Zum Inhalt der Seite

Nachtglitzer

AltairxAlena
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prolog - Sternennacht

Prolog - Sternennacht
 


 

Helle Sterne verteilten sich über dem tiefschwarzen Horizont. Ebenso erfüllte die Fenster der meisten Häuser tiefe Schwärze, nur vereinzelt brannte dann und wann in einem der Häuser ein Feuer. Eines dieser Häuser befand sich im Armenviertel von Damaskus, es lag in der schlimmsten Ecke der Stadt.

Das Haus, nun es glich wohl eher einer Ruine, bestand aus einem großen Zimmer, welches als Küche, Wohnzimmer und als Schlafstätte der Eltern herhalten musste, während der kleinere angrenzende Raum für die beiden Kinder war. Etwas Stroh und verdreckte, zerrissene Decken bildeten die Betten. Eine kleine Feuerstelle in der Mitte der Räume spendete etwas Licht und Wärme, gerade an so kalten Nächten wie dieser. Abgesehen von etwas Essbarem und Wäsche waren die Räume leer. In dem kleinen Zimmer, auf dem Stroh, lag sie. Leer blickten ihre Augen aus dem Fenster in die sternenbenetzte Nacht. Ihre braungelockten Haare verteilten sich um ihr Gesicht herum, während ihre ebenfalls tiefbraunen Augen wässrig schimmerten. Ihre Hände hatten sich in dem Stofffetzen, das ihr als Kleid diente, verkrampft.

Wie konnte er ihr so etwas antun? Sie war immer ein sittsames und gehorsames Mädchen gewesen. Hatte getan was er wollte, ihm nie widersprochen. Und nun wollte er sie wegschicken. Sie, seine eigene Tochter. Ihr Vater, sie hatte immer zu ihm aufgesehen, hatte ihn bewundert, wie stark und klug er war, und jetzt wollte er, dass sie ging. Warum? Sie konnte es einfach nicht verstehen. Was hatte sie falsch gemacht? Sie dachte immer, dass auch er sie lieb haben würde. Er hatte sie immer beschützt, jeder der die Familie sah, sah, dass der Vater seine Tochter liebte. Warum nur schickte er sie also nun weg?

Der Vorhang wurde beiseitegeschoben. „Hier Tochter, ich habe dir etwas von der Suppe aufgehoben.“ Eine ältere Frau trat ein, stellte die Schale neben der Schlafstätte ab. „Danke Mutter.“ Murmelte das Mädchen abwesend. Mit einem mitleidigen Gesichtsausdruck strich die Mutter ihrer Tochter durch die Haare. „Ach meine Tochter. Meine Alena.“ Tränen sammelten sich in den Augen der Älteren. Alena wandte sich ihrer Mutter zu. „Nicht weinen Mutter.“ Am allerwenigsten konnte sie es nun verkraften, wenn ihre Mutter wegen ihr Kummer litt. „Ich komme zurecht.“ Beide wussten, dass das Gesagte nicht der Wahrheit entsprach. Alena war behütet aufgewachsen, kannte nichts von der Welt, deren Regeln oder gar den Gefahren, die auf sie warteten. „Ich werde dich vermissen, meine Alena. Ich werde jeden Tag zu Allah beten, dass er dich beschützen möge.“ „Ich danke Euch.“ Zögerlich umarmte Alena ihre Mutter. Wie sollte sie nur ohne ihre Familie zurecht kommen? Wo sollte sie hin?

Alena löste sich aus der Umarmung. „Geht zu Bett Mutter. Ihr seht müde aus.“ Ihre Mutter strich ihr durch das braungelockte Haar. „Meine Alena.“ Mit einem Kuss auf die Stirn verabschiedete sie sich.

Seufzend sah Alena auf die Suppe. Was würde aus ihr werden? Wie sollte es nur mit ihr weitergehen? Erneut seufzend begann sie, die mittlerweile lauwarme Suppe zu löffeln, als der Vorhang abermals zur Seite geschoben wurde. „Farid.“ Alena stellte rasch die Schüssel beiseite, nur um dann aufzustehen und den jungen Mann zu umarmen. „Schwester.“ Farid strich über ihr Haar. Eine Weile standen sie dort. „Ich mag nicht gehen. Warum schickt er mich weg? Hat er mich nicht mehr lieb?“ Das rasche Heben und Senken ihrer Schultern verriet dem jungen Mann, dass sie weinte. „Schh. Ich bin sicher, er hat seinen Grund.“ Alena sah zu ihm auf. „Was für ein Grund sollte das sein?“ Farid blickte beiseite. „Ich weiß es nicht“, wich er aus. „Komm du solltest schlafen.“ Gemeinsam legten sie sich auf das Stroh.

Lange nachdem Alena eingeschlafen war, richtete Farid sich auf und strich ihr eine verwirrte Haarsträhne hinter das Ohr. Er hatte es nicht fertiggebracht, ihr zu sagen, warum sie gehen musste, ebenso wie sein Vater es ihr nicht sagen würde. Es zählte nur, dass sie weg kam von hier, dass niemand sie mit ihrem Vater sehen würde. Es war besser so. Besser für alle. Sie würde zurechtkommen. Dessen war er sich sicher, sie war stark.
 

Der Morgen kam zu früh. Ihr Vater kam herein, als gerade erst der erste Sonnenstrahl die tiefschwarze Nacht durchbrach. Die meisten Menschen schliefen noch, weshalb es ruhig auf den Straßen war. „Alena!“ Ihr Vater rüttelte an ihrer Schulter, was das Mädchen dazu veranlasste, verschlafen die Augen zu öffnen. „Vater?“ Ihre rechte Hand fuhr über ihr Gesicht. „Steh auf! Du musst gehen.“ Ruckartig sah sie auf. Sie hatte verdrängt, was heute für ein Tag war. Der Tag ihrer Abreise. Gezwungenermaßen. „Komm.“ Rasch, jedoch ohne ihr weh zu tun, hob er Alena am Oberarm von der Schlafstätte. „Vater, bitte! Ich möchte nicht gehen!“ Flehte sie. Sie würde alles machen, wenn sie dafür nur bei ihrer Familie bleiben könnte. „Das geht nicht, Alena!“ Ihr Vater ließ sie erst vor dem Hütteneingang wieder los. „Warum nicht?“ Tränen schimmerten in ihren Augen. „Weil ich es sage!“ Sie schüttelte den Kopf. „Wo ist Mutter?“ Hasim führte seine Tochter nach draußen. „Sie schläft.“ „Darf ich mich nicht einmal von ihr verabschieden?“ Ihr Vater schüttelte ernst den Kopf, er schien gehetzt. „Keine Zeit. – Du musst die Stadt verlassen!“ Er strich über ihre Wange, sein Ton wurde sanfter und ein trauriger Ausdruck erschien in seinen Augen. „Passe auf dich auf, Alena. Ich wünschte, ich müsste das nicht tun, aber es ist das Beste.“ „Was nicht tun? Was ist das Beste? Sag es mir.“ Er schüttelte den Kopf. „Nun geh! – Pass auf dich auf meine geliebte Tochter.“ Damit verschwand er im Inneren der Hütte und ließ das vielleicht gerade mal siebzehnjährige Mädchen alleine draußen stehen. Diese starrte auf einen unbestimmten Fleck. Warum nur schickte man sie weg? Was hatte sie getan? Wovon sprach ihr Vater? Sie schüttelte die Gedanken ab, ehe sie sich unschlüssig umsah und seufzte. Wo sollte sie hin, die Sonne war ja noch nicht einmal aufgegangen. Sie hatte keinerlei Verwandten zu denen sie hätte gehen können, ebenso wenig hatte sie Freunde, die sie hätte aufsuchen können. Langsam setzten sich ihre Füße in Bewegung. Sie sollte die Stadt verlassen? Wohin sollte sie denn? Mit gesenktem Kopf ging sie die dunklen Straßen entlang, bei jedem Geräusch fuhr sie zusammen. Wer wusste schon, was hinter der nächsten Ecke lauerte.

Mit nichts weiter außer dem Gewand, das sie am Leibe trug, und einer kleinen Decke, in welcher ein Brotlaib und etwas Käse eingewickelt waren, erreichte Alena die Stadtmitte. Unsicher huschten ihre Augen über die Fassaden, ohne jedoch wirklich etwas erkennen zu können. Es war einfach unheimlich des Nachts. Das Gefühl, dass sie beobachtet wurde, wollte einfach nicht verschwinden, denn das würde es erst, wenn die Sonne ganz aufgegangen war. Im Dunkeln hatte sie sich schon immer gefürchtet. Abermals seufzend sah sie in den Himmel empor. Langsam begannen die leuchtenden Sterne unter dem heller werden des Himmels zu verblassen. Bald würde die Sonne endgültig die Nacht vertrieben haben und mit ihr die Sterne, welche nur darauf warteten, dass es wieder dunkel wurde, um ihr Licht zu entfalten.

Ihr Körper versteifte sich, als sie plötzlich Schritte hörte. Leise wandte sie sich um, wobei sie langsam begann, rückwärts zu laufen. Panik erfasste sie, obwohl nicht einmal sicher war, dass da jemand war oder dieser jemand hinter ihr her war. Aber Alena konnte nicht anders, hastig drehte sie sich wieder nach vorne und begann, immer schneller zu laufen, ehe das Laufen in Rennen umschlug. Das Gefühl beobachtet zu werden, die schwarze Nacht, die ganzen Geräusche, sie begann durchzudrehen und das, obwohl sie gerade mal einige Minuten ihr Zuhause verlassen hatte.
 

Mit klopfendem Herzen kam sie schließlich an einer Ecke zum stehen, was nicht auch daran lag, dass sie fast das Stadttor erreicht hatte. Noch einmal huschten ihre braunen Augen über die Häuser. Sie würde die Stadt vermissen, würde ihre Familie vermissen, ihre Heimat. Ihr Blick wanderte zum Tor, an dem schwer bewaffnete Soldaten standen. Sechs an der Zahl, soweit sie das erkennen konnte. Würde sie einfach hinaus spazieren können? Noch nie hatte sie Damaskus verlassen. Langsam, Schritt für Schritt ging sie weiter auf das Tor zu. Es dämmerte bereits, in wenigen Augenblicken würde es hell sein. Alena versuchte, nicht auf die Waffen der Männer zu achten, aber das gelang ihr nur mittelmäßig. Wie viele Menschen wohl schon von den Klingen ermordet wurden? Zu ihrer Angst kam auch noch die Nervosität hinzu, als sie bemerkte, dass die Soldaten sie beobachteten, immerhin war noch nicht viel los und es war ungewohnt, dass jemand so früh die Stadt verließ und dazu noch ein Mädchen. Ein Mädchen, das alleine war. Mit gesenktem Kopf schritt sie rasch auf das Tor zu. Sie betete zu Allah, dass man sie einfach durch das Tor schreiten ließe. Für eine Auseinandersetzung war sie nicht in geeigneter geistlicher Verfassung, zumal sie gegen sechs bewaffnete Männer keine Chance hatte. Wahrscheinlich nicht einmal gegen einen, der unbewaffnet war. Nein, sie hatte sich nie verteidigen müssen, immer waren ihr Bruder oder ihr Vater da gewesen. Ihrer Bedenken zum Trotz ließen die Soldaten Alena passieren, wenn auch nicht ohne ihr eigenartige Blicke zuzuwerfen. Teils verwundert, teils erstaunt und teils verärgert oder gar missbilligend, so schien es. Vor dem Stadttor blieb sie einen Augenblick stehen. Alena ließ ihren Blick über die Weite der Wüste schweifen, in der dann und wann einige Felsen emporragten. Pflanzen gab es nur spärlich bis keine, aber das hatte sie auch nicht erwartet, ebenso bezweifelte sie, dass es dort in der sengenden Hitze der Wüste eine Wasserquelle gab und wenn doch, dann sicherlich nur vereinzelt. Sie hatte gehört, dass es Menschen gab, welche ausschließlich in der Wüste lebten, ohne festes Heim, ob sie einem solchen begegnen würde? „Mein Kind, ist alles in Ordnung?“ Überrascht wandte sie den Kopf. Ein in weiß gekleideter älterer Mann stand mit fragendem Gesichtsausdruck neben ihr. Er lächelte freundlich, was Alena zögerlich erwiderte. „Danke, mir geht es gut.“ Der alte Mann nickte. „Es ist gefährlich außerhalb der Stadt.“ Nun wobei es in der Stadt auch nicht immer sicherer war. „Ihr solltet nicht alleine hier draußen herumlaufen“, riet er ihr. Alena neigte den Kopf. „Ich danke Euch für den Rat. Friede sei mit Euch.“ „Und mit dir“, erwiderte er. Alena schritt weiter voran und ließ den Mann hinter sich. Was dachte er sich? Sie war keineswegs freiwillig hier. Sie verließ keineswegs freiwillig die Stadt, ihre Heimat. Als sie dem Weg den Hügel hinauf gefolgt war, welcher jedoch ab dann in der Weiten öde der Wüste endete, war die Sonne endgültig aufgegangen. Die Sonne hatte die Sterne vertrieben, nur um ihnen irgendwann wieder Platz zu machen. Seufzend wandte sie sich ein letztes Mal der Stadt zu, welche immer kleiner wurde, je weiter sie schritt. Ihre braunen Augen wanderten gen Himmel. Und wo sollte sie nun lang? Nicht einmal einen Weg hatte ihr Vater ihr erklärt, wichtig war nur gewesen, dass sie ging und das hatte sie nun getan. Wohin würde sie ihre Reise bringen? Jerusalem? Wie hätte sie ahnen sollen, dass das Schicksal etwas anderes für sie im Sinn hatte?

Wehmütig lächelnd machte sie kehrt und schritt über den gelb-roten Sand, dem Nichts entgegen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück