Häuslebauer
„Auauauauauauauauauauauauauauaaa...“
„Jammer nicht so. Du tust ja gerade so, als hättest du die nen ganzen Finger abgeschnitten!“
Chris versuchte Vinc einen Splitter aus dem Finger zu ziehen, doch der zappelte viel zu sehr, als das dieser Versuch von Erfolg gekrönt sein würde.
„Ach, mach den Mist doch alleine...“, gab er schließlich auf und nahm sich einfach wieder den Hammer, um die nächsten Bretter der Fassade festzunageln.
„Das kannst du doch nicht machen!“, jammerte der Schwarzhaarige weiter, aber sein bester Freund ignorierte ihn.
Nicht mehr viel und sie konnten drinnen weiter machen. Sobald sie alle Holzarbeiten erledigt hatten, würden sie streichen und zu den kleineren Dingen übergehen.
Stephen war so nett gewesen vorbeizukommen, um zu helfen, aber er war nicht hier draußen. Seine Aufgabe war drinnen nach den Leitungen und Rohren zu schauen, damit sie nicht böse überrascht wurden, sobald sie fertig waren.
Der blonde Amerikaner nagelte das Brett fest und nahm sich dann die Cola, die sie hier herumstehen hatten. Erst beobachtete er wie Vinc versuchte sich den Splitter selbst heraus zu ziehen, ließ dann seinen Blick aber zum Wasser gleiten.
Markus saß auf dem Steg und ließ die Beine ins Wasser baumeln. Er hatte kein Interesse daran gezeigt zu helfen, aber das war ihnen allen Recht. Wenn er es täte, wäre vermutlich das meiste ihrer Arbeit umsonst, da er alles wieder zerstören würde.
Er musste dafür nur einmal austicken.
Manchmal war es schon nicht leicht mit dem Kerl.
„Die Leitungen sind alle gut. Aber bei den Rohren in der Küche müssen wir mindestens zwei Austauschen, bevor wir die neue Küche einbauen können“, hörte Chris die Stimme des Größten ihrer Gruppe.
Chris drehte den Deckel zurück auf die Flasche und nickte.
„Gut, dann holst du am besten neue Rohre. Immerhin hast du da die meiste Erfahrung mit. Aber … du könntest uns vorher mit dem neuen Fenster helfen, dann können wir oben schon einmal alles streichen.“
Stephen wäre ja eine ganze Weile weg und zu Zweit ginge das sicherlich nicht so einfach – wobei Vinc vermutlich wegen seiner schweren Verletzung ausfallen würde.
Jammerlappen!
„Mache ich gerne“, erklärte Stephen und ging wieder rein.
Chris machte Vinc darauf aufmerksam, das er auch rein gehen sollte, damit er sich von Stephen schon einmal erklären lassen konnte, was zu tun war, während er hier draußen endlich die letzten Latten befestigte und ihm dann folgte.
„Was ein Ausblick!“
„Ja... Ich muss schon zugeben, ich bin ein wenig neidisch!“, gab Stephen zu, als er aus dem großen Panoramafenster sah und direkt auf den See schauen konnte.
„Das kannst du auch sein. So ein Haus wird von uns wohl nie einer haben“, erklärte Chris.
Vinc war wieder mit dem winzigen Holzsplitter beschäftigt und schaute gar nicht erst hinaus. Er hob nur irgendwann die Augenbraue und zuckte dann mit den Schultern.
„Dorian kommt“, erklärte er sein Verhalten und schaute nun doch aus dem Fenster.
Er vermisste Mischa und hier herum zu hantieren machte es nicht besser, aber das würde er keinem verraten. Vielleicht würde es durch ignorieren leichter werden.
Noch fühlte es sich allerdings nicht so an.
„Was will den Dorian hier?“, fragte Stephen und auch Chris war erstaunt. Mit dem hätten sie nicht gerechnet und so machten sie sich alle auf den Weg runter, um ihren Boss zu empfangen.
Markus saß noch immer am Wasser, als der Wagen von Dorian anhielt und der Älteste unter ihnen aus dem Wagen stieg.
„Hey Jungs“, begrüßte er sie. „Ich wollte mal schauen, wie es hier aussieht.“
Somit war seine Anwesenheit geklärt.
„Wir könnten viel eher Hilfe gebrauchen“, versuchte Chris noch eine Hilfskraft zu bekommen.
„Ich hab was besseres“, erklärte Dorian und öffnete seinen Kofferraum.
„Wie wäre es mit einem leckeren BBQ?“
Was eine Frage, natürlich waren da alle auf seiner Seite!
Während Dorian den Grill aus seinem Auto hievte, ebenso wie einen Klapptisch, wo er das Fleisch und die anderen Utensilien drauf verteilte, fuhr Stephen los, um die fehlenden Rohre und entsprechendes Werkzeug zu holen.
Zwar würde es Essen geben und vermutlich hätte er die erste Fuhre Steaks, Rippchen oder Burger verpasst, wenn er zurück kam, aber ihm waren die Rohre nun wichtiger, da er die nächsten Tage keine Zeit hatte.
Immerhin hatte er auch noch ein Leben – neben Markus, was schon schwer genug war.
Chris hatte Vinc noch dazu überreden können das obere Zimmer zu streichen. Dann wäre es dort oben soweit fertig, da es ja erst einmal leer blieb. Leer und weiß, das fand er gruselig und auch Vinc hatte keine große Lust ausgerechnet damit die Wände zu färben.
Die Farbe war so gar nicht seins und vermutlich die keines Schattens.
Aber es war Mischas Wunsch und er wusste ja inzwischen, das der Tscheche diesen unschuldigen Farbton sehr schnell beseitigt hätte, wenn er erst einmal wieder hier war.
Wann auch immer das sein würde. Die besten Nachrichten hatte er dazu ja nicht gerade bekommen. Da bildete sich schon ein kleiner Knoten in seinem Magen, der womöglich nur durch etwas essbares wieder verschwinden würde.
Die neuen Fenster standen weit auf, die Wände waren fast schon trocken und Vinc saß mit Chris noch immer hier oben auf dem Boden. Sie schauten gemeinsam raus, über den See, und tranken das Bier, das ihnen Dorian hochgebracht hatte. Der hatte sich das Haus nun doch einmal von innen angesehen und das natürlich nicht, ohne die Ausrede ihnen nur etwas zutrinken bringen zu wollen.
Aber es gefiel ihm offenbar. Oder auch nur die Tatsache, das sie es schafften zusammen zu arbeiten, ohne sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Vielleicht waren das die Momente, in denen er wusste, das er irgendetwas richtig gemacht hatte. Zwischen all seinen Fehlern und schlechten Entscheidungen, hatte er es doch geschafft, das sich die Jungs zu so etwas wie Freunden entwickelten. Manchmal stritten sie sich, manchmal prügelten sie sich, aber wenn es sein musste, dann halfen sie auch einander.
Das war gut!
Blieb nur ein Sorgenkind – Markus.
Was er mit dem machen sollte, wusste er wirklich nicht. Im Moment musste er darüber aber auch zum Glück nicht nachdenken. Keiner musste das, denn Markus saß noch immer friedlich am Wasser. Zwar warf er kleinere Steine und Stöcke in das kühle Nass, aber das tat ja keinem weh und solange er nichts am oder im Haus zerstörte, war den anderen sein Tun egal.
Sie waren sogar ganz froh drum, das er so ruhig war. Auch wenn es sicherlich nichts gutes hieß.
„Mist, das Bier ist leer“, murrte Vinc, als er im Licht des Sonnenuntergangs durch die Flasche schaute um zu prüfen, warum da nichts mehr kam.
„Du säufst das ja auch weg wie Wasser. Solltest dir mal Zeit lassen!“
„Warum? Es wirkt ja auch nur wie Wasser“, war sein simples Argument.
Ganz unrecht hatte er damit nicht. Wobei Chris fand, das es vor allem um den Geschmack ging und nicht um die Wirkung, aber da dachten sie wohl unterschiedlich. Also wechselte er lieber das Thema.
„Ich bin stolz auf uns!“, erklärte er und Vinc schaute fragend zu ihm. Chris lächelte ihn an, um dann wieder aus dem Fenster zu schauen.
„Wir sind jetzt fünf Tage hier dran und haben die Fassade ausgebessert, das Dach überprüft und undichte Stellen geschlossen, die Fenster ausgetauscht und Stephen hat gleich die Rohre fertig. Das ist ein ziemlich großer Teil und ich dachte wirklich, wir würden länger brauchen. War schon gut, das nicht so viel kaputt war, wie gedacht... und Stephen war hilfreich. Das mit den Fenstern hätte ich nicht gewusst. Wie man die richtig abdichtet und alles.“
Vinc nickte nur. Er konnte nur froh sein einen so guten Freund zu haben. Denn er hatte von allem hier keine Ahnung. Eigentlich war er sogar erstaunt, das Chris das alles konnte und wusste. Vielleicht lag es an seiner Arbeit. Oder eher der, die er mal gemacht hatte. Wenn er sich recht erinnerte, hatte der Blonde mal in einem Baumarkt gearbeitet. Offenbar lernte man dort wirklich viel.
„Meinst du, wir sind fertig, bis Mischa zurück kommt?“, fragte Vinc, nachdem er sich einfach die Flasche von Chris genommen hatte.
„Kommt ein wenig darauf an, wann er zurück sein wird. Für alles, was hier drin noch gemacht werden muss, werden wir sicher auch noch eine, vielleicht sogar zwei Wochen brauchen“, erklärte der Blonde. „Wobei das viel damit zu tun hat, das der Lack für die Dielen schon fast einen ganzen Tag zum trocknen braucht. Die Küche wird uns aufhalten, mit dem abmessen, das alles in Waage ist...“
Er konnte es wirklich nicht beantworten. Allerdings wäre es sicherlich sehr schön für Mischa, wenn er hier ankommen würde und direkt in sein Zuhause einziehen könnte.
Wobei er dann Vinc vermutlich nicht mehr so oft zu sehen bekommen würde. Das war ein fader Beigeschmack, aber er machte jemanden damit glücklich und das zählte.
Vinc nickte bei dem ganzen nur. Er sah diesen riesen Berg Arbeit vor sich und spürte, wie gerne er einfach nur auf seinem Sofa liegen wollte.
Vielleicht ahnte Chris etwas in der Richtung, darum wechselte er das Thema.
„Wie geht es eigentlich deinem Finger?“
„Der... ach, der is bald tot und fällt dann vermutlich ab... und das nur, weil du das Dingen da nicht raus ziehen wolltest!“
Chris lachte. „Der Splitter is doch auch so morgen raus gewachsen. Du stellst dich manchmal an wie ein Kind.“
Als Antwort streckte Vinc ihm nur die Zunge raus und stellte dann auch die zweite leere Bierflasche ab.
„Jungs... Essen ist fertig!“