrutschte Deckdecke wieder seine Brust hoch.
 

„Halt den Hemdkragen schön geschlossen“, sagte Jian grinsend auf dem Weg zur Tür. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Setos linke Hand zu seinem Schlüsselbein schnellte.
 

„Immer doch, du Idiot!“, grummelte er, womit er Jian endgültig zum Lachen brachte.



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Kommentare zu dieser Fanfic (16)
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Von:  -Pharao-Atemu-
2018-09-05T00:53:55+00:00 05.09.2018 02:53
Schade nun ist es vorbei und ich hätte gerne gewusst wie es weiter geht mit den beiden.
Von:  Lunata79
2013-07-16T07:37:00+00:00 16.07.2013 09:37
Wirklich nette FF. Hat mir wirklich gut gefallen.
Aber bei Kaiba´s letzten Kapitel am Schluss habe ich erst nicht durchgeblickt, was gemeint war. Erst als ich Jian´s Kapitel gelesen hab, hab ich gecheckt, was Kaiba meinte. Natürlich musste ich zwecks noch einmal zurückzappen zu Kaiba´s Schlusskapitel, um den Zusammenhang zu kapieren. Das war wirklich hinterhältig.
Bei deinem wunderschönen Schreibstil würde ich mir gerne eine neue Puppyshipping FF von dir wünschen. *schmacht*
Man liest sich ... oder auch nicht. XD

Lg
Lunata79
Von:  Eirikun
2013-07-15T06:32:22+00:00 15.07.2013 08:32
Also bis jetzt klingt es gut xD
Auch wenn icb lieber joey oder alister bei ihm mag~

Aber bis jetzt kommt alles super rüber. Man kann es auch sehr gut lesen.
Bin mal auf die weiteren Kapitel gespannt x3
Von:  Onlyknow3
2013-07-15T06:11:42+00:00 15.07.2013 08:11
Schade jetzt ist es zu ende,dabei würde ich mich über eine Fortsetzung freuen.Das sich die beiden wieder so Nahe kommen kaum zu glauben.Mach weiter so,freue mich auf das nächste Kapitel oder Geschichte.

LG
Onlyknow3
Von:  DueKay-Black
2013-02-26T22:08:37+00:00 26.02.2013 23:08
Ich finde deine FanFiction sehr schön geschrieben und ich würde mich freuen wenn es genauso weiter geht. Zudem hoffe ich, dass das nächste Kapitel eine Fortsetzung ist und nicht einfach nochmal die selbe Story aus der Sicht des anderen.
Ansonsten habe ich echt nichts hinzuzufügen... Einfach spitze, mach weiter so! <3

Lg Duey
Von:  Onlyknow3
2013-01-10T18:38:32+00:00 10.01.2013 19:38
Mach weiter,die Geschichte ist noch lange nicht zu ende,die kann noch einige Kapitel ertragen denn sonst kann Jian sein versprechen ja nicht einlösen.Das hat ja nichts mehr mit der Torte zu tun,sondern damit das Jian seinen Seto zurück will.Mach weiter so,egal wie mir hat es gefallen,vergiss aber die andere Geschichte nicht wo Seto gegen Mokuba um seine Firma kämpfen muss.Bis dann,entweder beim nächsten Kapitel oder der nächsten Geschichte.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2012-01-24T17:17:10+00:00 24.01.2012 18:17
Ach was für ein Kapitel,ich wußte gar nicht das Seto so durchtrieben ist,
aber er hat ja auch recht wenn er Jian in versuchung führt denn nur so bekommt er raus ob er diesem wirklich trauen kann.Mir gefällts,aber schick mir doch nächstes mal ne Ens damit ich es gleich lese.
Mach weiter so ich freu mich schon auf das nächste Kapitel.


LG
Onlyknow3
Von: abgemeldet
2011-12-15T14:18:59+00:00 15.12.2011 15:18
Sorry, dass ich erst jetzt wieder dazu komme, dir einen Kommi zu hinterlassen, obwohl ich das zweite Kapitel schon vor einer Weile gelesen habe.
Na, dann bekommst du jetzt also einen Kommi für Kapitel 2+3 zusammen.

Wie gesagt, die Story gefällt mir. Deinen Schreibstil mag ich sowieso und die Spannung, die du mit dem ersten Kapitel aufgebaut hast, konnest du bislang auch sehr gut halten.

Der Dialog zwischen Mokuba und Seto gefiel mir in Kapitel 2 ungemein. Genauso stelle ich mir die Zwei bei einem solch heikelen Gespräch vor. Seto triffst du mit seinen Aussagen wirklich perfekt, aber auch Mokuba ist dir wirklich gut gelungen. <3

Und nein, ich vermisse Joey nicht. Ich finde es sogar einmal herrlich erfrischend einen neuen Chara in Kaiba´s Leben zu haben. Wu Jian entwickelt sich tatsächlich zu einem vielversprechenden Charakter, der gut zu Kaiba passt.

Sätze wie z. B. "„Reine Logik“, erwiderte er kalt. „Du bist nicht so unberechenbar, wie du annimmst." oder "„Ich mag deine Kombinationsgabe“, entgegnete Jian und über seine sonst so kühle Miene huschte ein leichtes Lächeln. „Dich zu überlisten, macht gleich doppelt Spaß!“ sind einfach toll und verheißen ein anregendes Katz-und-Maus-Spiel.

Ich bin wirklich gespannt wie es weiter geht.

LG Lili
Von:  Onlyknow3
2011-12-01T17:12:32+00:00 01.12.2011 18:12
Schönes Kapitel,bin gespannt wie Seto antwortet.Ja ja selbst ein Seto Kaiba ist vor Gefühlen nicht sicher,ob er sich überreden läßt sich auf Jian noch mal einzulassen bleibt leider bis zum nächsten Kapitel offen.
Weiter so freu mich wenn das nächste Kapitel kommt.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2011-11-03T18:34:27+00:00 03.11.2011 19:34
Klasse das es klein Neugierige Brüder gibt die alles wissen wollen.
Seto da hast du dich Überschätzt würde ich sagen.
Weiter so das wird immer noch besser,und macht auch mich neugierig.


LG
Onlyknow3


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