Die Entdeckung
„Yuuuuuuukiiiiii!“ Mit weit aufgerissenen Augen kam Shuichi Shindou, der Sänger der Band Bad Luck in die Wohnung seines Freundes, des blonden Schriftstellers Yuki Eiri gestürmt. „Ich hab hier was, das solltest du dir ansehen!“ Ohne den genervten Blick seines Gegenübers zu beachten, knallte der Junge seinem Partner ein Magazin auf den Tisch, auf dem in großen Buchstaben „Boys Love auf dem Vormarsch“ geschrieben stand.
„Was ist das?“ wollte Yuki Eiri wissen und starrte auf seinen Freund, ohne das Magazin auch nur eines weiteren Blickes gewürdigt zu haben.
„Etwas, etwas, Yuki, lies!“
„Was?“
„Lies, Liiiies!“
Normalerweise war Shindou verrückt. Nichtsdestotrotz beschränkte sich diese Art seines Wesens zumeist auf ein Minimum, wenn er abends erschöpft von der Arbeit kam. Doch heute wollte die Aufregung des jungen Sängers einfach kein Ende nehmen und so ergab sich der blonde Mann der Aufforderung und begann, zu lesen.
„Boys Love auf dem Vormarsch, aha.“ Gelangweilt blätterte er zu Seite fünf und begann, den knallend bunten Artikel zu lesen. „Wie die Sprecher einschlägiger Verlage berichten, erfreut sich das Boys Love, auch bekannt als Shonen-ai, Genre immer größerer Beliebtheit. Vor allem junge Mädchen und Frauen erfreuen sich an den Stories, die vorrangig von der Liebe zweier Männer handeln. „Wir haben vor einigen Jahren begonnen, den Sektor zu öffnen und uns auf dem Markt voranzutasten.“ teilte der Sprecher eines der größten Verlage des Landes mit. „Und das Ergebnis war wirklich überraschend. BL-Manga verkaufen sich glänzend. Vor allem die Serie Gravitation erzielte unglaubliche Rekorde und regte vor allem die weiblichen Fans zu eigener Kreativität an.“ Denn nicht nur gelesen werden die Manga, sondern sie werden weitergesponnen, in Bild und Schrift und als Fanarts und Fanfics zum eigenen Vergnügen kreiert und meist übers Internet mit anderen geteilt.“
„Kannst du mir das erklären?“ fragte Yuki Eiri, nachdem er sich gebannt einige Fanarts betrachtet hatte, auf denen die Figuren in eindeutigen Posen interagierten.
„Erklären, erklären. Na da hat uns doch einer beobachtet und einen Manga draus gemacht! Aber das ist doch noch nicht das Schlimmste!“ Aufgeregt wedelte Shuichi Sindou mit seiner Hand und bedeutete seinem Freund, noch eine Seite weiter zu blättern.“
„Anbei Kostproben einiger von Fans verfasster Stories.“ las Yuki vor und überflog den Inhalt der Werke. Derweil hielt Shuichi den Atem an.
Plötzlich sprang er auf, Yuki nicht Shuichi und das war ungewöhnlich. „Das .. das gibt es doch nicht.“ Wütend schlug er mit der Hand auf den Tisch. „Shuichi, hier, sieh dir das an.“ Wie in Raserei fuchtelte er mit den Fingern in der Nähe eines Artikels herum, der die erotische Dreierbeziehung zwischen Tohma Seguchi, Yuki Eiri und dessen Bruder beschrieb. Weil er nichts sagen konnte, schluckte Shuichi nur und wanderte zu einem anderen Exemplar weiblicher Kreativität, das sich mit ihm selbst und Sakuma Ryuichi beschäftigte. Nicht, dass er ursprünglich etwas dagegen gehabt hätte, aber nun war er doch mit Yuki zusammen und da passten allein solche Gedanken nicht mehr. Doch er kam nicht dazu, etwas zu sagen, denn Yuki schrie schon weiter. „Und hier, meine Schwester mit K. und dann K. mit Ryuichi und dann Ryuichi mit Tohma und Tohma wieder mit K. und der dann mit mir! Das …“ entschlossen zündete er sich eine Zigarette an. „Lasse ich mir nicht gefallen. Komm, Shuichi.“
Bevor er etwas erwidern konnte, wurde der junge Sänger gepackt und aus der Wohnungstür geschliffen. Ungünstig, denn inzwischen hatte er seinen Pyjama angezogen und während Yukis Ausbruch über den Artikel mit ihm und Sakuma Ryuichi nachgedacht. Zum Glück trug er keine enge Schlafanzughose! Erst, als er im Auto saß, konnte Shindou wieder etwas anderes denken. „Wo fahren wir denn hin?“ fragte er.
„Zum Verlag.“ knurrte Yuki. „Um denen zu sagen, dass sie aus meinem Privatleben nicht einfach einen Manga machen können.“
