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Out of my hands

Eine wahre Geschichte
von

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Es war ein ganz normaler Tag, die Sonne ging auf, wie immer und weckte ihn, wie immer.

Er stand auf, wie immer, und trank seinen Kaffee, schwarz, wie immer.

Bis ihn ein Anruf aus einer Lethargie weckte. Ein Anruf, der weder von seinem Manager, noch seiner Gesangspartnerin, noch einem seiner Freunde stammte, die er alle in seinem, sehr vollen, Telefonbuch gespeichert hatte. Die Versuchung war groß, dieses kleine nervige iPhone an die nächste Wand zu donnern und einfach wieder ins Bett zu gehen, doch seine Neugier siegte und er nahm das Gespräch mit dem unbekannten Anrufer an.

Es war eine Frau, soviel konnte er schon nach dem ersten, zurückhaltenden „Guten Morgen?“ erkennen. Eine sehr traurige Frau. Er schätzte sie älter als sich selbst, Mitte vierzig, und bestimmt nicht sein Typ.

Doch als die Frau ihre Geschichte erzählte, verstummten seine sarkastischen Gedankengänge und auch seine Lethargie war verschwunden.

Die Frau, die ihn so früh am Morgen anrief, hatte alles auf sich genommen um an seine Telefonnummer zu kommen, wirklich alles. Sie hatte herumtelefoniert, sein Management seit längerer Zeit förmlich mit Anrufen bedroht.

Und schließlich hatte sie seine Nummer erhalten um ihn um etwas Großes zu bitten. Ihre Tochter war schwer krank, lang nur im Krankenhaus, hatte ihren Lebenswillen verloren und alles was sie noch an dieser Welt hielt, waren die Ärzte und seine Musik.

Er erschauderte. Welcher Mensch konnte sich selbst so sehr aufgeben? Alles was er besaß, seine liebsten Menschen als nicht wichtig erachten, nur weil der Körper nicht mehr alles so konnte, wie es der Geist wollte? Wie konnte dieses Mädchen sich selbst aufgeben?

Er bekam auf all diese Fragen keine Antwort.

Die Stimme am Telefon kam nun zum Grund ihres Anrufes. Sie wollte, dass er ihre Tochter im Krankenhaus besuchte, ihr etwas vorspielte und ihren Lebensfunken zurückholte.

Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken und ein Kloß hatte sich in seinem Hals gebildet.

Diese arme Frau, unternahm alles für ihre Tochter und er versprach, sich wieder zu melden.

Kraftlos sackte er an der Wand nach unten, blieb auf dem Boden sitzen, die Knie an die Brust gezogen und den Kopf, so schwer, auf den Knien liegend. Das alles ging ihm so nahe und er wollte helfen, doch was sagte und sang man einer Todgeweihten um ihr Kraft zu geben? Was konnte er schon tun, wenn ihr Tod so vorherzusehen war? Sollte sie nicht besser sterben und endlich ihre Ruhe finden?

Seine wirren Gedanken überschlugen sich und er beschloss zu seinem Management zu fahren und mit seinem Manager über alles zu reden und ihm zu sagen, was er davon hielt, dass dieser seine Telefonnummer einfach an andere Leute weitergab…

Die Tage vergingen und er schrieb Lieder, verwarf sie, versuchte Worte zu finden, die alles beschreiben konnten, und fand sie nicht.

Nach einigen Tagen und Nächten, die er auf Grund seiner herumspukenden Gedanken allerhöchsten im Halbschlaf, wenn überhaupt schlafend, verbracht hatte, läutete sein Handy wieder mit der unbekannten Nummer, an einem Morgen, an dem alles endlich perfekt schien. Er hatte einige Worte gefunden, die alles zu sagen schienen und er war bereit für das Gespräch mit dem schwerkranken jungen Mädchen.

Freudig nahm er den Anruf an, wollte der Mutter verkünden, dass er bereit für ihre Tochter war, da ertönte ein Schluchzen vom anderen Ende der Leitung.

Sein Magen verkrampfte sich und die Hand mit den wohl gewählten Worten zitterte.

Die Frau am Ende der Leitung sagt nichts, weinte und schluchzte herzzerreißend und das einzige was sie herausbekommen konnte war: „Sie sind zu spät“.

Seine Hand löste sich von dem Papier und langsam schwebte das Blatt zu Boden, die Schrift dem Boden zugewandt, als hätte selbst das Papier verstanden.

Das Handy rutschte aus seiner kraftlosen Hand und zerschellte auf dem Boden, während eine einzelne Träne seine Wange hinunterlief, die alles zu sagen schien, was er der Dame am Telefon nicht sagen konnte. Die Freude über die gefunden Wörter zerbrach, wie sein Handy auf dem kalten Boden und Traurigkeit erfüllte seine Seele. Zwar hatte er das Mädchen nicht gekannt, aber er hatte helfen wollen und nun war sie gegangen, ohne dass er ihr den Lebenswillen zurückbringen konnte, ohne dass er überhaupt etwas tun konnte…oder getan hatte.

Die Stimme am Telefon war nicht wütend, machte ihm keinen Vorwurf, aber diese unendliche Traurigkeit der Mutter zu spüren, die gerade ihr liebstes, ihr allerheiligstes verloren hatte war schlimmer als wenn sie ihn angeschrien hätte, zu lange gewartet zu haben.

Und er versprach sich, ohne es jemals gesagt zu haben, dass er diesen Vorfall nicht vergessen konnte, nicht einfach so zur Seite schieben konnte ohne mit ihm ein Zeichen gesetzt zu haben.

Diesmal fanden die Worte ihren Weg schneller als irgendwann zuvor auf das Papier.

I made the call just too late

At the end of May

I just thought I could wait

For one more day

In the time that passed

You went down so fast

You went down so fast

Der Anruf, er hatte zu lange gewartet, ihn zu spät gemacht, hatte gedacht warten zu können, noch die gesuchten Worte finden zu können.

Out of my reach, out of my hands

I didn't understand

I would have changed all my plans

Seine Hände waren zu kurz um die ihren zu erreichen, die Reichweite zu klein. Er hatte nie verstanden, warum es so plötzlich geschehen musste, warum sich der Tod keine Zeit lassen konnte. Er hatte all seine Pläne geändert. Die bereits geschriebenen Worte waren so klein und unbedeutend geworden, er hatte alles ändern müssen.

An empty house, a setting sun

At four a.m.

Some battles fought are battles won

But this ain't one of them

One more shadow cast

You went down so fast

You went down so fast

Für die Mutter war die Wohnung jetzt leer ohne ihre geliebte Tochter, ohne das ausgelassene lachen oder auch die Tränen. Sie würde nie wieder ein Auge in dieser Wohnung zu bekommen, würde bis vier Uhr morgens am Fenster sitzen, die aufgehende Sonne betrachten, in der Hoffnung, dass ihre Tochter irgendwann zur Tür hereinspaziert kommen würde. „Entschuldigung, ich bin zu spät, Mama.“ Mit einem unschuldigen Lächeln auf den Lippen. Doch die Dame wusste, dass diese Hoffnung sich niemals erfüllen würde. Der Kampf gegen den Tod war verloren, es war ein unfairer Kampf, den das Leben nicht gewinnen konnte. Ein weiterer Schatten war von der Welt verschwunden.

Now the leaves are turning brown

I watch 'em blow

Where the earth pulls them down

I let you go

As your breath unwinds

Through the restless pines

Nun wurde es langsam Herbst, die Blätter von dem alten Baum vor seinem Fenster konnten sich nicht mehr halten und fielen, nach einem erfüllten Leben zu Boden, braun geworden, gelb und rot. Er konnte ihren Flug von seinem Fenster aus sehen. Die Erde rief die Blätter wieder zu sich und sie würde sie bekommen.

Aber seine Gedanken waren endlich wieder frei von der Anziehungskraft der Erde und des Todes, er würde sie gehen lassen. Langsam, Stück für Stück konnte er diese Traurigkeit hinter sich lassen. Ihr Gedenken würde weiterleben, aber nicht der Seelenschmerz.

Ihr Atem würde bald nicht mehr zu sehen sein, durch die Pinienwälder am Mittelmeer konnte sie streifen, nicht gesehen werden, aber sie konnte frei sein und in Ruhe ruhen.

Out of my reach, out of my hands

I didn't understand

I would have changed all my plans

I would have changed
 



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