Zum Inhalt der Seite

Masked Disaster

Fortsetzung zu "Wedding Disaster"
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Masked Disaster

So, die Fortsetzung ist relativ lang geworden =) Ich hoffe ihr habt Spaß dabei es zu lesen! Und DANKESCHÖN an alle, die den ersten Teil kommentiert haben, ihr seid klasse, aber da geht doch noch mehr oder ;) freue mich auf eure kommentare =)

_________________________________________________
 

Ich hatte mich neu verliebt. In diese Stadt und in das Meer, das man sehen konnte, wenn man eine Stunde nach Nord-Osten fuhr. Seit fast einem Jahr lebte ich jetzt schon in Hamburg.

Es war ein stürmischer und regnerischer Tag, als ich durch die Stadt schlenderte und mir der kalte Wind einen feuchten Zettel gegen die Brust wehte. Es war Mitte Februar, ich trug einen warme Wintermantel, einen dicken Schal und schwarze Wollhandschuhe. Der Zettel klebte an meiner nassen Jacke, als ich ihn von meinem Mantel nahm, erkannte ich, dass es sich um einen Flyer handelte. Auf diesem stand, es sollte in einem Club ein Kostümball stattfinden, in geschwungenen Lettern stand das heutige Datum auf dem Zettel.

Ich hatte genau zwei Möglichkeiten. Entweder könnte ich den Zettel einfach zusammenknüllen und in den nächsten Mülleimer werfen, oder ich beeilte mich jetzt, kaufte mir ein Kostüm und ging heute Abend auf den Ball. Tja, ich entschied mich dafür, den Zettel zusammenzufalten und in meine Jackentasche zu stopfen, bevor ich mich auf den Weg zu dem kleinen Kostümladen, an dem ich jeden Morgen auf dem Weg zur Uni, vorbei lief, machte.
 

Als ich bei dem Laden ankam, stellte ich fest, dass es dort ziemlich voll war. Es war zwar Faschingszeit, aber dass es so voll sein würde, hatte ich dann doch nicht erwartet. Drinnen war es stickig und um mich herum wuselten die Menschen in Kostümen herum, oder sie suchten nach einer passenden Verkleidung.

Ich wusste noch nicht wirklich, was genau ich denn eigentlich suchte, also durchforstete ich den halben Laden, bis ich schließlich in einer Ecke landete, in der sich Kleidung im Stil des Rokokos befanden. Weiße, lockige Perücken, bunte Masken und Hüte fanden ihren Platz auf dicken Regalbrettern. Darunter reihten sich Kleider und Gehröcke in den prächtigsten Farben aneinander.

Ich ließ meine Fingerspitzen über den seidigen Stoff von einem der Gehröcke gleiten und fuhr die feinen verschnörkelten Nähte nach. Eigentlich gefielen mir fast alle Farben, aber ich schwankte zwischen einem schwarzen und einem blauen, bis ich den schwarzen herauszog und ein weiterer Gehrock auf den Boden fiel. Den schwarzen beachtete ich gar nicht mehr, ich hängt ihn zurück und hob den anderen Gehrock auf. Der Stoff war weiß und er sah noch ein wenig edler aus, wie der der anderen, außerdem waren die feinen Schnörkel und die Knöpfe in einem hellen Silber. „Wolltest dich vor mir verstecken, mh?“, flüsterte ich und suchte das Preisschild. Sechzig Euro. Ach du Heilige Schei***!

Ich wollte ihn schon einfach zurück hängen, aber irgendwas in mir sträubte sich dagegen dieses Schmuckstück hier zurück zu lassen, also holte ich meinen Geldbeutel heraus und sah nach, wie viel Geld ich eigentlich dabei hatte. Hundert Euro.

Während ich noch überlegte ihn doch zurück zu hängen, war ich eigentlich schon auf dem Weg zur Kasse, legte ihn auf den Tresen und wartete auf einen Verkäufer. In dem kleinen Laden war es zwar noch nicht weniger voll geworden, aber viele hatten wohl doch noch nicht das gefunden, was sie wollten. Eine junge Frau kam zu mir geeilt, begrüßte mich und nahm den Gehrock in die Hand. Zuerst sah sie ihn nachdenklich an, dann entschuldigte sie sich für einen Moment und verschwand hinter einer Tür. Was wurde das denn jetzt?!

Als sie zurückkam hatte sie eine schmale weiße Maske in der Hand, die sie mir über die Theke hinweg reichte. „Sie ist aus dem gleich Stoff, wie der Gehrock.“, sagte sie nur und ich musste grinsen. Sie hatte recht, die Maske, die nur den Bereich um die Augen herum abdecken würde, stand dem Gehrock in nichts nach. Ich seufzte. „Wie viel kostet sie?“, fragte ich und die Verkäuferin grinste mich fröhlich an. „Ich schenke sie Ihnen. Wir haben nichts mehr hier, das zu der Maske passt und sie würde fantastisch zu dem Gehrock aussehen.“, sagte sie, ich bedankte mich grinsend und bezahlte.
 

Als ich Zuhause ankam legte ich den Gehrock und die Maske behutsam auf mein Bett und öffnete meinen Kleiderschrank. Da der Gehrock schon teuer genug gewesen war, entschloss ich mich, beim restlichen Kostüm zu improvisieren. Ich musste irgendwo noch ein weißes Hemd haben, auf dessen Kragen meine Initialen gestickt waren und nach kurzen Suchen entdeckte ich es auch und warf es aufs Bett. In einer der Schubladen im Badezimmer hatte ich zwei silberne Manschettenknöpfe, die ich damals zu meiner Konfirmation bekommen hatte. Auf ihnen befand sich unser altes Familiensiegel aus dem 19. Jahrhundert.

Jetzt brauchte ich nur noch eine passende Hose und ein paar Schuhe, die halbwegs dem Gehrock gerecht wurden. Ganz unten in meinem Schrank fand ich eine weiße enge Hose, die ich mir irgendwann einmal gekauft hatte und nur ein paar Mal bisher angehabt hatte. Für heute Abend passte sie allerdings.

Als ich meine Schuhe durchwühlte fand ich nur ein paar weiße Turnschuhe, allerdings würden sie so gar nicht zu dem Rest passen, also warf ich sie in eine Ecke und entschloss erst einmal zu Duschen, um die Suche auf später zu verschieben.

Das warme Wasser lief über meinen Körper und auf einmal fiel mir ein Paar Schuhe ein, dass ich zu meinem 18. Geburtstag von meiner Großmutter bekommen hatte. Ich sprang aus der Dusche, wickelte mir ein Handtuch halbherzig um die Hüften und schlitterte durch den Flur, zu der kleinen Abstellkammer. Nachdem ich die Tür aufgerissen hatte, kniete ich mich auf den kalten Boden und zog zwei Aufbewahrungskisten heraus. Ohne großartig nachzudenken riss ich den ersten Deckel nach oben und mir stockte der Atem. Mein Anzug, den ich an Mikes Hochzeit getragen hatte.
 

//flashback//

„Ich bin zurück.“, rief ich, zog die Schuhe aus und lief in das, vom Kamin beheizte, Wohnzimmer meiner Großeltern. „Hallo, Robin.“, sagte mein Opa und sah kurz von seiner Zeitung auf. „Ich bin Duschen.“, beschloss ich und nahm bei der Treppe immer zwei Stufen gleichzeitig. Eine ganze Stunde war ich am Strand entlang gejoggt, obwohl ich früher nie besonders viel davon gehalten hatte. So von Sport im Allgemeinen. Allerdings bekam ich dabei einen klaren Kopf, da meine Ausdauer so miserabel war, dass ich mich darauf konzentrieren musste, nicht nach Luft schnappen zu müssen und zu krepieren. Das Duschen tat gut, durch das warme Wasser erholte sich mein Körper langsam, von der ungewohnten Anstrengung.

Es war Herbst geworden und ich war jetzt seit fast zwei Monaten bei meinen Großeltern, das Studium hatte ich vorerst auf Eis gelegt, für das neue Semester wollte ich mich in der Uni in Hamburg anmelden, denn zurück nach Hause wollte und konnte ich nicht.

Nachdem ich in meine Boxershorts angezogen hatte und in einen weichen Bademantel geschlüpft war, zog ich mir ein paar Wollsocken über die Füße und ging wieder nach unten. Als ich ins Wohnzimmer kam, roch es nach Zimt und heißer Schokolade. „Robin, Schatz.“, rief meine Oma streckte ihren Kopf aus der Küche heraus und winkte mich zu sich. Also schlenderte ich in die Küche und blieb wie angewurzelt stehen, als ich sah, dass wir nicht alleine waren. „Sieh nur, wir haben Besuch.“, sagte meine Großmutter freudig und ich starrte meinen Gegenüber geschockt an. „Mike.“, flüsterte ich tonlos.

//flashbackende//
 

Langsam legte ich den Deckel zurück auf die Kiste und schob sie zurück unter das klapprige Metallregal. Es tat noch immer weh, aber heulen konnte ich nicht mehr. Mike war es nicht wert auch nur eine weitere Träne an ihn zu verschwenden.

Ich pfefferte den Deckel der anderen Kiste in eine Ecke, nahm das weiße paar Lederschuhe heraus und verließ die kleine Kammer. Erst als ich die Tür zuschlug ging es mir wieder besser und die Vorfreude auf heute Abend kehrte zurück. Als ich auf die Uhr sah, war es kurz vor sieben, auf dem Flyer stand, dass um 20:00 Uhr Einlass war. Von mir Zuhause aus würde ich ca. fünfzehn Minuten zu der Diskothek brauchen, in der der Kostümball stattfand. Also blieb mir noch fast eine Stunde.

Ich zog mir ein paar enge, weiße Shorts an, bevor ich in die weiße Röhrenhose schlüpfte und zog mir das dünne Hemd über. Nachdem ich die Manschettenknöpfe befestigt hatte ging ich ins Badezimmer und gelte meine Haare. Als ich mich im Spiegel betrachtete war ich schon fast stolz, wieder so auszusehen, wir früher. Nach Mikes Hochzeit hatte ich mich ziemlich gehen lassen. Meine Haare lagen immer trostlos auf meinem Kopf herum, ich hatte ein paar Kilo abgenommen und tiefe Augenringe hatten sich unter meinen Augen fest gesetzt. Erst nachdem Mike mich bei meinen Großeltern aufgesucht hatte, ging es wieder bergauf. Es hatte fast ein halbes Jahr gedauert, bis ich endlich wieder wie ein normaler – gesunder – Mensch ausgesehen hatte.
 

//flashback//

„Hallo, Robin.“, sagte Mike, mit einem Grinsen auf den Lippen. Ich war immer noch nicht ganz fähig wieder gleichmäßig zu atmen. „Was machst du hier?“, es klang ein wenig hysterischer als erhofft, woraufhin meine Großmutter nuschelnd aus dem Zimmer ging. „Ich wollte dich...“, fing Mike an, aber ich hielt die Hand hoch, damit er aufhörte zu reden. „Ich will es doch nicht wissen. Geh einfach wieder.“, knurrte ich und steckte die Hände in die Taschen meines Bademantels. Auf einmal fühlte ich mich ziemlich unwohl in meiner eigenen Haut, ich stand hier in einem alten Bademantel und Wollsocken, außerdem stiegen mir schon wieder die Tränen in die Augen.

„Lass uns bitte reden.“, bat er und kam einen Schritt auf mich zu, woraufhin ich zusammenzuckte und ein großes Stück nach hinten trat. Oh man, Robin! Reiß dich zusammen. Mike sah mich traurig an, auch an ihm schien der Bruch unserer Freundschaft nicht ganz spurlos vorbei gegangen zu sein.

Ich atmete tief durch. „Okay. Ich geh mich umziehen und du rührst dich hier keinen Zentimeter von der Stelle.“, sagte ich unsicher, lief rückwärts aus dem Raum und rannte in mein Zimmer, bzw. ins Gästezimmer meiner Großeltern. Als ich die Tür geschlossen hatte lehnte ich mich einen Moment gegen sie und atmete schwer.

//flashbackende//
 

Ich sah noch einmal in den Spiegel, um mir zu versichern, dass die tiefen Augenringe nicht wieder gekommen waren, und trottete zurück ins Wohnzimmer. Als ich den Gehrock auf dem Bett liegen sah musste ich grinsen, doch bevor ich ihn anzog, suchte ich nach weißer Schuhcreme und gab den weißen Lederschuhen den letzten Schliff.

Vorsichtig schlüpfte ich in den Gehrock. Er passte perfekt. Glück gehabt, denn in meiner Begeisterung über ihn, hatte ich nicht einmal daran gedacht, ihn im Laden anzuprobieren. Als ich mich in dem großen Spiegel, der neben meinem Bett hing, ansah, war ich erleichtert. Es passte alles zusammen. Robin, du siehst gut aus!
 

Auf dem Weg in den Club überlegte ich doch noch um zu kehren, mich auf mein Sofa zu legen und einen schlechten Film an zu schauen, aber ich tat es nicht. Auf dem Sofa konnte ich mich auch jeden anderen Abend legen.

Als ich vor dem Club ankam, stand noch eine lange Schlange davor, da der Einlass erst vor ein paar Minuten begonnen hatte. Ich stellte mich hinter Zorro und einer Schweinedame an und steckte meine Hände tief in die Hosentaschen, da es doch ziemlich kalt war, aber ich keine Jacke über den Gehrock ziehen wollte.

Als ich dann endlich im Club angekommen war, war es schon rappel voll und die Bar war noch ziemlich belegt, also ging ich erst einmal die Treppe nach oben. Der Club war in zwei Ebenen aufgeteilt, unten befand sich die Tanzfläche und eine ewig lange Bar, oben war noch mehr Platz zum Tanzen und die Sanitärräume.

Von hier oben sah es unten ziemlich bunt aus. Eine Banane tanzte mit einer Hexe und Cowboy und Cowgirl hatten sich gefunden. An der Bar stand ein großer Kerl, der ganz in schwarz gekleidet war, dunkle Haare hatte und eine ähnliche Maske wie ich trug. Man konnte nicht genau erkennen, was er trug, denn seine schwarzen Klamotten sah man kaum im dunklen Licht. Irgendetwas brachte mich dazu, dass ich meine Augen kaum von seiner Gestalt nehmen konnte, doch ich wurde dazu gezwungen, als mich jemand anrempelte. Als ich mich zurückdrehte und wieder nach unten sah, war der Typ in Schwarz verschwunden.

Ich entschloss mich erst einmal etwas zu trinken zu holen, also ging ich nach unten und bahnte mir einen Weg zur Bar durch. Nachdem ich einen Barkeeper zu mir gewunken hatte, schrie ich ihm entgegen, dass ich gern einen Cuba Libre hätte, den er mir kurz darauf auch auf den Tresen stellte. Nach einem kräftigen Schluck überlegte ich kurz, tanzen zu gehen, aber so schnell wirkte der Alkohol dann doch nicht, dass ich sofort bereit war, mich ins Getümmel zu stürzen. Als ich meinen Drink nehmen wollte, fasste ich daneben und in irgendeine klebrige Masse. „Shit.“, zischte ich und versuchte das Zeug am Tresen von meiner Hand weg zu schmieren. Da es nicht so wirklich funktionierte machte ich mich, mit meinem Drink in der Hand, wieder auf den Weg nach oben.

Auf der Treppe standen ein paar Leute herum, also musste ich mich immer wieder an ihnen vorbei zwängen und als ich fast oben angekommen war, lief ich gegen einen Typen, der die Treppe nach unten laufen wollte. „Sorry.“, schrie ich, guckte nach oben und sah in ein ein Paar blaue Augen. Er trug eine schwarze Maske. Es war der Typ, den ich vorhin am Tresen stehen gesehen hatte. Noch bevor ich irgendetwas tun konnte – auch wenn ich sowieso nicht gewusst hätte was – grinste er anzüglich und schob sich an mir vorbei. Ich wäre ihm ja gefolgt, aber meine Finger klebten immer noch, also hastete ich weiter nach oben und wusch mir auf dem Männerklo die Hände.

Nachdem ich aus der Toilette gekommen war, stellte ich mich wieder an das Geländer und sah auf die untere Ebene herab. Natürlich war der Kerl in Schwarz nirgends zu sehen, wäre ja auch zu schön gewesen, wenn ich so ein Glück gehabt hätte.

Wieder unten angekommen leerte ich meinen Drink und ließ das Glas irgendwo auf der Theke stehen. Etwas enttäuscht ließ ich mich auf einen Barhocker fallen, ich wusste zwar nicht, was ich mir für den Abend erhofft hatte, aber ich hatte mich trotzdem darauf gefreut mal wieder weg zu gehen und Spaß zu haben. Anscheinend hatte ich das allerdings verlernt, denn seit ich aus Köln weg gegangen war, sah man mich Abends nur noch Zuhause vor dem Fernseher, oder mit einem Buch in der Hand.

Jemand räusperte sich dicht neben meinem Ohr und bewahrte mich davor gleich in Selbstmitleid zu versinken. Als ich mich herumdrehte blickte ich in die selben hellen, blauen Augen wie vorhin. Wieder hatte er ein Grinsen auf den Lippen. Er verbeugte sich, schwang seine Hand in einer kreisenden Bewegung elegant durch die Luft und hielt sie mir entgegen.

Nachdem ich erst einmal begriffen hatte, was er von mir wollte, rutschte ich vom Hocker herunter und nahm seine Hand. Ein Glück, sie war weder nass und schwitzig noch kalt. Sie war angenehm warm und trocken. Während er sich wieder aufrichtete wurde sein Grinsen noch breiter und er führte mich auf die Tanzfläche. Während die anderen alle wild herum hüpften und der Musik entsprechend tanzten, legte er mir seine Hand auf die Taille, nahm meine Hand in seine freie und tanzte mit mir … Walzer.

Es erwies sich jedoch als gar nicht so einfach, mitten in der Menge hatten wir keinen Platz und außerdem hatte ich seit meinem Abschlussball nicht mehr getanzt. Glücklicherweise grinste er jedes Mal nur, wenn ich ihm auf den Fuß stieg. Ein weiterer Punkt, der es gar nicht so einfach machte, mich aufs Tanzen zu konzentrieren, waren seine hellen Augen. Wenn es dunkel war lagen sie fast schwarz in ihren Höhlen, doch wenn ein Lichtkegel sein Gesicht streifte, sah man das helle grau-blau aufleuchten.

Seine sicheren und gekonnten Bewegungen ließen auch nach der Zeit meine Tanzschritte besser werden, aber eigentlich war es mir egal, was und wie ich tanzte, Hauptsache ich konnte dabei in seine Augen sehen.

Glücklicherweise verschonte uns der DJ heute mit Techno und HipHop, er spielte alles herunter, was ihm einfiel, von Rock zu Pop, über Lieder, die man vom Ballermann kannte. Als die ersten Töne von Livingston mit dem Lied „Go“ ertönten, zog er mich näher an sich heran und aus dem Walzer wurde ein schneller Tango. Lachend drehte er mich und als ich wieder zu ihm zurück kam legte er seinen Arm um meine Hüfte und er drehte sich schwungvoll im Kreis, sodass meine Füße sogar kurz keinen Boden mehr unter sich hatten. Es war eigentlich auch schon kein Tango mehr, wir tanzten was uns gerade in den Sinn kam. Um ehrlich zu sein tanzte er und versuchte einfach halbwegs elegant durch die Gegend zu stolpern. Auf einmal stoppte er, zog mich zu sich und grinste verwegen. „Würdest du mit mir mitkommen?“, sagte er direkt neben meinem Ohr, damit er nicht so schreien musste und mir lief ein Schauer den Rücken hinunter. Seine Stimme passte zu ihm, sie klang mysteriös und rau und ein Hauch von Anzüglichkeit schwang in ihr mit. Dennoch betonte er die Worte so, dass sie sich edel und einfach toll anhörten. Zurück zu seiner Frage. Noch bevor ich darüber nachdachte nickte ich, er nahm meine Hand und zog mich hinter sich her.

Was tat ich hier eigentlich, ich kannte den Typen noch nicht einmal richtig, aber mein Gefühl sagte mir, dass von ihm keine Gefahr ausging. Im Nachhinein würde ich es bereuen, wenn ich nicht mitgegangen wäre, dann hätte ich mich ewig gefragt, was wohl gewesen wäre.

Draußen lief er wieder langsamer, hielt meine Hand fest und führte mich zielsicher durch dunkle Gassen und leere Straßen. „Wo gehen wir hin?“, fragte ich, aber er antwortete vorerst nicht, stattdessen lächelte er mich nur an und lief weiter. Noch hätte ich weglaufen können, aber ich wollte nicht. Ich wollte weder seine Hand los lassen, noch in Kauf nehmen, seine blauen Augen nie wieder sehen zu können. Vor einem heruntergekommenen Hochhaus hielt er an und drehte sich zu mir herum. „Vertrau mir. Es wird dir nichts passieren.“, versprach er mir, aber eigentlich war es mir egal was er sagte, Hauptsache er würde noch ganz viel mit mir reden. Denn wieder wurde mir etwas schummrig, als ich seine Stimme hörte.

Er trat an die Tür und klingelte. Der Lautsprecher blieb stumm, stattdessen ertönte ein monotones Summen und er öffnete die Tür, ließ mich eintreten und folgte mir. „Hast du...“, fing ich an, aber bevor ich weiter reden konnte drückte er mir eine Hand auf den Mund und drückte mich gegen die Wand. Ich starrte ihn entsetzt an und dachte schon mein letztes Stündlein hätte geschlagen, aber dann nahm er seine Hand langsam von meinem Mund und legte seinen Zeigefinger auf seine Lippen. Mein Herz erholte sich langsam wieder von dem Schock, nachdem sich heraus gestellt hatte, dass er nur wollte, dass ich leise bin. Trotzdem war mir jetzt etwas mulmig zu mute, es war viel zu leichtsinnig einfach mit ihm zu kommen.

„Hallo?“, hallte eine brüchige Männerstimme durch die Flure, wir blieben ruhig und kurz darauf hörten, dass die Tür geschlossen wurde. „Okay, die Luft ist rein.“, flüsterte er, nahm meine Hand und wollte die Treppen nach oben laufen, aber ich blieb stehen und ließ meine Hand aus seiner gleiten. „Woher...?“, fing ich an, aber wieder unterbrach er mich. „Oben.“, sagte er und lief los. Ich folgte ihm, aber nach einer Weile wäre ich am liebsten wieder umgekehrt. Wir befanden uns im fünften Stock und ich hatte keinen Bock mehr weiter zu laufen, aber als ich langsamer wurde, nahm er wieder meine Hand und zog mich mit sich. „Wehe das lohnt sich nicht.“, knurrte ich leise, woraufhin er mich schmunzelnd ansah.

Als wir ganz oben ankamen blieb ich schwer atmend stehen, aber der Kerl in Schwarz lief auf eine Metalltür zu, fuchtelte kurz an ihr herum und öffnete sie dann. Elegant verbeugte er sich und deutete mit der Hand auf die Metalltreppe, die sich hinter der Tür befand, die er aufhielt. Nicht schon wieder Treppen.

Müde stieg ich sie nach oben und der Typ folgte mir, bis ich oben angekommen eine weitere Metalltür öffnete und ins Freie trat.

„Wow.“, flüsterte ich und lief ein paar Schritte weiter hinaus. Wir befanden uns auf dem Dach des Hauses, Hamburg lag unter uns und die Lichter der Stadt strahlten uns entgegen. Das Haus, auf dem wir uns befanden war bei weitem nicht das Höchste, aber unter uns lagen eher flache Gebäude und erst weiter hinten erstreckten sich die erst neu erbauten Hochhäuser, die mit ihrer modernen Architektur glänzten.

„Und? Hat es sich gelohnt?“, fragte er neben mir und ich kam erst einmal gar nicht aus dem Staunen heraus. Ich fand Hamburg schon immer schön, aber der Blick von hier oben war fantastisch. „Es hat sich definitiv gelohnt.“, sagte ich und grinste ihn an. Er atmete tief durch und schloss die Augen. Ein paar Knöpfe seines Hemdes hatte er geöffnet, die markanten Gesichtszüge lagen entspannt und ruhig da und der Wind, der hier oben stärker als unten wirkte, fuhr ihm durch die kurzen Haare. Er öffnete seine Augen wieder und blickte mir entgegen. „Du wolltest etwas fragen.“, erinnerte er mich und ich nickte. „Woher wusstest du, dass er die Tür öffnet?“, wollte ich wissen und er lachte kurz. „Ich wusste es nicht. Hätte er nicht auf gemacht, hätte es ja auch noch genug andere gegeben, die hier wohnen.“, sagte er grinsend, während wir weiter an den Rand des Daches liefen. Lachend schüttelte ich den Kopf.

„Machst du das öfter?“, fragte ich schmunzelnd und er sah mich fragend an. „Einen Kerl mit hier hoch bringen. Ist das irgendwie deine Masche, oder so?“, fuhr ich fort und er fing laut an zu lachen. „Nein, glaub mir. Normalerweise tu ich das nicht.“, meinte er schmunzelnd und ich schnaubte. Na, wollten wir es ihm erst einmal glauben.

„Von hier aus kann man sogar den Hafen sehen.“, sagte er und zeigte auf zehn Uhr. „Das ist das, was ich an Hamburg so liebe. Es kommt einem vor, als wäre man ganz dicht am Meer dran, dabei ist es doch noch ein ganz schönes Stück, bis man tatsächlich dort ist.“, sagte ich verträumt und sah zu die Richtung in die er zeigte. Man konnte die hohen Kräne sehen und das schwarze Wasser, indem sich der Mond und die Lichter der Stadt spiegelten.

„Im Winter vermisse ich es richtig am Meer zu sein, aber von Oktober bis April läuft das Geschäft eben nicht.“, sagte er und ich sah ihn fragend an. „Geschäft?“ „Oh, achso klar. Ich habe eine Surfschule. Im Sommer bin ich Surflehrer, aber im Winter interessiert sich keiner dafür sich in das eiskalte Meer zu stürzen.“, sagte er schmunzelnd und sah in die Ferne.

„Verdammt.“, fluchte er, nachdem er auf die Uhr gesehen hatte. „Wäre es okay, wenn ich dich nach Hause begleite? Dafür müsste ich noch Zeit haben.“, sagte er, ich nickte etwas enttäuscht und folgte ihm, da er schon wieder auf dem Weg zurück zur Tür war. Als ich auf die Uhr sah, stellte ich fest, dass es erst 23 Uhr war.

An der Tür wartete er auf mich, hielt sie mir auf und folgte mir dann. Im Flur verschränkte ich bockig die Arme vor der Brust, nahm sie aber gleich wieder herunter, da ich mir zum einen albern vor kam und zum anderen sollte ich die Zeit, die wir noch hatten genießen und nicht mit Schmollen verschwenden.

„Tut mir Leid, dass ich es auf einmal so eilig habe.“, er grinste mich charmant an und wir liefen die Treppen hinunter. „Und mir erst.“, nuschelte ich, aber er hörte es und lachte laut.

Als wir unten ankamen hielt er mir die Tür auf und wir traten ins Freie. Am liebsten hätte ich meine Hände tief in ein paar Hosentaschen vergraben, aber die Hose die ich trug hatte keine, also musste ich sie neben meinem Körper herunter hängen lassen. Er fragte mich wo ich wohnte und wir machten uns auf den Weg zur U-Bahn.

Die ganze Zeit über wusste ich nicht wirklich, was ich mit ihm Reden sollte, ich war in Gedanken versunken und fand es immer noch ein wenig ernüchternd, dass er mich nach diesem tollen Abend jetzt schon nach Hause bringen musste.

Als wir die Treppe hinunter kamen, strömten uns Leute entgegen, die gerade aus der Bahn ausgestiegen waren. „Das ist unsre.“, rief ich, Erik nahm meine Hand und zog mich hinter sich her. Wir schafften es gerade so noch herein, bevor sich die Türen piepend schlossen. Lachend hielten wir uns an einer der Metallstangen fest und die U-Bahn setzte sich in Bewegung. Er atmete tief durch, richtete sich auf und sah aus dem Fenster. Ein paar Fahrgäste sahen uns kurz verwundert an, wendeten ihre Blicke aber dann wieder ab. Seine Augen huschten hin und her, als ich ihn beobachtete und dann wendete er seinen Blick auf eine Frau, die einen kleinen Jungen auf dem Schoß hatte. Sie telefonierte und regte sich über irgendetwas auf, während der Junge versuchte ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Tolle Mutter. Gegenüber von ihr saß ein Jugendlicher, der kurz geschorene Haare und Stöpsel von Kopfhörern in den Ohren hatte. Er sah sogar ein wenig bedrohlich aus, würde ich abends alleine mit ihm in der Bahn sitzen, wäre mir nicht ganz wohl. Als der kleine Junge enttäuscht seine Arme vor der Brust verschränkte und seinen Blick zu dem Kerl ihm gegenüber sah, grinste dieser ihn freundlich an. So konnte man sich täuschen. Meine Begleitung sah mich an und grinste. Er hatte es auch beobachtet.

„Es wundert mich immer wieder, wie sich die Menschen verhalten, wenn sie sich unbeobachtet vorkommen.“, meinte er und ich konnte ihm nur mit einem Lächeln und Nicken zustimmen.
 

Als wir eine halbe Stunde später aus der U-Bahn ausstiegen und die Treppen hinauf gingen, griff ich nach seiner Hand. Es war nicht mehr weit zu meiner Wohnung, leider. Er lächelte mich kurz an und lief weiter, für meinen Geschmack, viel zu schnell und zwei Minuten später standen wir auch schon vor meiner Haustür.

„Danke fürs nach Hause bringen.“, meinte ich und wartete darauf, dass er sich verabschieden würde. „Ich danke Euch für diesen wundervollen Abend.“, sagte er, lächelte mich an und verbeugte sich herrschaftlich. Ich musste mir ein Seufzen unterdrücken. „Würdet Ihr noch etwas gestatten, bevor Ihr geht?“, fragte ich und versuchte, dass mein Tonfall sich auch nur halb so blaublütig anhörte, wie der seine. „Was immer Euch beliebt.“, war seine Antwort, also trat ich einen Schritt vor und hob meine Hände zu seinem Gesicht. Als meine Fingerspitzen seine Haut berührten, bemerkte ich, was für kalte Finger ich hatte und es war mir fast peinlich, damit seine warme Haut zu berühren. Doch als ich ihm in die Augen sah, grinste er mich nur an und die hellblauen Augen blitzten kurz auf, als der Scheinwerfer eines Autos sein Gesicht kurz streifte. Vorsichtig schob ich meine Finger unter seine seidene, schwarze Maske und zog sie langsam von seinem Kopf.

Ohne sie wirkte er nicht minder edel und attraktiv, im Gegenteil. Mit der Maske in der Hand ließ ich meine Arme wieder nach unten sinken und er trat noch ein wenig näher an mich heran. Mit einem Grinsen auf den Lippen nahm er auch mir die Maske vom Gesicht, allerdings zog er sie mir nicht über den Kopf, sondern streifte sie nach unten, sodass sie mir um den Hals hing. Er legte seine rechte Hand auf meine Wange und lächelte mich an, ich grinste glücklich zurück. Könnte bitte jemand die Zeit anhalten?! Im nächsten Moment lehnte er sich zu mir herunter und legte seine warmen Lippen sachte auf meine. In meinem Kopf feierten die Synapsen zwei Monate zu spät Silvester. Ich schloss die Augen und schlang meine Arme um seinen Hals, aber der Kuss war schneller wieder vorbei, als ich gehofft hatte, meine Arme fielen nach unten und als ich die Augen öffnete, lief mein Traummann in Schwarz schon über die Straße. Oh, Fuck!

„Warte!“, rief ich schnell und wollte über die Straße laufen, aber genau dann kam natürlich ein Auto, also musste ich stehen bleiben, aber der andere Edelmann blieb stehen und drehte sich noch kurz zu mir herum. „Wann sehen wir uns wieder?“, rief ich und er grinste breit, wieder blitzten seine Augen kurz auf. „Ich hoffe bald.“, rief er, zwinkerte mir zu und rannte die Treppe zur U-Bahnstation nach unten. „Scheiße.“, zischte ich, trottete zurück zu meiner Haustür und bemerkte erst jetzt, dass ich immer noch seine Maske hatte. Immerhin etwas.

Bockig und immer noch leicht dusselig im Kopf zog ich meinen rechten Schuh aus, hob die Sohle an und zog meinen Haustürschlüssel heraus. Ich hatte keine Taschen an meinem Outfit und irgendwo musste ich den Schlüssel ja verstauen.

Mit nervösen Händen bekam ich die Tür irgendwann auf, rannte zu meiner Wohnung nach oben, öffnete sie, stürmte ins Schlafzimmer und warf mich auf mein Bett. Schnell schnappte ich mir ein Kissen, presste es auf mein Gesicht und lachte hysterisch hinein. Ich hatte das Gefühl ich würde vor Glück gleich platzen und in meinem Kopf schwirrten die Augen von... . Verdammt, wie hieß der Kerl eigentlich. Meine Arme streckte ich von mir, ließ das Kissen auf meinem Gesicht liegen.

Jetzt hatte ich den ganzen Abend mit meinem Edelmann, Traummann, Prinzen, Surflehrer, oder wie auch immer man ihn nennen mag, verbracht und wusste nicht einmal seinen Namen. Um genau zu sein wusste ich gar nichts von ihm, weder den Namen, noch wo er wohnte und seine Nummer hatte er mir auch nicht gegeben. Als ich mich auf setzte fiel das Kissen in meinen Schoß, ich sprang vom Bett und hob die schwarze Maske vom Boden auf. Vorhin, als ich ins Schlafzimmer gestürmt war, hatte ich sie fallen lassen, damit sie bei meiner kleinen Freudenattacke nicht kaputt ging.

Ich nahm meine eigene Maske von meinem Hals und legte sie zusammen auf meinen Nachttisch, bevor ich ins Badezimmer ging und mich zum Schlafen gehen fertig machte.

Ein paar Minuten später fiel ich müde ins Bett, warf noch einen Blick auf die beiden Masken und schaltete das Licht aus, auch wenn ich vermutlich vorerst nicht schlafen konnte. Seit der Sache mit Mike hatte ich mich nicht mehr so wohl gefühlt, wie heute Abend. Nachdem Mike mich bei meinen Großeltern aufgesucht hatte, war es mir nach und nach wieder besser gegangen, denn ich hatte endlich mit ihm abgeschlossen. Klar, er war mein halbes Leben lang immer mein bester Freund gewesen, später sogar noch mehr, aber jetzt war es zwischen uns eben nicht mehr so wie früher.
 

//flashback//

Ich war mit Mike zusammen zum Strand gelaufen, war immer ein paar Schritte vor ihm gelaufen und hatte mich in meiner Jacke versteckt. Das Gesicht halb im Schal vergraben und die Hände tief in den Jackentaschen. Irgendwann war ich langsamer gelaufen und hatte ihn zu mir aufschließen lassen, aber ich vermied es ihn anzusehen.

„Es tut mir so Leid, wie das alles gelaufen ist.“, sagte er, ich zuckte mit den Schultern und schnaubte. „Wie geht’s Jess?“, fragte ich ohne jegliches Gefühl in der Stimme. „Gut. Robin, ich muss dir etwas sagen, deshalb bin ich auch hier her gekommen.“, er griff nach meinem Handgelenk und drehte mich zu sich herum. Bei der Berührung zuckte ich zusammen, riss meinen Arm weg und steckte die Hand zurück in die Jackentasche. Würde er mich noch einmal anfassen, würde ich ihm in die Eier treten. Seine Griffel konnte er schön bei sich behalten. Diese Zeiten waren vorbei, auch wenn es sich nur um eine harmlose Berührung handelte.

„Gut, und was gibt es so Wichtiges?“, zischte ich und stierte ihn wütend an. „Ich wollte dass du weißt, wenn ich es früher gewusst hätte, dass du...“, fing er an, aber ich unterbrach ihn. „Dass ich so dumm war und dachte, für dich wäre es vielleicht auch mehr, als nur Spaß?“, bitter schüttelte ich den Kopf und fuhr mir durch die Haare, die noch ein bisschen feucht vom Duschen waren.

„Ich meine, vielleicht hätte ich Jess nie geheiratet.“, als er das sagte, schlug ich ihm die flache Hand ins Gesicht. Dieser Wichser. „Halt die Klappe, Mike. Es reicht schon, dass du mich verletzt hast, mach es wenigstens bei Jess richtig.“, meinte ich und Mike hielt sich kurz die Wange. „Ist ja gut. Ich bin glücklich mit Jess und außerdem erwarten wir bald ein Kind. Für uns ist es so wie so zu spät.“, dass er ein Kind bekommen würde, interessierte mich eigentlich reichlich wenig, es war nur eine Frage der Zeit gewesen. Das was mich störte, war dass er überhaupt noch von einem 'uns' sprach. „Jess wird eine gute Mutter sein, also fahr zu deiner schwangeren Frau nach Hause und sei ein guter Ehemann und Vater.“, ich lächelte ihn an, meine Augen funkelten böse. Jetzt, wo er vor mir stand konnte ich eigentlich gar nicht mehr verstehen, warum ich die letzten Monate wegen ihm so an mir vorbei ziehen hab lassen. Ich wand mich von ihm ab und lief zurück. „Robin.“, sagte er, und ich drehte mich noch einmal zu ihm herum. „Grüß Jess von mir.“, ich grinste ihn an und als ich mich wieder zum Gehen wendete, durchströmte neue Kraft meinen Körper. Ich war wieder da, der Robin von früher. Die letzten Wochen hatte ich mich immer danach gesehnt mich irgendwo zu verkriechen und in Ruhe gelassen zu werden, jetzt konnte ich meine Energie kaum in Zaum halten. Als ich bei meinen Großeltern Zuhause ankam drückte ich beide fest, bedankte mich und beschloss mich nach einer Wohnung in Hamburg um zu sehen.

//Flashbackende//
 

Ich hatte ein breites Grinsen im Gesicht und war im Nachhinein sogar wirklich stolz auf mich, dass ich es geschafft hatte Mike gegenüber zu treten, ohne einen Nervenzusammenbruch zu haben. Meine letzte Begegnung mit Mike war nun schon fast eineinhalb Jahre vorbei, ich hatte noch einmal einen Brief von ihm bekommen, nach der Geburt seines Sohnes. Ein Bild von dem kleinen frisch geborenem Kind hatte er in die Karte hinein gelegt, dazu hatte er mir ein paar Zeilen geschrieben, die mich damals wieder ziemlich aus der Bahn geworfen hatten. Einer meiner schwachen Momente, auf die ich wenig stolz war. Der letzte Satz lautete: 'Ich wünschte du wärst hier.'.

Auf der Wand, gegenüber von meinem Bett hingen Bilder, sehr viele Bilder. Fotos, Urkunden und Zeitungsausschnitte. Bilder von meiner Familie, meinen alten Freunden, meinen neuen Freunden, meinen Kommilitonen und sogar ein paar Fotos von Mike und mir hängen dort. Auf einem Bild sind wir gerade fünfzehn Jahre alt, schon damals beste Freunde, hatten wir zusammen den alten Roller von meinem Großvater geklaut und waren damit an einen See gefahren. Das Foto zeigte uns, auf einer Decke nebeneinander liegend und Mike hatte den Arm nach oben gehalten und uns fotografiert.

Als wir am Abend zurück gefahren waren, bauten wir einen Unfall, ich brach mir den Arm und hatte eine schwere Gehirnerschütterung. Mike hatte hingegen nur ein paar Kratzer abbekommen. Eine Nacht im Krankenhaus werde ich nie vergessen. Er hatte sich von Zuhause weggeschlichen, war in die U-Bahn gestiegen und zu mir ins Krankenhaus gekommen. Ich hatte schon geschlafen, aber als Mike ins Zimmer kam wachte ich auf, wie auch jedes Mal, wenn eine Krankenschwester herein kam und den Tropf bei dem Jungen neben mir wechselte. Müde hatte ich ihn angeblinzelt, als er sagte: „Rutsch rüber mit deinem dürren Arsch.“, und sich neben mich legte. Wenige Minuten später war er einfach eingeschlafen. So blöd es sich anhörte, aber damals veränderte sich alles für mich. Ich hatte mich in ihn verliebt und zwei Jahre später dachte ich, es wäre endlich wahr geworden, dass auch er etwas für mich empfinden würde und er es endlich gemerkt hätte. Leider hatte ich mich getäuscht. Für ihn war alles immer nur eine nette Abwechslung gewesen.

Nachdem ich die Nachttischlampe noch einmal eingeschaltet hatte, lief ich zu der Wand mit den Fotos und nahm das Bild von Mike und mir ab. Nachdenklich betrachtete ich es noch kurz, dann legte ich es in die die Schublade meines Schreibtisches und nahm ein anderes heraus. Ein kleines Baby streckte die schrumpeligen Händchen nach der Kamera aus und versuchte sich daran die Augen einen Spalt weit zu öffnen. Mikes Sohn, er hatte ihn Yannick genannt und wäre ich nicht nach Hamburg gegangen, wäre ich wohl sein Patenonkel geworden. Ich klebte das Bild an die Stelle, an der vorher das Foto von Mike und mir hing und trottete zurück ins Bett.

Als mein Blick wieder auf die beiden Masken fiel musste ich sofort breit grinsen und nahm die schwarze Maske in die Hand. Sofort musste ich an die stahlblauen Augen denken und an den Kuss, der viel zu schnell wieder vorbei war. „Lass mich nicht zu lange warten.“, sagte ich abwesend, legte die Maske zurück und löschte das Licht.

Der letzte Gedanke vor dem Einschlafen galt meinem Prinzen, der irgendwo da draußen im regnerischen Hamburg war.
 


 

Inzwischen waren seit dem Kostümball vier Tage vergangen, von dem Surflehrer hatte ich bislang noch nichts gehört und ich war irgendwie auch ziemlich hilflos, denn von ihm wusste ich nichts. Er hingegen wusste immerhin wo ich wohnte, also hätte er mich jederzeit aufsuchen können, wenn er mich hätte wieder sehen wollen. Bisher hatte er das leider nicht getan und wenn er es vorhatte, hoffte ich wirklich, er würde sich beeilen, denn ich wollte zu meinen Großeltern ans Meer fahren. Meine Taschen standen schon gepackt im Flur, ich verstaute nur noch ein paar Hygieneartikel in die Seitentasche meines Rucksacks und wartete dann, unten auf dem Bürgersteig, aufs Taxi. Ich hatte es erst vor fünf Minuten gerufen, aber eigentlich müsste es jeden Moment da sein.

Wenige Minuten später bog es um die Ecke und blieb vor mir stehen, der Fahrer hatte seine Kappe weit ins Gesicht gezogen und ich stieg in den Wagen, während er meine Koffer im Wagen verstaute. „Wo soll es hingehen.“, fragte er murmelnd, als er sich hinters Steuer setzte und den Motor startete. Ich sah mich noch einmal auf der leeren Straße um, ich wollt die Hoffnung nicht aufgeben, dass ER vielleicht doch noch kommen würde. Seufzend ließ ich mich in den Sitz fallen.

„Zum Bahnhof bitte.“, antwortete ich also und sah aus dem Fenster. Auf der Fahrt rauschte das Geschehen draußen an mir nur vorbei, obwohl ich aus dem Fenster sah, achtete ich nicht darauf, was meine Augen zu sehen bekamen.

„Wo geht es denn hin, wenn ich fragen darf?“, wollte der Taxifahrer nuschelnd wissen und wir bogen schon in die Bahnhofsstraße ein. „Ans Meer.“, murmelte ich und freute mich jetzt doch etwas, obwohl ich mich wohl die ganze Zeit fragen werde, ob mein Prinz inzwischen auf seinem Ross an geritten kam, an der Schlossglocke läutete und es wäre niemand Zuhause, der ihm öffnen könnte.

Hätte er mich wirklich wieder sehen wollen, wäre er doch aber allerdings schon in den letzten vier Tagen aufgetaucht und hätte nicht ewig gewartet.

„Wir sind da.“, sagte der Mann hinterm Steuer und parkte den Wagen vor dem Eingang des Bahnhofs. Ich stieg aus dem Wagen und folgte dem Fahrer zum Kofferraum, der ihn öffnete und die Taschen heraus hob. „Danke, wie viel bekommen Sie?“, wollte ich wissen und kramte meinen Geldbeutel aus der Gesäßtasche. „Nichts.“, knurrte er, ließ die Taschen auf den Asphalt fallen und trat näher an mich heran. Okay, Hilfe was war jetzt los. Ich sah ihn verwundert an und als ich ihn erkannte fiel mir die Kinnlade hinunter.

Mein Prinz. Surflehrer. Der Edelmann in Schwarz. Er lachte laut und nachdem ich begriffen hatte, dass er es wirklich war, breitete sich ein breites Grinsen auf meinen Lippen aus. Ich schnappte nach Luft.

Als er noch lauter lachte, schlug ich ihm mit der Faust gegen die Brust und er rieb sich beleidigt die schmerzende Stelle. „Du holst mich bei mir Zuhause ab, siehst mich in dein Taxi steigen und ich sitze die ganze Fahrt unwissend im Wagen und du hältst es nicht für nötig auch nur einen Ton zu sagen, dass...“, redete ich auf ihn ein, aber er unterbrach mich als er mich an sich zog und mich küsste. Jetzt waren auch die letzten Zweifel verschwunden, er war es definitiv, so konnte nur er küssen. Mir kam es vor, als würde die Zeit stehen bleiben und schlagartig war ich erleichtert, dass er hier war. Als er seine Lippen von meinen löste, öffnete ich meine Augen wieder und sah in seine grau-blauen Augen.

„Sag mal, siehst du deinem Gegenüber nie ins Gesicht?“, fragte er schmunzelnd. „Ich war in Gedanken.“, nuschelte ich und lächelte verlegen, während ich mich am Hinterkopf kratzte. „Wie heißt du?“, wollte ich wissen, da ich seine Augen, Lippen und das umwerfende Lächeln endlich einem Namen zuordnen wollte. „Erik.“, war die Antwort und ich wiederholte den Namen flüsternd.
 

____________________________________________

Na, was haltet ihr von Erik? =)



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Klein_Ryu
2011-09-07T16:23:23+00:00 07.09.2011 18:23
tolle geschichte =D
ich hätte gern einen 3 teil :D
Von:  kobito
2011-04-26T11:02:23+00:00 26.04.2011 13:02
Ich mag Erik! =D
Und Robin ist sowieso total super! Echt toll finde ich die Stelle, als er endlich wieder zu sich selbst findet. Ziemlich genau so habe ich mich damals auch gefühlt. :o)
Also, ich hoffe auf einen weiteren Teil. ^^
LG
Von:  Kari06
2011-04-21T17:55:49+00:00 21.04.2011 19:55
wieder eine klasse geschichte...mehr davon :D
finde es schön das robin wieder auf den beinen ist und auch das er mike so hat abblitzen lassen hat *daumen hoch*
erik ist klasse!!!

freue mich auf die nächste geschichte :)

lg
Von:  Ray07
2011-04-16T19:47:44+00:00 16.04.2011 21:47
Hey
mir gefällt die Story recht gut, romantisch einerseits, aber immer noch weit genug davon entfernt zu kitschig zu werden (kennst ja meine Meinung dazu)
sehr gefällt mir auch Erik's name... sehr gute wahl ;)
finde es auch eigentlich gut, dass du hier ein cut gemacht hast (finde den letzten satz auch schön) und freue mich schon auf einen neuen Teil

Titel ist auch gut gewählt, soll wohl nicht Erik bezeichnen ;), sondern die Tatsache, dass Robin zu verpeilt war um nach eriks namen zu fragen ;)
HDL


Zurück