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Der Brief

von

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Der Brief:

Ein regelmäßiges Prasseln gegen die Fensterscheibe seines Zimmers formte ein grandioses Orchester, es verbannt sich mit der sing-vogelartigen Melodie des fallenden Regens der draußen enge Gassen und alte Häuser überschwemmte.

Die Straßen waren entvölkert, verlassen. Die Fenster waren einzig nur von dem ständig dagegen peitschenden Regen belebt,doch ansonsten blind und leer.

Die schläfrige Stadt döste träge in den verregneten Morgen hinein und Gilbert Nightray hatte sich vorgenommen, es ihr gleich zu tun.

Der junge Mann war leicht kränklich, ein Fieber hatte auf seine sonst so blassen Wangen eine hitzige Röte gedrängt und ihm stand eisiger Schweiß auf der Stirn, wie trübe Glasperlen.

Seine Wohnung war genauso stumm und leise wie die schlummernde Großstadt, nur das Rauschen vom unbeirrbar fallenden Regen hallte von Wänden und Fenstern wieder. Das Geräusch lullte ihn ein, gleich eines Schlafliedes, er fühlte wie sein Bewusstsein langsam aber beständig weg dämmerte.
 

Seine Zimmertür flog mit einer so großen Kraft auf,das sie beinahe aus den eisernen Angeln gerissen wurde. Gil riss erschrocken die Augen auf, er wollte reagieren, wollte sich aufrichten doch ein plötzliches Gewicht, als das hineinstürzende Mädchen mit einer solchen Wucht auf seinem Bauch landete, das es ihm brutal jede Luft aus den Lungen presste, schleuderte ihn zurück in sein Matratze so das sein Hinterkopf erbarmungslos gegen das hölzerne Bettende stieß.

Gils atemloses Keuchen wurde von dem begeisterten Gurren der Chain auf seinem Oberkörper übertönt, der junge Mann schnappte entsetzt nach Luft, vor seinem Augen tanzten gelbe Punkte und es dauerte eine Weile bis er endlich die Wortfetzen des Mädchens verstand, die da so freudig auf seinem Oberkörper herum druckste, als wäre sie auf einem Trampolin: „Ein Brief! Ich habe Post! Ich habe Post! Hier ist ein Brief für mich!!“

Sie drückte ihm praktisch das Pergament das sie immer wieder wie einen wertvollen Schatz befingerte, in die Augen hinein.

Gil blinzelte und runzelte die Stirn, da war diese dicke, lange Kuhle zwischen seinen Augenbrauen die sich immer bildete wenn er kurz davor war auf den verdammten Hasen zu schießen: „Natürlich hast du Post, verdammtes Karnickel, jeder kriegt irgendwann...“
 

Die Stimme des jungen Mannes versagte ihm im Hals.
 

ALICE hatte einen Brief bekommen...?
 

Das war doch unsinnig, ja vollkommen unmöglich, offiziell existierte sie doch gar nicht und genauso wenig war bekannt das sie sich in seiner Wohnung befand. Die Kuhle zwischen seinen Augenbrauen wurde dunkler, tiefer, aber dieses Mal zogen sich seine Augenbrauen nachdenklich zusammen, er beobachtete kritisch das Mädchen über sich das liebevoll an dem Pergament herum nestelte.

Der junge Mann lag hilflos wie in einer Zwangsjacke auf dem Rücken, das Mädchen saß auf ihm, die Oberschenkel an seinen Seiten und seine Arme zwischen ihren Waden und seinem Oberkörper geklemmt, wie in einem eisernen Schraubstock, zugegeben mit jedem anderen Mädchen hätte ihm das durchaus gefallen aber nun trieb es ihm angesichts dieser Situation die heiße Schamröte ins fiebrige Gesicht.

Mit einem merkwürdigen Laut befreite er seine Arme und hob Alice schnell von sich hinunter, sie war leicht wie eine Feder, leicht wie das Mädchen das sie war und trotzdem hielt Gil überrascht für einen Moment inne, seine Hände um ihre warme Taille liegend und er halb sitzend, halb liegend, ehe er sie mit einem fast schon verschüchterten Brummen auf die Bettkante absetzte.

Alice schien seine Geste falsch zu verstehen, den ihre Augen verengten sich zu gefährlich schmalen Schlitzen, ihre Stimme durchzog ein knurriger Unterton, wie bei einem Hund der bereit war zu bellen und zu beißen: „Jetzt tu nicht so und ließ gefälligst vor!“

Die Kuhle zwischen seinen Augenbrauen nährte sich fast schon der Tiefe einer Schlucht, er knirschte kaum merklich mit den Zähnen, das Fieber ließ seinen Kopf dröhnen und er fühlte sich als würde er sich einmal um sich selbst drehen ohne sich auch nur einen Millimeter zu bewegen: „Hör zu, mir geht es nicht gut, ich bin krank und ich bin müde. Also wenn du wen willst der dir irgendetwas vorliest, dann geh zu Oz! Beim Abyss woher weißt du überhaupt das der Brief für dich ist wen du dummes Karnickel nicht lesen kannst?!“ Seine Stimme war mit jedem Wort lauter geworden bis er das Mädchen fast schrill angebrüllt hatte, seine Stimme überschlug sich hoch, versagte ihm kläglich den Dienst, hinter seiner Stirn pochte es schmerzhaft und er hob innerlich stöhnend die Hand um sich die Schläfen zu massieren.
 

Alice saß dort, die Beine kokett über einander geschlagen, ein höhnisches Grinsen spaltete ihre Lippen, als sie sich mit einer schwungvollen Bewegung die Haare zurück strich: „Ich kann meinen Namen lesen und schreiben, Seetangkopf und da STEHT mein Name drauf!“ Sie sagte dies mit solch einer inbrünstigen Selbstverliebtheit, als wäre es die größte Leistung der Menschheit, seinen Namen lesen zu können und es ein Vergehen an ihrer Perfektion wäre, wäre sie fähig den Rest des Briefes lesen zu können.: „Im übrigen ist Oz heute Morgen ausgegangen als du noch tief wie ein Baby geschlafen hast, ha!“

Gil holte tief Luft, er atmete aus und mit dem pfeifenden Luftzug verließ ihn ein grimmiger Fluch: „Und woher weißt du das schon wieder, dummes Karnickel?“

Das Grinsen des Mädchens erreichte einem Punkt an dem sie buchstäblich im Kreis gegrinst hätte hätte sie keine Ohren gehabt und für einem Moment schien es Gil als würde sie gierig die Zähne fletschen wie eine Katze vor einem Vogel: „Ich bin nicht so nutzlos wie du, ich hab im Gegensatz zu dir verdammt gute Ohren und hab sein nerviges Gepfeife gehört als er raus getänzelt ist.“

Der junge Mann knirschte mit den Zähnen, in seinem Kopf dröhnte das Fieber und verlangte schmerzhaft brüllend nach Schlaf und Ruhe, er brummte nur einen Fluch, ehe er nach dem Pergament in Alice Händen griff, in der verzweifelten Hoffnung sie würde ihn endlich in Frieden lassen wenn er ihr den Gefallen tat.
 

Tatsächlich stand auf dem zusammengefaltetem Blatt in dünner, leicht zittriger Schrift der Name der Chain, fast schon wie ein liebevoll dahin gemaltes Bild.

Er runzelte die Stirn, entfaltete das Pergament und begann mit heiserer Stimme die oberste Zeile vorzulesen: „Liebste Alice-“ im gleichen Moment verzagte ihm die Stimme und er las mit vor Verblüffung geweiteten Augen stumm für sich selbst, mit jedem Wort schien ihn sein Mund weiter aufzuklappen.

Das Mädchen druckste währenddessen unruhig auf der Bettkante herum: „Und? Und was steht drin, jetzt sag schon, Idiot oder muss ich dich erst dazu zwingen?!“

„Das ist...“ Gil war zu verblüfft um auf die Drohung einzugehen, er hatte den Brief sinken gelassen,sein Blick lag ratlos, ja vollkommen bedeppert auf dem Mädchen: „Das ist WAS?! Muss ich dich erst zum reden bringen, blöder Seetangkopf?!“
 

„Das ist ein Liebesbrief an dich.“
 

Alice blinzelte.

Einmal. Gil schwieg, er sah sie an.

Zweimal. Gil schwieg und legte den Brief auf seine Bettdecke.

Dreimal. Ihr Gesicht verdüsterte sich zu einer finsteren Grimasse.
 

„Verarschst du mich, Idiot!? Welches Weichei schreibt MIR einen Liebesbrief?!“

Ironischer weise war das was Alice so energisch hinaus posaunte mit dem was Gil im selben Moment dachte fast gleich: Welches lebensmüde, masochistische Weichei schreibt IHR einen Liebesbrief?
 

Fortsetzung folgt...



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