Vor der Wahrheit
Ich sehe auf die Uhr. Mist, 15 Minuten zu spät! Demyx wartet schon.
Und ich weiß doch, wie viel Wert er auf Pünktlichkeit legt. Total erschöpft klingle ich.
Die Assistentin öffnet mir die Tür und ich bedanke mich lächelnd bei ihr.
Dann klopfe ich an die Tür zu meiner rechten.
„Herein!“, ruft eine vertraute Stimme.
Ich trete ein und schließe die Tür hinter mir.
„Du bist spät dran“, meint Demyx ernst.
Doch dann lächelt er und ergänzt:
„Schön, dass du da bist. Setz dich.“
Wie jeden Mittwoch setze ich mich auf die Liege.
Wie jeden Mittwoch lächelt mich Demyx an und gibt mir eine Tafel weiße Schokolade.
Dr. Demyx Waterstone weiß eben, wie man mich glücklich macht.
„Wie geht’s dir, Axel?“, fragt er mich wie jeden Mittwoch.
„Gut“, antworte ich ihm wie jeden Mittwoch.
Ach ja... der Mittwoch... mein Routine Tag...
Seit einem Jahr muss ich nun schon zum Psychologen.
Obwohl ich es eigentlich nicht mehr brauche, gehe ich trotzdem hin.
Denn Dr. Waterst... äh... ich meine: Demyx, ist mein einziger Freund.
Außerdem bin ich ihm noch etwas schuldig.
Ich muss es ihm erzählen.
Okay, er weiß das Meiste schon aus der Zeitung, aus Nachrichten, und was weiß ich.
Aber wenn ICH ihm die Geschichte erzähle, wird er alles mit anderen Augen sehen.
Da bin ich mir sicher.
„Demyx... ich habe nachgedacht... Heute wird mein letzter Termin bei dir sein“, gebe ich bekannt.
„Oh, das ist schade“, wirkt er tatsächlich traurig, „Woher kommt diese Entscheidung?“
„Ich werde dir heute meine Geschichte erzählen.“
Er sieht mich überrascht an.
„Warum auf einmal?“
„Meiner Meinung nach hast du lange genug gewartet.
Das ganze Jahr über hast du nichts von mir verlangt.
Du weißt, dass ich vor dir einen anderen Psychiater hatte.
Der wollte jeden Tag die Geschichte hören.
Nicht, um mir die Last von der Seele zu nehmen, sondern um der Mann zu sein, der die wahre Geschichte ans Licht bringt.
Jedes einzelne Gespräch hat er aufgenommen, das weiß ich von seiner Tochter.
Die Kleine war in mich verliebt.“
„Mieser Kerl“, kommentiert Demyx angewidert.
„Ja. Aber DU... du warst immer für mich da.
Bist sogar an einem Sonntag zu mir nach Hause gekommen und bist bis 3 Uhr morgens geblieben, als ich eine Schulter zum Ausweinen gebraucht habe.“
„Hab ich doch gerne gemacht.“
Demyx lächelt. Ich lächle zurück und öffne die Packung der Schokolade.
Dann breche ich eine Reihe ab und halte sie Demyx hin.
Er liebt weiße Schokolade genauso wie ich. Dankend nimmt er sie an.
Ich genehmige mir ebenfalls ein Stück und lege mich dann auf die Liege.
„Bist du dir wirklich sicher, dass du es mir erzählen willst?“
„Ja. Aber versprichst du mir zwei Sachen?“
„Kommt drauf an, was du willst“, erklärt Demyx.
„Als erstes: Du wirst niemandem erzählen, was ich dir gleich anvertrauen werde.
Und zweitens... wirst du mein Freund bleiben?“
„Also, das Erste verspreche ich dir. Das Zweite... verstehe ich nicht ganz.“
„Ich meine... weil heute meine letzte Sitzung ist.
Wirst du trotzdem mein Freund bleiben und dich weiterhin mit mir treffen... als normaler Freund?“
„Natürlich werde ich das“, sagt er lächelnd.
Es herrscht für einige Augenblicke Stille.
Dann atme ich tief durch und fange an zu erzählen.
Von dem dunkelsten Kapitel meines Lebens...
