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Mein Licht

von

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Songfiction
 

Interpret: Papa Roach

Album: Infest

Song: Between Angels and Insects
 

Ich wagte nicht auf die Uhr zu sehen. Wie lange müsste ich hier wohl noch sitzen …? Eine Stunde? Zwei? Die bisherige Zeit schlich nur vor sich hin, wie eine Schnecke im Hochsommer. Genauso fühlte ich mich auch. Wie eine Schnecke: unbedeutend, langsam, schmierig und ausgedorrt.

Wie heiß ist es wohl? Nach stundenlangem Zählen der Schweißtropfen, die dem dicken Mann, der an dem Schreibtisch mir gegenüber saß, von der Nase perlten, tippte ich auf fünfunddreißig Grad Celsius. Das langärmelige Hemd aus irgendeinem Mischgewebe, das ich mir in dem Secondhand-Laden um die Ecke gekauft hatte, machte es nicht besser. Es war eine Art Dresscoat, dass uns dazu verpflichtete in schneeweißen Hemden herumzulaufen, was uns ebenso dazu brachte, diese nach jedem Tragen in ordentlich dosiertem Chlorwasser zu bleichen, um die gelben Schweißflecken am Kragen und den Achseln zu beseitigen.

Ich kann es kaum erwarten, aus dem Gebäude zu kommen und mir dieses Kettenhemd von der Brust zu reißen. Aber ich hab nicht einmal ein Auto, geschweige denn ein Cabrio indem ich mir den kaltschlagenden Fahrtwind um die Ohren hauen könnte.

Aber was soll’s. In meiner Sporttasche, die ich jeden Tag dabei habe, befinden sich ja noch andere Klamotten. Neben den Zwanzig-Euro-Anzug, den ich um diese Zeit an mir trage, liegt in den Tiefen meiner Tasche ein Leih-Overall. Blau. Den werde ich bald anziehen müssen. Dazu würde man noch eine alte Bluejeans und ein hellgraues – einst weißes – T-Shirt finden. Mein letztes Outfit für den Tag.
 

Ich traute mich noch immer nicht auf die kleine Digitaluhr in der Ecke des Computerbildschirmes zu schauen. Aber ich tat es letztlich dennoch. Kurz vor elf. Verdammt. Es waren tatsächlich noch über zwei Stunden. Ich verzweifelte noch.

Beim Schlucken bemerkte ich, wie trocken meine Kehle war. Als würde jemand mit Schleifpapier darin herum reiben und wahnsinnigen Spaß daran haben, langsam jeden Tropfen Wasser aus mir herauszuquetschen.

Meine Augen suchten den Raum nach dem Wasserkanister ab. Ah – da war er. Voller Hoffnung stürzte ich mich auf die Wasserbecher, hielt einen derer unter den Zapfhahn für das gekühlte Wasser und drückte. Und drückte. Und wartete. Leer. Sehr schön …

Jetzt lief auch mir der Schweiß von dir Stirn. In meiner Not behielt ich den weißen Plastikbehälter in der Hand und verschwand hinter der Toilettentür. Das Wasser dort ist wahrscheinlich nicht das sauberste, aber immerhin besser als Verdursten. Also lies ich das Wasser laufen und trank – welch Wohltat.

Ich ignorierte alles um mich herum. Daher bemerkte ich auch nicht die, sich öffnende Toilettentür hinter mir. Meine Augen öffneten sich langsam wieder und meine Freude über das kühle Nass verschwand bei dem Anblick meines Vorgesetzten.

Mit verachtenden Blick trat er neben mich ans das Waschbecken. Ich konnte schon eine Mahnung wegen negativen Verhaltens vor meinem inneren Auge sehen. Wort für Wort und ich erschrak davor.

Sein Blick, gegenüber diesem Verhalten wurde nicht besser.

Mister Richard – so sein Name – hob das Kinn, sodass die Luft in seiner Nase zirkulieren konnte. Seine Härchen in dem operierten Zinken wirbelten herum, als er tief Luft nahm. Seine Worte hallten durch mein Gehör und schlugen an jeder Ecke schmerzhaft an und ich spürte diesen Schmerz tief in meiner Seele.
 

Unangemessen sei mein Verhalten.

Sagt er.

Übertrieben.

Asozial …
 

Und das ausgerechnet vor meinem Chef. Ausgerechnet zu dieser Sekunde. Ich konnte mir das nicht leisten! Mein Job hier ist sowieso schon gefährdet. Ständige Müdigkeit. Dieser Zeitdruck. Und in letzter Zeit diese Depressionen …

Schon lange war ich nicht mehr bei der Sache. Gedanklich. Körperlich.

Worte der Entschuldigung verließen meine zittrigen Lippen. Zittrig? Wieso? Ich könnte gerade meinen Job verlieren! Meine Augenlider begannen zu flattern.

Ruhig.

Warten. Nur bis er rausgegangen war.

Aber wer sagte das meiner Lunge? Sie zog die Luft unsanft in meinen Körper, sodass meine Brust krampfartig schmerzte. Versuchend, einen Rhythmus in meinen eigenen Kopf zu bekommen.

Rhythmus.

Gleichgewicht.

Ausgewogenheit.

Innere Ruhe.

Das hatte ich nicht.

Mein Job schien in Gefahr zu sein.

Für viele würde sich das sicherlich völlig bekloppt anhören. Aber wieso? Weil ein Mann Angst um seine Arbeit hat, in die er doch täglich – Stunde um Stunde – sein Schweiß einfließen lässt? Angst um sein Einkommen? Um die Versorgung seiner Familie? Um seine und der Angehörigen Existenz? Wieso in alles in der Welt würde das töricht klingen? Oder übertrieben?

Mister Richard sah wieder zu mir in die Augen. Seine kalte Stimme lies mich erschaudern und erinnerte mich daran, dass dieser viel zu warme Sommertag lange nicht heiß genug war! Der Chef war streng. Sehr streng. Aber ich musste mich unterordnen, weil ich keine Wahl hatte.

Ansonsten würde ich mich bald im Jobcenter um neue Stellen bemühen müssen. Als Tagelöhner, um später als schwer vermittelbar eingestuft zu werden. Ich wartete nur darauf.
 

Meine Angst wurde, zu meinem Glück nicht bestätigt.

Nach Ende meiner Arbeitszeit verließ ich mit gesenktem Kopf das Gebäude. Endlich weg hier. Aber sogleich werde ich mich in den nächsten Stress stürzen.

Ich zog mein Handy aus der Tasche. Nicht um nach der Uhrzeit zu ziehen, die allerdings durchaus relevant wäre. Mit dem Blick auf dem Display, meines mickrigen Farbhandys, erblickte ich ein Bild. Melanie … und unser Sohn.

Kevin müsste jetzt beim Fußball sein. Er liebt diesen Sport. Ich erinnere mich genau daran, wie ich eines Tages mit einem Fußball in der Hand nach Hause kam – von meinem Ganztagsjob – und ihm diesem hinhielt.

Ich musste sofort lächeln. Ich sehe noch heute seine glänzenden Augen, die auf den Ball gerichtet waren, der größer war als sein Kopf.

Umso trauriger das Bild, dass er jetzt von mir hatte.

Er ist jetzt vierzehn. Und sein einstiger Held ist zu einem, stetig abwesenden und übermüdeten Arbeiter geworden. Heut ist Mittwoch und ich hatte ihn das letzte Mal am Freitag gesehen. Früh.

Sein Ausdruck im Gesicht, wenn er mich sieht. Ich hatte das Gefühl, mittlerweile ein Fremder für ihn geworden zu sein.

Leere Augen, die mich verachtend betrachten.

Ich konnte ihm nicht einmal verübeln, dass er meine Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke nicht achtete.

Ein elektrobetriebenes Modellflugzeug zum neunten Geburtstag. Schön.

Ein Fahrrad zum zehnten. Nicht schlecht.

Sein erstes Handy am letzten Weihnachten. Na endlich.
 

Was sollte ich denn sonst tun …?
 

Diese Gedanken plagten mich den gesamten restlichen Tag.

Mit dem blauen Overall in der Werkstatt und letztlich meinem Alltagsoutfit zum Einräumen der Regale im Supermarkt nebenan, wobei ich noch mit einem tot chicen Kittel am Leib trug, überstand ich den Tag. Geradeso.
 

Die schwere der Sporttasche über meiner Schulter zwang meine Knie immer weiter in die Beuge. Selbst dann, als ich bereits die Stufen zu meiner Wohnung empor stieg. Mit den Gedanken schon im Bett. Meine Frau in meinen Armen.

Ich konnte meine Augenringe über meinen eingefallenen Wangen erahnen. Mein Herz schlug verlangsamt. Gegessen habe ich das letzte Mal vor acht Stunden. Getrunken vor fünf. Geschlafen … Reden wir nicht darüber.

Ich fand gerade so das Schloss für meinen Schlüssel und fiel förmlich durch die Tür. Meine Schuhe lies ich bereits zuvor von meinen Füßen herunterstürzen und spürte durch meine Socken – schweigen wir über den Zustand – die harten Flusen unseres alten Niederfluor Teppichs. Einige Verhärtungen ließen die verschütteten Getränke und andere veralteten Flecken erahnen.

Das Licht in der Wohnung war aus. Kevin wird wohl schlafen …

Mein Blick haftete an seiner Zimmertür. Verschlossen. Und durch den unteren Türspalt sah ich auch kein Licht.

Es klackte hinter mir. Mein Kopf schwank herum. Es war der Lichtschalter im Schlafzimmer.

»Melanie …« sagte ich mit einem Lächeln im Gesicht, als ich sie im Türrahmen stehen sah. »Ich weiß, es ist-«

»Spät.« Vervollständigte sie mich. »Wie jeden Abend in diesem Jahr.«

Das traf mich … Kurz setzte mein Herz aus. Aber ich fing mich. »Ich weiß.« Ich versuchte noch immer optimistisch zu bleiben. »Aber es kommen bessere Zeiten. In der Werkstatt komme ich gut voran. Ich denke, ich bekomme bald eine Gehaltserhöhung. Vielleicht genügt es, damit ich den Job im Super-«

»John.«, unterbrach sie mich erneut. Sie hatte ein Glänzen in den Augen. Aber wieso wurde ich das Gefühl nicht los, dass es nicht die Art war, das meinen Enthusiasmus unterstützte? Es … waren Tränen.

»Was ist denn los?«

Sie schwieg. Es war schlimmer als ein Streit. Wieso sagte sie nichts?

»Ich«, begann sie »habe dich seit sieben Monaten kaum gesehen. Merkst du nicht, wie sehr wir uns verfremden?“

Melanies tränenerstickte Stimme war niederschmetternd. Ich wollte sie doch nie weinen lassen. Nicht meinetwegen! Nicht durch Dinge, die ich tat!!

»Hey … Soweit wird es nicht kommen. Ich habe Bewerbungen geschrieben an einen Großkonzern.«

»Die hast du vor drei Monaten abgeschickt! Begreife endlich, dass das keine Zukunft hat! Es ist nicht das finanzielle, John … Dein Herz stirbt mit jeder einzelnen Stunde mehr, die du in deiner Arbeitskluft verbringst …! Und ich denke, dass deshalb … nicht mehr viel davon übrig ist …«

Meine Augen weiteten sich. »Nein, das ist so nicht wahr! Ich mach das doch für euch …!«

Sie wandte sich ab und wollte gehen. Ihr rechtes Bein hinkte dabei deutlich nach. Es musste wieder schmerzen.

Ihr Bein. Der Grund für dieses Dilemma. Na ja – eher doch der Unfall, den sie hatte. Das ist bereits sieben Jahre her. Seitdem ist sie nicht mehr in der Lage einen Beruf nachzugehen.

»Für uns?! … Kevin hat kein Vater mehr – oder hatte ihn nie. Und deine Geschenke machen es nicht besser!«

Sie hatte recht. Immer wenn ich nach Hause kam, schlief er bereits. Aber jedes Mal freute ich mich auf Melanie. Aber seit einigen Monaten war sie stets abweisender geworden. Und das Resultat sehe ich jetzt …

Eine Träne rann ihr über das Gesicht. Das schlimmste, das hätte passieren können. Es tat mir weh. Brach mir das Herz. Lies mich in dieses tiefe Loch fallen, aus dem nur sie mich rausziehen hätte können – sie war meine Rettungsleine. Doch diese zerriss in diesem Augenblick und lies mich stürzen. Das Licht in ihren Augen erlosch genau zu dieser Sekunde. Und es brach die Dunkelheit aus.

»Kevin und ich … werden zu meiner Schwester ziehen … vorrübergehend.«

Ich versuchte diesen Kloß in meinem Hals hinunterzuschlucken, aber er erstickte mich vielmehr und lies mich diese Lage mit einem dunklen Schleier betrachten. Ich wollte sie nicht an mich fesseln. Ich hoffte vielmehr an ihr Gefühl und ihrer Liebe zu mir. Wenn diese denn noch existieren mag …

Ich konnte nur nicken und war nicht einmal in der Lage, sie dabei anzusehen …

»Wir fahren morgen.«

Ihre letzten Worte. Ich hörte nur noch die sich schließende Tür zum Schlafzimmer.

»Melanie …« Es war nicht mehr als ein Flüstern.

Meine Hand glitt in meine Jackentasche. So leise wie nur möglich, legte ich eine Glaskugel auf dem Tisch ab. Die in Alkohol gelegten Rosenblätter und die dargestellten Eheringe darin, waren ein Geschenk von mir.

Meine Fingerkuppen fühlten das glatte Glas. Wie warm es doch war, trotz dieser Kälte im Raum.

»Alles Gute zum Hochzeitstag …“
 

Die Nacht verbrachte ich in einem Viertel-Klasse-Appartement. Die Federn der Matratze spürte ich noch immer in meiner Wirbelsäule.

Schlafen? So bestimmt nicht.

Mit diesen Gedanken? Unmöglich.

Mein Bewusstseinszustand an diesem Tag führte zu unguten Momenten im Büro. Konzentration war sowieso schon eine Mangelware in meinem Repertoire. Aber in diesem Zustand war es eine Rarität.

Ich speicherte die Dateien unter verfälschten Bezeichnungen. Verlegte Dokumente. Und am Ende ließ ich meinen Kaffee über meine Tastatur kippen.

Ich ahnte die Folgen bereits.

»John? Mister Richard will dich sprechen.«

Ich sah zu meinem Kollegen auf. Sein bemitleidender Blick hätte er sich sparen können.

Letztlich ging ich einfach. Mal sehen, was auf mich so zukam.

Kaum hatte ich die Klinke zu seinem Büro hinuntergedrückt, begann auch schon die Strafpredigt.

Eine Barzahlung zu Schadensbegleichung?

Eine Abmahnung?

Eine Lohnminderung …?

»Ich werde Ihnen ein Dokument mit den eben genannten Fakten zukommen lassen. Einen schönen Tag noch.«

Ja. Einen wunderschönen Tag noch …
 

Mein Gang zu meinem Arbeitsplatz war mehr ein Dahinschleifen als ein Voreinandersetzen meiner Füße. Alles ging mir noch einmal durch den Kopf. Wann hatte ich Melanie das letzte Mal lachen sehen? Es war lange her. Beherzt. Offen. Einfach ehrlich. Ich liebte sie doch so sehr. Deswegen wollte ich ihr ein gutes Leben bieten. Wieso werde ich dann so bestraft? Was habe ich denn nur unrechtes getan, dass ich das verdient habe!?

Ein Stoß auf meiner Schulter lies mein Atem stocken. Es tat regelrecht weh. Es war Christian. Ein weiterer Kollege.

»Na? Wie sieht es aus? Ist mir die Beförderung jetzt ganz und gar gesichert? Ich meine Richard wird dich doch ordentlich in die Mangel genommen habe. Na ja. Soll mir eigentlich auch egal sein.“ So setzt er sich wieder an den Laptop an seinem Schreibtisch.

Wut stieg in mir auf. Nicht darum, dass er meinen Posten bekommen würde. Sondern, dass es ihm nichts ausmachte.

Ich verlor meinen Job. Vielleicht nicht heute. Aber bald. Das war klar. Aber wenn ich mich weiterhin um diese Stelle bemühen würde, würde ich alles andere verlieren. Meine Frau. Meinen Sohn. Den Sinn meines Lebens. Ist es das wert?

»Christian? Viel Glück bei deiner neuen Stelle.« Ich lächelte. »Du wirst doch sicherlich einiges mehr verdienen als jetzt, nicht wahr?«

»Das weißt du so gut, wie ich.« Diese Selbstgefälligkeit …

Ich nickte. Neben mir an der Wand stand der gesamte Wareneingang für heute. Darunter eine Ein-Meter-Papprolle. Bestimmt ein Präsentationsplakat. Wäre nichts außergewöhnliches. Ich nahm genau diese in die Hand. Hartpappe – ziemlich kräftig.

»Dann wirst du dir sicherlich das neuste vom neusten leisten können.«

Sein fragender Blick kam etwas spät, als ich die Rolle über meine Schulter schwang – wie einen Baseballschläger – und diesen mit einer hohen Geschwindigkeit vorschnellen lies, um genau seinen mobilen Computer treffen zu können. »Ich denke ein neues Notebook ist eine gute Investition.«

Entgeisterte Stille durchfuhr den Raum. Doch ich ging nur zu meinem Schreibtisch und setzte genau das von eben fort. Ich riss die Kabel von meinem Tower und schlug den Monitor mit der Tastatur ein.

Wieviel mich das kosten wird? Egal! Mein Leben war bereits ruiniert und eine Komplettpleite war da auch nicht weiter relevant.

Schnell wurde Mister Richard auf den Lärm aufmerksam. In seinem Antlitz stand die Versteinerung mit dem Anblick der Situation.

Grinsend sah ich ihn an.

»Ich – ähm – wie nennt es sich? Ach ja. Ich kündige.«

Mein Jackett schwang ich über meine Schulter »Schicken Sie mir die Rechnung.« und verlies die Etage.

Mit dem Schritt nach draußen, kam mir die Luft noch nie so frisch vor. Ich war erleichtert. Ausgelassen. Frei.

Es war vielleicht ein Fehler. Aber niemals wird er dem entsprechen, wie es gewesen wäre, wenn ich es nicht getan hätte.

Aber was tat ich jetzt? Nach Hause gehen? Ich hatte Angst davor. Was, wenn die Wohnung leer war. Leer jeglichen Lebens. Jeglichen Lichtes? Ohne Melanie und Kevin?

Ich beschloss zu laufen. Lief einfach in den naheliegenden Park. Grün über grün. Einfach traumhaft. Die Vögel kreischten. Aber es näherte sich einer Melodie an, die mich an dem Moment erinnerte, an dem ich Melanie genau hier einen Antrag machte. Damals war das Glänzen in ihren Augen kaum noch zu übertrumpfen. Soviel Hoffnung hatte sie in diesen Augenblick gesetzt. Soviel Träume.

Hatte ich sie enttäusch …?

O, Melanie …

Ich setzte mich. Ich blieb so. Und vergas die Zeit.
 

Eine Stimme klang durch meinen Kopf. Es rief meinen Namen. Voller Angst.

»John!«

Meine schläfrigen Augen öffneten sich. Es war bereits dunkel. Das Jucken auf meiner Haut sagte mir, dass die Mücken wieder im Umlauf waren. Aggressive kleine Biester …

»John!«

Schon wieder. Wer war das? Die Wegbeleuchtung war karg. Der gelbliche Schimmer umspielte eine Silhouette in der Ferne. Zarte Kurven, die hinkend auf mich zuliefen.

Melanie?

Etwas glänzte in ihrer Hand.

Meter vor mir kam sie zum stehen. Angst? Hass? Verständnislosigkeit? Ich weiß nicht genau was es war, dass mich ansah. Aber sie würde gleich wieder weinen. Das sah ich.

»Wo warst du?«, krächzte sie kaum hörbar heraus.

»Ich wollte nicht allein in der Wohnung sein …«

Keine Antwort darauf. »Dein Chef hat mich angerufen und-«

»Ex-Chef.« Korrigierte ich sofort.

»Bist du eigentlich völlig wahnsinnig?!« Eine kleine, diamantfarbene Träne rollte ihr über die zartroten Wangen. »Du kannst doch nicht einfach so deinen Job hinschmeißen! Wieso?!«

»Weil ich nicht länger ein Sklave der heuten Zeit sein wollte.«

Ihr Schweigen zeigte mir ihre Aufmerksamkeit.

»Ich arbeitete jahrelang in Berufen, die ich hasste. Für materielles, das ich nicht brauchte.« führte ich fort. »Denn alles was ich zum Leben will … bist du.«

Ihre Unterlippe bebte vor Emotion.

Meine Arme schlossen sich um sie und ich zog sie an meine Brust. »Wozu brauche ich Geld wenn ich die, die ich glücklich machen wollte dadurch verliere …?«

Druck auf meiner Brust. Melanie schob sich mit den Händen etwas von mir weg. Aber nicht, endgültig. Sie will mich nur ansehen. Wieder glänzten sie.

»John. Eine Schneekugel?“ Sie lachte für einen Moment. Zwischen uns hielt sie diese Glaskugel nach oben.

»Ja. Wir haben uns im Schnee kennengelernt. Deine Wangen waren damals so rot, wie diese Rosenblätter, weil dir so kalt war.« Der Schatten meiner Augenlider legte sich über meine Augäpfel und lies die Erinnerungen auferblühen und so lebendig werden, wie ich sie schon lange nicht mehr erleben durfte.

Ein zartes Prickeln durchfuhr meinen Körper, als sie mich an meiner Wange berührte. »Du hast einfach so gekündigt.«

»Für uns. An Geld kommen wir. Ich glaube daran. Aber dich und Kevin allein zu lassen, wäre der größte Fehler meines Lebens.«

Sie lacht. Und mein Herz kochte.

»Ich habe zuhause auf dich gewartet.«, begann sie. »Weil da etwas im Briefkasten war.«

Gespannt verfolgte ich ihre Hand, die nach einem Inhalt in ihrer kleinen schwarzen Hängetasche griff. Ein Briefumschlag – er war bereits geöffnet. Ach Melanie, du kleines neugieriges Kind.

Ich nahm den weißen Umschlag und zog das Papier heraus.

»Ein Vorstellungsgespräch?« Ich kann es nicht glauben. Der Großkonzern ist an mir interessiert. Welch Glück.
 

Alles wird seinen Lauf nehmen.

Jetzt wieder zum Guten.

Zwanghafte Jobs, um an Geld zu kommen, das mich nicht glücklich macht, brauch ich nicht länger.

Schon bald zogen wir um.

Mit einem neuen Job war das recht gut möglich.

Die Sonne schien endlich wieder. Ich wurde aus meinem Loch gezogen. Von so einem gleißendem Schein der Liebe und des unfassbaren Glücks.
 

Und ich brauchte nur noch zwei Dinge zum Leben.

Meinen Sohn.

Und Melanie – mein Licht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Lilith-Vi
2011-02-24T18:49:12+00:00 24.02.2011 19:49
Aww ^^ ich freu mich so sehr, dass es dir gefällt =D
Es hat aber auch echt Spaß gemacht! Würd ich jederzeit wieder machen. Dass es schwierig war, kann mir Recht sein - dann musste ich wenigstens überlegen und nicht einfach drauf rumtippen.

Bin mal auf deine Auswertung gespannt =) Oder gabs dir schon und ich habs verpasst? xD
Von:  Kana
2011-02-24T08:56:13+00:00 24.02.2011 09:56
Wow, ich bin entzückt! Eine der wenigen positiv endenden Geschichten in meinem Wettbewerb xD“…
Du hast den Song von Papa Roach verarbeitet. Erfolgreich! ^^ Ich fand in deiner Story die kämpferisch schreiende Stimme des Sängers in Form von dem kämpfenden Protagonisten wieder. Der Zorn des Liedes spiegelte sich in der von der Material-besessenen Welt wieder, in der er sich befindet. Eine ziemlich gute Lösung, die du mir da präsentierst! ^^ Und hierbei auch ein großes Lob an dich! Denn meiner Meinung nach war der Song einer der schwierigen Nüsse des Wettbewerbes, die zu knacken war. Aber du hast es geschafft ihn sowohl vom Inhalt, als auch von der Musik her zu übernehmen ^^ Mir ist aufgefallen, dass sich innerhalb des Textes einige kleine Schreib- und Tippfehler befinden. Aber diese fallen bei weitem nicht so sehr ins Gewicht, wie diese tolle Umsetzung! Danke dir dafür ^^



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