Herzklopfen
Ich verfolgte ihn mit meinen Augen.
Schon seit einer ganzen Weile.
Ein-, zweimal hatte er schon zu mir hinüber gesehen, doch er hatte mich nicht entdeckt.
Ich war gut versteckt und nicht so leicht zu erkennen.
Ich kannte ihn kaum.
Er arbeitete seit kurzem in dem Café. Als Kellner.
Das war auch schon alles, was ich über ihn wusste.
Wieder einmal trat er aus dem kleinen Café in die strahlend helle Sonne, blinzelte ein paar Mal, um wieder klare Sicht zu bekommen und steuerte den Tisch mit zwei jungen Damen an, um ihnen ihre Bestellung zu bringen.
Die Mädchen lächelten ihn keck an und sagten etwas, dass ich nicht verstand.
Klar, ich befand mich ja auch auf der anderen Straßenseite, in einer kleinen Seitengasse, halb hinter zwei großen Mülleimern verborgen.
Hier saß ich nun schon seit einer gefühlten Ewigkeit und ließ ihn nicht aus den Augen, außer, er betrat das kleine Geschäft, um eine Bestellung zu holen.
Mein Herz raste und ich schwitzte. Mir war furchtbar heiß und jedes Mal, wenn er in meine Richtung blickte, durchfuhr mich ein Blitz, und die Hoffnung, er würde mich entdecken und zu mir kommen, nahm mir fast den Atem.
Doch genauso sehr traf mich die Enttäuschung, wenn sein Blick über mich hinweg glitt, ohne mich zu sehen und die Angst, er würde mich niemals entdecken, und nach Feierabend einfach nach Hause gehen, brachte mich fast um den Verstand.
Er wandte sich von den beiden Gästen ab, die ihn mit einem Lächeln hinterher winkten und scheinbar kicherten.
Erneut ließ er seine Augen über die Straße wandern, doch er blieb nicht bei dem Haarschopf und dem Paar Augen hängen, die über die Mülleimer hinausragten.
Und obwohl es erst langsam kühler wurde und noch weit davon entfernt war, unter die dreißig Grad Marke zu rutschen, wurde mir plötzlich eiskalt und ich begann zu zittern.
Was sollte ich nur tun, wenn er mich nicht entdeckte? Was?!
Mein Herz wollte sich nicht beruhigen. Es hämmerte schmerzhaft gegen meine Brust.
Er MUSSTE mich einfach entdecken!
Und dann – endlich! – als er das zweiunddreißigste Mal aus dem Café trat und gegen die Sonne blinzelte,... da spürte er meinen brennenden Blick, meine sehnsüchtigen Augen!
Er stutzte, sah genauer hin und... er kam über die Straße gelaufen!
Zögerlich trat er um die Mülleimer und blickte zu mir herunter, während ich mit Tränen in den Augen zu ihm hinaufsah.
Sein Gesicht zeigte Überraschung und Misstrauen.
„Wie lange sitzen Sie schon hier?“, fragte er barsch.
Etwa drei Stunden, wollte ich antworten, doch ich konnte es nicht, mir war vor Glück die Luft ausgegangen. Das Blut rauschte in meinen Ohren.
„Beobachten Sie mich etwa?!“, fragte er, nun wirklich wütend.
Er hatte drohend die Hände in die Hüfte gestemmt.
Als ich auch diesmal nicht antwortete, begann er wohl zu verstehen, denn statt Zorn, machte sich Entsetzen in seinem Gesicht breit.
„Hallo? Hören Sie mich?“, diesmal klang seine Stimme ängstlich.
Dann griff er nach meinem Arm, fühlte den Puls und sprang erschrocken auf.
Er trat auf die Straße und brüllte: „Ruft einen Krankenwagen! Hier liegt eine Frau mit einem Hitzschlag!!“
Dann nahm er mich auf den Arm, ich seufzte erleichtert und gab den Kampf gegen die Ohnmacht auf, den ich seit annähernd drei Stunden focht.