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Fünf Jahre

von

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Während Hassar sich wünschte, dass dieser Moment nicht vorbeigehen würde, schossen bei Modis die Emotionen hoch.

Wie konnte er es wagen!? Natürlich, er hatte ihn auch sehr vermisst und ihn jetzt sogar unbedacht umarmt, doch wie konnte Hassar so tun, als habe er an der Trennung gelitten? Er trug Mitschuld! Er hatte ihn verraten! Was wollte er damit sagen, er habe ihn vermisst? Sollte das eine Demütigung sein? Machte er sich über ihn lustig, über ihn, seinem einst besten Freund, den Hassar selbst durch seinen Verrat durch grausamste Folter hatte gehen lassen? Dachte er vielleicht, er wüsste nichts von seinem Verrat? Wollte er sich Vorteile erschleichen? Abscheulich! Und doch... die Umarmung tat gut, war trotz der Jahre noch so vertraut.

Hassar bemerkte, dass sich das Gesicht von seinem alten Freund verdüstert hatte. Es schien hinter seiner Stirn heftig zu arbeiten, dass konnte man auf den ersten Blick erkennen. Was war nur mit ihm passiert? Wo war der immer fröhliche, lockere und leidenschaftliche Modis, den er so stark vermisst hatte?

„Modis?“

Dieser löste sich nun von ihm und warf einen prüfenden Blick in Hassars Gesicht. Hassar sah bedrückt und besorgt aus, unüblich für ihn, da er sonst seine Gefühle so gut wie möglich zu verstecken suchte. Das war nicht der Blick eines Mannes, der eiskalt seinen Freund auslieferte. Aber genau das hatte Hassar vor fünf Jahren getan! Oder nicht? Doch, es war sicher, Modis wusste es! Es war Hassar gewesen! Trotzdem...in all den Jahren hatte er leichte Zweifel an Hassars Mitschuld gehabt. Hassar war nie jemand gewesen, der seine Freunde hängen ließ und wenn doch, dann hatte er diese Seite an sich sehr gut zu verbergen gewusst. Wie gut kannte er seinen Freund wirklich?

„Was meinst du damit, dass du geglaubt hast, ich sei tot? Willst du behaupten, du hast nichts gewusst?“

Hassar zog die Augenbrauen zusammen. Worauf wollte Modis hinaus? „Gewusst? Wovon redest du? Man sagte mir, du seist gestroben, Modis! Ich habe die letzten fünf Jahre immer wieder an dich gedacht, dich vermisst!“

Misstrauen spiegelte sich in den Augen von Modis. Sollte er das glauben? Ohne den schwersten Vorwurf gegen Hassar zu äußern fragte er kalt: „Du behauptest, du hast einem Gerücht ungeprüft geglaubt?“

Sein Freund senkte den Blick, jedoch nickte er schließlich. „Ja...Ich weiß jetzt wie naiv ich gewesen bin! Naiv und zu gutgläubig! Das sehe ich ein! Aber ich war 15! Und habe die wichtigste Person in meinem Leben verloren! Glaubst du, da hab ich überhaupt noch nachgedacht?“

„Das hättest du aber!“, schrie Modis plötzlich und packte Hassar grob am Kragen. Er drückte ihn wutentbrannt gegen die Mauer und starrte ihn an. „Du bist nichts als ein Heuchler! Du wusstest nichts? Du hast alles gewusst! Es ist deine Schuld! Allein schon deine Position an Hagans Seite verrät dich, du erbärmlicher Mistkerl! Und jetzt spielst du den armen, verlassenen, leidenden Freund? Abscheulich!“

Vollkommen überrumpelt starrte Hassar zurück. Seine Schuld? Woran Schuld? An Modis Verschwinden? Wieso glaubte er ihm nicht? „Modis...“

„Halt's Maul!“ Modis fing vor Zorn an zu zittern. Er konnte ihm nicht glauben, selbst wenn er wollte. Zu Tief lag der Schmerz, zu tief die Enttäuschung!

Hassar wusste nicht, was zu tun war. Natürlich konnte er versuchen sich von Modis loszureißen und gegen ihn zu kämpfen, doch ihm war klar, dass er damit die Kluft zwischen ihnen nur vertiefen würde. Aber andererseits sah Modis alles andere als erfreut über seinen Anblick aus und schien ihn zum Teufel zu wünschen. Unschlüssig hob er die Hände, um sie um Hassars Handgelenke zu schlingen, doch er stieß ihn nicht zur Seite. Etwas hielt ihn ab. Etwas tief in ihm warnte ihn, gab ihm das Gefühl, dass er es bereuen würde, wenn er sich gegen Modis wehrte.

Dies war nicht das Wiedersehen, welches er sich in Gedanken so oft vorgespielt und sehnlichst erwünscht hatte, obwohl für ihn damals völlig klar gewesen war, dass die Möglichkeit eines Wiedersehens vollkommen ausgeschlossen und nur die kümmerlichen Träume eines noch nicht ganz ausgereiften Burschen gewesen waren.

Nun war sein absolut absurder Wunsch in Erfüllung gegangen, er hatte seinen geliebten Freund Modis getroffen, stand genau vor ihm und doch wich das eben noch herrschende Gefühl der Freude immer mehr einer schweren Traurigkeit. Ihre Freundschaft schien erloschen, sie waren entzweit, lebten anders, dachten anders, hatten entgegengesetzte Wege eingeschlagen, auf denen sie sich nicht mehr als Freunde begegnen würden, sondern als Feinde.

Ihm schauderte. Modis sein Feind? Diese Vorstellung tat entsetzlich weh. Und doch wusste er, dass es den Tatsachen entsprach. Modis eisige Augen brannten dies deutlich in sein Herz.

Hassar riss sich derart heftig los, dass Modis stauchelte und sich nur gerade noch auffangen konnte, um nicht zu Boden zu fallen. „Modis, ich weiß nicht, was mit dir passiert ist! Es muss etwas schreckliches gewesen sein, man sieht es dir an. Aber woran soll ich Schuld sein? Was hat Hagan damit zu tun?“

Modis schüttelte den Kopf. Spielte Hassar wirklich noch immer den Dummen? Begriff er nicht, dass er durchschaut war? „Ha! Woran?“ Er trat wieder an Hassar heran. „Meinst du das ernst? Meinst du wirklich, du könntest mich mit deinen Fragen täuschen? Es gibt genügend Beweise. Du hast mich verraten! VERRATEN! Deinen angeblichen Freund der Folter ausgeliefert! Was hast du davon wohl gehabt? Einen hübschen Köterplatz neben Hagan, wo du ihm gut in den...“

„Was?“ Hassar glaubte sich verhört zu haben. Verraten? Der Folter ausgeliefert?

„Du...!“ Modis Faust flog durch die Luft, verfehlte ihr Ziel aber, da Hassar gerade noch rechtzeitig zur Seite ausweichen konnte. Im Gegenzug stieß er ihm nun seinen Fuß in die Magengrube, sodass Modis stöhnend zu Boden ging.

„Ich habe nichts getan, Modis. Schon gar nicht dich irgendwem ausgeliefert! Wie hätte ich das gekonnt? Du warst mein bester Freund, einer der wichtigsten Bestandteile meines Lebens! Ich kämpfe zusammen an Hagans Seite gegen die Rebellen, weil ich daran glaube, dass es richtig ist. Gewiss sympathisiere ich nicht mit allem, was passiert, aber im Kern erscheint mir unser Standpunkt als durchaus vertretbar. Nur darum bin ich der Garde des Schattens beigetreten...und nicht um mir durch Schleimerei bei irgendwem Vorteile zu erspielen. Schon gar nicht durch Verrat!Das ständ' unter meiner Würde!“

„Würde?“, knurrte Modis. Je länger er Hassar betrachtete, desto größer wurde sein Zorn. Er musste es gewusst haben! Niemals hatte Hassar nichts gewusst, niemals! Und so jemand wagte es, das Wort Würde überhaupt noch in den Mund zu nehmen? Allerdings nährten Hassars Worte gleichzeitig die Zweifel in Modis. Wie konnte er die Wahrheit herausfinden? Ohne einen Beweis für Hassars Unschuld konnte er ihm nicht glauben! „Jemand, der aus sogenannter Überzeugung der Garde des Schattens beigetreten ist, wagt es, über Würde zu sprechen? Verrat passt zu Pack wie euch!“

Hassar bemerkte einen prüfenden Unterton in der Stimme von Modis. „Du meinst, ich hätte kein Recht auf Würde aufgrund meiner Stellung als Offizier der Garde?“

„Genau das!“

Hassar betrachtete ihn nachdenklich. „Dem kann ich nicht zustimmen. Du behauptest, mit meiner Würde kann ich dir nicht beweisen, dass ich niemals meine Freunde verraten würde? Ist dir klar, dass du somit unsere ganze Freundschaft in Frage stellst? Ist es dir klar!? Wie kannst du ernsthaft glauben, ich hätte zugelassen, dass man dir etwas so grausames wie Folter antut? War ich solch ein schlechter Freund? Los, antworte!“

Der Angesprochene schwieg. Nein, Hassar war eigentlich immer ein guter Freund gewesen, sie hatten zusammengehalten wie Pech und Schwefel. Nichts hatte sie trennen können, man konnte selten nur einem der Beiden begegnen. Und in all der gemeinsamen Zeit war Hassar für ihn da gewesen. Gab es wirklich diese dunkle Seite in Hassar, die eiskalt und nur der Vorteile wegen den bis dahin besten Freund verkaufte? Wenn es sie gab, wie hatte er sie so gut zu verbergen gewusst? Aber...da waren noch die Beweise! Wie wollte Hassar die erklären? Niemand anderes hätte all das über ihn wissen können. Es musste Hassar gewesen sein!

„Modis! Bitte...ich hätte etwas derartiges niemals getan! Nie!“

Ein zweifelnder Blick streifte ihn, ehe Modis in den nächtlichen Himmel blickte und seufzte. „Wie gerne würde ich dir das glauben, wie gerne! Aber..:“ Er schüttelte den Kopf mit einer Spur von Enttäuschung. „...ich kann nicht. Ich habe Zweifel an deiner Mitschuld wie an deiner Unschuld! Es gibt zu vieles, das gegen dich spricht. Die Beweise deiner Mitschuld wiegen zu schwer, als das ich bloßen Worten Gehör schenken könnt'!“ Er wurde lauter, seine Stimme hallte durch die Gasse. „Ich habe dich vermisst. Ich vermisse dich, Hassar, aber ich hasse dich auch.“ Seine Augen lagen traurig auf seinem Freund. „In mir kocht heftigster Zorn gegen dich. Da helfen meine eigenen Zweifel nicht. Wir sind keine Freunde mehr.“

Es traf Hassar tief, obwohl es ihm schon klar geworden war. Dennoch taten diese Worte in gewisserweise sogar gut. In diesem Moment sah er in Modis wieder eine Spur des alten Modis.

„Kannst du deine Unschuld beweisen?“

Hassar ließ die Schultern sinken. Wie sollte er? Bis vor kurzem hatte er nicht einmal gewusst, was Modis ihm vorwarf geschweige denn das dieser überhaupt noch lebte! Wie hätte er also einen Beweis haben können? „Ich wüsste nicht wie außer mit meiner Freundschaft.“

Modis lächelte schwach. „Wir sehen uns auf dem Schlachtfeld“, sagte er und ging davon, ohne noch einmal zurück zu blicken. Hätte er das getan, hätte er auch nur ein trauriges Gesicht zu sehen bekommen, aus dem zwei betrübt wirkende Augen ihm folgten.
 

Sie sahen einander nie wieder.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Mangafan0
2012-02-04T18:40:36+00:00 04.02.2012 19:40
Sehr schön zu lesen, du führst die Geschichte geschickt weiter.
Die Gefühle der Beiden setzt du vortrefflich in Szene. Man kann sich gut in Beide hinein versetzten.
Den Zorn, aber auch die leichten Zweifel von Modis beschreibst du nachvollziehbar. Man kann am Ende gut verstehen, warum er so und nicht anders gehandelt hat. Zu schwer wiegt, aus seiner Sicht, der vermeintlich Verrat seines Freundes. Das Hassar es, in diesen fünf Jahren, bis zum Offizier der Garde geschafft hatte, spricht leider gegen ihn.
Hassar´s Unglauben was ihm da vorgeworfen wird und die Traurigkeit das Modis ihm nicht glaubt, beschreibst du auch sehr gut.
Am Ende bleibt ihm nur die Erkenntnis, das sein Freund zwar lebt, aber sie nun Feinde sind. Traurig, aber nach allem was war auch verständlich.
Es hat Spaß gemacht deine Idee zu lesen.
Von:  KleinesHasi
2011-08-30T16:04:01+00:00 30.08.2011 18:04
Ein wahrhaft schönes, aber auch bewegendes Ende. Ich konnte mich gut in Hassar und Modis hineinversetzen und auch beide gut verstehen.
Beide Charaktere waren sehr autentisch und fast zum greifen nahe.

Du hast echt ein händchen dafür, Situationen zu beschreiben und sie lebendig wirken zu lassen


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