6-er im Lotto
6-er im Lotto
Hatte das Kapitel schon letzte Woche fertig aber irgendwie wollte ich es noch nicht hochladen. Aber nun habe ich es auch wieder voll vergessen. >.<
Also nun für euch das 6. Kapitel.^^
Liebe Grüße
Seikara
Wir waren keine Mädchen, doch ab und zu erlaubten es auch wir uns ein Telefon in die Hand zu nehmen und miteinander mehr als 4 Sätze zu reden. Besonders da Tora krank war und mir noch das Doppeldate in den Knochen lag. Es gab keine bösen Vorfälle, kein böses Blut, doch ich und Kouyou hatten uns nur angeschaut. Die Konversationen führten Maya und Rena, ich hatte auch keine Worte übrig oder nur wenig. Mir war es schon zu viel gewesen zu verbergen, wie aufgebracht ich war wegen seiner Anwesenheit. Er sah auch in manchen Sekunden so aus, wenn er sich unbeobachtet gefühlt hatte, als ob er nicht wüsste, ob er mir den Teller ins Gesicht werfen sollte oder nicht.
Alles in Allem ein sehr friedlicher Abend außer ein kurzer Fußtritt, wo ich nicht sagen konnte, ob er es absichtlich gemacht hatte. Entschuldigt hatte er sich nicht, aber das war okay gewesen. Das wäre zu peinlicheren Wortgefechten gekommen.
Zurück zum Thema, ich wollte nicht Tora ins Gesicht sehen, wenn ich von dem Abend redete, denn es hatte mir viel Ärger und auch ruhelose Stunden eingebracht. Andauernd dachte ich darüber nach, was der verkappte Brünette gedacht hatte, als er da so adrett vor mir saß.
„Wenn Rena nicht Kouyous Freundin wäre und ich nicht Takumi hätte, wäre ich sicher zum schwanzwedelnden Hund mutiert auf der Einweihungsparty. Sie sah selbst in Pyjama hinreißend aus.“
Ich schaute skeptisch vor mir hin als ich Tora zugehört hatte.
„Woher willst du wissen, wie sie im Pyjama aussieht?“, fragte ich skeptisch und sah aus dem Fenster raus in den sonnigen Nachmittag. Ganz nach Feng Shui Art, damit das Chi besser fließen kann und man jeden Sonnenstrahl einfängt nach Südwesten ausgerichtet.
„Takumi hat oft mit ihnen geskypt, da kam es schon mal dazu, das da eine Rena in kurzer Hose umher gerannt ist.“
„Ich bin neidisch.“, gab ich tonlos zu und hoffte gerade nicht, dass Maya früher Schluss heute hatte. Ich fühlte mich irgendwie taub und gleichzeitig war mein Geist so was von wach. Was war bloss mit mir los. War ich nicht sonst ein so emotionaler Krüppel, dass ich nicht mal etwas fühlte, wenn man mir sagte ich wäre ein verschissener Yankee?
„Anscheinend lernt man solche Frauen nur in Amerika kennen.“, lachte Tora knarzend am anderen Ende der Leitung.
„Hey, meine Freundin is auch heiß.“, beschwerte ich mich nur halbherzig. Ich redete schließlich genauso über die Freundin meines Ex-Freundes.
„Aber ich habe sie nicht vorher gefunden. Sie ist nicht heiß, weil ich nicht mit ihr zusammen bin. Sie ist nur süß.“ Ich sagte dazu nichts. Wenn ich meine Freundin nicht sexy finden würde, würde ich ja nicht mit ihr schlafen und doch war ich gerade nicht immer ganz bei der Sache, wenn wir uns liebten. Ich würde sagen, es lag einfach zu viel in der Luft. Zu viel drang in mich ein und machte aus mir ein nervliches Wrack.
„Ich würde ja am liebsten sagen beste Freunde teilen alles, aber das würde bei Kouyou sicherlich nicht gut kommen.“, lachte ich tonlos und falsch und das wusste mein bester Freund. Er ging darauf nicht ein, denn er wusste ich würde es sagen...
„Und was ist mit Kou?“, fragte er mit hellerer Stimme, so als wäre es ihm peinlich mit mir zu reden.
„Wie? Was soll mit dem sein?“, hakte ich etwas vorsichtig nach. So genau konnte ich mir nicht vorstellen, was er meinte. Wir hatten das Thema eigentlich totgeschwiegen und das empfand ich als sehr richtig.
„Na ja, findest du ihn auch noch heiß?“, fragte er so, als wäre es total abwegig auf einen Mann zu stehen und besonders auf diesen.
Mir blieb die Luft im Hals stecken und ich wusste in diesem Moment nicht recht, ob ich das auch wirklich gehört hatte. Tora fragte mich über Kouyou aus?
„Wie kommst du jetzt darauf?“
„Fang nicht so an, damals hättest du ihn hechelnd wieder zurück genommen. Ich will nur wissen, ob die Gefühle nun tot sind oder ob du ihn immer noch heiß findest.“
Mein Herz setzte aus und ich hatte nicht übel Lust darüber nachzudenken. Aber er hatte recht - ich war am Rande der Verzweiflung gewesen, weil ich nicht wusste, wie ich ihn wieder zurück bekam.
Kurz ließ ich den Abend durch meinen Kopf gehen... Wie er da gestanden hatte mit schief gelegtem Kopf und den Händen in den Trenchcoattaschen. Wie er vor mir gesessen hatte und die Mundwinkel sich nach oben bogen bei einem leichten Lächeln, immer wenn Rena oder Maya etwas Witziges gesagt hatten, an was ich mich nicht mehr erinnern konnte.
Mein Herz sprang auf und ab vor Abscheu und Hingabe... so als hätte ich einen 6.er im Lotto errungen. Dieser bescheuerte und egoistische Ochse sollte verdammt nochmal nicht so viel ausstrahlen.
„Nein, da is nichts.“, log ich ihn und mich an, damit ich mir das auch wirklich einreden konnte.
Dieser Mann hatte mich aus seinem Leben geschmissen in dem Zeitpunkt, in dem ich ihn wohl am meisten gebraucht hatte.
Es war ein Schockmoment gewesen, hatte danach noch mehr getrunken, damit ich vergessen konnte, in was für einem einsamen Haus ich lag und wie sehr ich diesen Mann vermisste.
Irgendwann lag ich nur noch auf dem Bett und versuchte zu vergessen, denn kein Alkohol der Welt konnte mir Kouyou zurück geben und ich schnitt mir immer mehr ins Fleisch, wenn ich im angetrunkenen Zustand wieder vor seinem Wohnhaus stand und nach ihm schrie.
Ich tat es 1 Mal, ich tat es 2 Mal, ich tat es 5 Mal. Dann tat ich es nie wieder, nachdem er mir eine Kiste in die Hand gedrückt hatte in der alles drin war, was ich je bei in gelassen hatte oder was ihn an mich erinnerte. Obendrauf thronte der Oskar.
„Okay, dann kann ich mich entspannen. Das Ganze ging mir nämlich mächtig auf den Keks.“
Ja, alle hatten mehr gelitten als ich, denn ich war unausstehlich.
Mein Vater wollte mich los werden, ich war einfach zu faul.
Meine Schwestern wollten nicht mit mir reden, ich war ein abgefrakter Säufer.
Meine Freunde wollten nicht zuhören, ich leierte immer wieder die selben Sachen.
„Ich treffe mich morgen mit ihm.“, sagte ich frei herraus und ich hörte die schneidende Stille am anderen Ende des Telefons eine halbe Minute.
„Wie bitte?“, fragte er ungläubig nach.
„Er hat mir am Ende des Abend gesagt, er möchte mich in einer Woche genau um diese Uhrzeit im Piano Cafe treffen.“
Ich konnte mich zu gut an den Blick von ihm erinnern. Er strahlte keine Freundschaft oder Mitgefühl aus... keine Nettigkeit. Es würde sicherlich nicht über ein Picknick reden wollen. Nicht Kouyou Takashima.
„Und was ist, wenn du nicht hingehst?“
„Hab ich auch gefragt. Er meinte es würde ihn sicherlich nicht stören.“
„Was hast du gesagt?“
„Das er sich seine Allüren aus den Arsch holen soll, denn die täten seiner Haltung nicht gut.“
„Für deine Sprüche sollte man Geld bezahlen, Junge.“
Ich fühlte mich nicht wohl dabei, Rena anzulügen und doch war ich mir sicher, es wäre nicht so gut ihr zu sagen, was ich wann wo machte. Sie lief nur schweigend neben mir zur Yamanote.
Sie war angespannt, weil ich angespannt war, doch sie fragte nicht warum.
„Ruf mich einfach an, wenn du zu Hause bist. Ich brauche heute länger glaube ich.“, sagte sie, während sie in ihrer großen Tasche nach ihrem Schlüssel suchte. Währenddessen küsste ich sie auf die Wange und schob mir das Gestell meiner Brille wieder zurecht.
„Mach dir keinen Sorgen, ich werde nicht vereinsamen, oder so.“
Zwei Männer schoben sich an uns vorbei, als wir stehen blieben an dem Eingang des Bahnhofs.
Ich wollte mich schon darüber aufregen, dass sie nicht unbedingt nebeneinander an uns vorbei mussten, doch ich sah ihre verschränkten Hände und hielt inne, sah ihnen nach und es zog unangenehm in meiner Brust. Sie wirkten wie zwei Jungen aus der Todai in der Nähe. Ihre Hände irritierten mich immer mehr.
In dieser Zeit, die mir vorkam wie ein paar Minuten, beobachtete mich Rena peinlich genau und ich hatte das Gefühl sie wusste, an wen ich dachte.
Ich konzentrierte mich wieder auf sie, um von der peinlichen Situation abzulenken. Dabei saß ich mittendrin.
„Du hast gar nichts gesagt, obwohl du das bei so was immer machst.“, gab sie an und schaute mich mit forschenden Augen an. Sie hatte gesehen, wie ich ansetzten wollte und doch still geblieben war.
„Das war ein Paar.“, sagte ich nur leise und sah meine glänzenden schwarzen Schuhe nach budapester Machart an, als wäre da was Wichtigeres. Man musste es mir doch an der Nasenspitze ansehen, was in mir vorging. Mein ganzes Verhalten schrie doch bereits. Ich fühlte mich wie ein Fluss, der alles aus sich heraus fließen ließ, ob er nun wollte oder nicht.
„Sag mal, wie standest du eigentlich zu Akira damals?“, fragte sie mich, ohne, dass es eine Vorbereitung für mich gab, Einfach ins kalte Wasser geschmissen.
„Wir waren Schulkameraden.“, gab ich steif von mir und beobachtete eine Taube, während sie nach einem Burger auf dem Boden pickte.
„Ja und mehr?“, hakte sie nach und ich schaute sie wütend an. Was sollte das ganze Rumgefrage? Das war doch alles längst vorbei. Das war nicht mehr ich. Frauen konnten echt schrecklich sein mit ihrer Neugier.
„So was wie mein bester Freund. Reicht das jetzt?“ Ich wollte nicht kalt klingen, doch ich bekam den Timbre nicht mehr umgelenkt zu einem netten Ton.
Sie merkte, dass sie etwas angesprochen hatte, auf das ich keine Lust hatte zu reagieren, dass ich gereizt war. In diesen Momenten war es immer besser, wenn wir schwiegen und alles so hin nahmen wie es ist. Ich hatte genug Probleme gerade vor mir.
„Achso, na dann bis heute Abend. Vielleicht habe ich noch Zeit vorbei zu kommen.“
Ich nickte nur, antwortete nicht, denn es wäre unpassend gewesen, zu sagen, dass ich lieber gerade alleine war. Besonders seitdem ich das Gefühl hatte, Maya und Rena hatten das mit diesen einen Abend geplant.
Wieso konnten es Frauen nicht so beruhen lassen, wie es war?
„Bis dann.“ Sie ging ohne nach mir zu schauen und das was gut so. Dann fühlte ich mich nicht schlecht in meiner Haut.
Auch ich ging weiter den Weg in einer der Seitenstraßen von Meguro, einem Familienviertel in dem es kleine gemütliche Cafes gab, die spät Nachmittags für Geschäftsleute die beste Ruhestätte waren.
Ich gesellte mich gerne zu ihnen und ließ die Ruhe über mich senken.
Auch diesmal setzte ich mich in ein schmales Cafe, was versuchte westlich zu wirken und nahm mir die Zeitung, die auf jedem Tisch lag. Einer der wenigen Sachen die mich beruhigten. Zeitung lesen!
Doch ich blätterte nur uninteressiert durch. Nichts Wichtiges an diesem Tag.
Drei Tote bei Übefall. Yen wird stärker... Bla!
Nebenbei bestellte ich mir einen Machiatto, so wie ich ihn immer hier trank. Die Bedienung fragte schon gar nicht mehr nach, ob mit extra Zucker. Man kannte sich.
Verdammt! Warum war ich überhaupt hier?
Ach ja, ich wollte meinem Ex-Freund klar machen, wie die Dinge standen, damit ich damit leben konnte, dass er in meiner unmittelbaren Umgebung war. Denn so einfach würde es nicht werden ihm aus den Weg zu gehen. Schon alleine durch das unglaubliche T-Team. Ein Tora ohne Akira konnte nicht mal ich mir vorstellen.
Kouyou, es wird einfach und formell ablaufen. Das kannst du doch gut.
Vielleicht kam er ja auch gar nicht. Schon mal ein gutes Zeichen. Akira hatte keinerlei Interesse in seine Nähe zu kommen. Wirklich eine tolle Option...
… Wirklich?...
„Hier Ihr Latte Machiatto“, erklärte mir eine Stimme von der Seite und holte mich wieder zurück. Verdammt, ja ich war ja noch in aller Öffentlichkeit. Verwirrt nahm ich ihn entgegen und rührte ein wenig im Schaum. Das musste sicherlich komisch aussehen wenn mich Leute beobachtet hatten.
Sofort nahm ich mir die Zeitung wieder zur Hand.
An der Tür klingelte eine helle Glocke und zeigte an, dass ein neuer Gast eingetreten war. Ich musste nicht einmal aufschauen um zu wissen, dass es Akira war der mit aus gefranzter und löchriger Jeans den Laden betrat.
Warum hatte er sich nicht unauffälliger Kleiden können? Im Augenwinkel sah ich Regenbogenfarbende Hosenträger runterhängen. Woher hatte er die denn her? War ja fast verboten.
Kurz schaute er sich um und lief zielstrebig auf meinen Tisch zu. Hatte mich ja extra nicht so weit hinten hingesetzt
Er hatte sich in all den Jahren kein bisschen verändert. Nicht mal die Haare sind länger geworden oder anders gefärbt. Das einzige... er trug seine Nasenbinde nicht mehr und das hatte mich schon von Anfang an gestört. Damals hatte er sie nur vor mir abgenommen und nun zeigte er sie aller Welt.
... Arschloch!...
während er sich mir gegenüber setzte konnte ich nicht an mich halten und ließ mich zu einem Kommentar hinreizen.
„Und was machst du, wenn es schneit?“, fragte ich bissiger als ich wollte. Eigentlich sollte das hier eine neutrale Besprechung werden. Aber bei ihm konnte ich nicht neutral bleiben. Jedes Mal, wenn ich ihn sah, musste ich an unsere Schulzeit denken.
Wie er andauernd meine Gummibärchen geklaut hatte, natürlich die Grünen, die ich nicht mochte.
Wie er versucht hatte mit der Federtasche von Ruki aus den Schulfenster in einen Müllkorb auf den Schulhof zu treffen.
Wie er andauernd mit meiner Mutter das Opening von Sailor Moon und Naruto gesungen hatte.
Wie er pünktlich zu Mathematik mit den Kopf auf die Tischplatte fiel und einschlief.
Wie er an seinen Federhalter knabberte und mich anschaute, wenn ich über chemische Formeln redete oder physikalische Gesetzte. (Ich bin mir sicher, er hat mir nicht zugehört!)
Wie er schmerzverzerrt das Gesicht verzog, wenn ich ihm sagte, dass er gefälligst Verantwortung für seine Schwestern übernehmen musste, jetzt wo seine Mutter weg war.
Wie er mich wütend meinen Tisch demoliert hatte und mir gesagt hatte, ich wäre das Schrecklichste, was ihm je passiert sei und ich würde seinen Stolz brechen.
Wie... ja wie?
Nur an die Nächte zu denken, in denen er mich für alles verantwortlich machte schnitt mir ins Fleisch. Keiner dieser Sätze wollte ich mehr denken und doch kamen sie jetzt wieder, als er vor mir saß und seine Augen so aussahen wie flüssiger Bernstein.
„Ich bin keine Memme die bei -5° friert. Und wenn, dann habe ich noch eine andere Jeans.“
Auch er reagierte gereizt, schaute mich an, als würde er sich nicht für ein Gespräch interessieren.
„Und wo hast du deine Manieren gelassen?“, fragte er mich und nahm die Speisekarte von einer Kellnerin an. Zu ihr war er so charmant wie ein Gentelman. Für mich reichte der Blick, den man einer Ratte schenkte, aus.
„Sie werden nicht selten finden, dass es ganz achtbaren Leuten an Zivilcourage fehlt.“, entgegnete ich und er lächelte nur gehässig und winkte die Kellnerin zu sich ran.
„Einen New York Burger bitte.“, sagte er mit einer schmeichelnden Stimme, für die ich ihn am liebsten den heißen Kaffee in die Hose gekippt hätte.
„Burger erhöhen das Demenzrisiko und deine Cholesterinwerte ziemlich stark.“, versuchte ich es als Randnotiz stehen zu lassen.
Er hingegen sah mich leicht entgeistert an und schüttelte den Kopf. Ich hatte eigentlich gedacht er sagte so etwas wie: „Lass mich doch essen was ich will.“
Doch er sagte nichts und wendete sich wieder an die Kellnerin.
„Mit extra viel Mayo, bitte.“
Natürlich wollte er mich ärgern und achtete nicht auf meine Worte und das ärgerte mich wirklich. Dieser verfluchte Kerl tat auf obercool und ich hatte ganz vergessen, dass er eigentlich schon immer so war. Er hatte nur auf mich gehört, weil er mit mir zusammen war und nicht, weil er sich sonderlich dafür interessiert hatte, was gesund war und was nicht.
„Und von wem kam dieses tolle und wirklich kluge Zitat?“, fragte er mich mit wenig Interesse.
Meine Glieder wollten ihn auf der Stelle in die Polster drücken und mein Mund wollte ihn anschreien, dass er gefälligst nicht so cool tun sollte, während mein Herz so flatterte wie ein Schwarm Kolibries.
„Bismark.“, sagte ich stattdessen nur nüchtern und besann mich meines Kaffees, der langsam kalt zu werden schien. Dabei saß ich noch nicht lange in diesem Cafe.
Meine Gedanken kreisten um diesen verdammten Mann, der mich lieben und hassen gelernt hatte und dessen Haar nun so verdammt silbern schimmerten im Zwielicht des Nachmittags. Ich wusste, wie gerade und schön seine Nase war. Doch ich hatte sie nur selten im natürlichen Licht der Sonne so sehen dürfen. Seine Augenbrauen machten so einen sanften Bogen, dass ich manchmal glaubte sie waren in Wirklichkeit so hell und dünn. Natürlich zupfte und färbte er.
Was sollte das alles? Ich musste neutral bleiben und das sollte ich eigentlich können.
Sein Blick traf wieder mich und ich musste mich sofort wieder ermahnen nicht im Sitz zusammenzusinken. Das alles machte mich so müde. Der ganze Hass, die ganzen Erinnerungen.
„Und weshalb sitzen wir jetzt hier?“ Seine Stimme klang nicht mehr ganz so streng oder abgebrüht. In ihr schwang so viel unmut mit wie ich mich fühlte.
Jetzt war es an der Zeit zurück zu schlagen. Es war Zeit Grenzen zu zeigen oder sogar richtige Abgrenzungen zu schaffen. Wir sollten genau DAS nicht mehr aufrühren.
Kurz räusperte ich mich und legte die Zeitung beiseite.
„Ich wollte mit dir darüber sprechen wie es jetzt weiter gehen soll.“ Innerlich verfluchte ich mich dafür nicht kalt zu klingen, so wie ich es eigentlich vorhatte. Ich wollte ihn verletzten, ihm das Herz auskratzen mit einem rostigen Messer. Für all die Worte, die er mir damals an den Kopf geworfen hatte.
„Wie meinst du das?“, fragte er in einer höheren Oktave, so als hätte ich ihn eines Mordes beschuldigt.
„Es ist ja wohl offensichtlich, das wir einander nicht 100% aus den Weg gehen können und ich habe nicht sonderlich Lust darauf irgendwelche weiteren Fragen über uns zu beantworten.
Es ist okay, dass du hier bist, aber ich will dich nur dulden, wenn du in gutem Abstand zu mir bleibst.“
Sein Gesicht bewegte sich nicht, schien wie aus Stein gemeißelt. Man wollte rauf schlagen, um irgendeine Veränderung herauf zu beschwören. Mein Inneres wollte, dass er mir schnippisch antwortete und beleidigend wurde, damit ich mir sagen konnte er wäre mir egal und ich täte an all dem Recht was ich sagte und tat.
„Nach all den Jahren bin ich nicht gewillt dir zu verzeihen und ich will dich nicht bei mir haben und an den ganzen Scheiß denken müssen, den man nicht mehr ändern kann.“
Das war alles andere als neutral gewesen und kühl schon recht nicht. Ich hatte mich ihn Rage geredet und er schaute mich einfach nur an. Verdammt noch mal er sollte genauso kochen. Er sollte verdammt nochmal lachen oder weinen. Obwohl sein verdammtes trauriges Gesicht mich wahrscheinlich noch viel verzweifelter machen würde.
Wieder holte ich Luft, um mich zu beruhigen.
„Willst du noch etwas los werden?“
Wieder eine beiläufige Frage und ich nahm mein Glas mit dem Machiatto in die Hand, um einen Schluck zu nehmen...
„Deine Freundin ist scheiße geil.“
… und den Schluck wieder auszuspucken auf den glänzenden Tisch vor mir.
Ein paar Gäste schauten schon pickiert und er... er lächelte hinterhältig.
„Was'n das für eine Auslage?“, wollte ich mich beschweren doch ich bemerkte gerade das Malleur in meinem Kauderwelsch von schlechter Grammatik und verwechselten Wörtern.
„'Was ist denn das für eine Aussage?' heißt das Kouyou.“, begann er mich nachzuäffen und wie durch ein Wunder bogen sich meine Mundwinkeln nach oben. Ich wollte nicht lachen, doch mein Mund synchronisierte sich mit seinem.
Verdammt dieser Mund! Wie oft hatte ich über ihn geleckt, in die spröden Lippen gebissen und er sah immer noch so wunderbar aus.
Ich wollte weinen, doch mein ganzer Körper schüttelte sich vor Kichern.
Wieso verdammt noch mal konnte ich diesen Kerl nicht hassen?
Wieso konnte ich ihn nicht auf Abstand behalten?
Wieso fühlte ich mich bei seinem Lachen wie bei einem 6.er im Lotto?
Wieso sehnte ich mich so nach Worten von ihm, obwohl sie mich damals so verletzt hatten?
Wieso sehnte ich mich nach einer Umarmung, obwohl er mir Gewalt angetan hatte?
Ich wollte in seiner Nähe sein und sein Lachen hören. Ihm sagen was in der Luft lag und ihn kneifen, wenn er wieder Rülpsen wollte.
Ja, ich wollte ihm doch vergeben...
Würde er nur ein Wort endlich in den Mund nehmen...
... „Entschuldigung!“...