Zum Inhalt der Seite

Die Spinne der Königin

....tanzt in ihrem Wahnsinn doch allein.
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

0 - Narr

Fahles Mondlicht drang durch das hohe Fenster und warf den langen Schatten einer zierlichen Silhouette auf den Boden des Schlafzimmers, als blasse Finger den seidenen Vorhang etwas nach Rechts zur Seite schoben. Feucht klebten die vom unruhigen Schlaf wirr abstehenden blonden Haare am kindlichen Nacken des Jungen, die Brust hob und senkte sich bei jedem hörbaren Atemzug, der ihm keuchend zwischen den geöffneten Lippen entfloh, während sein Kopf mit wie gemeißelten Ausdruck dem Nachthimmel zugewandt war. Nur ein paar vereinzelte Sterne durchbrachen das tiefe Schwarz des Firmaments und wurden in seinen Augen reflektiert.

Er liebte die Nacht.

Er liebte sie, obwohl die Nächte auch bedeuteten, sich umher zu wälzen und das von Schweiß und salzigen Tränen durchnässte Gesicht in das Kissen zu pressen, um den panischen Aufschrei zu ersticken, der ihn jedes Mal durchdrang, wenn er von Alpträumen gebeutelt erwachte.

Alpträume, die in Wahrheit Erinnerungen waren.

Erinnerungen an Taten, Worte und Geschehnisse, die ihm gerade das Privileg ermöglicht hatten, seit vielen Nächten jedes Mal in diesen fast schon lächerlich riesigen Himmelbett aufzuwachen. Und doch hatten sie sich eingebrannt, sich verewigt, bis eines Tages der letzte Lebenshauch aus seinen Körper entwich.

Wie lächerlich.

Nicht er war das Opfer eines Anderen, so viele zugefügte und wieder verheilte Wunden seinen Körper auch geziert hatten. Nein, er war der König, der Gott dieses Spiels, der nach eigenen Vergnügen die Figuren auf dem Schachbrett verschob und jedes Schicksal seiner unterwürfigen Diener manipulieren oder besiegeln konnte, wie es ihm beliebte!

Alles....Das Alles geschah weil er es WOLLTE. Weil es Teil seines perfiden Plans war, aus eigenen Antrieb, er selbst war es, der aus hinterhältiger Berechnung sich vom gelegentlichen Zeitvertreib zum geliebten Lustobjekt hoch avanciert hatte, um jetzt als Earl im Trancy-Anwesen zu residieren.

Er war kein Opfer.

Niemals.
 

Auch nicht seiner Selbst.
 

Seine Atemzüge verliefen wieder ruhig und gleichmäßig, die verkrampft in den purpurnen Stoff des Vorhangs verkrallten Finger entspannten sich wieder und sein starr fixierter Blick löste sich von einem der hellen Punkte am Himmel um ziellos umherzuschweifen, bis er an einem bis jetzt unbemerkt hinab gleitenden Etwas hängen blieb.

Eine Spinne seilte sich gerade von der Decke ab und schwebte jetzt zwischen den weiß lackierten Fensterrahmen und seinem Gesicht.

Alois hob in einer anmutigen Bewegung langsam den freien Arm.

Solch ein Ungeziefer in seinem Schlafzimmer...Ein seltener Anblick, sein Butler war schließlich sehr gewissenhaft.

Vorsichtig hob er das schwarze Tier mit der Handfläche auf und betrachtete es, während sich in ihm ein schmerzlich süßes, fast schon melancholisches Gefühl ausbreitete.

Ja...Claude duldete keine Spinnen im Haus...War er doch selbst die größte Spinne von Allen, haha.

Das Wesen setzte sich nach einigen Sekunden des Verharrens in Bewegung, krabbelte über die Haut des Jungen Richtung Handgelenk, nur um dann innezuhalten und als wolle es vor ihm fliehen, als hätte es den tiefsitzenden Wahnsinn in ihm erkannt, wandte es sich um, um der Hand zu entkommen.

Wie konnte dieses unwürdige Vieh nur....!

Die Augenbrauen zogen sich verärgert zusammen, die ausdruckslose Mimik des Blonden verzerrte sich zu einem hasserfüllten Ausdruck.

Wie konnte es dieses unwürdige Vieh nur wagen, sich von ihm abzuwenden?!

Seine Aufmerksamkeit von ihm zu lenken, sich entziehen zu wollen, die Dreistigkeit besitzen, die Freiheit der Gnade seines Richters vorzuziehen?!

Es machte ihn rasend, es tränkte die anfänglich sanften Gefühle in Aggression, als wäre es Gift, das durch seine Adern jagte.

Niemand durfte ihn verlassen.

Bevor die Spinne seine Fingerkuppen verlassen und den rettenden Fensterrahmen erreichen konnte, schloss Alois die Faust, darauf bedacht, dass Tier nicht zu töten.

Ihn verließ niemand einfach ungeschoren.

Seine Augen weiteten sich, während er die sinnlosen Fluchtversuche seiner Gefangenen in seiner Hand spürte.

Der einzige Weg von ihm loszukommen...

Sein Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen.

...führte durch....

Im nächsten Moment knallte er mit enormer Brutalität seine Handfläche auf das Glas des Fensters. Die Scheibe erzitterte, er fühlte den leisen Knacks, als der Leib des Tiers zerdrückt wurde.

...den TOD.

Wie besessen rieb er die Hand auf der glatten Oberfläche hin und her, bis dunkle Schlieren darauf blieben.

Stirb! Stirb, verdammt! Weine und bettle und bereue! Bereue, weil du den Blick von mir abgewandt hast und bereue noch mehr, weil jede Einsicht zu spät kommt, da mein Urteil schon längst gefällt wurde!

Er nahm wieder die Hand vom Glas und besah sich seine Handfläche mit neutraler Miene, als hätte es seinen vorigen Wutausbruch nie gegeben. Nur noch etwas unkenntliche Feuchte waren von der Spinne übrig.

Wirklich erbärmlich. Traurig, so traurig.

Einsam...

Man starb schlussendlich einsam.

Aber nicht ich, oder Claude? Nein...du würdest mich nicht alleine sterben lassen, nicht wahr?

Sein Gesicht senkte sich etwas hinab, als er mit der Zungenspitze über die an seiner Haut klebenden Überreste leckte.

"Ekelhaft."

Missbilligend stieß er einen verächtlichen Laut aus, als er sich anschließend verspielt zu einer stillen Melodie im Kreis drehte, die Arme so positioniert, als würde er mit einem unsichtbaren Partner einen Walzer tanzen.

Versprich es mir...Auch wenn du mich dabei anlügen musst.

Nach einer weiteren Drehung ließ er sich mit dem Rücken auf das breite Bett fallen und rollte sich auf die Seite, die Hand noch einmal zu seinem Gesicht hebend.

Ob Claude wohl auch so schmeckte...?

Er ballte die Faust, die Lippen zu einem spöttischen Grinsen verzogen.

"Wirklich ekelhaft...!"

Ein amüsiertes Kichern entfloh ihm. Ein Kichern, das sich bis zu einem kindlichen Lachen ausdehnte und sich schließlich zu einem hysterischen Gelächter steigerte.

Seine Stimme hallte noch einige Augenblicke in der abnormen Größe seines Zimmers nach, bis sie schlussendlich verstummte und als das letzte bisschen Mondlicht, das sich zwischen die Vorhänge stahl, immer mehr zurückzog, musste Alois noch einmal kurz auflachen.
 

Ja, er liebte die Nacht.
 

Und dann wurde er von der Dunkelheit, die sich unbemerkt über das ganze Zimmer ausgeweitet hatte, verschlungen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück