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The Room

von

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Wie kann man seine eigene Existenz, das Wissen, da zu sein, am Besten in Worte fassen? Wie kann man am Besten eine Geburt beschreiben? Und wird es nicht erst Recht viel schwieriger, diese Geburt zu beschreiben, wenn es die eigene war? Wenn man selbst geboren wird, zum ersten Mal denkt, fühlt, empfindet... Nichts erscheint mir gerade wertvoller, wichtiger und überwältigender als dieser Moment. Ich weiß nicht, wer mich geboren hat. Wer mich schuf, wer mein Vater, wer meine Mutter ist. Und doch bin ich hier. Existiere ich, kann ich die Sonne sehen und den weichen Teppichboden fühlen. Doch zeitgleich quält mich eine Ungewissheit. Was ist ausserhalb jener Luke auf dem Boden, unterhalb jener Luke mit Leiter darauf, ausserhalb der Wände? Geschwister? Nichts? Wenn ich aus dem kleinen runden Fenster sehe, so sehe ich eine herrliche Landschaft. Ich bin offenbar auf einem Hügel, das grüne Gras weht ganz leicht im Wind und mit ihnen tanzen die Gänseblümchen und Disteln, die Brennnesseln und der Mohn. Und das alles in einem blutroten Sonnenuntergang, der alles in warme Rot- und Orangetöne versetzt. Vor allem der Mohn leuchtet und das Gras scheint in Flammen zu stehn. Oder ist es das? Doch wenn ich von dem Gras aufsehe, so erkenne ich am Horizont eine Gebirgskette. Trotz der dominanten Farbgebung, die die Sonne erzeugt, behalten sie ihr finsteres Violett-Blau und scheinen die Sonne zu halten und zu kühlen. Wie in einer Wiege blinzelt sie noch zwischen den Spitzen der Felsmassen und leuchtet mit ihrem grellen Gelb in rotem Schein. Die ganze Welt scheint sich ihr zu unterwerfen. Der Himmel ist blutrot, nur die orangenen Wolken erwehren sich ein wenig. Sogar der braune Teppich, die hölzerne, spitz zulaufende Decke und die mintfarbenen Wände schließen sich dem Rot-Kanon an. Wie eine gewaltige Lichtershow inszeniert die Sonne ihren Abgang, den ersten Abgang, den ich zum ersten Mal sehe und ihn doch beschreiben kann, als wäre es bereits Tradition. Die roten Farben, die großen, schwarzen Schatten und die widerspenstigen blauen Berge, sie alle feiern meine Geburt mit ungerührter Schönheit. Doch da ertrinkt die Sonne auch schon im blauen Gebirge und obwohl ihre Strahlen noch immer Wiese und Himmel erleuchten, so schleicht bereits die blaue Nacht mit schwarzem Himmel und finsteren Schatten heran. Ein erster Stern versucht, den Schein der Sonne zu ersetzen, der Mond dagegen scheint zu arrogant dafür zu sein. Nur ein schmaler Strich am Himmel, kaum hell, kaum sichtbar. Langsam verlieren die Gräser ihre rote Farbe und schließen sich dem Himmel an, nur schmählich beleuchtet vom Stern- und Mondlicht. Doch während es da draußen noch hell ist, ist der Teppich bereits schwarz, sind die Wände bereits grau und ein Schrank misst sich mit dem Fenster darin, wer die Schatten besser in grauenhafte Illusionen verwandeln kann. Und da erinner ich mich wieder meiner Frage.

Etwas ausserhalb. Ausserhalb der Fensters ist eindeutig Natur, Sonne, Leben, Frische. Doch was wartet unterhalb jener Luke? Auch Natur? Oder etwas grauenvolles? Oder auch nur enttäuschendes Nichts? Ich würd es so gern wissen und doch fürchte ich die Luke. Ich werde sie wohl niemals öffnen und sollte sie eines Tages von aussen geöffnet werden, was... Ja, was dann? Ein weiterer Blick aus dem Fenster lässt mich enttäuscht schließen, dass mein erster Tag nur kurz war. Und doch war er beeindruckend, wohl fast schon prägend. Vielleicht kommen noch viele solche Tage, in denen die Sonne mich einweiht in ihr Fest des Feuers und des Lichtes. Schön wäre es. Schön wäre es wahrhaftig. Was würde ich drum geben, allein nun noch einmal die Sonne zu sehen und zu wissen:„Sie ist nur für mich allein nochmal zurückgekommen“. Doch sie kam nicht zurück und der Teppich blieb schwarz und die Wände grau. Mittlerweile hatte das Fenster gewonnen, denn es hatte mit seinem Schatten fast den ganzen Boden und bereits große Teile der Wand erfasst und verzerrte sich zunehmend an dem Teppich und einer kleinen alten Kommode. Und der staubige Spiegel reflektierte die letzten Farben, den letzten Hauch von Rot, welchen man noch am Horizont erkennen konnte, der jedoch bereits von der Nacht weggedrängt wurde. Doch der Spiegel war auch das einzige Schmuckstück. Keine Bilder, keine Blumen, keine Regale. Nur die Kommode, der Spiegel und der Schrank. Schmucklos und leer. Grau und auch nach wie vor schwarz. Was in der Abendsonne so aufgeregt, so feurig ausgesehen hatte, war nun einfach nur ein dunkles Wasser, in dem man glaubt, manche Dinge darin zu erkennen, Dinge zu hören.

Und dann war da ein Knarzen. Es war nur kurz gewesen, es wäre vermutlich kaum aufgefallen, doch bei dieser Stille war es lauter als alles Andere. Es war von oben gekommen. War dort etwas? Soweit hatte ich gar nicht gedacht, ich hatte über den Boden nachgedacht und dabei die Decke außer Acht gelassen. Denn dort könnte auch was sein. In der Erde, in der Luft. Überall könnte etwas sein, ausserhalb meines Wissens. Wieder ein Knarren. Es klang diesmal ein wenig lauter und dann klopfte kurz etwas weiter entfernt. Ich wurde aufgeregt, wollte wissen, was diese Geräusche erzeugte, was auf dem Dach saß, über ihm, in ihm, vielleicht sogar hier unter ihm. Doch meine Gedanken waren wieder schneller bei der Luke als ich wollte. Ich hörte Schritte, hörte Stimmen. Sie kamen näher und näher und schienen so aufgeregt. Ich betete, dass sich die Luke nicht öffnete, ich wollte nicht mehr wissen, was sich darunter verbarg oder was auf dem Dach war. Mir reichte es, zu wissen, dass draußen die Sonne war, alles Andere konnte fortbleiben. Es könnte gefährlich sein. Doch mein Bitten und Flehen war vergebens. Die Luke öffnete sich langsam und quietschend, es ratterte kurz als die Leiter hinunterfiel und dann hörte ich wieder Schritte. Sie nahmen die erste Stufe, die Zweite und auch die Dritte. Langsam kletterte Jemand oder Etwas die Leiter hinauf, ich sah bereits den Schatten jenes Objektes an der Wand, die ich durch das Loch erkennen konnte. Und dann griff wer an den Rand der Luke.

„Mal sehen, in welcher Kiste... Ah! Liebling, ich habe Großmutters Uhr gefunden!“

„Großmutters Uhr? Ich dachte, die hätten wir verloren?“

„Das dachte ich auch! Fantastisch! Was für ein Glücksfund! Direkt unter den Fotoalben, die ich suchte.“

„Das ist toll, Schatz!“

„Ja, nicht wahr? Nanu? Das kann doch nicht wahr sein, das Haus ist vollkommen neu und schon knarzt die Decke!“

„Schatz, reg dich nicht auf. Man muss es sicherlich nur besser abdichten, weiter nichts. Komm wieder runter, es gibt Essen. Und bring Großmutters Uhr mit, wir hängen sie ins Wohnzimmer über den Kaminsims.“

„Pha, nur abdichten. Da baut man drei Jahre mit eigenen Händen an einem Haus und sie sagt 'nur besser abdichten'...“

Meine Gedanken waren leer. Ich hatte meinen Vater gesehn... Obwohl ich ihn bewusst zum ersten Mal sah, habe ich ihn sofort erkannt, als wäre er ein uralter Bekannter. Doch er war nicht stolz auf mich... War ich...nicht gut? War ich...ein schlechter Raum geworden? Ein schlechter Dachboden?



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