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Terèse

Roman mit Perspektivwechseln
von

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Ein Vampir läuft Amok

2.1.Mágurix
 

Mágurix fing an sich immer mehr für das Mädchen zu interessieren. Nicht nur, dass sie trotz ihres jungen Alters eine so große Anziehungskraft auf ihn ausübte, dass er ihre körperliche Pflege einer alten Frau überlassen hatte. Erst einen Tag zuvor hatte er sich selbst dabei ertappt, wie er den schlafenden Körper lüstern angestarrt hatte. Von Mágurix wurde als Heiler und Schamane nicht erwartet zu heiraten, es wurde ihm aber auch nicht verwehrt. Dennoch hatte er sich nie zu einer Frau näher angezogen gefühlt, so hatte er auch noch nie mit einer Frau das Lager geteilt. Doch dieses Mädchen erweckte in ihm einen Trieb, von dem er bisher nicht einmal gewusst hatte. Mágurix wischte ihr sanft die feuchte Stirn ab. Das Fieber klang bereits ab, aber er wusste nicht ob ihn das wirklich freute. Zwar hieß das, dass sie die Krankheit überstanden hatte, aber es ging viel zu schnell. Noch vor zwei Tagen hatte er sie für tot erklärt, dann dieses heftige Fieber und jetzt sollte sie schon gesunden? Er schüttelte nachdenklich den Kopf, das passte nicht zusammen. Wer war sie? War sie wirklich ein Mensch? Was machte sie hier? Sie kam mit Sicherheit nicht von hier und hatte sich auch nicht wirklich auf die eisigen Temperaturen eingestellt. Er hoffte inbrünstig, dass sie bald aufwachte, er wollte Antworten!

Doch als sich das Mädchen im Laufe des Nachmittags tatsächlich regte, hatte er seine Fragen schon wieder vergessen. Mágurix setzte sich neben sie. Sie hatte leicht gestöhnt, doch es dauerte noch eine geschlagene Stunde, bis sie tatsächlich aufwachte. Das Mädchen öffnete ihre Augen und starrte an die Decke. Mágurix verschlug es die Sprache. Schon allein ihre Augenfarbe, ein wunderschönes braun mit goldenen Sprenklern, war unglaublich. Doch ihr Blick war es, der ihm einen Schauer nach dem anderen den Rücken runterjagte. Ihr Blick war gleichzeitig warm und kalt. Er hatte seine jugendliche Naivität noch nicht verloren, hatte aber auch etwas uraltes und berechnendes. Mágurix wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Als ihr Blick sich schließlich von der Decke löste und ihn entdeckte, schreckte sie heftig zusammen. Sie setzte sich auf und tastete nach etwas, das sich wohl normalerweise an ihrer Hüfte befand. Dabei rutschte die Decke herunter und entblöste sie. Mágurix schluckte schwer und wurde schlagartig rot. Das entging ihr wohl nicht. Sie sagte etwas, doch er verstand sie nicht, obwohl er alle Dialekte beherrschte, die hier im Norden gesprochen wurden. Irgendwie klang es spöttisch und er fühlte sich leicht gekränkt, was natürlich Unsinn war. Er wusste schließlich gar nicht, was sie gesagt hatte. Das Mädchen stand in einer einzigen geschmeidigen Bewegung auf und stand nun nackt im Raum. Ihr schien das nichts auszumachen. Er sollte aufhören, sie als Mädchen zu bezeichnen. Ihre perfekt abgerundete Brust, ihre ausladenden Hüften und nicht zuletzt ihre Fehlgeburt zeugten davon, dass sie bereits eine Frau war. Mágurix versuchte sie nicht offen anzustarren, schaffte es aber einfach nicht wegzusehen. Sie sah sich ruhig im gesamten Raum um und setzte sich schließlich neben ihn. Sie sprach erneut, doch er verstand sie einfach nicht. Hilflos schüttelte er den Kopf. Sie legte eine Hand auf ihren Bauch und sah ihn fragend an. Mágurix war erstaunt. Dem, was da – zum Glück tot – aus ihrem Körper gekrochen war, war deutlich anzusehen gewesen, dass es ein Bastardkind gewesen war. Es war Unsinn anzunehmen, dass dieser Mischling in ihrem Einverständnis entstanden war. Doch als er jetzt seine Hand über seine Kehle zog und ihr so bedeutete, dass sie nicht mehr schwanger war, sah sie ehrlich schockiert aus. Mágurix konnte – und wollte – einfach nicht annehmen, dass sich dieses Mädchen freiwillig einem Dämon, Vampir, Albae, Schatten oder Schlimmeren hingegeben hatte. Das war einfach absurd! So etwas gab es einfach nicht! Obwohl... Bis vor zwei Tagen hatte er weder geglaubt, dass es möglich war nur in einem einfachen Leinengewand in dieser Kälte zu überleben, noch dass man sich schon nach zwei Tagen von einem Scheintod erholen konnte. Schade, dass sie seine Sprache nicht verstand, er hätte einige interessante Fragen an sie gehabt. Als er sah wie sie ins Nichts starrte und lautlos die Lippen bewegte, rückte er unwillkürlich ein Stück von ihr fort. Das konnte kein Mensch sein. Unmöglich! Plötzlich störrte ihn, wie sie das unbekümmert saß und offensichtlich mit jemandem sprach, den er nicht sehen konnte. Oder sprach sie etwa Zauber? Fahrig suchte er nach passender Kleidung und reichte ihr diese. Sie schien erstaunt über die Veränderung an ihm, die ihr wohl nicht entging, sagte aber nichts dazu. Nun, wie auch?
 

2.2.Terèse
 

Terèse schlug erst die Augen auf, als Kendrick ihr alles erzählt hatte. Sie selbst konnte sich nur Bruchstückhaft erinnern. Einzelne Szenen schwirrten ihr zusammenhanglos durch den Kopf. Mühsam sortierte sie sich ein wenig. Kendrick. Ja, an Kendrick erinnerte sie sich, er war schon immer bei ihr gewesen. Dann erinnerte sie sich an eine alte Frau. Ihr Name fiel ihr nicht mehr ein. Sie stöhnte unwillkürlich. Warum fiel es ihr so schwer sich zu erinnern? Terèse versuchte noch eine ganze Weile ihr Gedächtnis auf Trab zu bringen. Kendrick unterstützte sie nach Kräften, doch seine Erinnerungen kamen ihr seltsam falsch vor. Als er ihr von der Fehlgeburt erzählte stutzte sie. Schwanger? Sie? Aber wer war der Vater? Bei der Bewantwortung dieser Frage war Kendrick ihr nicht gerade eine Hilfe - Sie bekam aus ihm nur heraus, dass es besser war, dass sie ihn vergessen hatte. Was hatte der Vater ihres toten Kindes ihr angetan, dass Kendrick ihn so hasste? Wurde sie vergewaltigt? Kendrick sagte nichts dazu und Terèse erinnerte sich einfach nicht. Das alles brachte nicht weiter. Erst einmal musste sie wissen, wo sie war. Kendrick wusste es offenbar nicht und weigerte sich, ihr zu erzählen, wie sie hergekommen war. Terèse öffnete langsam die Augen und starrten an eine Schneewand. Nein, sie lag auf dem Rücken. Über ihr war Schnee, also war sie wohl begraben. Doch die Felle, auf der sie lag, sprachen dagegen. Sie löste sich von der Schneedeckte, die ihr gefährlich nah vorkam und fur zusammen, als sie bemerkte, dass jemand neben ihr saß. Sie setzte sich ruckartig auf und tastete neben sich nach... Ja, nach was eigentlich? Etwas streifte ihren Körper und es wurde schlagartig kälter. Spätestens das knallrot angelaufene Gesicht ihres Gegenüber sagte ihr, dass gerade eine Decke von ihrem sonst nackten Körper gerutscht war. "Habt ihr noch nie eine nackte Frau gesehen?" spottete sie, stichelte aber nicht weiter. Sie stand auf und ihr wurde kurz Schwarz vor Augen, doch sie fing sich schnell wieder. Terèse sah sich in dem engen Raum genau um, fand aber nichts, was ihr weitergeholfen hätte. Also setzte sich neben Mann, der sie beobachtet hatte. Er starrte sie schon eine ganze Weile an und sie nutzte sie Gelegenheit nun ihn genauer zu betrachten. Er war nicht hässlich, eher im Gegenteil. Er hatte dunkle, fast schwarze Augen und war dick in Kleidung eingemummelt. Terèse erinnerte sich daran, was Kendrick über ihre Fehlgeburt gesagt hatte. War sie wirklich schwanger gewesen und hatte sie das Kind verloren? Sie fragte den Mann danach, doch er verstand sie offenbar nicht. Also legte sie ihre Hand auf ihren Bauch und sah ihn fragend an. Er sah erstaunt aus und machte ihr dann deutlich, dass das Kind tot war. Terèse bestürzte es zutiefst, jetzt zu hören, was sie sowieso schon wusste. Sie war also schwanger gewesen und hatte keinerlei Erinnerung an den Vater. Sie bedrängte Kendrick immer heftiger, ihr endlich von ihm zu erzählen, doch Kendrick weigerte sich strikt. Die beiden wurden unterbrochen, als der Fremde Terèse schon fast grob ein Stapel Kleider reichte. Sie brauchte Hilfe, da sie sich mit den fremden Kleidungsstücken schwer tat. Der Mann half ihr, vermied aber sie zu berühren und sah sogar krampfhaft weg. Warum? Eben hatte er doch auch kein Problem damit gehabt sie anzustarren. Eher im Gegenteil, ihm hatte offensichtlich gefallen, was er gesehen hatte. Als sie sich endlich in die Kleidung gekämpft hatte, trat sie auf den Mann zu und berührte in sacht an der Schulter. Dieser hatte sich abgewand und zuckte bei der Berührung zusammen. Terèse zog schnell ihre Hand wieder zurück. "Danke" Sie lächelte leicht, doch er verstand sie wieder nicht. Sie seufzte. So ging das nicht weiter. Sie deutete auf sich selbst "Terèse". Er schien erstaunt, dass sie versuchte mit ihm zu reden, doch nach kurzem Zögern stellte er sich seinerseits vor. "Mágurix".
 

2.3.Raphaelas von Kavka
 

Raphaelas irrte stundenlang ziellos umher. Seine Soldaten warteten in der Nähe, aber er dachte nicht einmal an sie. Immer und immer wieder blitzte ihm ein Bild durch den Kopf.

Ein Mädchen lag im Schnee. Raphaelas lief Böses ahnend auf die reglose Gestalt zu. Diese Gestalt...Nein! Er kannte dieses Gesicht. Erst vor ein paar Wochen hatte er es noch berührt, hatte die Lippen geküsst, die nun blau gefroren waren, hatte durch ihr schwarzes Haar gestrichen, das nun schon fast im Schnee versank. Er wusste sofort, dass kein Leben mehr in diesem Leib war, als Vampir hätte er den Herzschlag gehört, das Blut in den Adern gerochen. Doch in dieser Frau, seiner Geliebten, war kein Leben mehr. Trotzdem versuchte er eine geschlagene Stunde ihren Puls zu fühlen. Wie oft hatte er sich auf ihre Brust gelegt, dem ruhigem "Pok Pok" gelauscht, dass in seiner eigenen Brust nicht schlug? Wie oft hatte er durch dieses Haar gestrichen? Wie oft ihren Geruch genossen? All das würde er nie wieder tun können. In Raphaelas´ Kehle machte sich ein Schrei breit, doch er wollte nicht hinaus. Er stolperte ein paar Schritte zurück. Es war seine Schuld! Terèse, seine geliebte Terése, war ihm gefolgt und lag nun erfroren vor seinen Füßen! Er hatte sich nicht einmal verabschiedet als er gegangen war. Wortlos war er in der Dunkelheit verschwunden um diesen verfluchten Feldzug anzuführen. Raphaelas stolperte noch ein paar Schritte zurück, drehte sich langsam um und rannte einfach in den anbrechenden Morgen. Terèse würde nie wieder einen Sonnenaufgang erleben. Er war schuld! Er hatte das einzige Wesen umgebracht, bei dem er sich je wohl gefühlt hatte. Endlich bahnte sich der Schrei einen Weg aus seiner Kehle.

Raphaelas blieb kurz stehen und schüttelte den Kopf, als müsste er ein lästiges Insekt loswerden. Dabei war es dieses Gefühl. Dieses Gefühl, das Einzige zerstört zu haben, das einem etwas bedeutete. Das Einzige, was er Heimat nennen konnte. Das Einzige, was er liebte. Das Einzige, was ihm ein Gefühl von Geborgenheit gab. Er hatte es zerstört. Wie in Trance zog er sein Schwert. Raphaelas hörte auf zu denken. Er wurde immer schneller, als er über die Eiswüste jagte. Dem ersten Lebewesen, dem er begegnete war einer seiner eigenen Männer. Er köpfte ihn, ohne langsamer zu werden. Er gab sich voll dem Blutrausch hin, jeder Gedanke war ausgelöscht. Er brachte alles um, was er auf seinem Weg traf. Nomaden, Tiere, aber auch immer wieder Vampire, die der Fürst geschickt hatte, um seinen Botschafter und Heerführer wieder einzufangen. Niemand überlebte eine Begegnung mit ihm. Raphaelas rastete nie länger als ein paar Stunden, zu qualvoll waren die Bilder, die dann ihn ihm aufstiegen. So wechselte er ständig die Position, was es für den Fürsten sehr schwer machte, ihn wieder zu finden. Doch das alles war Raphaelas nicht mehr bewusst. Hätte man ihn nach einem Fürsten gefragt, hätte er damit nichts anzufangen gewusst.
 

2.4.Terèse
 

Terèse lebte sich recht gut in den Nomadenstamm ein. Wo hätte sie auch sonst hin sollen? Sie wusste ja nicht einmal wie sie hierhergekommen war, auch wenn ihr das eine oder andere wieder einfiel. Aber es waren nur kleine Farbtupfer in einem Meer aus Schwärze. Eine Person tauchte dort imm wieder auf. Es war ein Mann, einen Kopf größer als sie, schulterlange, schwarze Haare, dunkle Augen, sehr blass. Irgendwie verband sie mit ihm viel Kälte. War seine Art Kalt? Nein, dann würde sie sich nicht so zu ihm hingezogen fühlen. Und wenn sein Körper kalt war? War er dann Tod? Kendrick schwieg sich weiterhin über ihn aus. War er der Vater ihres Kindes? Wollte Kendrick ihr nicht helfen sich zu erinnern, weil sein Tod vielleicht für sie so schmerzhaft gewesen war?

Diese ganzen Überlegungen brachten sie kein Stück weiter, also ließ sie es irgendwann ganz bleiben. Versunken in dem täglichem Trott des Nomadenstammes vergaß sie irgendwann ihre Fragen über ihre Vergangenheit. Nur manchmal, wenn sie nachts wach dalag kamen die Fragen zurück, manchmal sogar eine kleine Erinnerung.

Terèse wurde schnell von den Nomaden respektiert. Mit ihren Heilkünsten, die teilweise weiter gingen als die von Mágurix, war sie dem Stamm eine große Hilfe. Anfangs kämpfte sie noch manchmal mit der Zuordnung der Kräuter und Instrumente, doch mehr und mehr kam die Routine zurück.

Sie hielt sich sehr an Mágurix, er war der einzige Nomade, dem sie sich ein wenig näher fühlte. Alle anderen blieben ihr seltsam fremd. Er war es, der ihr ermöglichte weiter den Heilberuf auszuführen, obwohl man der Meinung war, dass Frauen dazu nicht geeignet waren. Er war es, der ihr die Sprache beibrachte. Als Dank teilte sie mir ihm ihr Heilwissen und schenkte ihm ihre Zuneigung.

Doch nach knapp vier Wochen bei den Nomaden war Mágurix plötzlich recht wortkarg und immer, wenn er sich unbeobachtet glaubte, betrachtete er sie seltsam. Mit einer Mischung aus Sehnsucht und Bedauern. Sie konnte sich darauf keinen Reim machen und als sie nachfragte, bekam sie nur ein trauriges Kopfschütteln als Antwort. Doch eher, als ihr lieb war, erklärte es sich von selbst. Zwei Tage später – Mágurix sagte immer weniger – rief der Stammesälteste die Nomaden zu einer Versammlung zusammen. Die Versammlung an sich war recht kurz, doch für Terèse schienen sich die Sekunden bis ins Unendliche zu dehnen. Der Älteste verkündete gleich zu Anfang die Heirat zwischen seinem Enkelsohn und... Ihr! Der Kerl war sogar noch jünger wie sie und bereits jetzt ein richtiger Grobian. Sie konnte ihn nicht ausstehen und jetzt sollte sie seine Frau werden? Man hatte sie nicht einmal gefragt! Niemals! Terèse war kurz davor aufzuspringen, doch sie zwang sich zur Ruhe. Würde sie sich weigern, würde man sie entweder unter Gewalt zwingen oder aussetzten, was dem Tod gleichbedeutend war. Wahrscheinlicher allerdings war, dass man beides mit ihr machen würde. Man würde sie erst unter Gewaltanwendung zwingen und dann aussetzten. So blieb sie sitzen, schwieg und schien sich ihrem Schicksal zu beugen. Doch in ihrem Inneren brodelte es.

In der Hochzeitsnacht jedoch war sie nicht mehr so still und folgsam wie die Nomadenfrauen. Als sich der Enkelsohn des Ältesten an ihr vergehen wollte wehrte sie sich. Es kam zu einer stillen Rangelei. Sie wollte nicht, dass er Hilfe bekam und er wollte sich nicht die Blöße geben gegen eine Frau Hilfe zu brauchen. Am Ende brach sie ihm das Genick, sie hatte keine Ahnung wo und von wem sie das gelernt hatt – Sie konnte es halt.

Terèse floh in die Nacht. Nach dem Mord konnte sie schlecht bei den Nomaden bleiben. Als Frau hatte sie keinerlei Rechte unter ihnen. Sie hatte keine Ahnung wie sie ohne die Nomaden in der Eiswüste überleben sollte, aber es war weit besser dort draußen zu erfrieren, als nochmal diesen Barbaren wehrlos ausgeliefert zu sein. Nun, gut. Wehrlos war sie nicht wirklich gewesen. Sie rannte die ganze Nacht hindurch, aus Angst verfolgt zu werden. Erst als die ersten Sonnenstrahlen ihr Gesicht berührten, blieb sie keuchend stehen. Kurz blieb sie stehen, um ihren Atem wieder zu beruhigen. Als sie sich umsah sah sie...nichts. Nichts, außer Eis und Schnee bis zum Horizont. Ihre Spur zeigte ihr wo sie hergekommen war, ansonsten hatte sie keinerlei Anhaltspunkt. Außer der Sonne vielleicht, aber die half ihr nicht viel weiter. Sie wusste ja nichteinmal in welche Himmelsrichtung sie gehen musste – und vorallem wie weit – damit diese Eiswüste endlich endete.

Schließlich entdeckte sie doch etwas. Ein kleines Stück schwarzer Stoff ragte aus der Erde, steifgefroren zeigte er in Richtung Süden. Was das wohl war? Neugierig geworden ging Terèse darauf zu und zog an dem Stoff. Der Stoff war schwer und lies sich kaum bewegen. Also änderte sie ihre Taktik. Anstatt an dem Stoff zu ziehen wischte sie den Schnee, der auf dem Stoff lag, fort. Weiterer schwarzer Stoff kam zum Vorschein, dann etwas rotes auf dem Schwarz. Das Rote stellte sich als ein Kreuz heraus, das auf den schwarzen Stoff gestickt war. Terèse wischte immer mehr Schnee fort und es stellte sich heraus, dass der Stoff nicht steifgefroren war, sondern es sich dabei um einen steifen Stehkragen handelte. Nachdem sie immer mehr Schnee entfernt hatte, entpupte sich das ganze als einen Mantel ohne Kapuze. Der Mantel war für eine größere Person gemacht, als Terèse es war, doch am unteren Ende und an den Ärmeln war ein Stück umgenäht, so dass er Terèse wie angegossen passte. Sie betrachtete den Mantel von allen Seiten, irgendwie kam er ihr bekannt vor. Nach längerem Grübeln fiel es ihr auch endlich wieder ein.

Sie saß hinter einem Mann auf einem Pferd. Von dem Mann vor ihr sah sie nicht viel mehr als die schulterlangen, schwarzen Haare, den breiten Rücken und die teure Kleidung. Das Pferd sah edel aus und sein Zaumzeug sah genauso teuer aus wie die Kleidung seines Herrn. Es war tiefschwarz und das Zaumzeug war von der gleichen Farbe. In einer mondlosen Nacht würde man es wahrscheinlich erst sehen, wenn es genau vor einem stünde. Der Mann vor ihr drehte sich um und lächelte ihr liebevoll zu. Dabei kamen zwei Reihen spitzer Zähne zum Vorschein, wobei die Eckzähne noch um ein ganzes Stück länger waren, als ihre Nachbarn.

Ein Vampir? Aber...war es nicht Tag gewesen? Wie konnte sie da mit einem Vampiren reisen? Außerdem: Seit wann war sie mit Vampiren unterwegs? Und wieso lächelte ihr ein Vampir liebevoll zu? Was hatte dieser Mantel damit zu tun? Schließlich hatte er sie doch erst an diese Szene erinnert. Moment mal! Diese Kreuze, da rechts und links an dem Kragen. Das waren doch eindeutig Kruzifixe! Dies hier war der Mantel eines Vampirjägers. Aber ja! Wahren sie damals nicht verfolgt worden?

"Hinter uns. Pferde. Zwei Stück." Der Vampir lächelte ihr immer noch zu. Terèse hatte sich selbst damals darüber gewundert, aber nichts dazu gesagt, er würde schon seine Gründe haben. Sie ritten sehr langsam und eigentlich hätte sogar ein Verfolger zu Fuß sie einholen können. Doch aus irgendeinem Grund hielten sich ihre Verfolger im Hintergrund. Warum? Warteten sie auf etwas? Aber auf was? Es konnte doch nur ein Hinterhalt sein. Nun, wer wäre auch so Lebensmüde zu zweit einen Vampir anzugreifen?

Wer war der Mann blos? Sie hatte sich damals nicht vor ihm gefürchtet, eher im Gegenteil. Dieser Mann hatte eine wunderbare Faszination auf sie ausgeübt. Endlich fiel ihr auch wieder sein Name ein. Raphaelas. Raphaelas von Kavka. Berater, Botschafter und Heerführer des Fürsten der Stadt der Vampire. Hatte er sich genauso gerademal zwei Tage vorher bei ihr vorgestellt? An dem Tag war Alanna, ihre Ziehmutter, gestorben. Plötzlich viel Terèse wieder soviel ein. Alanna´s Hütte, der Wald. Eine Träne suchte sich seinen Weg aus Terèse´s Auge, wurde aber schon in ihren Wimpern zu Eis. Wie hatte sie nur ihre Ziehmutter vergessen können? Sie hatte Alanna schließlich alles zu verdanken! Und sie war einfach fortgeritten, nachdem sie gestorben war. Nichteinmal begraben hatte sie sie. Sie hätte auf Kendrick hören sollen, er war von Anfang an der Meinung gewesen, sie solle in dem Wald bleiben und in Alanna´s Hütte leben. Doch ihr war das zu langweilig gewesen und so war sie mit Raphaelas mitgeritten, als er es ihr angeboten hatte. Sie waren in diesen verdammten Hinterhalt geritten. Von hinten waren zwei gekommen und von vorn vier Vampirjäger. Alle hatten diese Mäntel angehabt. Raphaelas hatte sein Pferd gewendet, hatte den ersten der beiden geköpft und sie hatte den anderen mit einem Wurfmesser vom Pferd geholt. Sie musste wohl mal recht gut mit Wurfmessern gewesen sein, doch sie konnte sich nicht daran erinnern es gelernt zu haben. Anschließend war sie auf das dessen Pferd gesprungen und mit Raphaelas zusammen davongeritten ohne sich um die anderen Vampirjäger zu kümmern. In den Satteltaschen des Pferdes waren gleich zwei ebenjener Mantel gewesen. Sie hatte einen an sich genommen und den Saum umgenäht, damit er nicht zu lang war. Wohin waren sie eigntlich geritten? Sie konnte sich bei bestem Willen an nichts weiter erinnern. Terèse sah sich um. Wenn hier der Mantel gelegen hatte, lagen hier vielleicht noch mehr Sachen von ihr? Und tatsächlich, als sie noch ein wenig tiefer grub fand sie ein totes Pferd. Sie erkannte ebenjenes, dass der Vampirjäger geritten hatte. Also hatte sie nicht nur den Mantel behalten. Das Pferd war wohl erfroren, genauso wie sie. Hatte Mágurix sie hier in der Gegend gefunden? Sie durchsuchte die Satteltaschen und fand neben jeder Menge Kräutern und ein wenig Proviant, alles tiefgefroren, die Äpfel eigneten sich eher zum Lutschen, als zum Essen, auch drei Gürtel. Den ersten erkannte sie sofort wieder. Es war ein geknüpfter Stoffgürtel, an dem verschiedene Beutel und seltsam gekrümmte Messer aller Größen befestigt waren. Den Gürtel hatte sie von Alanna geerbt. Es war der Gürtel eines Heilers. Der zweite Gürtel war von minderer Qualität, was man allerdings von den gut 30 Wurfmessern, die darin steckten, nicht sagen konnte. Dem dritten Gürtel allerdings sah man seinen hohen Preis noch immer an, obwohl das Leder rissig durch das lange Liegen in dem Schnee geworden ist. In ihm steckte eine ebenso wertvolle Scheide mitsamt Schwert. Das ganze musste einmal ein Vermögen gekostet haben. Terèse nahm schulterzuckend alle drei Gürtel an sich. An den Schwertgürtel konnte sie sich überhaupt nicht erinnern, doch der Wurfmessergürtel gab ihr ein leises Gefühl des Wiedererkennens.

Plötzlich rief jemand hinter ihr ihren Namen. Sie fuhr zusammen, drehte sich um und zog noch in der Bewegung eines der Wurfmesser. Auch als sie vor knapp einem Mond wieder aufgewacht war, hatte sie unwillkürlich nach ebenjenen Wurfmessern gegriffen.Kurz fragte sie sich, woher dieser Reflex doch kommen mochte, doch als sie sah wer dort stand, vergaß sie das schnell. Mágurix stand dort. Mitsamt Hundeschlitten, wahrscheinlich war er mal wieder auf dem Weg zum Fischen. Terèse lies ihren Arm sinken. Wie Mágurix sie ansah... Er hatte das Wurfmesser nicht einmal bemerkt. Sein Blick war voll Sehnsucht und Wärme...aber auch voller Schmerz. Und all das galt ihr. Hatte er schon immer so gefühlt? Als er auf sie zukam, rührte sie sich nicht. Selbst als er ihr Kinn sanft in die Hand nahm und ihr einen Kuss auf die Lippen hauchte, rührte sie sich immer noch nicht. Terèse konnte sich nicht mehr bewegen. Weder von Mágurix weg, noch zu ihm hin. Zusehr hatte er sie überrumpelt.



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