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Absentminded.

Fly/Yuu
von

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Immer wieder leugnete er, abhängig, gar besessen zu sein. Er hasste den Gedanken, zu wissen, dass er es wusste. Was sonst war der Grund, ihm immer wieder nachzulaufen, ihn zu verfolgen, selbst in die abgelegendsten Regionen? Zuerst hatte es ihn ungemein befriedigt: Ihn zu sehen, beobachten zu können, seine Stimme hören zu können, wenn er mit anderen sprach. Diese Befriedigung wurde allmählich zu einer Frustration, und er begann sich zu fragen, warum er nicht, statt seine Stimme nur zu hören; selber mit ihm sprechen konnte. Warum er ihn nur beobachten konnte, aber nie in seine Augen sehen.

Es machte ihn wahnsinnig, zu wissen, dass er es nicht könnte.

Wenn er mit ihm sprach, wurde er sporadisch ignoriert oder es wurde sich gar lächerlich gemacht. Warum tat er sich das nur immer wieder freiwillig an?

Er wollte doch nur eins.

Er wollte Yuuri nahe sein.

Aber es tat so unglaublich weh, zu wissen, dass das nicht auf Gegenseitigkeit beruhen sollte.
 

Es war einer dieser Tage, an dem die fleischliche Lust gewachsen war, die Überhand gewonnen hatte, und er für sich im Stillen beschlossen hatte, Kontakt aufzunehmen. Hätte er gewusst, dass diese Kontaktaufnahme sich so positiv auswirken würde, hätte er wohl schon früher damit begonnen und kaum gezögert, auf ihn zuzugehen und ihm einen deftigen Hieb auf den Schädel zu versetzen.

Der Kontrollverlust – Auch, wenn nur von kurzer Dauer – Hatte ihn zum glücklichsten Menschen der Welt gemacht.

Flynn betrachtete seinen Kindheitsfreund, der in der Zelle lag und wieder zu sich kam. Er war so unglaublich fröhlich. Yuuri musste das auch sein. Immerhin sahen sie sich wieder, konnten miteinander reden. Hatte er ihn nicht auch furchtbar vermisst? Flynn hatte ihn vermisst, dabei sah er ihn beinahe jeden Tag.

Yuuri musste ihn auch vermisst haben.

Als der Langhaarige auf dem Boden die Augen langsam öffnete überkam ein Schwall kindlicher Vorfreude den Blonden. Es war ein sagenhafter Moment. Ein wohliger Schauer rann ihm nur von jenem Anblick den Rücken hinunter, er spürte, wie seine Nackenhaare sich aufstellten und seine Augen funkelten beinahe schon vor Freude.

Yuuri sah ihn an.

Flynn erwiderte den Blick.

Seit wann sah er nun zum ersten Mal wieder in diese wunderhübschen Augen?

Für Flynn war es definitiv zu lange her. Doch als Yuuri etwas sagen wollte lauschte er genau auf. Der Langhaarige konnte nichts sagen, seine Stimme war kratzig und er verschluckte sich. Ohne zu zögern schob er eine Flasche mit Wasser durch die Gitterstäbe. Yuuri trank einen Schluck. Dann begann er zu sprechen und Flynn erfreute sich des Tones, wenn auch nicht der Worte:

„Kannst du mir erklären, was das hier soll?“

Über den Klang seiner Stimme vergaß er fast zu antworten, presste dann aber hervor:

„Ich hab dich gefangen. Toll, oder? Es ist so lange her, dass wir uns sahen…“

„Du hast mich gestern erst gesehen. Wir haben gesprochen… Naja, du hast gesprochen und ich habe dir nicht zugehört, aber okay.“

„Oh, das ist schon in Ordnung. Es ist wundervoll, dass du hier bist.“, sagte Flynn und umfasste das Gitter mit seinen Händen. Der Andere betrachtete ihn skeptisch und begann wieder:
 

„Ja, ich weiß, es ist toll, dass ich hier bin. Aber noch toller fände ich es, wenn ich draußen wäre.“

„Draußen?“

„Ja, und ganz, ganz weit weg von dir. Das wäre toll.“

Flynn verstand seine Abneigung nicht und blickte ihn an, als hätte er ihn nicht verstanden, nur um ihn dann zu enttäuschen: „Nein, ich behalte dich hier. Du darfst nicht weggehen… Du gehst immer weg.“ „Ja, aber das hat auch seine Gründe. In erster Linie will ich dich einfach nicht sehen. Und in zweiter Linie kann ich dich einfach nicht länger als eine Stunde ertragen, ohne dich innerlich zu beleidigen.“

Flynn runzelte die Stirn.

„Darf ich jetzt raus?“

„Nein. Du bleibst bei mir. Du gehörst mir.“

„Ich gehöre mir selber.“, erwiderte Yuuri, wurde aber überhört, als Flynn aufstand, sich in den hölzernen Stuhl warf. Ja, normalerweise war es der Blonde, der immer überhört wurde – Es war nicht gerade das beste Gefühl, aber man konnte sich daran gewöhnen.

Es tropfte von der Decke, Yuuri genau auf die Stirn. Kühl zog es durch die Mauern, der Langhaarige schlang die Arme um den eigenen Körper. Es herrschte Funkstille und sie sprachen nicht ein Wort, bis der erste Mondschein in das Räumchen schien – Es war nicht unterirdisch. Aber zu schreien brachte wohl nichts.

„Ich gehe jetzt. Du wartest hier.“

Eine große Wahl hatte Yuuri ja nicht.

„Flynn. Ich will eine Decke. Es ist kalt.“

„Gute Nacht, mein Schatz.“

Yuuri verwunderte diese Ansprache, aber er beschloss, sie zu ignorieren, als er die Tür ins Schloss fallen hörte. Ausbruch war kaum möglich. So vergingen auch die nächsten zwei Tage. Spärliche Speisen, Wasser und die stillschweigende Anwesenheit des Blonden. Keiner hatte etwas seiner Würde verloren. Manchmal sprachen sie, beziehungsweise Yuuri forderte Dinge, die er nicht bekam.
 

Es war der Abend des dritten Tages, als es noch heller von draußen hinein schien. Überall lag Schnee, der die Landschaft noch heller aber auch kälter wirken ließ. Er ließ es nicht nur kälter wirken… Es war kälter. Flynn hatte sich erhoben.

„Ich gehe jetzt.“

„Flynn…“

Der Blonde hielt vor der Tür inne und blickte sich um, sah Yuuri genau an.

„Könnte… könnte ich bitte diese Nacht eine Decke haben?“

„Gute Nacht, Liebling.“

Er legte die Hand an die Klinke, Yuuri umklammerte das Gitter. Es war kalt, rau und er spürte eine scharfe Kante, die sich leicht in sein warmes Fleisch bohrte. Dann erhob er wieder die Stimme. „Flynn, bitte bleib…“ Der Blonde blickte über die Schulter. „… Dann wärm du mich…“

Zaghaft löste der Andere die Hand von der Klinke, ging auf das Gitter zu und schob sich durch die einen Spalt geöffnete Tür in die Zelle. Yuuri versuchte nicht einmal mehr zu fliehen, wie er es getan hatte, als Flynn ihm das Essen übergab. Yuuri blieb sitzen. Er blickte kraftlos, leer. Flynn zog ihn in seine Arme. Es war ein gutes Gefühl, den Geliebten so nah an sich zu spüren, ihn darum bitten zu hören, ihn berühren zu dürfen. Nicht mehr nur zuzusehen.

„Du bist so ein… hübscher und wundervoller Mensch.“

Yuuri reagierte nicht.

„Sieh doch, was ich alles für dich tue. Ich will dich nicht gehen lassen. Und du willst doch nicht gehen, oder?“

Und zum ersten Mal beantwortete er diese Frage, der er vorher ausgewichen war.

„Nein. Ich bleibe hier.“

„Damit habe ich gerechnet. Du bist so ein braver Schatz. So ein artiger Junge.“

Yuuri widersprach nicht mehr. Flynn war glücklich darüber. Yuuri wollte bleiben, ganz von sich aus. Vielleicht auch, weil er zu schwach war, um zu fliehen. Vielleicht, aber auch, und das war, was Flynn hoffte, weil er Gefühle hatte. Dann spürte er den Rücken des Anderen nach, der an seinem Brustkorb lehnte. Er meinte sogar den Atem seines Vordermanns zu spüren, wie sich die Brust sanft hob und senkte, bis es immer langsamer wurde. War er eingeschlafen? Flynn überprüfte es.

Yuuri schlief nicht.

Sie schwiegen.

Schließlich hallte die Stimme des Anderen wieder durch das Gemach.

„Wenn… Wenn ich artig bin, Flynn…“, begann er zweifelnd. „Wenn ich artig bin, darf ich dann gehen?“

„Ja, dann darfst du mit mir mit gehen. Aber nur unter einer Bedingung…“

„Welche…?“

„Du musst mich lieben. Von ganzem Herzen ehrlich lieben.“

„Ich weiß nicht, ob ich das im Moment kann.“, hauchte Yuuri und verzweifelte fast. Er wollte doch nur artig sein und gehen dürfen. Er fühlte sich so unglaublich hilflos. So drängte er sich gegen Flynn und schloss die Augen.

„Oh, vielleicht kannst du es ja morgen. Willst du morgen mir gehören?“

Yuuri antwortete nicht. Flynn erhob sich.

„Gute Nacht, mein Engel.“

„Gute Nacht, Flynn.“

Er hörte die Tür und konnte den Rest der Nacht nicht mehr schlafen. Auch Flynn schlief nicht. Er wollte doch nur, dass Yuuri ihm gehörte, dass er ihn einfach nur liebte. Das sollte doch nicht so schwer sein, oder?
 

Auch am nächsten Abend bat Yuuri ihn, bei ihm zu bleiben.

Flynn betrat die Zelle, Yuuri lag auf dem Boden. Blass, ermattet. Er sah Flynn aus fahlen Augen heraus an. Ihm die Freiheit zu nehmen brachte ihn wohl langsam um sein Leben, so wie ein kleiner Vogel, der beim Fliegen nicht mit den Flügeln schlagen konnte.

Flynn platzierte sich über ihm; lag auf ihm.

Er spürte den erkühlten Körper unter sich, strich mit der Hand beinahe schon ehrfürchtig über Yuuris Wange, der nicht reagierte. Seine Haut war so unglaublich sanft. Flynn erzitterte und legte beide Hände an Yuuris Wangen. Er näherte sich ihm langsam, wollte ihre Lippen in einem Kuss versiegeln.

Er vernahm Yuuris warmen Atem, der schließlich den Kopf wegdrehte.

„Was ist denn?“

„Ich will das nicht… Ich gehöre dir nicht… Ich liebe dich nicht, Flynn. Nicht einmal ein wenig.“

Der Blonde blickte ihn an, drehte den Kopf wieder zu sich und stahl ihm einen Kuss von den Lippen, wurde dann allerdings wenig kraftvoll von Yuuri hinunter gestoßen. „Bitte lass mich, Flynn.“

„Aber warum…? Gefalle ich dir nicht? Du… Du liebst jemand anderen, oder?“

Seine Stimme war ruhig.

„Nein, das ist es nicht.“

Flynn erhob seine Stimme, krächzte ein verzweifeltes: „Wo ist dann das Problem? Lieb mich doch einfach! Es steht niemand zwischen uns! Warum liebst du mich nicht!?“

„Ich weiß nicht.“

„Du weißt es nicht, Yuuri? Ich… ich liebe dich schon so lange und du verliebst dich in jemand anderen, wie kannst du mir das antun!?“, fauchte er.

Yuuri blieb liegen.

„Ich liebe niemand anderen.“

„Du lügst!“

Flynn krallte sich in die Handgelenke des Anderen, drückte zu und spürte dicke Tränen über die eigenen Wangen rollen, ehe sie auf Yuuris hinuntertropften, der das Gesicht vor Schmerz nicht einmal verzog.

„Flynn, bitte beruhig dich doch…“

„Ich will nichts mehr davon hören!“

Er konnte sich nicht mehr kontrollieren und spürte nur noch seine eigenen Hände an Yuuris Hals. Es geschah wie in Zeitlupe. Alles war ruhig, selbst Yuuri, der sich unter ihm wandte. Angestrengt kniff er die Augen zusammen, wollte Flynns Hände von seiner Kehle befreien, doch es war ihm unmöglich. Flynn blickte in diese wunderschönen Augen. Seine Gesichtszüge entspannten sich etwas. Yuuris Augen schlossen sich und Flynn ließ von ihm ab.
 

Immer wieder leugnete er, abhängig, gar besessen zu sein. Er hasste den Gedanken, zu wissen, dass er es wusste.

Jetzt war Flynn klar, dass er es nicht mehr länger leugnen konnte.

Alles an Yuuri bewegte ihn so sehr. Das warme Fleisch, die tiefen Augen, der sinnliche Mund, die zierlichere Statur. Flynn konnte seinen Blick nie von ihm nehmen. Er duftete nach Tau, wunderschön und frisch. Flynn wusste, wie sich sein Haar anfühlte – Wie Seide fiel es über die Schultern, die marmorierte Haut. Und immer wieder hörte er Yuuris Worte:

Ich liebe dich nicht, Flynn. Nicht einmal ein wenig.

Nicht einmal ein wenig.

Ein wenig…?



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  kittyjeany
2010-11-11T16:22:57+00:00 11.11.2010 17:22
auch ich bin sprachlos...
es ist schon ein weilchen her, dass ich bei einer ff so mitgefiebert hatte^^
und das sag ich nicht zu jedem.
übrigens: toller schreibstil :D
Von:  Kyojurou
2010-06-30T18:27:45+00:00 30.06.2010 20:27
Wie ich diese FF mal voll noch nicht kommentiert habe D:

Also ich kann Yuuris Nicht-Begeisterung voll nachvollziehen o_o
Aber das Ende ist... toll. Ich mag das offene Ende.
Und ich liebe deinen Schreibstil. <3

Awesome.


Von:  NIMCHEN
2010-05-16T10:41:56+00:00 16.05.2010 12:41
ich bin sprachlos...es ist total *kann ich nicht in worte fassen* und dennoch absolut geil...


Von:  Nnoitra
2010-04-23T23:17:08+00:00 24.04.2010 01:17
Armer Yuri :(
Aber es war so cool
XDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDD
Mach weiter so ^^


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