Zum Inhalt der Seite

Das Fest der Liebe

Mit Curry, Rotwein und Plätzchen feiern
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Curry + Rotwein = Streit + Versöhnung

~Weihnachtsspecial~
 

---
 

„Äh… Was machst du denn hier?“, fragte Karyu und blinzelte kurz, als könne er nicht glauben, dass sein Bassist vor seiner Haustür stand.
 

Zero zuckte - wie so oft mit ausdruckslosem Gesicht - mit den Schultern. Es war typisch für sie beide, dass sie sich nicht freudig anstrahlten, sie waren keine Freunde überschwänglicher Emotionen.
 

Abwartend blieb Karyu stehen und legte den Kopf schief, während er Zero musterte. Er hatte zwei Tüten mit sich, weswegen Karyu sich fragte, was wohl darin war – und was Zero damit wollte, bei ihm.
 

„Ach na ja, ich dachte, ich koch bei dir was…“, antwortete der Bassist nach einer kurzen Pause und schaute Karyu gelangweilt wirkend an. „Es ist ja Weihnachten…und die Anderen sind bei ihren Familien.“
 

Karyu hob ein wenig verwirrt eine Augenbraue. „Wie, und da dachtest du, weil du alleine bist und ich auch, da kommst du zu mir?“, fragte er und konnte nicht verbergen, dass diese Tatsache ihn überraschte. Es war untypisch, dass der Bassist die Nähe anderer Menschen suchte.
 

Erneut zuckte Zero mit den Schultern und erwiderte nichts auf Karyus Frage, sondern sah ihn einfach nur an. „Also? Kann ich reinkommen?“
 

Ein wenig skeptisch musterte Karyu den Bassisten, dann nickte er und trat einen Schritt beiseite. „Ja, klar…“
 

Zero nickte und ging an seinem Gitarristen vorbei, zog sich noch im Gehen die Schuhe von den Füßen und verkrümelte sich auch gleich schon in die Küche, in der er zwar noch nicht oft gewesen war, aber dennoch konnte er sich erinnern, wo sie sich befand.
 

Langsam ging Karyu ihm hinterher und lehnte sich gegen den Türrahmen, während er Zero dabei beobachtete, wie er seine Tüten auspackte – Zutaten fürs Essen.
 

„Ich hoffe, du hast nichts gegen Curry?“, fragte der Bassist beiläufig, woraufhin Karyu nur den Kopf schüttelte. Ihn beschäftigte gerade eine andere Frage.
 

„Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, zu mir zu kommen und… zu kochen?“, wollte er wissen, während der Schwarzhaarige gerade Reis und alles andere neben den Herd legte und sich dann wieder zu ihm umdrehte, ihn emotionslos anschaute. Einzig seine Augen verrieten ihn. Da lag so ein zartes Glitzern in ihnen vergraben, so dass es Karyu zuerst nicht bemerkte. Für ihn war der Bassist so kühl und unnahbar wie fast immer. Zwar wusste er, dass es auch eine andere Seite an Zero gab, aber diese wusste der Andere gut zu verstecken, weswegen Karyu die meiste Zeit über vergaß, dass es sie gab.
 

„Ich war alleine zu Hause, hatte dann Lust etwas zu kochen, aber ich schaffe es immer nicht, alles aufzuessen… Und da ist mir eingefallen, dass du ja auch alleine bist… All die Anderen sind verreist wegen der Feiertage… Na ja, was heißt Feiertage…“, murmelte er und zuckte mit den Schultern, während er sich wieder umdrehte und mit irgendetwas umher hantierte. „Ich versteh das alles sowieso nicht. Weihnachten, das haben nicht mal wir uns ausgedacht, aber trotzdem rennen alle Leute zu ihren Familien… Dabei ist das eigentlich hierzulande eher etwas, das Pärchen feiern…“
 

Ein leises Grinsen legte sich auf Karyus Lippen. „Wer weiß, vielleicht haben Tsukasa und Hizumi jetzt eine Freundin…?“

Zero drehte sich zu ihm um, verzog keine Miene. Solche Themen interessierten ihn wenig. „Das hätten sie uns gesagt.“ Er wandte sich wieder dem Schneidebrett zu. „Als ob sie uns was mit ihren Eltern vorgelogen hätten, anstatt uns die Wahrheit zu sagen…“, murmelte er kopfschüttelnd, womit das Thema für ihn auch schon wieder erledigt war.
 

Leise seufzte Karyu und ließ seinen Blick durch die Küche wandern. Wie so oft war es nicht leicht, etwas zu finden, worüber man mit Zero reden konnte. Der Schwarzhaarige war zumeist wortkarg.
 

Der Gitarrist verschränkte die Arme und sah wieder zu Zero. „Kann ich dir was helfen?“, durchbrach er die Stille, die aber nicht unangenehm war. War man mit dem Bassisten zusammen, war Schweigen oft ein Teil des Zusammenseins. Man gewöhnte sich dran. Und man lernte auch, es nicht als Beleidigung oder als störend anzusehen. Zero war nun einmal ein ruhiger Mensch, der die Stille liebte. Das stand natürlich ganz im Gegensatz zu der Musik und ihren Lives, wo es es alles andere als ruhig und schweigsam zuging. Ein weiterer interessanter Aspekt an dem Bassisten.
 

„Nein nein, geht schon…obwohl, kannst du mir mal sagen, wo du deine Töpfe zu stehen hast? Und eine Pfanne bräuchte ich auch noch…“, murmelte Zero und wandte sich fragenden Blickes zu Karyu ihm, welcher eifrig nickte und nun doch endlich die Küche betrat um ebenfalls darin rumzuwuseln.
 

Er zeigte Zero alles und suchte ihm die Sachen raus, die er fürs Kochen brauchen würde, danach scheuchte der Bassist ihn aber wieder raus. „Deine Küche ist eh schon so winzig, da haben doch keine zwei Leute auf Dauer Platz, Yoshitaka“, murrte Zero, als Karyu sich beschweren wollte.

Überrascht ließ der Gitarrist sich aus der Küche schieben und sah Zero ein wenig irritiert hinterher. Hatte der Andere ihn gerade wirklich Yoshitaka genannt? Das letzte Mal, dass Zero das gesagt hatte, war schon einige Monate her und damals war er sauer auf ihn gewesen…dabei hatte Karyu doch jetzt gar nichts Schlimmes gemacht.
 

Der Bassist schien den Blick Karyus bemerkt zu haben, denn er drehte sich mit großen Augen zu ihm um. „Was denn, darf ich dich nicht mehr so nennen?“, wollte er wissen und stemmte schon beleidigt die Hände in die Hüften, doch Karyu schüttelte rasch den Kopf.

„Ich wundere mich nur etwas“, gab er offen zu und erwiderte Zeros Blick.

Der Bassist ließ die Hände sinken und zuckte mit den Schultern. „Es ist Weihnachten, wir sind hier nicht bei der Arbeit, an die ich im Übrigen auch nicht weiter denken möchte, und wir sind Freunde… und zufällig ist dein richtiger Name auch noch Yoshitaka – es gibt also genug Gründe, dich so zu nennen“, meinte Zero, mit leichter Überraschung in der Stimme.
 

Nachdenklich sah Karyu zu seinem Bassisten und zuckte dann mit den Schultern. „Okay, dann mach halt…Michiya“, erwiderte er schließlich und konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen, aber Zero störte sich nicht weiter an der Tatsache, dass Karyu ihn gerade beim richtigen Namen genannt hatte. In Ruhe werkelte er weiter in der Küche herum und schien Karyu auch schon wieder vergessen zu haben.
 

Der Gitarrist drehte sich nochmals kurz zu Zero um und schaute zu, wie dieser den Herd anmachte. Als der Bassist die Hand ausstreckte, fiel Karyu auf, wie schmal und zierlich das Handgelenk war. Leise klingelte das silberne Armband, das darum gebunden war, als Zero die Hand zurück zog um sich ein paar verirrte Haarsträhnen hinter das Ohr zu streichen.
 

Leicht runzelte Karyu die Stirn und drehte sich endlich um. Zurück im Wohnzimmer öffnete er das Fenster und zündete sich eine Zigarette an, während er sich Gedanken darüber machte, weshalb er Zero des Öfteren so gern beobachtete. Was faszinierte ihn? Seufzend schüttelte er den Kopf und wollte auf andere Gedanken kommen, als sich auch schon langsam ein Curry-Duft ausbreitete.
 

Da es bereits in sechs Tagen zum letzten Auftritt in diesem Jahr kommen würde, widmete sich Karyu nochmals einigen Unterlagen. Genau das hatte er in dem Moment machen wollen, als Zero bei ihm an der Tür geklingelt hatte. Da der Bassist seine Hilfe ja eh nicht wollte, konnte sich Karyu der Arbeit widmen.
 

Gerade als er sich die Setlist zum zehnten Mal an diesem Tag anschaute, hörte er ein Geräusch aus der Küche: Ein leises, kurzes Zischen, das sich aber ganz nach Zero anhörte.
 

Rasch stand Karyu auf und lief in die Küche, blieb stehen, als er sah, wie Zero mit vor Schmerz zusammengezogenen Augenbrauen seitlich zu ihm am Herd stand und den Zeigefinger im Mund hatte.

„Hast du dich verbrannt?“, fragte Karyu, während er zu Zero ging, aus dessen Auge sich nun schon sogar eine Träne löste.

„Hnn…“, machte der Bassist nur und man konnte ein leichtes Nicken erkennen, während er sich von Karyu wegdrehte, damit er sein schmerzverzerrtes Gesicht nicht mehr sah.

Der Gitarrist stemmte die Hände in die Hüfte und sah Zero eindringlich an. „Zero? Du musst das unter Wasser halten, das weißt du schon, oder? Ich kümmer mich so lange um das Essen.“

In diesem Moment drehte sich Zero wieder zu ihm und nahm sich endlich den Finger aus dem Mund, während er Karyu anfunkelte. „Vergiss es, du hältst dich fern vom Herd! Du versaust mir nur alles!“
 

Karyu hob eine Augenbraue und musste dann aber leicht grinsen, als Zero den Wasserhahn anmachte und sich seinen verletzten Finger unter das kühle Wasser hielt, während er mit der freien Hand zum Kochlöffel griff um den Reis in der Pfanne umzurühren. Dann sah er wieder zu Karyu, der noch immer neben ihm stand. „Los raus hier, ich schaff das schon.“

Karyu zuckte mit den Schultern und wandte sich ab. „Irgendwann solltest du Hilfe einmal annehmen“, meinte er leicht schmunzelnd und ging aus der Küche. „Wenn du mal komplett in Flammen stehst, dann brauchst du jemanden, der sich den Gartenschlauch schnappt um dein Feuer zu löschen“, rief er über die Schulter.

„Niemand wird mein Feuer löschen!“, knurrte Zero zurück, während Karyu sich schmunzelnd auf der Couch niederließ um sich wieder den Unterlagen zu widmen.
 

Schon jetzt merkte er, wie die Stimmung hier in der Wohnung lockerer geworden war, seit Zero hier war. Es war wohl wirklich eine gute Idee von dem Bassisten gewesen, her zu kommen. Es würde sicher ein besserer Tag werden als ohne ihn. Vor allem wäre der Tag nicht so lecker geworden…

Es duftete bereits verführerisch nach dem Curry, so dass Karyu sich gar nicht mehr richtig konzentrieren konnte, da sein Magen auch noch anfing verräterisch zu knurren.
 

Seufzend stand Karyu wieder auf und entschied sich, schon mal den Tisch zu decken, da musste man sich nicht für konzentrieren und er hatte was zu tun, konnte Zero sogar helfen, auch wenn dieser eigentlich jegliche Hilfe ablehnte – warum auch immer. Ständig war er der Meinung, alles selbst schaffen zu müssen, egal wie ernst die Sache war. Glücklicherweise kriegte er es meistens auch hin.

Einmal war die Sache aber schon schief gegangen. Es war bereits fast zwei Jahre her. An diesem bestimmten Tag hatten sie ein Live gehabt. Es hatte geregnet wie aus Eimern und das Konzerthaus war undicht gewesen an einer Stelle, weswegen sich auf der Bühne Pfützen ausgebreitet hatten. Während das Dach repariert wurde und die Bühne immer wieder gewischt wurde, musste der Soundcheck durchlaufen. Sie hatten die Instrumente selbst aufbauen müssen, und als Zero ein Verstärkerkabel einstöpselte, bekam er einen heftigen Schlag, so dass er den halben Auftritt über nicht ganz er selbst war…

Zero war der einzige gewesen, der alles selbst hatte machen wollen, ohne die Hilfe des einen Technikers, den sie hatten. Er hatte sich gerade um Karyus Gitarre gekümmert, und da Zero nicht hatte warten wollen, hatte er sich selbst um seine Instrumente und die Verstärker kümmern wollen.

Seitdem passten alle auf, dass Zero nicht mehr alleine seine Ausrüstung aufbaute. Es war sein Glück gewesen, dass ihm nichts weiter passiert war nach dem Unfall. Sie hatten ihn zum Arzt geschickt, aber es war alles in Ordnung gewesen.
 

„Warum stehst du da so rum und starrst mich die ganze Zeit kopfschüttelnd an?“
 

Unsanft wurde Karyu aus seinen Gedanken gerissen durch die misstrauische Stimme seines Bassisten. Er war aufgestanden und in die Küche gegangen, während er über die Vergangenheit nachgedacht hatte.

„Ach, ich äh…verstehe nur nicht, wie du dir den Finger verbrennen konntest“, redete er sich raus. „Apropos…wie geht’s dem denn eigentlich?“

Skeptisch wurde er von Zero gemustert, der sich wortlos umdrehte und weiter machte, während es klapperte. Gerade wollte Karyu eine Augenbraue heben, als er doch noch eine Antwort bekam. „Geht…“
 

Leicht ließ der Gitarrist die Schultern hängen. Zero würde sich wohl nie ändern. Er ging zum Küchenschrank, der oben an der Wand angebracht war und holte zwei Teller hervor, dann nahm er sich noch Besteck aus der Schublade und sah zu Zero. „Darf ich wenigstens schon mal den Tisch decken oder ist dir das auch schon zu viel des Guten?“, fragte er Zero leise schmunzelnd, woraufhin dieser ihn anfunkelte.

„Ist doch deine Wohnung. Mach was du willst.“, war die kühle Antwort, bevor sich der Bassist wieder dem Herd zuwandte.

Lautlos seufzte Karyu und ging hinüber ins Wohnzimmer, wo er den Tisch deckte. Warum war Zero noch mal hier? Damit sie sich gegenseitig auf die Nerven gehen konnten? Karyu schüttelte den Kopf und setzte ein Lächeln auf. Er kannte seinen Bassisten ja nun schon ein paar Jahre. So war er eben und man durfte ihm seine Art nicht übel nehmen. Er musste sich nur immer wieder selbst daran erinnern…
 

„Was grinst du denn so gequält?“
 

Augenblicklich fiel das gezwungene Lächeln von Karyus Lippen und er richtete sich auf um zu Zero zu schauen, der im Türrahmen erschienen war und ihn musterte. „Kannst du deine nervigen Fragen nicht einfach lassen? Ich grinse wie ich will“, murrte Karyu zurück, woraufhin Zero mit den Schultern zuckte und sich wieder umdrehte.

„Ist ja schon gut.“

Er verschwand in der Küche und irgendwie tat es Karyu auch gleich wieder leid, dass er so genervt reagiert hatte.

Reumütig lief er dem Bassisten hinterher. „Hey tut mir leid… Ich bin nur etwas…“

„Gestresst?“, unterbrach Zero ihn und schaute ihn mit einem überraschend sanften Blick an, doch Karyu schüttelte abwehrend den Kopf.

„Nein, wie kommst du denn darauf?“ Er ging langsam zu Zero. „Ist das Essen schon fertig?“, lenkte er ab und steckte seinen Kopf in die Küche, die er ja eigentlich nicht betreten durfte, wenn es nach dem Bassisten ging.

Lautlos seufzend schob Zero sich an ihm vorbei und nickte. „Ja, ist fertig. Ich muss das nur noch in die Schüsseln umfüllen.“ Er begann mit den Töpfen zu klappern und warf Karyu dabei einen kurzen Blick über die Schulter zu. „Und doch, du bist gestresst“, beharrte er auf seiner Meinung, weswegen Karyu die Augen verdrehte.

„Bin ich ni-hiiicht!“, widersprach er und sah Zero beim Umfüllen zu. „Wenn ich gestresst bin, weil ich so reagiere, was bist du denn dann? Reif für’n Therapeuten?“

Grummelnd nahm Zero die Schüsseln und ging an Karyu vorbei ins Wohnzimmer. Rasch folgte der Gitarrist ihm und setzte sich an den Tisch, während er Zero ansah. Irgendwie war dessen betroffener Gesichtsausdruck beunruhigend.
 

Nachdem der Bassist sich Karyu gegenüber gesetzt hatte, schaute dieser ihn aus funkelnden Augen an. „Ich bin wirklich schon in Therapie“, eröffnete er und erwiderte Karyus ungläubigen Blick ruhig. „Seit drei Jahren…“ Ein kurzes Schweigen trat ein, während Zero sich in aller Ruhe, als sei nichts gewesen, etwas auf den Teller tat. „Willst du auch was?“

Unschuldig sah er auf und Karyu fing sich endlich wieder. „Warum?“, wollte er wissen, woraufhin Zero ihn schief ansah.

„Weil du Hunger hast, vielleicht?“

Karyu hob eine Augenbraue und erwiderte Zeros Blick. „Das meinte ich nicht. Warum zur Hölle bist du in Therapie und warum wissen wir davon nichts?“, wollte er leicht aufgebracht wissen, woraufhin Zero seufzte und ihm etwas von dem Curry auf den Teller tat.

„Das ist…eine etwas längere Geschichte. Die Sache, wegen der ich in Therapie bin, liegt schon lange zurück. Und was euch angeht…ihr müsst ja nicht alles über mich wissen“, erwiderte Zero nüchtern, während Karyu ihn eingehend betrachtete.
 

„Michiya.“
 

Ein wenig irritiert hob Zero den Blick und schaute seinen Gitarristen an, der den Blick mit gerunzelter Stirn erwiderte. „Ich wusste gar nicht, dass du so witzig sein kannst“, meinte er ironisch und sah dabei ganz ernst drein. „Wir müssen nicht alles über dich wissen? Bist du dir überhaupt im Klaren darüber, dass wir eigentlich kaum etwas über dich wissen?" Langsam senkte Zero den Blick und lehnte sich zurück, während Karyu fortfuhr. „Wir respektieren, dass du so deine Geheimnisse hast und fragen nicht weiter nach. Wenn es Dinge gibt, die du uns erzählen willst oder musst, dann wirst du das zum richtigen Zeitpunkt tun, darauf vertrauen wir.“

Er seufzte leise, während der Bassist wieder aufsah, wobei sein Blick unverändert gleichgültig war. „Ja…danke Karyu. Wenn ich Lust auf tiefgründige Gespräche hätte, dann würde ich in den Zoo gehen, nicht zu dir“, sagte er schließlich kühl und blitzte den Gitarristen an.

Langsam hob Karyu die Augenbrauen und schluckte. „Okay okay, ich hab verstanden. Du willst nicht drüber reden. Aber danke für die schockierende Info.“
 

Die beiden funkelten sich düster an, dann seufzten sie beide gleichzeitig und senkten den Blick.

„Lass uns essen“, meinte Zero und Karyu stimmte dem erleichtert zu.
 

Das Schweigen, das sich nun ausbreitete, war dann doch ein wenig unangenehm, im Gegensatz zu sonst. Karyu grübelte die ganze Zeit noch darüber nach, warum Zero wohl in Therapie war. Nach einer Weile sah er auf und lächelte Zero leicht an. „Das Curry schmeckt wirklich sehr gut. Hast du das schon öfter gemacht?“, fragte er um die Stimmung aufzulockern.

Genau wissend, dass das Karyus Ziel war, hob der Bassist den Blick und sah ihn eine Weile nur an, als überlege er, ob er sich auf das kleine Gespräch einlassen sollte. Schließlich wurde sein Blick etwas milder. „Das war eben mein zweites Mal“, gab er zu und nahm den nächsten Happen zu sich. „Ist mir diesmal auch besser als letztens gelungen.“

Leicht lächelte Karyu und nickte. „Aber ich bezweifle, dass es beim dritten Mal noch besser wird. Es ist ja schon jetzt perfekt.“

Zero hob eine Augenbraue und sah den Gitarristen an. „Hör auf zu schleimen. Das hast du nicht nötig.“, meinte er nüchtern, woraufhin Karyu abwehrend die Hände hob.

„Ich wollte nur nett sein“, erwiderte er und Zero schnaubte.

„Nett? Nett kannst du sein, wenn eine alte Oma Hilfe beim Straße-Überqueren braucht. Aber doch nicht hier! Eher fress ich dich auf“, meinte er trocken und Karyu lächelte gezwungen, bevor er sich wortlos dem Essen widmete.

Zero war wohl heute nicht in so guter Laune. Also lieber schweigen.

In diesem Moment sprang der Bassist unvermittelt auf. „Ach verdammt, das hab ich glatt vergessen!“

Verwirrt stand auch Karyu auf, doch bevor er nachfragen konnte, redete Zero schon weiter. „Sag mal, hast du hier Rotweingläser?“

Verwundert nickte Karyu. „Ja hab ich. Ich such sie dir raus…“

Dankbar nickte Zero und verschwand noch mal rasch in der Küche.
 

Karyu kratzte sich am Kopf und ging zum Schrank in der Ecke, wo sämtliche Gläser für verschiedensten Alkohol standen. Er nahm sich zwei Rotweingläser heraus und stellte sie auf den Tisch, bevor er sich wieder hinsetzte und Zero mit einer großen, edel aussehenden Flasche Rotwein zurück kam. „Die hab ich letztens zu meinem Geburtstag von meiner Tante geschenkt bekommen…Ich dachte, ich warte auf einen passenden Augenblick…na ja, und da ja Weihnachten ist, hab ich ihn eben heute mitgenommen.“

Leise grinsend schaute Karyu ihm dabei zu, wie er die Gläser füllte. „Du hättest den doch auch zu meiner Geburtstagsfeier vor drei Wochen mitbringen können. War das kein passender Augenblick?“

Nun musste sogar Zero leise schmunzeln. Er stellte die Flasche beiseite und setzte sich. „Falls du dich noch erinnern kannst, was bei dem abartigen Alkoholpegel unwahrscheinlich ist, da hattest du auf deiner Party wohl ganz anderen und vor allem genügend Alkohol zur Verfügung. Da wäre mein liebevoll verpackter Rotwein völlig verkannt und unterbewertet worden“, war er der Meinung und sah zu Karyu, der leicht nickte.

„Na gut, da hast du wohl Recht. Jetzt können wir ihn ausgiebig genießen.“

Nun nickte auch Zero und hob sein Glas. „Genau. Also, lass uns anstoßen.“
 

Sie waren schon längst mit Essen fertig, die Rotweinflasche war zur Hälfte geleert und die Sonne ging unter, und noch immer sprachen sie über Karyus vergangenen Geburtstag, an dem so einige Dinge passiert waren.

Nach einer Weile wurde Karyu still und er dachte kurz nach, dann sah er zu Zero. „Weißt du…meine ehemalige Psychologin hatte auch kommen wollen…“ Der Bassist unterdrückte ein Seufzen. Karyu sagte das nur aus einem Grund. „Vergiss nicht, dass ich auch mal in Therapie war. Und ihr alle wusstet davon.“

Ernst sah Zero seinen Gitarristen an und nickte. „Ja, ich weiß. Das hab ich nicht vergessen. Aber bei dir war das was Anderes.“, erinnerte er Karyu. „Du hattest einen Unfall…“

Karyu lehnte sich zurück. „Ja schon, aber-…“
 

Doch Zero schüttelte abwehrend den Kopf, das Thema war für ihn erledigt. Der Gitarrist seufzte und sah ihm dabei zu, wie er aufstand und den Tisch abzuräumen begann, dann erhob auch er sich schweigend und half Zero dabei.

Es gefiel dem Bassisten ganz und gar nicht, dass Karyu gerade ausgerechnet den Unfall als Beispiel vorgeschoben hatte. Die Zeit damals war für alle sehr schlimm gewesen und sie erinnerten sich nur ungern daran.
 

Karyu hielt jetzt lieber den Mund und so räumten sie schweigend alles ab und säuberten noch die Küche, bevor sie zurück ins Wohnzimmer gingen und sich nochmals setzten. „Was denkst du, schaffen wir den Rest auch noch?“, wollte der Gitarrist sachte lächelnd wissen, während er auf die Flasche Rotwein deutete.

„Klar, natürlich. Ich nehm die nicht wieder mit“, meinte Zero und erwiderte das Lächeln leicht, bevor er ihnen beiden noch je ein Glas eingoß.
 

„Hm weißt du…“, fing Karyu nach Kurzem an und schaute zu Zero, der aufmerksam aufsah, „wie man Weihnachten noch nennt? ….das Fest der Liebe. Also bin ich doch stark dafür, dass wir erstmal lieb zueinander sind.“

Zero hob die Augenbrauen und nickte langsam. „Aha…wie du meinst.“

„Wie, das war’s jetzt? Mehr hast du dazu nicht zu sagen?“, empörte sich Karyu und funkelte Zero an, der den Blick ruhig erwiderte.

„Wenn ich ehrlich etwas dazu sagen würde, dann würde das aus deinem Lieb-Sein-Schema fallen“, meinte er nüchtern und lehnte sich zurück, während Karyu nach Luft schnappte und sich vorbeugte.

„Nein nein, immer raus damit! Was hast du jetzt wieder an meinem Vorschlag auszusetzen, hm? Komm, lass uns streiten, ist ja nur Weihnachten und alle anderen sind bei ihren Liebsten, außer wir!“
 

Mit großen Augen sah Zero den Gitarristen an, dessen Augen verräterisch glitzerten. „Karyu…? Was regst du dich denn jetzt so auf?“, wollte Zero leise wissen und erwiderte den aufgebrachten Blick verständnislos.

„Ich reg mich überhaupt nicht auf!“, widersprach Karyu und starrte seinen Bassisten an. „Ich bin total ruhig und freue mich, immer wieder aufs Neue mit dir herumzustreiten, egal an welchem Tag!“

„Wir streiten doch überhaupt nicht!“, meinte Zero nun ebenfalls ein wenig aufgebracht. „Du bist doch derjenige, der hier rumschreit, nicht ich! Also komm runter, ich will nicht mir dir streiten. Das ist ganz und gar nicht besinnlich.“

Irritiert hielt Karyu inne und sah Zero an. „Es ist nicht…was?!“

Leise seufzte der Bassist. „Besinnlich. Es ist nicht besinnlich. Das Wort hört man oft im Zusammenhang mit Weihnachten…“, erklärte er langsam.

„Oh…verstehe…“ Karyu runzelte die Stirn und hatte offenbar fast schon wieder vergessen, dass er mit Zero eigentlich noch nicht ganz fertig war. „Besinnlich…“, murmelte er. „Das hab ich ja noch nie gehört…“

„Ja, super Weihnachtsexperte…“, meinte Zero ironisch und trank einen Schluck Wein, dann stellte er das Glas wieder auf dem Tisch ab.

Karyu zuckte leicht mit den Schultern und schmunzelte. „Na und? Da hab ich wieder was gelernt.“

Hauchzart lächelte nun auch Zero, während er zu seinem Gitarristen schaute. „Na dann herzlichen Glückwunsch.“

Karyu nickte zufrieden und warf einen Blick aus dem Fenster, aber es spiegelte sich nur das Licht des Raumes darin, so dass er nicht erkannte, wie es draußen aussah.
 

Genau in diesem Moment wurde es plötzlich stockduster um sie herum, das Licht war unvermittelt ausgegangen. Karyu setzte sich gerade hin und lauschte, aber das einzige, das er hörte, war Zeros zittriges Ein- und Ausatmen.

Irritiert spähte Karyu durch das Dunkel zu ihm. „Zero? Was ist los mit dir?“ Aber er bekam keine Antwort. Der Bassist schien sich nicht zu regen, er atmete lediglich schneller als gewöhnlich. Alarmiert stand Karyu auf und sprach ihn ein weiteres Mal an. „Zero, ist alles in Ordnung mit dir? Sag was.“
 

Stockend atmete der Bassist tief ein, dann langsam wieder aus. „Das Licht…es ist weg…“, wisperte er mit zitternder Stimme, weswegen Karyu leicht die Stirn runzelte und sich langsam Sorgen um seinen Bassisten machte. Gerade als er auf ihn zugehen wollte, sprang Zero unvermittelt auf und stürzte aus dem Raum.
 

„Zero! Hey Zero!“, rief Karyu aus und rannte ihm hinterher. Er kam glücklicherweise schneller voran, trotz der Dunkelheit, da er sich besser in seiner Wohnung auskannte.
 

Im Flur, kurz vor der Haustür, holte er Zero ein und streckte die Hand nach ihm aus. Er bekam ihn am Arm zu fassen und hielt ihn fest. „Bleib stehen, Zero, ganz ruhig. Was ist denn mit dir los?“, wollte er wissen, doch der Bassist riss sich hektisch und wortlos von ihm los und stürzte zur Tür.

„Ich will nicht…es ist so dunkel…“, keuchte er schon beinahe panisch, woraufhin Karyu mit klopfendem Herzen auf ihn zusprang und die Arme von hinten um ihn schlang, damit er nicht weiter wegrannte.
 

„Bleib ruhig, Zero. Reiß dich zusammen“, sagte er eindringlich, aber der Bassist wehrte sich in seinen Armen und wimmerte nun sogar leise. „Ich bitte dich, Zero, rede mit mir“, flehte Karyu leise und hielt den Bassisten weiterhin gut fest.

Zero atmete schwer und erwiderte nichts, kippte ein Stück nach vorne, weswegen Karyu seinen Griff verstärkte und ihn enger an sich drückte. Jetzt machte der Gitarrist sich wirklich ernsthafte Sorgen. Hatte Zero Angst vor der Dunkelheit?
 

„Ka-Karyu…“, sagte Zero in diesem Moment bemüht beherrscht. „Sag mir…sag mir, dass alles okay ist…bitte…sag es.“

Verwirrt hielt Karyu inne und lockerte seinen Griff um den Bassisten etwas, denn er schien nicht mehr weglaufen zu wollen. „Es…es ist alles in Ordnung, Zero.“, meinte er schließlich leise. „Das ist nur ein Stromausfall, das Licht geht gleich wieder an.“

Das waren offenbar nicht die richtigen Worte gewesen. Zeros Körper begann leicht zu zittern und er atmete wieder etwas schneller. „Wo-woher weißt du, dass es nur ein Stromausfall ist…?“, wollte er mit ängstlicher Stimme wissen.

„Was soll es sonst sein? Das Licht ist plötzlich ausgegangen, die Anzeigen, selbst die Laternen vor unserem Haus.“

„Passiert das hier öfter?“, fragte Zero leise nach.

„Nein, eigentlich nicht. Das letzte Mal war vor zwei Jahren“, antwortete Karyu ruhig und strich beruhigend mit der Hand über Zeros Brust. „Versuch, dich zu beruhigen, Zero. Es wird dir hier nichts passieren, hörst du? Ich bin ja auch noch da, du bist nicht allein“, sprach er ihm gut zu. „Und der Stromausfall wird sicher auch bald vorbei sein und das Licht geht wieder an, okay?“
 

Langsam nickte Zero und atmete noch ein paar Mal tief durch, diesmal weniger zittrig. Er schien sich zu beruhigen.

„Gut. Ich hab im Wohnzimmer im Schrank noch ein paar Kerzen. Die werd ich am besten erstmal anmachen, damit es hier nicht mehr so dunkel ist, ja? Warte hier auf mich…“, sagte Karyu leise und ließ Zero los, aber der Bassist griff nach dem Arm des Gitarristen.

„Nein, halt…“, bat er mit noch immer ängstlicher Stimme. „Ich komm mit. Ich muss… Ich kann nicht allein sein“, flüsterte er. „Es ist besser, wenn ich...bei dir sein kann“, gab er leise zu.
 

Karyu fragte nicht weiter nach, er wunderte sich lediglich im Stillen und nickte. „Okay, dann komm mit…“, erwiderte er und umfasste Zeros zierliche Hand, bevor sie zusammen ins Wohnzimmer gingen. Er hatte nur gedacht, dass Zero vielleicht zu schwach zum Laufen war, aber es schien ihm wieder recht gut zu gehen. Jetzt wäre es nur noch toll, wenn das Licht tatsächlich wieder anginge…
 

Kaum dass Karyu Zeros Hand los ließ, als sie vor dem Schrank angekommen waren, um nach den Kerzen zu suchen, spürte der Gitarrist, wie sich Zero an ihm festhielt, in dem er die Arme um seine Taille schlang.

„T-tut mir leid, dass ich so…anhänglich bin…“, nuschelte der Bassist verlegen. „Das-das hört gleich wieder auf…“

„Eh…schon gut…wenn’s dir hilft…“, murmelte der Gitarrist und lächelte schief. Es störte ihn wirklich nicht, nur war er so etwas von Zero überhaupt nicht gewohnt. Der Bassist war sonst ja auch eher kühl und abweisend. Da hatte Karyu wohl eine neue Seite an ihm entdeckt!

Während er die oberste Schublade herauszog und ein wenig darin kramte, fühlte er Zeros schnell schlagendes Herz an seinem eigenen Körper, was ein warmes Gefühl in seinem Bauch auslöste.
 

Rasch nahm er sich drei Kerzen und schloss die Schublade wieder, dann fischte er ein Feuerzeug aus seiner Hosentasche und machte die erste Kerze an. Langsam ließ Zero ihn daraufhin los und nahm sich vorsichtig die Kerze. In seinem Gesicht stand Erleichterung geschrieben. Scheinbar reichte das bisschen Licht aus, um ihn zu beruhigen. Leicht lächelte Karyu und war genauso erleichtert wie Zero, während er die letzten beiden Kerzen anzündete und dann zur Couch rüber ging, wo er die Kerzen auf dem Tisch abstellte.
 

Der Bassist folgte ihm und setzte sich, doch behielt er seine Kerze in der Hand. „Ich sollte langsam lieber…nach Hause gehen“, sagte er leise. „Denke ich.“

Während Zero in die Kerzenflamme starrte, lächelte Karyu schwach. „Schau mal raus“, forderte er den Bassisten auf. „Es regnet stark. Und außerdem ist es schon spät. Du würdest den letzten Zug wohl gerade verpassen. Ist schon blöd, dass ich so weit vom Bahnhof wegwohne…“, sagte er leise. „Und auf mein Motorrad willst du dich ja auch nicht setzen, sonst hätte ich dich eben nach Hause gefahren.“

Zero sah vom Fenster zu Karyu und nickte stumm. Er mochte Motorradfahren überhaupt nicht. Am wenigsten mochte er Karyus Fahrstil…

„Ich denke, es ist das Beste, wenn du hier bleibst, Zero. Ich weiß, du magst das nicht so, aber es wäre erstmal besser. Draußen fängst du dir nur was ein…und ich werd mir alle Mühe geben, es dir hier angenehm zu machen. Ob mit oder ohne Licht.“

Zögernd sah Zero ihn an, und genau in diesem Moment ging das Licht wieder an. Es erhellte den Raum und auch Karyus Gesicht. „Na siehst du, jetzt könntest du im Bad beim Duschen sogar was sehen“, meinte er und grinste leicht. Zero lächelte schwach und stellte die Kerze auf dem Tisch ab.

„Also, bleibst du?“, wollte Karyu freundlich wissen, woraufhin der Bassist langsam nickte.

„Ja, ich denke schon…bleibt mir ja nicht viel anderes übrig…“

„Danke für die Begeisterung“, meinte Karyu, doch das leichte Lächeln auf seinen Lippen entschärfte die ironischen Worte.

„Hey, das ist nichts gegen dich“, setzte Zero an, aber Karyu schüttelte schon beschwichtigend den Kopf.

„Ist in Ordnung. Ich akzeptiere, dass du ungern bei anderen übernachtest. Das ist eben so“, sagte der Gitarrist sanft und stand auf. „Ich such dir was zum Schlafen raus. Ach und…wie hättest du es gerne? Also du kannst hier auf der Couch schlafen oder im Schlafzimmer im Bett…und eh..ich weiß ja nicht, schläfst du…mit Licht? Viel oder wenig?“, wollte er wissen und schaute Zero fragend an, der überraschenderweise etwas rot angelaufen war.

„Ach…mach dir keine Umstände…“, antwortete er langsam. „Ich..bleib jetzt einfach hier und…das Licht der Laternen draußen ist mir genug…“

Kurz betrachtete Karyu ihn nachdenklich, dann nickte er. „Na gut…“
 

Rasch ging er rüber ins Schlafzimmer, wo er im Kleiderschrank nach einem Pyjama für Zero suchte, der nicht allzu groß war. Zurück im Wohnzimmer hatte der Bassist die Kerzen wieder ausgepustet und den Wein samt Gläser in die Küche gestellt. Karyu gab ihm die Schlafsachen und ging dann noch mal in die Küche um sich etwas zu trinken einzugießen. „Weißt du“, rief er Zero zu, „bist du dir sicher, dass du nicht doch im Bett schlafen willst? Das ist kein Problem.“

„Nein, geht schon“, erwiderte der Bassist nur, während Karyu mit seinem gefüllten Glas ins Wohnzimmer zurück ging.

„Du kannst aber wirklich eine Lampe hier anmachen, meine Stromrechnung verkraftet das…“, meinte er und blieb abrupt stehen, als er sah, wie Zero sich gerade umzog. Mit nackter Brust und dem Pyjamaoberteil in der Hand stand er vor der Couch und sah zu Karyu auf.

„Es geht schon, Yoshitaka, danke“, sagte er ruhig und zog sich das Oberteil über den Kopf, bevor er begann, an seiner verwaschenen Jeans zu nesteln.

Karyu wandte sich ab und nickte nur. „Wie du willst. Ich bin mal schnell duschen…“
 

Etwas hastig ging er ins Bad und schloss die Tür hinter sich. Hatte er das gerade richtig mitbekommen? Dass Zero halbnackt vor ihm gestanden hatte, war das so besonders? Kopfschüttelnd entkleidete sich Karyu und stieg unter die Dusche. Es war ja nicht das erste Mal, dass er Zero beim Umziehen gesehen hatte. Oft passierte es nicht, aber es war immerhin schon mal der Fall gewesen, also warum hatte es ihn eben so…geschockt?

//Ach, wie Zero schon sagte, du bist gestresst//, dachte Karyu und versuchte an andere Dinge zu denken.
 

Da er so eilig und ohne groß nachzudenken ins Bad gegangen war, hatte er seine Schlafsachen nicht mitgenommen und band sich deswegen das Handtuch um die Hüfte, bevor er in sein Schlafzimmer ging und im Schrank zu suchen begann. Er schmiss die Sachen aufs Bett und zog sich eine dunkel karierte Boxershorts an, das Handtuch landete vorerst auf dem Boden. Gerade als er nach seinem Schlafshirt greifen wollte, sah er aus dem Augenwinkel, wie Zero im Türrahmen erschien.
 

Karyu wandte den Kopf zur Seite und sah den Bassisten an, der ihm nicht in die Augen schaute, sondern ein Stück tiefer. Fragend folgte Karyu Zeros Blick und sah an sich hinab, dann hielt er inne und hob langsam seine Hand zu der Narbe schräg oberhalb seines Bauchnabels, über den rechten Rippen. Behutsam strich er über die hellrote Narbe und schaute wieder zu Zero auf, welcher nun auch langsam den Blick hob und Karyu ansah. „Es ist gut verheilt…“, sagte der Bassist leise, woraufhin Karyu nur nickte. „Das letzte Mal hab ich die Narbe wenige Tage nach der Operation gesehen…“, erinnerte er sich und kam ein Stück näher, während sein Blick wieder zur Narbe wanderte.

Karyu sah ebenfalls erneut hinab und ließ seine Finger ein weiteres Mal über die leichte Erhebung fahren. „Manchmal tut sie weh…“, gab er leise zu. „Ich frage mich, ob die Familie dann besonders trauert...“
 

„Karyu, du weißt, dass es nicht deine Schuld war“, erwiderte Zero ernst, woraufhin der Gitarrist abwesend nickte und langsam wieder den Kopf hob.

„Ja…“, sagte er nur leise und zog sich endlich sein Schlafshirt über.

Die drückende Stimmung schien nun ein wenig zu schwinden und Zero seufzte lautlos. „Tut mir leid, dass ich davon angefangen habe…“, murmelte er und drehte sich um.

Karyu sah ihm schweigend hinterher, wie er zur Tür ging. „Zero…“, begann er dann vorsichtig, so dass der Bassist stehen blieb und sich fragend zu ihm umwandte. „Was…war da vorhin los?“, wollte er wissen. „Du musst mir ja nicht jedes Detail erzählen…ich will nur verstehen, was passiert ist…warum du so panisch warst…“
 

Zero senkte den Blick und strich sich über den Arm. Es war ihm sichtlich unangenehm, darüber zu reden. „Es ist…so was wie ein Trauma… Eine posttraumatische Belastungsstörung…“, antwortete er ruhig. „Sehr viele Menschen leiden darunter. Bei mir liegt die Ursache dafür in meiner frühen Jugend… Die Folge davon ist, dass ich…ein paar Probleme bekomme, wenn es dunkel ist… Normalerweise hält sich das alles in Grenzen, aber wenn es so plötzlich stockduster wird, so wie vorhin beim Stromausfall, dann…wirkt sich meine Angst ein wenig heftiger aus…“
 

Er machte eine Pause und es schien auch nicht wirklich so, als wenn er mehr dazu sagen wollte, weswegen Karyu langsam nickte. „Okay…danke.“, sagte er und setzte sich aufs Bett, während Zero sich wieder zur Tür drehte und einen Schritt aus dem Zimmer tat. Er hörte den tiefen Seufzer Karyus, sah aber nicht, wie der Gitarrist sich mit der Hand übers Gesicht fuhr und die Knie anzog. „Gute Nacht“, sagte Zero noch und schloss dann die Tür, aber er ging nicht ins Wohnzimmer, sondern blieb vor Karyus Zimmer stehen. Er hatte es jahrelang gut versteckt und nun war es plötzlich raus, sein Geheimnis. Aber er konnte sich auf den Gitarristen verlassen und wusste, dass dieser es nicht weiter erzählen würde.
 

Er spähte in Richtung Wohnzimmer, wo noch Licht an war, hier im Flur stand er im Halbdunkel. Gerade wollte er weitergehen und fragte sich schon, warum er eigentlich noch hier rumstand, als er etwas hörte. Es kam eindeutig aus dem Schlafzimmer und hörte sich stark wie ein Schluchzen an. Zero biss sich auf die Unterlippe und seine Finger legten sich schräg hinter ihm wieder auf die Türklinke. Das Rascheln der Bettdecke war zu hören, aber ebenso ein paar erstickte Laute. Zero gab sich einen Ruck und öffnete die Tür.
 

Karyu hatte sich in die Bettdecke eingekuschelt und auf die Seite gedreht, lag mit dem Rücken zu ihm.

„Karyu…?“, fragte der Bassist leise und blieb stehen. Dank des Lichts, das noch an war, konnte er genau sehen, wie sich Karyu unter der Decke versteckt hielt und sich nicht bewegte.

„…was ist los…?“, nuschelte der Gitarrist ins Kopfkissen und legte sich die Hand auf den Mund um den nächsten Schluchzer zu unterdrücken. Er wünschte sich in diesem Moment nichts mehr, als dass Zero bitte wieder aus dem Zimmer verschwand und schlafen ging. Er sollte nicht mitbekommen, dass sein Gitarrist hier rumheulte. Das war alles andere als würdevoll.

„Das frag ich dich, Yoshitaka“, sagte Zero in diesem Moment und ein wenig Misstrauen schwang in seiner Stimme mit.

Langsam ging der Bassist zum Bett und blieb dicht an der Seitenkante stehen, bevor er sich ein wenig vornüber beugte um einen Blick auf Karyu werfen zu können.

„Was soll denn sein…?“, murmelte der Gitarrist, aber seine brüchige Stimme verriet ihn.

Zero bekam große Augen. Hatte er also doch richtig vermutet, Karyu weinte! Er schluckte und knabberte unsicher auf seiner Unterlippe herum. Das letzte Mal war schon eine Weile her, damals, vor Monaten, war ein befreundeter Musiker gestorben…

Vorsichtig kletterte der Bassist auf das Bett zu Karyu und legte ihm eine Hand auf die Schulter, während er sich über ihn beugte und sein tränennasses Profil betrachtete. „Warum weinst du…?“

Trotzig drückte Karyu den Kopf ins Kissen und schloss fest die Augen, als könne er so die Tränen zurück halten. „Ist es wegen des Unfalls?“, fragte Zero nach. „Du weißt, dass es für jeden schwer war, aber du trägst nicht die Schuld, hörst du?“

„…ja…es ist nur…auch wegen dir…“, murmelte Karyu ins Kopfkissen, woraufhin Zero überrascht die Stirn runzelte. „Wegen mir?“, wiederholte er verständnislos und dachte kurz nach, dann glaubte er kurz darauf zu verstehen. „Du… Meinst du das ernst?“, fragte er ungläubig nach. „Weil ich dir das eben erzählt hab…?“

Karyu schniefte und drehte sich abrupt zu Zero um, sah ihn aus tränennassen Augen an. „Ach, lass mich doch in Ruhe!“, herrschte er ihn mit zitternder Stimme an. „Geh halt, wenn du es mir nichts glaubst und lass mich in Frieden!“ Der Gitarrist drehte sich beleidigt wieder auf die Seite und kuschelte sich in die Bettdecke. Ein Schniefen konnte er nicht unterdrücken. Zeros Reaktion hatte ihn verletzt.
 

Der Bassist richtete sich betroffen ein Stück auf. „Tut mir leid, Karyu. So war das nicht gemeint“, versuchte er ihn zu beschwichtigen und strich ihm über die Schulter.

„Ja, ja, sicher“, murrte Karyu und drehte sich erneut zu Zero um, richtete sich sogar ein Stück auf und funkelte ihn an, weswegen der Bassist ihn überrascht ansah. „Wir machen uns Sorgen um dich, Michiya! Aber wir sagen selten etwas, weil wir es akzeptieren, dass du nie Hilfe willst! Und genau das ist es, was mich ärgert“, gab er zu. „Ich verstehe nicht, warum du dir nicht ab und zu mal helfen lässt. Du kannst doch froh sein, dass wir dir das anbieten. Dafür sind Freunde doch da! Aber du bist immer so abweisend…“ Karyu holte Luft und zog die Nase hoch. „Damals in Club Dorothy wärst du beinahe draufgegangen, wenn ich dich nicht von deinem Verstärker weggezogen hätte! Und ich hab dir vorher noch gesagt, dass du mit dem Aufbauen warten sollst, bis der Techniker Zeit für dich hatte, schließlich war die ganze verdammte Bühne nass! Aber nein, der Herr meinte ja, alles selbst schaffen zu müssen! Du hättest sterben können!“ Er machte eine Pause und sah Zero anklagend an, der den Blick stumm erwiderte. „Hätte ich gewusst, dass du in Therapie bist, hätte ich dir vielleicht irgendwie helfen können, wenn du es zulassen würdest! Aber gut, dann leide alleine weiter vor dich hin. Doch bitte tu nicht so, als würde es dich interessieren, was ich denke und fühle! Vor allem biete mir nicht deine Hilfe an, wenn du sie selbst nicht mal annehmen kannst!“

Karyu starrte seinen Bassisten aufgebracht an, während Zeros Lippen anfingen zu zittern. „Du gehst zu weit“, sagte er leise, aber der Gitarrist schüttelte den Kopf.

„Nein, das tue ich nicht. Ich sage nur, was ich denke – und wie die Situation ist. Kannst ja mal drüber nachdenken.“

Er drehte sich weg und legte sich wieder hin, während Zero ihn fassungslos anschaute. „Du kannst dich doch jetzt nicht einfach so umdrehen und nichts weiter dazu sagen!“, beschwerte er sich, und Karyu erbarmte sich sogar zu einer Erwiderung.

„Doch kann ich wohl“, meinte er trotzig. „Denk du erstmal über das nach, was ich gesagt habe, das meinte ich nämlich ernst. Und jetzt gute Nacht!“
 

Noch kurz starrte Zero seinen Gitarristen an, dann stand er auf und schluckte. „Du hast überhaupt keine Ahnung, was mich bewegt! Du weißt doch gar nicht, warum ich so bin, wie ich bin!“, gab er wütend zurück, woraufhin sich Karyu mit dem Kopf kurz zu ihm umwandte, den Blick aus funkelnden Augen erwiderte.

„Na wie soll ich das denn auch bitte wissen?! Du erzählst ja nie was!“
 

Grummelnd kuschelte sich Karyu wieder in die Decke und ins Kissen, während Zero sich einfach umdrehte und wortlos aus dem Zimmer lief.

Die Tür knallte zu und ein leises Schniefen entkam Karyu. Erneut sammelten sich ein paar Tränen in seinen Augenwinkeln. Er setzte sich auf und starrte auf die Tür, durch die Zero soeben hinaus gestürmt war. Er mochte sich nicht mit ihm streiten, das letzte Mal, in dieser Heftigkeit, war Jahre her.

Irgendwie machte ihn gerade alles traurig. Seit Monaten hatte er nichts von seinen Eltern gehört, nicht einmal zu seinem Geburtstag, es war Weihnachten und all seine Freunde waren verreist. Dann war da Zero schon zu ihm gekommen und am Ende stritt er sich nur mit ihm. Was für ein beschissener Abend! Tolles Weihnachten…
 

Ein letztes Mal schniefte er erstickt, dann schlug er kurz entschlossen die Bettdecke beiseite und stand auf, ging zur Tür und öffnete diese.

„Hey, ich weine!“, rief er und ging ins Wohnzimmer, wo noch Licht an war. „Also kannst du mich ja wenigstens trösten!“

Er baute sich vor Zero auf, der auf der Couch saß und blinzelnd zu ihm aufsah. „Ich höre aber nicht, dass du weinst. Ich sehe nur eine Träne da an deinem einen Auge“, erwiderte er kühl, woraufhin Karyu sich diese mit dem Arm wegwischte.

„Ist ja schon schlimm genug. Du treibst mir die Tränen in die Augen, bist du stolz drauf?“, wollte Karyu wissen und setzte einen verletzten Gesichtsausdruck auf. Aber so viel spielen musste er da gar nicht, er war immer noch ein wenig verletzt von Zeros Verhalten und Reaktionen.

Der Bassist sah ihn kurz an, dann seufzte er und klopfte neben sich auf die Couch. „Setz dich zu mir…“, sagte er leise, was Karyu dann auch gleich tat.

Stille trat ein und der Gitarrist verschränkte abwartend die Arme. Er begann schon die Uhr ticken zu hören, als Zero dann doch noch etwas sagte.

„Es tut mir leid… Ich weiß, dass man es mit mir nicht so leicht hat…“ Er seufzte lautlos. „Ich versuche ja schon, diese Probleme mit der Therapie wieder hinzukriegen…aber es ist schwierig.“, gab er zu.

Karyu sah ihn von der Seite an, während sein Blick milder wurde. „Okay, Entschuldigung angenommen. Und…mir tut es auch leid. Ich wollte dich nicht so anfahren…“

Verlegen senkte Zero den Blick. „Na ja, du hattest ja nicht ganz Unrecht. Und jetzt weiß ich auch, was du denkst…das ist gut.“

Skeptisch sah Karyu ihn an. „Ist es das?“

Leicht lächelnd hob Zero den Blick wieder und nickte. „Ja, ich denke schon. Meine Therapeutin sagt immer, dass ich möglichst viel über meine Mitmenschen wissen soll, damit ich angemessen reagieren kann."

So ganz verstand Karyu das nicht, aber er wollte Zero nicht weiter bedrängen.
 

„Ist dir immer noch nach Weinen zumute?“, wollte Zero nach einer Weile wissen, woraufhin Karyu leicht mit den Schultern zuckte.

„Hmm nein, eigentlich nicht so…“

Leise lächelte Zero und nickte, dann legte er einen Arm um Karyus Schulter. Ein wenig überrascht sah Karyu ihn an, doch er sagte nichts darauf, sondern lehnte sich lediglich gegen Zero und seufzte leise. Eindeutiger konnte ein Friedensangebot nicht sein. Sie beide würden ihre Streitigkeiten erstmal ruhen lassen.
 

Nach einer Weile hob Zero seine Hand und strich immer wieder durch Karyus dunkelblondes Haar, so dass der Gitarrist wohlig zu schnurren begann. Hätte Ryuutarou, sein Kater, noch gelebt, hätte er dem Tier ernsthaft Konkurrenz machen können.

Irgendwann verstummte das Schnurren und Karyus Kopf sank schwer gegen Zeros Schulter, so dass der Bassist wusste, dass der Andere eingeschlafen war.

Er kratzte sich am Kopf und überlegte, was er jetzt machen sollte. Er sah sich um und streckte sich dann um die Lampe neben der Couch auszuschalten. Dann hielt er Karyu mit der einen Hand fest und legte sich hinter ihn an die Lehne, dann zog er ihn zu sich in eine liegende Position.

Eingeklemmt zwischen Lehne und Karyu ging es ihm gut und er konnte auch ohne Probleme einschlafen, obwohl lediglich ein wenig Licht von draußen, von den Laternen, herein schien.
 

---
 

tbc~
 

Im nächsten Teil versucht Karyu, Zero zum Plätzchen backen zu überreden. Dabei entdecken beide, dass sich ihr Verhältnis zueinander langsam verändert...



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Sixty69Nine
2010-12-30T20:43:07+00:00 30.12.2010 21:43
Wow ich find die Story echt ne coole Idee, gefällt mir sehr <3
Das Ende ist echt zu süüeess<3
Aber Zero & Karyu sind echt zuu Arm =( Echt traurig was siie für Probleme haben -.-

Freu mich sehr aufs nächste Kapitel ^___^
Von: abgemeldet
2010-12-30T10:01:12+00:00 30.12.2010 11:01
gefällt mir sehr gut *__*
zero hat mir ein bisschen leid getan als karyu in angeschrien hat XD
finds echt toll wie du die charakter darstellst ^^

bin schon gespannt wie es weiter geht und freu mich auf die fortsetzung <3



Zurück