Zum Inhalt der Seite

Ich bin!

Sein oder nicht sein - das war nie die Frage!
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Vergangenheit - One

„Tut mir leid, Miss Doe, ich werde Ihren Sohn nicht weiter unterrichten. Er hat keinerlei musikalisches Talent und bitte tun Sie allen Klavierlehrern einen Gefallen und halten sie ihn uns vom Leib.“

„Mister Doe, richtig? Der Vater von John? Haha, es ist schön, Sie kennenzulernen! Sie … ehm … scheinen ein ganz normaler Mann zu sein.“ … „Nein, nein, ich sage damit keinesfalls, dass ihr Sohn unnormal ist, er ist einfach nur nicht sehr … aufmerksam. Bitte verzeihen Sie mir den Vorstoß, Mister Doe, aber bekommt er zu Hause genug Unterstützung?“ … „Natürlich habe ich kein Recht, über Ihre Erziehungsmethoden zu werten, allerdings sehe ich seine Versetzung wenn das so weitergeht gefährdet.“

John schaute traurig aus dem großen Fenster in den grauen Himmel. Es regnete. Wie meistens im November, doch das war nicht das, was ihn so traurig machte. Heute war Vater-Sohn-Tag in seiner Schule. Ein riesiges Fest mit bunten Ballons und leckerem Kuchen. John hatte sich am meisten auf die rote Hüpfburg gefreut, von denen seine Klassenkameraden immer schwärmten. Aber er saß hier zu Hause auf der Fensterbank, alleingelassen. „John“, hatte sein Vater gesagt, „du weißt doch, dass ich arbeiten muss. Aber das nächste Mal komme ich mit. Versprochen.“ Enttäuscht zog John den Rotz hoch. Er war zehn. Zehn junge Jahre und glauben konnte er an die Versprechungen seines Vaters nicht mehr. Wie sollte er das auch noch? Sein Vater sagte jedes Mal „Nächstes Jahr, versprochen“ und brach dieses Versprechen jedes Jahr aufs Neue. Auf einem Elternabend waren sie auch noch nie gewesen.

Schwer klopfte das kleine Herz gegen die zarte Brust. Ob sie ihn lieb hatten? Oder hatte er irgendetwas getan, dass sie ihn hassten?

Vorsichtig – um sich nicht zu verletzen, da das sehr häufig vorkam und seine Mutter dann immer schimpfte – rutschte er von der Fensterbank und setzte sich auf den Spielteppich in seinem großen, einsamen Zimmer. John schaute sich mit rotangelaufenen Augen um. Er hatte geweint. Aber irgendwie konnte er jetzt nicht mehr weinen. „John“, hatte sein Vater immer gesagt, „echte Männern weinen nicht, sie spielen Football!“ John mochte kein Football. Sein Vater hatte ihn einst vergessen von der Schule abzuholen, weil er unbedingt noch den Rest des Spiels hatte sehen müssen. Tapfer wischte sich John die Sabber aus dem Gesicht und fuhr mit einem Auto auf der grauen Spielstraße hin und her.
 

John hörte den Schlüssel im Schloss drehen, doch er reagierte nicht mehr darauf. Irgendwann hatte er es aufgegeben, nach seinen Eltern zu rufen. Ob sie ihn wirklich hassten? Er war doch immer artig, hatte nur einmal sein Zimmer nicht aufgeräumt. Ob es das war? Oder ob es die schlechten Mathematiknoten waren? „John“, sagte seine nette Lehrerin mit dem warmen Lächeln immer, das mehr Liebe übrig hatte, als das seiner Mama, „du musst dich mehr anstrengen. Sonst, fürchte ich, kommst du nicht weiter. Und ich würde dich gerne weiter unterrichten.“ Und John hätte wirklich weiter gerne Unterricht bei der Lehrerin. Sie war die einzige, die die Hoffnung in ihn noch nicht aufgegeben hatte. Sie schenkte ihm ab und an sogar einen Apfel!

Warum war John wohl so schlecht in der Schule? Er war erst in der dritten Klasse und trotzdem kam er nicht hinterher. Er konnte seine eigene Sprache ja noch nicht einmal richtig und tat sich mit Religion sehr schwer. Die anderen Kinder in seiner Klasse waren alle sehr klug, aber sie wollten nichts mit ihm zu tun haben.

„John“, hörte er seine Mutter rufen und er wartete, bis sie, traurig wie immer, in seiner Tür stand. Mit großen Augen schaute er zu ihr, doch statt sich um ihn zu kümmern, ihn zu fragen, warum er geweint hatte, fragte sie, ob er alle Hausaufgaben gemacht hatte.

Er hatte Angst.

Richtig Angst, dass seine Eltern ihn nicht liebten.

Also nickte er. Er sah das glückliche Lächeln seiner Mutter, die aus dem Zimmer ging und dessen Schritte er in der Küche unten noch hörte. Kurze Zeit später streckte sein Vater den Kopf durch die Tür, suchte nach ihm und kam dann herein. Er lächelte so traurig, dass John wieder den Rotz hochziehen musste. „John… Es tut mir so, so leid!“ Er hockte sich zu ihm, strich ihm über die Haare. John schaute auf den Boden. „Ich wäre wirklich gerne mit dir zum Vater-Sohn-Tag gegangen. Aber-.“ Bitter unterbrach der Zehnjährige seinen Vater. „Ich weiß. Du musst arbeiten.“ Zuerst schien sein Vater irritiert, dann nickte er zustimmend und wollte John auf den Arm nehmen, doch er drehte sich weg. Mit zitternder Stimme murmelte John: „Du hast es versprochen. Aber du hast es schon wieder nicht gemacht. Du hast mich schon wieder alleine gelassen.“

Stille.

Sein Vater verließ das Zimmer und John meinte, ihn und seine Mutter streiten zu hören.

Ob sie sich scheiden lassen würden?

Voller Angst rappelte sich John auf, tapste zur Tür und zu der Treppe. Er sah seine Eltern mit den Händen wedeln, er hörte sie laut reden und sah die Wut in ihren Augen.

„Lasst ihr euch jetzt scheiden?“, hörte er sich leise fragen und augenblicklich war es still. Zwei große Augenpaare lagen auf John und für einen Moment hatte er Angst, dass sie nun auch auf ihn wütend waren. Tränen liefen über seine Wangen.

„Ach John, nicht doch!“ Seine Mutter nahm ihn fest in die Arme und er konnte nicht anders, als sein Gesicht an ihrer Schulter zu vergraben. All die Angst, die Enttäuschung und Wut weinte er sich raus, doch es blieb etwas zurück, was er noch nicht begreifen konnte. Er spürte die schwere Hand seines Vaters und schaute zu ihm hoch. „Nein, wir lassen uns nicht scheiden, mach dir bitte keine Sorgen. Komm“, er nahm John auf den Arm und dieses Mal wehrte er sich nicht, „wir machen jetzt ein wenig Mathe.“
 

Das erste Mal in seinen jungen Jahren hatte er die Hausaufgaben richtig. Seine Lehrerin lobte ihn und war richtig glücklich. Aber am nächsten Abend war Johns Vater nicht da, um ihm zu helfen. Seine Mutter konnte keine Mathematik und musste kochen – sie hatte keine Zeit.

Und so änderte sich rein gar nichts.

Das unbekannte Gefühl – später wusste er, dass es Bitterkeit war – breitete sich weiter aus, ohne dass seine Eltern es bemerkten.
 

Alles in allem hatte John keine schöne Kindheit. Keine Freunde, zwei Mal sitzengeblieben und Eltern, die zwar immer so taten, als hätten sie ihn gern, aber kaum war er 18 geworden, musste er ausziehen. Aber er nahm es ihnen nicht übel. Er versuchte es sogar zu verstehen! Dennoch… Er hatte seine Eltern bis zum heutigen Tag nicht wiedergesehen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück