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About Blanc

MihawkxOC
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Samurai

Da stand das Mädchen nun, schaute in den Spiegel, betrachtete mit kindlichem Trotz den blutroten Lippenstift, welcher verschmierte Bahnen über ihren Mund zog. Die dicke Schicht Puder begann wie eine altersschwache Mauer zu bröckeln. Und dort, wo ihre Tränen bereits den Puder fortgeschwemmt hatten, blitzte ihre weiße Haut auf und erinnerte das Mädchen daran, dass es anders war. Ein Schluchzer knotete ihre Kehle zu und verbissen starrte sie in ihre unmenschlichen Augen. Niedergeschlagen wurden farblose Wimpern gesenkt, während sich das Mädchen wortlos auf den Boden plumpsen ließ. Das leise Zwitschern eines Vogels tröpfelte federleicht in ihr Gehör und sie schloss die Augen. Für diesen Moment vergaß das Mädchen die graue Welt um sich herum und genoss den Augenblick eines kleinen Wunders.
 

Johnson löste sich von Avis und versteifte sich leicht, während er mit grimmig verzerrtem Gesicht den Schatten betrachtete. Wie ein träges, vollgefressenes Tier kroch dieser langsam den Flur entlang und schien völlig eigenmächtig über die Wand zu streichen, vollkommen losgelöst von der Willkür seines Besitzers. Dann schob sich ein Fuß, riesig und ebenfalls platt in Avis‘ Sicht. Ein Murren, aus einem großen Brustkorb entstammend, grollte missmutig den Flur entlang, während sich ein Körper, passend zu den großen Füßen, ebenfalls riesig auf den Gang schob. Der Samurai wogte leicht bei jedem Schritt und schwarze Lippen hingen schwer hinab, als hätte die schlechte Laune ihre Gewichte daran geklemmt und begonnen sie herunter zu ziehen.
 

Avis konnte nicht umhin zu denken, dass auf dem Flur ein Wesen trat – denn als Mensch wollte ihr arbeitendes Gehirn diesen Mann vor sich nicht sehen- welches einer monströsen und von einem Dämon verfluchten Birne glich. Kühl zuckte ein nichtssagender Blick über den Flur, strich mit kalter Gleichgültigkeit über Avis und Johnson, während der Samurai immer noch mit wogenden Schritten an ihnen vorbei schritt. Die Aura der Gefahr umwarb den mächtigen, tropfenförmigen Leib, wie ein dichter Nebel und kroch mit klirrenden Klauen Avis‘ Rückenmark hoch, krallte sich in ihrem Nacken fest und säuselte grausame Worte in ihr Ohr, die sie kaum zu fassen vermochte.
 

Als der Samurai an ihnen vorbei gegangen war und um die Ecke ging, bemerkte Avis, dass sie den Atem angehalten hatte. Keuchend forderten ihre Lungen nach Luft. Immer noch hockte ein schreckliches Monstrum in ihrem Nacken und schürte mit Panik ihre Furcht. Ihr Blick sog sich an der Ecke fest, wo der große Schatten verschwunden war, erst als Johnson eine Hand auf die Schulter legte, kehrte ein Teil ihres Geistes zurück in die Wirklichkeit. Kurz zuckte sie zurück und starrte Johnson ins Gesicht. Besorgt hatte er die Brauen tief in die Stirn gezogen und musterte sie eindringlich.
 

„Mit so einem willst du einen Auftrag erledigen?“, flüsterte sie und unterbrach Johnson als dieser den Mund öffnete um etwas zu sagen. Irritiert blinzelte er und lehnte sich wieder zurück. „Warum denn nicht?“ Es gab genug rationale Gründe, weshalb man es nicht vorziehen sollte mit solch einem Wesen zusammenzuarbeiten, wie es gerade den Flur passiert hatte, doch es gab Menschen bei denen funktionierte das grundlegende Prinzip der Rationalität nicht – und zu diesen gehörte auch Johnson. Die warme Hand des jungen Marinesoldaten lag immer noch auf Avis‘ Schulter.
 

Kurz schaute sich Johnson um und starrte anschließend auf seine Füße. Erleichtert fing er wieder an zu grinsen. „Er ist noch da.“, teilte er der Welt mit und hinterließ eine höchst verwirrte Avis zurück. „Wer ist noch da?“, sie lehnte sich zur Seite um heraus zu finden ob dieses seltsame Wesen zurückgekommen war, doch der Gang hinter Johnson blieb ruhig. „Na, mein Schatten, natürlich! Ich hab gehört, dass dieser Moria ab und zu mal einen Schatten mitgehen lässt.“ Etwas aus dem Konzept gebracht schielte Avis sicherheitshalber auf ihre Füße. Wortlos räkelte sich ihr Schatten unter ihr und erschien ihr wie immer, derselbe dunkle Fleck, der sie bereits als Kind begleitete.
 

„Wusstest du das nicht?“ Erneut tauchte jene Sorgenfalte zwischen seinen Brauen auf, dann seufzte er, legte kameradschaftlich seinen Arm um ihre Schulter und dirigierte sie mit sanftem Druck in den nächsten Korridor. Wie tröpfelndes Wasser breitete sich eine angenehme Wärme von Johnsons Arm aus, die Avis langsam zurück auf den Boden der Welt brachten und sie dort festhielten. Obwohl sie es ihm nie sagen konnte, war Johnson mit den Jahren ein beständiger Anker geworden. Seufzend fuhr dieser sich durch die roten Haare und runzelte die Stirn.
 

„Weißt du überhaupt etwas von den Samurais?“ Mit einem Kopfschütteln verneinte sie und starrte ausdruckslos auf den Korridor vor sich. Frühmorgendliche Stille hatte ihr Tuch über das Hauptquartier gelegt und breitete sich mit dem warmen Sonnenlicht aus. In solchen Momenten war es friedlich in den Gängen und Fluren, keine wartende Ruhe, die angespannt zitterte um von einem Augenblick zum anderen als Orkan das Haus zu überfluten. Jetzt war es still, einzig die Schritte von Johnson und Avis füllten den Raum aus.
 

„Dafür dass du bei der Marine bist, weißt du manchmal echt wenig über sie.“ Johnson grinste und warme Sonnenstrahlen ließen seine Haare wie flüssiges Kupfer aussehen. Avis knuffte ihn in die Seite und erntete ein gespielt empörtes Schnaufen, dann begann Johnson zu kichern. Manchmal schaffte er es, dass sie vergaß welche düsteren Gedanken in ihrem Hinterkopf campierten und darauf warteten auf sie einzustürmen, sobald sie die Tür zu ihrer Kammer geschlossen hatte und sie allein mit sich selbst war.
 

„Das würde ich jetzt spontan als ein Nein interpretieren.“, grinste er und sie verdrehte die Augen: „Mach was du nicht lassen kannst.“ Mit plötzlichem Ernst in der Stimme tippte er sich gegen die Kappe und nickte wissend, Schalk blitzte jedoch in seinen Augen auf und strafte sein grimmiges Gehabe Lügen. „Ich mache immer was ich will, Mister Avis.“
 

Sie bogen in den nächsten Gang und als Johnson gerade den Finger theatralisch hob um seine Lehrstunde in Sachen Samurai zu beginnen, wurde er unterbrochen: „Johnson? Johnson! Da bist du ja, ich hab dich überall gesucht.“ Ein Soldat trabte mit tief gezogener Kappe auf sie zu. Schnaufend blieb er vor Johnson stehen, kurz strich sein Blick Avis, doch noch bevor seine Augen wieder bei Johnson landeten hatte er ihre Gesichtszüge vergessen. Wortlos nickte sie ihrem Freund zu und ging weiter. Tief in ihr brodelte etwas, das mit Zähnen und Klauen nach ihr schlug und biss. Es war groß und gewaltig und verstand es, ihr innerliche Schmerzen zuzufügen.
 

Vielleicht war dieses etwas nur ein kläglicher Rest ihrer inneren Weiblichkeit. Denn es tat so unsäglich weh, wenn Blicke über einen hinüberstrichen, ohne etwas zu sehen. Manchmal kam sich Avis wie ein Stück wabernder Nebel vor, der nicht sonderlich von den Menschen beachtet wurde. Und erneut erinnerte sie sich an den Geist, der ihr jedes verfluchte Mal aus dem Spiegel entgegen blickte. Mit zittriger Hand rückte sie ihre Sonnenbrille zurecht und biss sich auf die Innenseite ihrer Backe.
 

Hör auf damit, schelte sie sich selbst, als sie spürte wie ihre Augen zu brennen begannen. Es ist gut, dass niemand dir mehr Beachtung schenkt als ein flüchtiger Blick, murmelten ihre Gedanken und wiederholten den Satz wie ein unbestimmtes Mantra. Es ist gut, so bleibst du am Leben, so kannst du weiterhin existieren, raunte eine Stimme in ihrem Kopf und strich mit imaginären Fingern über ihre Wange. Alles ist gut, wiederholte sie noch einmal, ehe sie sich wieder auf den Weg vor sich konzentrierte.
 

Kaum, dass sie um die Ecke gebogen war, prallte sie gegen jemanden und stolperte zurück. Erschrocken sah sie nach oben und erstarrte zum zweiten Mal an diesem Morgen. Ihre innere Freude wurde mit einem gewaltigen Tritt vom seelischen Thron gefeuert und ein hämisch grinsender Zweifel leckte sich genüsslich über die Lippen und breitete seinen spinnendürren Finger in Avis Seele aus, säte seine schwarzen Samen aus und betrachtete geduldig, wie diese langsam begannen zu wachsen. Für heute war die Freude dahin, dass wusste Avis und für diesen Morgen war jegliche Wärme vollends in der kalten Realität erstickt, oder?



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