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Unsichtbare Klinge

von

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Nur ein Satz

„Geh...bitte geh....unsere Beziehung ist beendet!“ Die Wände schluckten ihre Worte und gaben sie in undeutlicher Form wieder. Danach war es still. So still, als habe der Tod persönlich Einzug gehalten. „Ist es wirklich dein Wunsch“, die melodiöse Stimme klang distanziert und doch unendlich traurig. Die junge Frau nickte und bemühte sich, eine gefasste Miene aufzusetzen. Gleich darauf fiel die Tür ins Schloss und Schritte entfernten sich; es war vorbei!

Seltsamerweise spürte Itami nicht die gewünschte Erleichterung, sondern nur eine dumpfe, fremdartige Leere. Ihr Herz glich einem Stein, obwohl es noch lebendig war. Nach wenigen Minuten brachen ihre Beine unter ihr zusammen und die junge Frau sank zu Boden; sie hatte mit Yasu, ihrer großen Liebe, Schluss gemacht. Selbst ihr Verstand sagte, das es sich um eine Banalität handelte, welche man auch anders hätte klären können. Doch für den Bruchteil einer Sekunde hatte ihr Stolz die Oberhand gewonnen und sie jene endgültigen Worte sagen lassen. Ein falsches Lächeln zierte ihren Mund, „ich habe das Richtige getan“, versuchte Itami sich einzureden, „es hätte sowieso keine Zukunft gehabt!“ Ihr Herz schrie bei diesem Gedanken laut auf, als würde es von tausend Messern durchbohrt werden. Die junge Frau beschloss, ein Bad zu nehmen, um ihre gereizten Nerven zu beruhigen. „Dann wird der Schmerz vergehen“, hoffte sie. Das angenehm temperierte Wasser perlte auf ihrer weißen Haut und verfing sich in den langen hellbraunen Haaren. Itami lächelte und überließ sich ganz dem Genuss. Es tat gut und entspannte, dennoch brannte der Schmerz wie eine offene Wunde. Sie erinnerte sich an die gemeinsame Zeit mit Yau, an ihr erstes Treffen im Park:

Ein Sommertag, ähnlich wie heute, war es gewesen und sie, Itami, hatte in ihrer privaten Kleidung, welche dem klassischen Gothic – Lolita - Stil entsprach, dort auf einer Bank gesessen. Sie liebte es, wenn sie nicht das Image der gehorsamen Bürosekretärin pflegen musste. Denn so ein vollkommen abprubter Weltenwechsel konnte sehr anstrengend sein. Nach einer Weile hatte sich ein attraktiver junger Mann neben sie gesetzt. Mit seinen langen schwarzen Haaren und den grau-blauen Augen stach sein Äußeres aus der Menge hervor, zumal er ebenfalls im Visual – Kei – Stil gekleidet war. Deswegen hatte Itami auch nichts dagegen, das er sie in ein lockeres Gespräch verwickelte. In dessen Verlauf stellte sich heraus, das der Fremde Yasu hieß, sich ebenfalls für den rockigen Musikstil interessierte und, wie sie, im Büro arbeitete. Die junge Frau fand die Unterhaltung mehr als angenehm und langsam begann ihr Herz zu vibrieren. „Sein Lächeln ist wie der Sonnenaufgang“, dachte Itami und war heimlich in Tagträumen versunken. Wie gebannt lauschte sie Yasus Stimme und fragte sich unwillkürlich, wie sich die vollen Lippen auf ihrer Haut anfühlen würden. Solche Gedanken waren der jungen Frau mehr als peinlich und eine Schamesröte schlich sich auf ihre Wangen. Dennoch konnte sie es nicht verhindern, zu verführerisch war Yasu. Er schien wie der Prinz, auf den sie gewartet hatte. Als Yasu ein Wiedersehen vorschlug und die Kontaktdaten ausgetauscht wurden, hätte Itami vor Glück die ganze Welt umarmen können. Ein Gefühl, das sie in ihrem tristen Alltag oft vermisste. Schon bald hatte sich offenbart, das Yasu ähnlich empfand und keine zwei Wochen später bildeten sie ein Paar. Es war eine harmonisch – glückliche Beziehung und zeitweise hatte Itami sogar an Heirat gedacht. Wunschvorstellungen, die ihr früher gänzlich fremd gewesen waren; sie hatte nur ihre Karriere im Kopf gehabt. Und jetzt hatte dieses unsinnige Missverständnis alles zerstört.

Die junge Frau seufzte und stieg aus der Badewanne: Vielleicht sollte sie sich bei Yasu entschuldigen...ihr Verhalten war zweifellos etwas kindisch gewesen und einer reifen Frau sicher nicht würdig. Itamis Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als der Dämon in ihrer Brust flüsterte: „Du bist etwas Besseres als er....soll er doch kommen und um Verzeihung betteln. Der Fehler lag nicht bei dir!“ Diese Stimme benebelte die Sinne und ein falsch – höhnisches Lachen umspielte ihre Lippen: In dieser Angelegenheit war Yasu der Schuldige und deswegen brauchte sie ihm nicht hinterher zu laufen. Mit diesem Gedanken schlüpfte sie in das weiße Satinnachthemd und kroch in ihr Bett. Leider hatte die Dunkelheit jene Eigenschaft, die verborgenen Sehnsüchte noch klarer werden zu lassen. Und obwohl der Dämon versuchte, sie in den Schlaf zu säuseln, blutete ihr Herz aus mehreren Wunden: Yasu erschien vor ihrem geistigen Auge.

Sein Oberkörper lag frei und die dunklen Knospen waren sichtbar erregt. Seine Haare fielen wie glänzende Seide auf die Schultern, die Lippen waren bereits wundgeküsst und erstrahlten in einem verlockenden Rot. Er war bereit, das Gleiche zu geben. Seine Lippen, von denen jeder einzelne Hautkontakt die pure Sünde verhieß, liebkosten zunächst ihre Wangen, glitten dann ihr Schüsselbein hinab und küssten ihren Ausschnitt, während die geschickten Finger zunächst durch ihre Haare strichen und schließlich die schmalen Träger nach unten streiften. Itami seufzte; kleine Flammen tanzten über ihre Haut. Im Traum öffnete sie die Augen und blickte ihren Geliebten an. Voller Freude erkannte sie dasselbe sexuelle Begehren. „Ich liebe dich“, flüsterte sie und kuschelte sich an ihn, während das halb transparente Hemd von seinem Körper fiel. „Ich liebe dich auch „, hauchte er und verfiel in einen leidenschaftlichen Kuss. Das allein reichte aus, um ihre Schenkel zucken zu lassen. Sie wollte ihn, wollte diese zärtliche Nähe und zwar für immer. „Nicht einmal der Tod kann uns trennen.“ Yasus Stimme klang wie aus weiter Ferne.

Die junge Frau schreckte hoch; es war bereits helllichter Tag. Schweißperlen der fleischlichen Wonne rannen über ihren Körper, während Trauertränen ihr Gesicht benetzen. Auf ihrem Herz lag ein riesiger Stein aus Vorwürfen und Schuldgefühlen; wie hatte sie nur so dumm sein können? Welcher Schleier hatte ihre Augen verdeckt, das die Wahrheit unsichtbar gewesen war? Sie liebte Yasu, jeder Herzschlag gehörte allein ihm. Und doch hatte sie ihn wegen eines banalen Streits verstoßen! Ihr eigener Stolz war mächtiger gewesen als die Liebe. Ohne weiter nachzudenken oder gar auf ihren inneren Dämon zu hören, sprang Itami aus dem Bett, zog sich eiligst ein paar Sachen an und machte sich auf den Weg zu ihrem Geliebten. Vielleicht würde alles wieder gut...vielleicht konnte er ihr verzeihen.

Doch je näher die junge Frau Yasus Wohnung kam, desto mehr spürte sie, das etwas nicht stimmte. Es war kein Gefühl von Kälte und Chancenlosigkeit, sondern vielmehr der tödlichen Leere. Unbewusst beschleunigte Itami ihr Tempo. Das blaue Licht des Krankenwagens und hysterisch schluchzende Stimme eines Mannes: „Er ist mir direkt vor das Auto gelaufen. Ich habe versucht zu bremsen!“, zerrissen ihre Gedanken. Kurzentschlossen drängelte die junge Frau sich durch die gaffend – wartende Menschenmenge, von denen niemand half. Doch was Itami auf der Straße liegen sah, war der blanke Alptraum. Ihr Herz krampfte sich zusammen, als würde eine eisige Hand es umschließen; es war Yasu, blutüberströmt und scheinbar ohne Leben. Ungeachtet der Sanitäter oder der aufgeregt tuschelnden Menge kroch die junge Frau zu ihm und strich durch seine Haare. Eine schwere Kopfwunde benetzte ihre Finger mit Blut, „Yasu“, flüsterte sie tränenerstickt, „bitte verlass mich nicht!“ Tatsächlich flatterten seine Lider und der junge Mann schaute sie an. Nur waren seine Augen erschreckend glanzlos; der Tod hatte sie bereits gezeichnet. „Itami“, keuchte er mit brüchiger Stimme und griff nach nach ihrer Hand. „Verzeih mi, bitte...“, sprach sie, „ich war so dumm...ich liebe dich!“ Ein seliges Lächeln umspielte seine Lippen: „Natürlich vergebe ich dir...ich liebe dich auch!“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Irgendwie gelang Yasu es, seiner Geliebten einen scheuen Kuss auf den Mund zu hauchen. Um sie herum herrschte betretene Stille, sogar die Vögel waren verstummt. Itami lächelte und konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten. Im nächsten Augenblick zuckte sein Körper ein letztes Mal blitzartig auf, bevor er in ihren Armen erschlaffte. Seine Augen hatten ihren letzten Glanz eingebüßt. Die junge Frau ließ die eiskalte Hand los und schrie, bis die Finsternis sie umhüllte.

Die nächsten Tage waren die Hölle für Itami. Nachdem sie aus ihrer Ohnmacht erwacht war, hatten Alpträume und Visionen ihren Anfang genommen. Überall sah und hörte sie Yasu; in jedem Baum, in jeder Wolke, selbst der Wind flüsterte seinen Namen. Obwohl die junge Frau jegliche Unterstützung bekam, zerfiel ihr Herz mit jedem Tag mehr. Lebendiger denn je waren die Erinnerungen an die schöne Zeit; der Duft seiner Haare, die weichen Hände auf ihrer Haut und die zarten Lippen, welche sich auf die ihren pressten. Gleichzeitig begann Itami, sich selbst zu hassen. Wie hatte sie nur unvorsichtig sein können? Warum hatte sie nicht über die gesagten Worte nachgedacht? Sie hätte wissen müssen, das diese Yasus Herz brechen würden...immerhin liebte er sie. Nur sie, Itami, hatte an seinen Gefühlen gezweifelt, der fatalste Fehler ihres Lebens. Mehr als einmal drang die Rasierklinge in ihr Fleisch und hinterließ dort ihre Spur. Es war ein befriedigendes Gefühl..eine persönliche Buße, das Blut aus der Wunde tropfen zu sehen. So wie Yasus Blut ihretwegen geflossen war.

Ganze zwei Wochen lebte die junge Frau schon in ihrem persönlichen Kerker aus Blut und Schmerz. Nach und nach wandten die Freunde von ihr ab und auch ihre Arbeit stand auf dem Spiel. Aber davon bekam Itami kaum etwas mit; sie lebte in den Tag hinein, obwohl sie noch immer auf ihre Gesundheit achtete. Die junge Frau übernahm außerdem regelmäßige Spaziergänge, was die Menschen in ihrem Umfeld überraschte. Doch Itami suchte bevorzugt die Orte auf, die Yasu und sie zusammen besucht hatten. Dort schien seine Gegenwart am stärksten zu sein.

Warme Sonnenstrahlen wärmten ihr bleiches Gesicht, als die junge Frau durch die Allee ging. Die Blätter der Bäume rauschten im Wind, der nur für sie zu singen schien. Itami lächelte; so konnte sie wenigstens für einige Minuten Yasus Stimme lauschen. Die junge Frau ging weiter, ohne auf die Leute zu achten, welche an ihr vorbei gingen; sie war körperlos und wollte es auch sein. Plötzlich zog ein dunkler Schatten an ihr vorbei, der aus dem Nichts zu kommen schien. Obwohl dieser sich mit normaler Geschwindigkeit bewegte, war etwas an ihm anders. Ein wenig erschrocken hob Itami den Blick und erstarrte zur Salzsäule; lange schwarze Haare...blasse Haut...warmer Mund...schlanke Figur und ungewöhnliche Kleidung. „Yasu“, schrie ihr Herz voller Sehnsucht, obwohl ihr Verstand sich gewaltsam sträubte. Das konnte nicht sein, ihr Geliebter war tot. Als die Erscheinung zu verschwinden drohte, gab die junge Frau sich einen Ruck, „Yasu“, rief sie mit letzter Kraft und stellte sich innerlich auf eine große Peinlichkeit ein.

Quälend langsam drehte er sich um, lächelte sanft und nickte kaum merklich. Itamis Augen weiteten sich vor Bestürzung; es war unmöglich und doch wahr! Ohne weiter zu überlegen warf sie sich in seine schützenden Arme. Die Wärme seiner Brust tat unglaublich gut und seine Hände, welche zärtlich durch ihre Haare strichen, heilten jeden Schmerz. Minutenlang verharrten sie eng umschlungen, bis die junge Frau den Kopf hob und ihn schüchtern musterte; der Tod hatte Yasu nicht im Geringsten verändert. Sie wollte etwas sagen, doch ihr Mund war staubtrocken, nur ein „ich liebe dich“ sprang von ihren Lippen. Yasu schaute ihr tief in die Augen, „ich weiß“, erwiderte er, „ich liebe dich auch!“ Es kostete Itami alle Mühe, den nächsten Satz auszusprechen und trotzdem war sie sich so sicher wie niemals zuvor in ihrem Leben: „Nimm mich mit!“ „Ist es das, was du willst“, fragte er skeptisch zurück, „dein Leben fängt gerade erst an!“ Die junge Frau schüttelte den Kopf: „Der Schmerz zerfrisst mich innerlich und außerdem“, sie stockte verlegen, „könnte ich sie einen anderen Menschen lieben!“ Yasus Lächeln wurde unbeschreiblich schön; die Sonne hatte ihren Platz wiedergefunden, „dann sei es so“, flüsterte er mit unverhohlener Leidenschaft und näherte sich ihrem Gesicht, „schließe deine Augen!“ Itami folgte seinem Befehl, gleich darauf trafen sich ihre Lippen und verschmolzen miteinander. Sie spürte wie dieser Kuss die Seele aus ihrem Körper herauszog.

Wenige Stunden später fand man ihren Leichnam auf dem Gehweg. Viele Tränen flossen und die Polizei sprach von einem tragischen Selbstmord. Doch niemand konnte die Frage beantworten, warum die junge Frau mit einem Lächeln im Gesicht starb.



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  Miranah
2014-01-08T13:57:12+00:00 08.01.2014 14:57
Ich hab grad echt voll ne Gänsehaut. Und das ist selten bei Fanfics.
Ich kenne das Video von ABC und finde im allgemeinen das auch sehr traurig.
Wie du aber aus dem PV diese fantastische geschichte entwickelt hast, einfach unglaublich
So viel gefühl habe ich selten erlebt. Man spürt regelrecht diese Liebe, die Itami für Yasu empfindet. Eine traurig romantische Geschichte
Antwort von:  Asmodina
08.01.2014 15:29
Vielen Dank :) Ich freue mich, das sie dir gefällt^^
Von: abgemeldet
2012-02-01T11:06:54+00:00 01.02.2012 12:06
Sehr gefühlvoll geschrieben. ^^
Nur einen kleinen Fehler hab' ich entdeckt, am Ende:
„könnte ich sie einen anderen Menschen lieben!“
Irgendwas stimmt an dem Satz hier nicht.
Statt dem 'sie' gehört sicher ein 'nie' hin, oder? ^^
Aber ansonsten sehr schön, wobei ich am Anfang die Umgebungsbeschreibung etwas vermisse.
Finde es immer irritierend, wenn Geschichten mit wörtlicher Rede beginnen. ^^ Aber das is nur mein persönlicher Geschmack, tut also nix zur Sache.
Ist eine gelungene, schöne FF. ^^
Von:  AnnabelleGraufeder
2011-07-11T21:50:33+00:00 11.07.2011 23:50
Also....ich bin glatt neidisch XD
Es ist wirklich sehr schön geschrieben, Daumen hoch x3
Solche Art Stories mag ich sehr.
Von:  Alisaera
2010-09-13T13:53:04+00:00 13.09.2010 15:53
Endlich bin ich auch mal zum Lesen der FF gekommen *lach*

Du hast die Gefühle wirklich toll rübergebracht~
Eine wirklich schöne, wenn auch verdammt traurige Story...
Mach weiter so :3
Von:  Gackto_Sama
2010-08-16T21:11:35+00:00 16.08.2010 23:11
Tolle Geschichte...

Du hast die Atmosphäre der PV toll eingefangen und die unendliche Liebe über den Tod hinaus klasse wieder gegeben.

Süße mach weiter so.

^_°
Von: abgemeldet
2010-08-16T14:46:45+00:00 16.08.2010 16:46
...
wow...
...

das is so eine wunderschön geschriebene geschichte Q___Q
ich könnt heulen...

wirklich super. wie du das gefühl rüberbringst, ist unglaublich. die details sind nicht aufdringlich und es liest sich wirklich schön. ich hätte die direkte rede vllt etwas anders gestaltet mit mehr absätzen, aber es ist dein stil und der ist super!
Von:  Vanilla_Coffee
2010-08-16T14:46:22+00:00 16.08.2010 16:46
._. WOW war das traurig.
Aber mir hat die Storx auf alle Fälle gefallen^^ Ich mag solche melancholischen und düsteren Storys^^
Haste mal wieder fein gemacht Mausi

HDGDL Amalia


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