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The Truth About Norwegian Black Metal

von

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Oslo

Der erste Tag des INFERNO-Festivals stand kurz bevor und die auswärtigen Bands reisten nun an.

In der Hauptstadt Norwegens herrrschte daher geschäftiges, buntes – naja, schwarzes Treiben.

Natürlich bereitete man sich auch auf die kommenden Gigs vor.

Roger Rasmussen alias Nattefrost war gerade damit beschäftigt, zwei Stripperinnen für die Bühnenshow seiner Band Carpathian Forest anzuheuern.

Er hatte bei der Auswahl mal wieder ganze Arbeit geleistet, schließlich galt es, den Ruf des eigenen, unübertroffen schlechten Geschmacks zu wahren.

Fröhlich schwarwenzelte der Frontmann also um die beiden auserkorenen „Schönheiten“ herum.

Die zwei Frauen der Marke 50+ (ältere hatte er leider nicht überzeugen können, aber man muss nehmen, was man bekommt) waren ganz nach seinem Geschmack. Er hatte sich auch schon ein bestimmtes Konzept zu ihnen ausgedacht.

Die eine war äußerst hager, eine dürre Modepuppe, die mit allen Mitteln versuchte, ihrem Altern entgegenzuwirken, was ihr aber kaum gelang und sie umso mehr entstellte.

Sonnenbankbräune in Kombination mit erschlaffender, faltiger Haut und etwas zu viel Make-Up konnte schon echt creepy wirken.

Die zweite war leicht übergewichtig, verströmte einen penetranten Gestank, besaß tolle Hängebrüste und war noch dazu wohl ziemlich haarig; zumindest wucherte es unter den Achseln bereits aus den Ärmeln ihres T-Shirts heraus.

Er würde ihnen richtig abgefuckte Outfits verpassen, die natürlich möglichst viel Haut ihrer Albtraumkörper freigeben sollten.

Oh ja... Ekelhaft würde die Show werden, geschmacklos, abstoßend, provokant.

Vor lauter Visionen war der Sänger ganz aus dem Häuschen, grinste in sich hinein und rieb sich vorfreudig die Hände.

Nachdem er ein Treffen mit ihnen ausgemacht hatte (die beiden bestanden darauf, das Ganze vorher zu proben, obwohl er ja Improvisationen bevorzugte), eilte er vergnügt nach Hause, um sich gleich ans Werk zu machen.
 

Während Nattefrost also in seiner Wohnung ein altes BM-Mixtape aufdrehte und eifrig an ein paar alten Gardinen als Schmuck für die knochige Schönheitskönigin herumschnippelte, schaute er ab und zu durch das Fenster auf die Straße herunter.

Er erblickte nicht nur einige alte Bekannte, die dort herumwuselten, sondern auch viele Gesichter von Musikern, die er bisher noch nie persönlich getroffen hatte.

Überall aus Norwegen pilgerten sie nun nach Oslo, aber auch von Schweden, Finnland, Dänemark und Island kamen sie her, aus Deutschland und England, ja sogar einige Franzosen hatten sie dabei und dann noch eine Hand voll osteuropäischer Bands.

Insgesamt, das machte sich jetzt schon bemerkbar, brannte die Luft.

Alles war voller Vorfreude, die nächsten Tage verhießen mal wieder eine endlose Party zu mal mehr, mal weniger guter Musik zu werden, voller Spaß, Skurrilitäten und einer Menge neuer Bekanntschaften.

Ein klein wenig den ursprünglichen Geist des Black Metals wiederauferleben lassen, das Flair der Anfangstage wieder wachrufen... auch wenn es nie mehr so sein konnte wie damals. Man tat so, als ob, und es war nicht mal so schlecht.

Natürlich würde man sich auch wieder unzähligen Diskussionen hingeben und er würde sich wie jedes Jahr den Spruch anhören müssen, dass Black Metal tot sei, aber das hielt Nattefrost zunächst nicht von seiner guten Laune ab.

Zur Not gab es ja außerdem den Alkohol und diverse andere Hilfsmittel, die alles erträglich machen konnten.

Er hatte nicht vor, sich einen großen Kopf um derlei Dinge zu machen, er wollte einfach mal die Zeit genießen – das versuchte er immer. Auf Tour, im Proberaum und privat.

Denn der Spaß an der Sache war das Wichtigste, wie er dank seiner jahrelangen Erfahrung festgestellt hatte. Zudem hatte er absolut keine Lust, sich über diese ewigen Fragen sinnlos den Kopf zu zerbrechen, obwohl er sich nicht selten an den Wortgefechten beteiligte; schließlich konnte er einfach nicht dem Drang widerstehen, sich ständig und überall einzumischen - manchmal sogar mit einigermaßen qualifizierten Beiträgen.

Alles in allem hielt er jedoch nicht zuviel von Theorie.

Seine Kunst entstand aus der Spontaneität heraus und entwickelte sich nach den Regeln der Chaostheorie. Das machte ihren Reiz aus.

Er brach das Sinnieren ab, um ärgerlich festzustellen, dass die Schere schon ganz stumpf und kaum noch zum Schneiden zu gebrauchen war.

Ein paar Mal versuchte er, den Stoff zu durchtrennen, indem er die Schere mit beiden Händen so fest wie nur möglich zusammendrückte; als das nicht funktionierte, wurde er immer ungeduldiger und grober.

Doch weder das Grimassen-Schneiden noch das Fluchen und der vermehrte Kraftaufwand halfen.

Mit Gewalt kam er leider auch nur bedingt weiter, daher entschied er sich, in den Laden um die Ecke zu rennen und sich eine neue Schere zu besorgen.

Was tut man nicht alles für die Kunst? Vor allem dann, wenn es sich um die eigene handelt.

Und weil er einen besonders kreativen Tag hatte, musste er noch heute seine Einfälle verwirklichen.
 

Wieder auf der Straße schlenderte er am Schaufenster eines Platten-Ladens vorbei, und betrachtete das Plakat genauer, das dort hing.

Seine Aufmerksamkeit war genauer gesagt vom Schriftzug seiner eigenen Band geweckt worden, und wenngleich es nichts mehr Neues war, diesen irgendwo gedruckt zu sehen, musste er doch jedes Mal genauer hinschauen und war immer wieder von heimlichem Stolz erfüllt.

Es handelte sich bei dem Aushang um das INFERNO-Line-Up, welches er noch nicht genauer studiert hatte, zumal er bei der Kick-Off-Party nicht dabei gewesen war, worüber er sich immer noch ziemlich ärgerte.

Seine Band-Kollegen hatten ihm selbstverständlich versichern müssen, dass es ja „sooo geil“ gewesen sei und die Gerüchte darüber waren auch nicht schlecht.

So sollte Abbath wohl voller Inbrunst ABBA-Cover-Songs geschmettert haben, Fenriz hatte in betrunkenem Zustand anscheinend von obskuren Walderlebnissen und Träumen geschwafelt, Attila Cshiar hatte angeblich King ov Hell angebaggert, den er für eine Frau hielt, Ihsahn wiederum sollte einige amüsante Varg-Vikernes-Imitationen vorgespielt haben und Obsidian C. hatte in Unterhose auf den Tischen getanzt.

Zu Nattefrosts aufrichtigem Bedauern kursierten keine Photos der besagten Taten.

Wer weiß, wie wild die Veranstaltung noch geworden wäre, wäre er dabei gewesen.

Mit Sicherheit hätte er die Hemmungen sowie das Niveau noch weiter nach unten und den Spaßfaktor ungleich höher geschraubt.

Aber dafür war es jetzt zu spät; das Ereignis war längst vorbei und es blieb ihm nichts anderes, als dies bei den kommenden Auftritten nachzuholen.

Interessiert las er die Liste der afgeführten Bands:

I – GORGOROTH – CARPATHIAN FOREST – SATYRICON – DARKTHRONE – ENDSTILLE – SECRETS OF THE MOON – EMPEROR – MAYHEM – SHINING – KEEP OF KALESSIN – AKERCOCKE - NATTEFROST – DIMMU BORGIR – SIGH – ENSLAVED – IMMORTAL – 1349 – SAHG –AUDREY HORNE – AURA NOIR – GEHENNA – CODE – ANOREXIA NERVOSA – ARCTURUS – VED BUENS ENDE –
 

Mit diesen Hauptbands hatte er also zu rechnen. Ja, das würde in der Tat ein Spaß werden.

Seine Mundwinkel hoben sich zu dem für Nattefrost so typischen, spitzbübischen Grinsen an.

Nostalgia

Beim Eintreten schallten ihm augenblicklich ruppige Riffs begleitet von einem rauen Knurren entgegen.

Zur musikalischen Untermalung von Darkthrone tummelten sich einige Besucher im Laden.

Zwischen den Reihen der Vinyl-Regale erblickte Nattefrost einen unscheinbaren Blondschopf, der sich hinter seiner Mähne und einer schwarzen Lederjacke versteckte.

Die Schere, die er sich eigentlich kaufen wollte, hatte er längst vergessen.

Mit verschlagenem Grinsen pirschte er sich an den jungen Mann heran, um ihn dann von hinten anzuspringen und mit den Armen fest um die Taille zu greifen.

Ein überraschter Ausruf entfuhr dem anderen, bevor er sich umdrehte und seinem 'Angreifer' einen Knuff gegen die Schulter verpasste.

„Was glaubst du, wer du bist?“, lachte er; unfähig, einen vorwurfsvollen Ton beizubehalten.

„Dein bester Freund, Herr Nordavind“, ließ Nattefrost amüsiert verlauten, klopfte ihm noch mal auf den Rücken und nahm sofort neugierig die Schallplatte aus der Hand seines Freundes, um sie genauer zu betrachten.

„Venom“, jubelte er sichtlich erfreut.

„Die guten, alten Tage“, lächelte Nordavind mit leichter Wehmut in den Mundwinkeln zurück.

„Weißt du noch“, begann sein Freund, „wie wir damals dazu im Wohnzimmer deines Elternhauses Luftgitarre gespielt haben? Wir haben den Text mitgekeift und hatten keinen anderen Wunsch, als selbst mal solche Musik zu machen.“

„Ich musste dich immer davon abhalten, beim Zertrümmern deiner imaginären Gitarre den Raum zu verwüsten und die Vasen von der Fensterbank zu trümmern“, kicherte Nordavind, „und dann diese Schnapsidee, als du genau wie der Venom-Sänger Blut sabbern wolltest! Was wolltest du dafür noch nehmen?“

„Tomatensaft. Aber ich konnte dann sogar echtes Blut spucken, weil ich mir im Eifer des Gefechts auf die Zunge gebissen hatte.“

Die beiden schauten sich an und brachen zeitgleich in jenes warme Gelächter aus, wie es bei einer sentimentalen Mischung aus Wiedersehen, Nostalgie und lustigen Anekdoten üblich ist.

Nattefrost schlug schließlich vor, gemeinsam einkaufen zu gehen, um sich für die Festivaltage zu versorgen, worauf Nordavind einwilligte.
 

Die beiden verließen den Plattenladen mit dem Juwel unter dem Arm und machten sich auf den Weg.

Zuallererst war der Laden an der Reihe, wo Nattefrost sich eine neue Schere besorgen wollte.

Während er auf der Suche nach einem geeigneten Exemplar die Regale durchwühlte, erzählte er seinem besten Freund redselig von seinen Ideen für die Show und die beiden Schönheiten, die er dafür aufgetrieben hatte, was sein Begleiter bloß mit einem Würgegeräusch quittierte - was Nattefrost wiederum umso lauter lachen ließ.

„Nein, ehrlich, Nordavind, du solltest nicht immer so missbilligend sein. Die Damen haben durchaus Klasse! Außerdem habe ich Lust auf eine Show, die wieder mal schockt. Die Leute sind alles von mir gewohnt, sie sind nicht mal mehr angeekelt. Aber sie sollten nicht denken, dass ein Nattefrost nicht mehr überraschen kann!“

„Glaubst du nicht, um zu überraschen, müsstest du ihnen etwas anderes bieten?“

„Ich werde meine Munition nicht sofort herausschießen. Zuerst werden sie mit anderen Elementen hinreichend verwirrt, sodass sie die eigentliche Bühnenshow, die danach folgt, umso abstoßender finden werden.“

„Wie willst du das denn anstellen, Roger?“

„Warte es ab, darling!“

Nordavind zuckte bei diesem Kosenamen zusammen, er war es nicht mehr gewohnt, hatte er seinen besten Freund doch seit Monaten nicht gesehen; teilweise deshalb, weil selbiger auf Tour gewesen war, dann deswegen, weil er selbst mit der Aufnahme für die Gitarren- und Gesangsspuren für ein Album beschäftigt gewesen war.

Nur Nattefrost konnte sich erlauben, so zu sprechen, ohne dafür von irgendjemandem eins aufs Maul zu bekommen oder blöd angemacht zu werden. Er war eben Nattefrost und sein Ruf eilte ihm voraus. Allerdings war das auch eine der Sachen, die Nordavind an seinem Freund schätzte, die Direktheit und Offenheit, die er in seiner Nähe an den Tag legte; dass er sich so benahm, wie er sich gerade fühlte, also auch durchaus mal kindlich und albern, was jedoch mit ihm meistens einen Heidenspaß machte.

Aber gerade schaukelte sich der Carpathian Forest-Frontmann wieder hoch.

Er war bei guter Laune und dementsprechend noch aufgedrehter als ohnehin, wenn er in der Öffentlichkeit unter Bekannten und Kollegen agierte. Und die streunten zuhauf durch die Supermärkte, um sich mit Nahrungsmitteln und anderen Dingen einzudecken.

Als er den schwer mit Einkaufen beschäftigten Gorgoroth-Trupp erspähte, konnte er nicht anders, als den Einkaufswagen mit voller Wucht in die kleine Gruppe hineinzufahren und dabei King ov Hell aufzuladen.

Band und Bassisst waren erst völlig verdutzt, dann jedoch liefen sie lachend dem jubelnden Nattefrost hinterher, der mit seiner Beute durch die Gänge brauste.

Mit einigem Abstand und wesentlich langsamerem Tempo folgte ihnen auch Nordavind.

Der ruhige und zurückhaltende Norweger blieb im Hintergrund und beobachtete, wie Nattefrost mit offensichtlich sehr viel Spaß diverse Dinge im Vorbeilaufen in den Wagen hineinschmiss, beispielsweise eine Packung Damenbinden und Tampons, was ihm viel Gelächter von den anderen einbrachte. Er erklärte daraufhin trocken, er brauche diese Requisiten für die Show. Die fröhliche Truppe bewegte sich weiter plappernd und lachend auf die Kasse zu.

Ein wenig misstrauisch behielt Nordavind die Szene im Blick.
 

Nach dem ziemlich turbulenten Einkauf waren alle bei Gaahl in der Wohnung eingeladen.

Man sprach über das Line-Up der nächsten Tage und diskutierte die Bands ausführlich.

Nattefrost überflog nochmals die aufgeführten Namen und geriet bei einer britischen Band ins Stocken: „Was ist denn Akercocke für ein Scheiß-Name?!“, echauffierte er sich und lachte anschließend darüber. Da er schon einige Flaschen Bier intus hatte, wollte der Kicheranfall überhaupt nicht aufhören.

Er verkündete, dass er sich auf die Toilette begeben müsse und verschwand prompt dorthin, fortwährend glucksend.

„Es ist ja schon witzig mit ihm, aber ab und an kann er einem etwas auf die Nerven gehen“, bemerkte Infernus leicht gereizt.

Nordavind seufzte leise.

Diese Verhaltensweisen an seinem Freund beunruhigten ihn manchmal, obwohl die Situation gerade nichts im Vergleich zu den Extremfällen war, die auftreten konnten.

Wenn der Sänger durch Alkohol und Drogen völlig hysterisch war und sich selbst total herabwürdigte, bisweilen einen sehr traurigen Anblick bot – dann war Nordavind wirklich besorgt.

Nordavind hatte auch ganz andere Stimmungen mitgemacht, die Nattefrost vor anderen zwar auch nicht verbarg, aber eigentlich nur vor ihm richtig zeigte.

Melancholisch und nachdenklich; nicht diese depressive Attitüde, die er in einigen Interviews oder auch Photographien seiner Selbst durchblicken ließ.

Die meisten kannten ihn als durchgeknallte, abgedrehte Partykanone ohne Tabus und Hemmungen.

Kennzeichnend für sein Benehmen war tatsächlich, dass er tat, wozu er Lust hatte, aber gerade in Rauschzuständen ließ er sich zu noch mehr anstacheln und übertrieb stark, entsprach dann vor allem dem Bild, das die Öffentlichkeit von ihm hatte.

Eigentlich war er eher ein verrücktes, liebenswertes großes Kind, das auch seine ernsten Geisteszustände mit entsprechenden Gedanken hatte, aber genauso die Flusen auslebte, die es im Kopf hatte.

Nattefrost versuchte eben immer, ganz er selbst zu sein, was seine Authentizität ausmachte.

Aber richtig nah ran ließ er auch nicht jeden, bei weitem nicht.

Nordavind kannte ihn weitaus besser und facettenreicher als jeder andere, der schon mal 24 Stunden nonstop mit ihm verbracht hatte. Und sie kannten sich auch schon seit ihrer Jugendzeit, viele Jahre lang.

Er selbst war derjenige, der sich mehr im Hintergrund hielt, sich rar machte und mysteriös blieb, da er kaum etwas von sich preisgab und wenig über ihn bekannt war.

Nordavind verließ sich hauptsächlich auf sein Können, war aber auch gar nicht ernsthaft daran interessiert, seinen Namen zu verbreiten. Wenn er tätig war, dann allein der Kunst wegen und des Vergnügens, die ihm das Musizieren bereitete.

Eine Weile noch führte er den Vergleich zwischen ihren beiden Persönlichkeiten fort, auch dann, als Nattefrost bereits zurück war und sich an den Tisch gesetzt hatte.

Nordavind fühlte sich auf einmal verpflichtet, auf seinen Freund aufzupassen, verließ die Runde dann aber früher als er, da er als einer der diesjährigen Helfer und somit Mitorganisatoren am nächsten Tag, dem ersten Tag des Infernos, schon morgens alle Hände voll zu tun haben würde.

Also verabschiedete er sich von allen und ermahnte Nattefrost noch einmal, es nicht schon heute zu wild zu treiben.

Der Angesprochene nickte nur und winkte die Bedenken seines guten Freundes ab.

Es war klar für ihn, dass er bald schon nach Hause gehen würde, denn er wollte das Festival noch auskosten können, und nicht schon am ersten Tag von einem Kater gebeutelt k.o. daheim herumliegen.

Das jedenfalls stand für ihn fest, immerhin musste er doch all diese unbekannten Bands mit den bescheuerten Namen kennenlernen.

Wie zum Beispiel Akercocke.

Inferno

Es war noch lange vor Beginn des Festivals, das um 17:45 Uhr im John Dee starten sollte.

Die ersten Schwarzgekleideten tummelten sich auf dem Raucherbalkon und in der Bar, darunter auch viele Mitglieder verschiedener Bands.

Alles war neugierig auf die diesjährigen Opener, den talentierten Nachwuchs und was an musikalischen Überraschungen so kommen würde. Und die meisten, besonders die ältere Generation, wollten einfach ihre Jugendidole auf der Bühne sehen, die Klassiker hören und darin schwelgen.
 

Aufgrund der hereinbrechenden Kühle hatten die meisten sich nach drinnen begeben, aber Nattefrost nutzte die Zeit vor dem Eröffnungsgig, um noch mal eine zu rauchen. Auf dem Balkon stieß er auf eine kleine Gruppe, die am Geländer versammelt war und auf Englisch miteinander scherzte. Der heiteren Stimmung und dem Lachen nach zu urteilen, schienen sie bester Laune zu sein.

Nattefrost wagte sich näher und erkannte auch die dunkle, wohlklingende Stimme Gaahls darunter. Der Hüne verabschiedete sich mit einem Winken von der Gruppe und bewegte sich auf die Treppe ins Innere zu, wo er Nattefrost begegnete.

„Wer ist das da drüben?“, fragte jener nach einer kurzen Begrüßung.

„Eine britische Band. Auf das „britisch“ legen sie übrigens Wert“, zwinkerte Gaahl. „Den Bandnamen hab ich mir nicht behalten können, klingt so seltsam... Aber man kann sich gut mit ihnen unterhalten.“

Daraufhin ging er runter zur Bar.

Nattefrost war recht kontaktfreudig und hatte auch keine Hemmungen, was das Sprechen einer Fremdsprache betraf, also gesellte er sich zu dem kleinen Vierer-Trupp.
 

„Hey folks, what's up?“ Kurz hob er die Hand zum Gruß, dann friemelte er das Zigarettenpäckchen aus der Tasche seiner Lederjacke. Die Briten grüßten ihn höflich zurück und der redselige Einheimische kam ihnen darin zuvor, eine Konversation zu beginnen. „So you guys play all in the same band? From Britain, huh?“, lächelte er mit Kippe im Mundwinkel. „Great Britain, yes“, grinste sofort einer von ihnen. Als Nattefrost den Mann, von dem der Kommentar gekommen war, genauer ansah, musste er sich ein Losprusten verkneifen: Er sah mit seinem langen, schwarzgewellten Haar und dem Schnurrbart aus wie ein Barockherrscher. Statt zu lachen, kaschierte Nattefrost seine Überraschung also mit einer Frage: „And which type of Black Metal do you play?“ Ein Rotschopf, der die Haare zu beiden Seiten abrasiert hatte, trat ein Stück vor und antwortete ihm. „Quite progressive, with a hint of Death and Grind. You have to listen to it. It can't be defined.“

„Oh, and it is at some times strongly sensual and spiritual, I may say“, kam plötzlich eine Stimme hinter ihm. Nattefrost drehte sich um und schaute einen hoch gewachsenen Mann mit langem, dunkelbraunem Haar an, dessen Gesichtszüge stark nach englischem Adel aussahen. „But Gentlemen, where are your manners? If our conversation partner wishes to learn about our music, he might also want to know about us. And the first thing to do when making new contacts is always … presenting oneself.“ Er deutete eine leichte Verbeugung in die Richtung des verdutzten Nattefrost an. „So let me introduce us to you: we are a Metal Band from Great Britain, called Akercocke, and it is an honour for us to play this concert at the Inferno Festival here in Oslo, Norway. My name is David Leslie Gray.“ Der Brite reichte Nattefrost die Hand, und dieser, völlig durcheinandergebracht ob des plötzlichen Auftretens des seriös wirkenden Mannes und der vollendeten Höflichkeit, mit der dieser ihm begegnete, ergriff sie und sprudelte sogleich drauflos: „So you are the singer, I suppose?“ Als ihm bewusst wurde, dass er keinerlei Höflichkeitsformeln beachtet und zudem einfach so eine Frage in den Raum geworfen hatte, fügte er schnell noch hinzu, „uhm, the way you … express yourself … you sure write the lyrics. And your voice is quite...“ Er wusste nicht, was er sagen sollte. Vereinnehmend? Eindringlich? Beschwörend? Schön anzuhören? Angenehm? Aber wie sagte man das alles auf Englisch? Der Mann, David, lächelte. „First of all, thank you. Good guess indeed, for I do write the lyrics, but I do not sing. I play the drums.“ Das erstaunte Nattefrost nur noch mehr. Von diesem vornehmen Mann mit den edlen Zügen hätte er dieses Instrument am allerwenigsten erwartet. Er wirkte so ganz und gar nicht wie der Durchschnittsdrummer. Aber das Schlagzeug schien ihm insofern gut zu stehen, als man dafür Taktgefühl benötigte, und zumindest im gesellschaftlichen Bereich schien David eine Menge davon zu haben. „This one is our singer“, fuhr er fort und legte dem barocken Fürsten die Hand auf die Schulter. „Jason Mendoca.“ Nacheinander stelle er dem Norweger alle Bandmitglieder vor. Nattefrost hatte sich wieder einigermaßen gefangen vom anfänglichen Überrumpeltsein und lauschte aufmerksam, jedem zunickend. Dann wandte sich David wieder an ihn. „May I ask for your name, now?“ Nattefrost räusperte sich. „Roger Rasmussen. But I'm better known as Nattefrost. Lead-Singer of the norwegian Black Metal-Band Carpathian Forest. And two Solo-Albums.“, versuchte er sein bestes, sich gut auszudrücken. „I am pleased to meet you“, ließ David verlauten. „I think I've already heard of this … of your band. Quite common in the Black Metal scene, it seems. Your newest album … ?“ „Fuck you all“, sagte Nattefrost sofort. „That's what it's called“, fügte er augenblicklich hinzu. David nickte nur und schien etwas abwesend, als ersuche er, sich an irgendetwas zu erinnern. „Well“, meinte er dann, „I cannot remember what your music sounds like at the moment, but surely you do perform at the festival?“ „Of course!“, gab Nattefrost aufgeregt zurück. Tomorrow night I'll play some songs alone and on Sunday we will go on stage with Carpathian Forest. Just have a look at it.“ „Oh, we will“, lächelte David. „But for tonight...“, er schaute auf seine stilvolle Armbanduhr, „it seems it is already time to begin with the festival. I would appreciate to watch the opening band, what about you? Perhaps we could talk after all the concerts – I am sure that there will be a nightly gathering at one of our hotel rooms.“ Die anderen Bandmitglieder grinsten zustimmend. Eine Einladung also zum britischen Plausch und einem Nachspiel in kleiner Runde. Warum nicht? Nattefrost nahm das Angebot dankend an.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  Ceia
2011-03-07T13:04:56+00:00 07.03.2011 14:04
ah cool du hast weitergeschrieben =) *freuz*
Von: abgemeldet
2011-01-05T20:35:03+00:00 05.01.2011 21:35
An für sich gefallen mir die Ideen ganz gut, die Anekdoten und Dialoge, aber ich habe das Gefühl, du wechselst Orte und Szenen zu schnell...
Du könntest ruhig länger bei einer Person(engruppe) verweilen und die Situation und Gespräche ausführlicher aufzeichnen. Es wirkt ein klein wenig so, als seist du unter Zeitdruck und wolltest die Geschichte etwas vorantreiben.
Dasselbe mit der Beschreibung von Nattefrosts Charakter: hier hättest du dir für die Erwähnung mancher Punkte ruhig noch Zeit nehmen und sie erst in späteren Kapiteln einbauen können, wenn sich die beschriebenen Eigenschaften dann zeigen.
Aber vermutlich kommt das noch, es ist ja ziemlich so aufgebaut, dass es auf solche Begegnungssituationen hinauslaufen wird.
Da Akercocke bereits mehrmals genannt wurde, deute ich das als Anspielung auf Kommendes, hierbei solltest du die Anspielungen aber so platzieren, dass sie subtil bleiben und doch nicht allzu zufällig wirken.
Insgesamt mag ich die Fanfiction aber bisher und freue mich aufs nächste Kapitel!

Von: abgemeldet
2011-01-05T09:12:07+00:00 05.01.2011 10:12
Wo fange ich an?
Ein Pluspunkt ist auf jeden Fall das Beherrschen von Orthographie, Grammatik und Interpunktion.
Außerdem scheinst du Recherche betrieben zu haben, was den Hauptcharakter und den Rahmen - das Inferno-Festival - betrifft.
Es ist immer heikel, realexistierende Personen in eigene, erfundene Geschichten einzubauen, aber deine Erklärung zu Anfang bewahrt dich schon mal davor, für die eigentliche Idee und deine Darstellung der Figuren sowie alle Äußerungen in der Geschichte scharf verurteilt zu werden.
Das erste Kapitel war schön geschrieben, aber hauptsächlich eine Einleitung; daher hoffe ich, dass die folgenden Kapitel etwas dialog- und handlungsreicher werden und die anderen Charaktere miteingebracht werden, sodass Beziehungsgeflechte und Konflikte entstehen.
Bin gespannt darauf, wie es fortgeführt wird.


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