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Rechtspruch

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In einem Gerichtssaal zu sitzen, bot ihr zwar nicht gerade die höchste aller Freuden, aber es belustigte sie doch schon sehr.
 

„Wir haben uns hier versammelt, um dem Fall Richard Fairweather ein gerechtes Ende zu geben.“
 

Sie konnte nicht aufhören, die Beine zu bewegen, während sie sonst still auf ihrem Stuhl in der Mitte des Raumes saß, über den Tisch gebeugt und den von Müdigkeit ach so schweren Kopf auf die Hand abgestützt. Was der Richter sagte, brachte sie nur zum Lächeln. Gerechtigkeit?

Was man nicht anfassen konnte, das gab es nicht. Und Gerechtigkeit war ihr noch nicht in die Finger geraten.
 

„Auf der Klagebank sitzt seine ehrenwerte Frau Annie Fairweather...“
 

Immer noch lächelnd schielte sie zu der zierlichen Frau hin, die ernst und müde auf ihrem mit Kissen ausgestatteten Stuhl saß und der ein Gewinn in dieser Verhandlung gerade nur durch ein kleines Adjektiv versprochen worden war.
 

„...und auf der Anklagebank die Tochter des Händlers Rasmus Siinkala.“
 

Wieder ging ihr Blick zum Richter, fixierte ihn lächelnd und hörte ihm weiter zu.

Ihre Ehre und ihren Namen hatte sie anscheinend mit ihrem Vergehen verloren.

Vielleicht hätte es auch gereicht, wenn sie nur gesagt hätten: 'Verbrecher'.
 

„Sie wird angeklagt, den Großkaufmann Richard Fairweather durch heimtückische Verführung verblendet zu haben...“
 

Ihre Augenbrauen hoben sich. Heimtückisch war das ganze von Anfang an nicht gewesen, zumindest nicht von ihr. Er hätte ihr wenigsten sagen können, dass er verheiratet war und Kinder hatte.
 

„...um ihn schließlich niederzuschlagen, sein Geld zu nehmen und das Sommerhaus der Familie anzuzünden.“
 

Das Mädchen zischte und zog die Stirn kraus. Das war so nicht richtig. Aber bevor sie zu Wort kommen konnte, fuhr der Richter fort. Das war falsch. Falsch! Sie hatte ihn nicht niedergeschlagen, dazu war sie nicht fähig. Bei dem Gedanken daran, wie sie ihn umgebracht hatte, legte sich ein versonnenes Lächeln auf ihre Lippen und ihre Gesichtszüge entspannten sich.
 

Sobald sie herausgefunden hatte, dass er verheiratet war, hatte sie ihn um ein gemeinsames Wochenende im Sommerhaus der Familie gebeten.

Sie kicherte leise und wackelte mit den Beinen, was einige im Gerichtssaal stutzig machte.

Danach war es ganz leicht gewesen. Das Mittel hatte sie immer bei sich.

Es war ihr Liebling. Alchemie war ihr Leben und Zyankali ihre Liebe.

Richard war nur... für das körperliche zuständig. Aber das interessierte sie jetzt auch nicht mehr,

Sie wusste längst, dass er zu den Menschen gehörte, die den bittermandelartigen Geruch nicht wahrnehmen konnten.

Und nachdem sie ihm einige Tropfen in den Tee gegeben hatte, war es kein weiter Weg mehr bis zu seinem Tod.
 

Kurz zuckte sie wieder auf. Irgendjemand im Publikum zuckte zusammen.

Gerade kam ihr in den Sinn, wieso sie darauf kamen, sie hätte ihn niedergeschlagen.

Die Wut war ein gutes Gefühl gewesen. Aber ihr nachzugeben war noch ein viel besseres.

Der Stuhl hatte neben ihr gestanden.

Sie warf im Gerichtssaal kurz einen Blick neben sich und lächelte, als würde sie den Stuhl immer noch sehen können. Händereibend sah sie wieder nach vorn und schaute dem Richter beim Reden zu.
 

Immer und immer wieder hatte sie mit dem Stuhl auf ihn eingeschlagen, irgendwann nicht einmal mehr aus Wut. Bis der Stuhl zerbrochen war.

Dann wollte sie einfach gehen.

Aber jemand hatte sie gesehen, sodass sie gefangen worden war.

Und angezündet hatte sie das Haus nicht, das war einer der Arbeiter von Richard gewesen, nachdem er das Haus nach Schätzen durchsucht hatte. An Geld lag ihr nichts, sie kam an ihre Materialien auch so. Und das war das einzig wichtige.
 

Jetzt saß sie hier also und da und betrachtete die Gesichter des Richters, der Geschworenen und das ihrer Anklägerin.

Na, wenigstens war sie eigentlich zu hübsch, um es zu verschwenden.

Während sie darüber nachdachte, wie sie der jungen Frau das hübsche Gesicht abluchsen könnte, kramte sie in ihrer Rocktasche nach einem kleinen Fläschchen und einer Dose mit Pulver.
 

Es war nicht so, dass sie Angst vor dem Tod hatte.

Zumindest nicht im Moment. Sie hatte aber keine Lust, sich dem Kreislauf des Lebens zu fügen.

Das war zu einfach.

Zu einfallslos.

Für einen Augenblick schloss sie dir Augen.

So wie Chaos in ihrem Kopf herrschte, sollte auch Chaos in ihrer Welt herrschen. Und da sie jetzt gerade in dem Gerichtssaal saß und der offensichtlich im Moment zu ihrer Welt gehörte, wollte sie hier Chaos haben.

Über den Gedanken lachend, wie sie das jetzt anstellen würde, stand sie auf. Das Lachen war schrill und nicht humorvoll, wurde zwischendurch eher zu einem Kichern und endete schließlich darin, dass die verschreckte Menge ebenfalls aufstand und der Wachposten auf sie zugerannt kam.
 

Grinsend schielte sie zu ihm herüber, aber je näher er kam, desto mehr wurde ihr Gesicht zu einer wütenden Fratze. Die Wut war ein gutes Gefühl.
 

Und mit den beiden ätzenden Chemikalien in ihrer Hand würde sie ihrer Wut hier auch freien Lauf lassen.
 

Und wenn sie fertig war, lachend den Gerichtssaal anzünden.



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