...in my soul?
Summer?! Summer?" Gedämpft drangen die Rufe durch die Tür. Es war Shians Stimme, die im Gang aufgebracht und besorgt nach ihrer Freundin rief.
"Ihr wird sicher nichts passiert sein...", hörte Tala Rays Stimme etwas leiser von jenseits seiner Tür.
Das Beben hatte nachgelassen und jetzt war gar nichts mehr zu spüren. Summer hatte sich beruhigt, aber keine Anstalten gemacht, sich aus seiner Umarmung zu befreien. Sie stand still da, das Gesicht immer noch in seinem Hemd vergraben.
Der Strom lief wieder und Tala traf Bryans Blick. Er konnte ihn nicht richtig deuten, denn er hatte sein spöttisches Grinsen erwartet und wollte schon fast auf einen dummen Spruch kontern. Doch es kam keiner. Spencer verließ als erstes den Rahmen, unter dem sie Schutz gesucht hatten, und begann, das Chaos zu ordnen. Bryan ließ sich wortlos auf die Couch fallen.
"Hier ist sie nicht, verdammt! Jetzt ist mein ganzes Team futsch!" Shian rief die Worte wütend. Sie war jetzt direkt auf der anderen Seite der Tür.
"Hast du nicht gesagt sie wollte gegenüber fragen?", erkundigte sich Ray. Er schien sie beruhigen zu wollen.
"Summer?", fragte Tala leise. Er wollte nicht, dass sie draußen auf ihn aufmerksam wurden. Summers Reglosigkeit machte ihm Sorgen, obwohl er das merkwürdig fand.
"Entschuldige", murmelte sie und machte einen Schritt zurück. Sofort ließ er sie los um ihr Raum zu lassen.
Sie sah ihn nicht an, sondern wischte sich die Tränen von der Wange.
Da polterte es an der Tür. Irgendwie hatte Tala erwartet, dass irgendwer etwas sagen würde. Doch als es niemand tat, öffnete er die Tür. Er stand ja eh gleich daneben. Shian stürmte direkt hinein, an ihm vorbei und nahm Summer in den Arm. Sie funkelte Tala kalt an. "Was habt ihr mit ihr gemacht?!", zischte sie.
"Wir haben sie in Lack und Leder gezwängt und wollten einen Porno mit Tala in der Hauptrolle drehen!", erklärte Bryan spöttisch.
"Halt die Schnauze, Bryan!", schnappte Tala sauer.
Ray stand verdutzt im Flur. "Ähm Shian...", begann er, doch Tala winkte ihn ungeduldig herein, was ihn verstummen ließ. Hinter ihm schloss er die Tür.
"Mistkerl!", giftete Shian und wollte Bryan niederstarren.
"Er hat... nichts getan. Ich mache mir nur so Sorgen...", erklärte Summer matt, während Shian sie aufs Sofa zog, und Bryan und Spencer dabei einfach ignorierte.
"Also langsam wird es hier irgendwie voll", bemerkte Bryan, doch niemand ging drauf ein.
Bis sie beim Ausgang waren, dauerte es nicht lange. Beide schwiegen. Er war erleichtert, denn jetzt noch eine Unterhaltung führen zu müssen, erschien in im Moment einfach nur nervtötend. Wie in einem schlechten Horrorfilm.
Die Gänge der Arena schienen alle sehr stabil zu sein. Hier und da waren einige Lampen von den Decken gekommen, aber man musste wohl dazu sagen, dass, so modern diese Anlage auch war, in den Bereichen, wo keine Zuschauer hinkamen, doch mal eine Renovierung nötig war. Das Meiste war vom Beben verschont geblieben
Dieses Gefühl, zu wissen, dass man einen üblen Fehler gemacht hatte, nagte an Kais Verstand. Und wieder war das wahr geworden, was sie ihm in der Abtei ein Leben lang prophezeit hatten: Fehler werden mit Schmerzen bestraft.
Er biss die Zähne zusammen und versuchte wenigsten den schmerzhaften Teil zu verdrängen. Den psychischen ließ er einfach in Ruhe. Er konzentrierte sich auf den Weg und Lunas Schritte kurz hinter ihm. Sie waren leicht und hingen nicht nach, worum er schon mal froh war. Noch eine Last konnte er einfach nicht noch zusätzlich tragen.
Bei der Tür, durch die er zuvor das Gebäude betreten hatte, und durch die auch Luna gekommen sein musste, wollte er auch wieder hinaus. Als sie da waren, sah er Luna kurz an und zog die Brauen zusammen. Sie sah nicht gut aus, aber womit hatte er auch gerechnet? Sie sah in erwartungsvoll an. "Was ist?", fragte sie verwirrt, da er inne hielt.
Er antwortete nicht, sondern drückte kräftig gegen die Tür.
Sie ließ sich nicht öffnen.
"Verdammt", murmelte er und trat einen Schritt zurück. Sofort kam ihm der Gedanke bis zum Morgen hier eingesperrt zu sein und er spürte eine Welle von Black Dranzers Einfluss auf ihm, die über ihm zusammen schwappte.
"Was ist?", wiederholte Luna. Doch er ging immer noch nicht darauf ein.
Stattdessen atmete er tief durch um sich zu beruhigen. Beobachten, analysieren, und lösen Kai, wie du es gelernt hast!, sagte er sich selbst. Auch wenn er es verfluchte, dass er es gelernt hatte.
Er schaute sich die Tür genauer an. Auf den ersten Blick sah sie aus wie immer. Es war eine schwere Feuerschutztür, die nach draußen führte. Normalerweise konnte man von innen mühelos raus, doch von außen nicht herein. Früher am Abend hatte jemand ein Stück Pappe zwischen Rahmen und Tür geklemmt, um auch von außen hereinzukommen. Kai wusste, dass die Techniker diesen Ausgang benutzten, und sich einen Umweg ersparten, wenn sie mit ihren Raucherpausen fertig waren. Anscheinend hatte jemand die Pappe vergessen. Wieder ein Überbleibsel aus Abteizeiten hatte ihn selbst dazu gebracht, alles so zu hinterlassen, wie es war, damit keiner seine Anwesenheit bemerkte. Deshalb hatte er die Pappe wieder dort angebracht, als er gekommen war. Allerdings lag sie jetzt auf dem Boden daneben. Luna hatte sie wohl nicht zurückgesteckt.
Bei weiterem Hinsehen sah Kai, dass der Rahmen sich verzogen hatte. Ob das Beben schuld war?
"Geh zurück", wies er Luna an und griff in seine Tasche. Er bekam den falschen Blade zu fassen. Und Black Dranzers Energie durchzuckte seinen Körper, als er seine Hand darum schloss. Sofort erstarrte Kai. Er wollte seinen Griff lösen, doch wie paralysiert war er dazu nicht im Stande.
"Was hast du vor? Kai?", Luna klagt verwirrt und beunruhigt.
Er hörte sie nicht.
Du bist schwach, Kai. Zu schwach. Es war Black Dranzer. Kai hörte keine Wörter, aber er wusste was das dunkle Bitbeast ihm sagen wollte. Es erschreckte ihn zutiefst, dass es schon so viel Macht besaß.
Das werden wir ja noch sehen, Mistviech! Mit einem Aufschrei des roten Phönix löste er seine Finger um das tote Stück Metall und bekam Dranzer zu fassen. Der Unterschied war gewaltig. Dranzers Hülle strotzte nur so von Leben und Wärme. Er steckte ihn an den Starter.
Danke, mein Freund.
Die Tür war kein Problem. Irgendwie machte es Kai stolz, Black Dranzer zu beweisen, wie wenig er ihn brauchte.
Beeindruckt folgte Luna durch die Tür ins Freie. Es war kalt und nass, doch es regnete nicht.
"Du solltest ins Krankenhaus gehen, Kai, du blutest immer noch."
"Das ist ja wohl meine Entscheidung." Sein Ton klang fast schon patzig. "Komm. Ich kenn eine Abkürzung."
"Aber..."
Fast hätte er ihr gesagt, dass sie verdammt noch mal den Mund halten sollte, doch er begnügte sich mit einem eisigen Blick. Sie verzog das Gesicht und stapfte hinter ihm her. Anscheinend war sie jetzt beleidigt.
Gut so. Dann hält sie wenigstens die Klappe.
Der Weg führte sie durch eine enge, heruntergekommen Gasse hinter der Arena und mündete in den Park am Fluss. Dort hatte Kai oft mit den Bladebreakers trainiert, deshalb kannte er sich aus. Doch jetzt war alles menschenleer und die runden Laternen versuchten kläglich die Dunkelheit zu erhellen. Doch ihr Schein wurde von Nebel aufgefangen, der zwischen den schwarzen Bäumen herumwarberte. Die Blätter rauschten leicht und es knackte im Unterholz. Angespannt scannte Kai die Umgebung, konnte aber niemanden erkennen. Doch war er sich sicher, das da irgendetwas war.
Luna trat näher zu Kai. "Warte."
"Hast du Angst im Dunkeln oder was?", fragte er spöttisch.
"Ja... NEIN. Ich meine hier ist es schon gruselig aber das meine ich nicht." Sie sah in jetzt an. "Ich mache mir Sorgen um dich. Das ist doch nicht normal, dass du Stunden, wie ich annehme, in der Arena hockst und dann blutend durch die Gegend läufst! Du musst zu einem Artzt!"
Er war doch etwas überrascht. Sein Gesicht allerdings war die ausdruckslose Maske, die es so oft trug. "Du machst dir also Sorgen um mich? Wer hat dich denn darum gebeten?"
"Darum wird doch nicht gebeten?!"
Er unterdrückte ein genervtes Augenverdrehen. Er brauchte eine andere Taktik. Er schwieg noch einen Moment und sah ihr in die Augen. Es sollte ja glaubwürdig sein. "Danke", sagte er sanfter als sonst. "Vermutlich hast du recht." Er verzog das Gesicht als hätte er Schmerzen (die er natürlich wirklich hatte). Lunas verärgerte Ausdruck wurde weicher.
"Ich bringe dich nach hause, und lass mich dann von Tala zu einem Arzt bringen", bot er an. "Hier können wir ja nicht bleiben...." Ein leises Klicken kam aus den Bäumen. Er wusste was es war. Dann hörte er ein Zischen.
Luna sah sich aufgeschreckt um. "Was war das?"
"Bestimmt nur ein Tier oder ein Ast. Vergiss es und lass uns gehen." Er zog sie hastig weiter.
Wenn es derjenige war, von dem er vermutete, dass er es war, dann sollten sie ganz schnell verschwinden.
"Sie hat nichts damit zu tun!", sagte er deutlich auf russisch, weil er wusste, dass sie ihn hörten.
"Was?", fragte Luna.
"Ach nur ein altes Sprichwort...", murmelte er und ging nicht mehr drauf ein.
Als er die Tür öffnete sahen ihn sechs Augenpaare an, satt der drei, die er erwartet hatte.
"Wa..." ist denn hier los?, hatte er sagen wollen, als Summer laut "Luna!" rief, Shian an ihm vorbei auf Luna zustürmte, Ray verdutzt aufstand, Bryan einen Spruch über Frauen und fehlende Worte brachte, Tala Kai anstarrte und scharf die Luft einsog, und Spencer als Einziger gar nichts tat.
Wenn Kai ehrlich war, waren die Reaktionen alle vorhersehbar gewesen. Still schüttelte er den Kopf und betrat das Zimmer, während sich Ryutenshi draußen um den Hals fiel und sich gegenseitig beteurte, dass alles okay sei. Luna hatte Blutspuren von Kai auf der Kleidung, da er sie im Park vor sich hergeschoben hatte. Sie erklärte es ihnen kurz und wieder richteten sich alle Blicke auf Kai. Er war blutverschmiert und hatte tiefe Ringe unter den Augen.
Tala packte ihn harsch am Arm und zog ihn weiter in den Raum. "Du hast was zu erklären!", zischte er auf russisch. Dann wandte er sich zu den Mädchen. "Ihr geht besser schlafen!" Sein Ton klang nicht minder scharf. Er wollte die Tür zuschlagen, da schlüpfte Ray noch dazwischen. "Bis morgen", murmelte er, doch Tala nahm keine Rücksicht darauf. Die Tür fiel laut ins Schloss.
"Hat er dir was getan Luna?", fragte Shian misstrauisch. Sie musterte ihre Freundin von oben bis unten.
"Er hat mir nichts getan...", murmelte sie.
Da entdeckte Shian einen Schnitt an Lunas Handgelenk, der wohl von einer der Scherben stammen musste. Sie rümpfte verärgert die Nase.
"Ach Tala?", rief Shian laut. "Nimm Jod für die Wunden. Das brennt schön!"