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Weihnachtsstress

Felix x Leon | Kleine Weihnachtsepisode zu Spiegelverkehrt
von

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16th

Mitten im April also Weihnachten. Na ja, was soll's. Ich hoffe ihr freut euch auch bei Sonnenschein und grünen Bäumen darüber ;)

Für Kaoru und Armaterasu, die das alles so fleißig lesen und vor allem kommentieren, obwohl sie es schon kennen :)

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten und viel Spaß beim Lesen :D

Ur

________________________
 

Es war zum Verzweifeln. Heute war der beknackte 16. Dezember und er hatte immer noch keinen blassen Schimmer, was genau er Felix zu Weihnachten schenken sollte. Natürlich war er alles durchgegangen.
 

CDs, DVDs, Klamotten, irgendwelche teuren technischen Errungenschaften, Bücher…
 

Aber er konnte Felix nicht einfach irgendwas schenken. Nicht nur, weil er genau wusste, dass Felix ihm auch nicht einfach irgendwas schenken würde, sondern weil er wollte, dass Felix zu ihrem ersten gemeinsamen Weihnachtsfest etwas… Besonderes bekam.
 

Diese ganze sentimentale Scheiße vor Weihnachten ging ihm gehörig auf den Wecker, alle schienen irgendwie fröhlicher und so geheimniskrämerisch zu sein. Und er konnte Geheimnisse nicht ausstehen, weil er im Gegensatz zu Felix nie dahinter kam, was diese Geheimnisse genau waren.
 

Tatsächlich war Nicci zur letzten Bandprobe mit einer Weihnachtsmütze erschienen und hatte Kekse verteilt. Leon war ein wenig überrascht gewesen, als er sah, wie Felix sich auf die Plätzchen stürzte, als hätte er seit einer Woche nichts mehr gegessen.

»Ich liebe Kekse«, hatte er verkündet.
 

Nachdem sie Niccis Kekse aufgegessen hatten, hatten Unterhaltungen darüber begonnen, wie man Weihnachten feiern würde. Lara und Timo schienen Weihnachten besonders im Stress zu sein. Heiligabend wollten sie mit ihrer jeweiligen Familie verbringen, aber dann hatten ihre Eltern darauf bestanden, den Partner ihres Kindes einzuladen. Und so verbrachten die beiden den ersten Weihnachtsfeiertag gemeinsam bei Laras Familie und den zweiten bei Timos.
 

Leon stellte sich vor, wie Felix ihm mitteilte, dass seine Mutter und seine Schwestern ihn unbedingt kennen lernen wollten und dass sein Vater sich nicht damit abfinden konnte, dass sein Sohn mit einem Mann zusammen war. Eine schreckliche Vorstellung. Tatsächlich hatte Felix nichts in diese Richtung erwähnt und auch Leons Eltern hielten sich, was Weihnachtseinladungen anging, zurück, da sie genau wussten, wie wenig ihr Sohn von Weihnachten hielt.
 

Er konnte diese ganzen bunten Lichter und die falschen Weihnachtsmänner auf den Tod nicht ausstehen. Jedes Mal, wenn er so einen sah, wollte er ihm eins überbraten, aber der Gedanke daran, was Felix sagen würde, hielt ihn zurück.
 

Vielleicht erwartete Felix von ihm, dass er einen Tannenbaum kaufte und ihn mit seinem nicht vorhandenen Christbaumschmuck schmückte, dass sie pompös kochten und Weihnachtslieder sangen. Er hatte keine Ahnung, wie Felix sein Weihnachtsfest feiern wollte, aber er wollte ihn auch nicht fragen, denn dann musste er zugeben, dass es ihn interessierte, wie Felix das Fest verbringen wollte.
 

Vielleicht wollte er auch alle drei Feiertage mit seiner Familie verbringen und dachte nicht im Traum daran, Weihnachten mit Leon zusammen zu feiern? Er raufte sich die blonden Haare. Was sollte er nur tun? Sollte er einen kleinen Baum kaufen? Oder lieber nicht? Was sollte er Felix schenken? Und wie zur Hölle sollte er das Geschenk einpacken, was auch immer es sein würde?
 

Zwei Tage lang war er kurz davor seine Mutter um Rat zu bitten, bis ihm schließlich ein viel besserer Gedanke kam und er den Hörer in die Hand nahm.
 

Er betrachtete ihn kurz, dann wählte er Niccis Nummer.
 

Er musste es ewig lang klingeln lassen, bis Nicci schließlich abnahm und dann klang sie auch noch ausgesprochen gehetzt, als wäre sie zum Telefon gerannt.
 

»Hallo?«
 

»Hey Nicci. Ich bin’s«, sagte er.
 

»Du Leo, ich hab grad wirklich gar keine Zeit, ich schreib an Lennards Song zu Weihnachten«, erklärte seine beste Freundin außer Atem. Leon runzelte die Stirn.
 

»Du komponierst? Du schreibst ihm ein Lied?«, fragte er mit wachsender Panik und unbändigem Unglauben. Nicci lachte.
 

»Ja, schon. Nicht, dass ich ein sonderliches Gitarrengenie wäre, aber…«
 

Leon unterbrach sie.
 

»Du wirst ihm das doch nicht etwa vorsingen? Und vorspielen?«
 

Erneute Stille.
 

»Ähm… doch. Wieso?«
 

Leon konnte es nicht fassen. Selbst Nicci war völlig am Durchdrehen. Er seufzte kaum hörbar.
 

»Na gut, dann komponier schön weiter. Bis dann.«
 

»Bis dann, Leo! Ruf doch sonst einfach Felix an, der kann dir sicher weiterhelfen!«
 

Leon schnaubte. Tolle Idee. »Hey Felix, was soll ich dir zu Weihnachten schenken?«. Das würde seine Ahnungslosigkeit noch mehr unterstreichen. Nein danke. Er legte grummelnd auf und starrte den Telefonhörer an. Dann wählte er Timos Nummer.
 

»Hey Timo, hier ist Leon«, sagte er hoffnungsvoll.
 

»Hey Leo! Du, tut mir Leid, aber ich bin grad beschäftigt, ich bastele Laras Weihnachtsgeschenk«, erklärte er. Im Hintergrund raschelte es verheißungsvoll.
 

»Du…bastelst«, erkundigte er sich, nur um sicher zu gehen, dass er das auch richtig verstanden hatte.
 

»Ja, ich bastele. Ich hab keine Zeit, das genau zu erklären, meine linke Hand ist voller Kleber, ruf doch einfach Nicci an, die kann dir sicher weiterhelfen.«
 

»Ok… dann bastel noch schön«, sagte er matt.
 

»Ja, mach ich. Tschüss!«
 

Und Timo legte auf.
 

Die ganze Welt war im Weihnachtswahn, es konnte doch nicht sein, dass seine Bandkollegin tatsächlich in ihrem Zimmer saß und ein Geschenk für Timo bastelte. Aus dem Bastelalter waren sie jawohl heraus, seit ungefähr zwanzig Jahren. Er raufte sich erneut die Haare, kaute nervös auf seiner Unterlippe herum und wählte die nächste Nummer.
 

»Ja?«
 

»Hey Lara, hier ist Leon.«
 

»Ach hey. Ich will echt nicht unhöflich sein, Leo, aber gerade passt es mir nicht so gut.«
 

Er bemühte sich, nicht zu schreien oder zu motzen, weil alle so geschäftig waren. Er räusperte sich und fuhr sich mit der hörerfreien Hand durch die Haare.
 

»Lass mich raten. Du… bastelst gerade ein Geschenk für Timo?«
 

Lara schwieg einen Moment lang. Als sie sprach, hörte Leon deutlich, dass Lara grinste.
 

»Ja, schon. Ich musste vom Sessel auf die Couch springen, weil der ganze Boden voll mit seinem noch nicht fertigem Weihnachtsgeschenk ist.«
 

Leon blinzelte. Unweigerlich stellte er sich vor, wie Lara von Möbelstück zu Möbelstück hechtete, um zum Telefon zu gelangen, während auf dem Boden ein monströses, unbekanntes Objekt lag, das ihr den Tritt auf den Fußboden verweigerte. Er schloss die Augen.
 

»Was für ein Geschenk kann so riesig sein, dass es deinen ganzen Boden bedeckt?«, fragte er tonlos. Lara lachte.
 

»Ach, es ist gar nicht so groß, wenn ich erstmal alles ins Album eingeklebt habe, dann kann ich sicher auch wieder treten.«
 

Leon hob die Brauen.
 

»Album?«
 

»Ja, ich bastele ihm ein Album. Mit Eintrittskarten und Fotos und Kassenbons und so… was wir so zusammen gemacht haben. Gemeinsame Erinnerungen. Du weißt schon.«
 

Die Wahrheit war: Nein, wusste er nicht. Aber das machte nun auch nichts mehr.
 

»Ok… Und hast du irgendeinen blassen Schimmer, was ich Felix schenken könnte?«, fragte er zaghaft. Lara schwieg einen Moment.
 

»Also… hm… Ich bin sicher, dass Felix auch was Persönliches haben wollen würde«, sagte sie. Leon grummelte.
 

»Was Persönliches? Was soll das heißen?«
 

»Na ja, irgendwas, was von Herzen kommt. Was selbst Gemachtes eben.«
 

»Ich…denk mal drüber nach. Bastel noch schön.«
 

»Danke, schönen Tag noch!«
 

»Hm.«
 

Das konnte doch nicht wahr sein. Timo bastelte irgendwelche Wahnwitzigkeiten, die ihm die Finger mit Kleber besudelten, Nicci komponierte ein Lied und schrieb einen beknackten Text dazu, wohlmöglich, um es Lennard dann unter einem hell erleuchteten und Lametta- behangenen Weihnachtsbaum vorzusingen. Was war nur mit der Welt geschehen?
 

Da waren sie dahin. Die Hoffnungen darauf, dass ihm jemand ein Patentrezept lieferte, was er Felix zu Weihnachten schenken sollte. Er drehte nachdenklich den Hörer in den Händen, wiegte den Kopf hin und her und dachte angestrengt nach. René konnte er nicht anrufen. Der war beziehungsunfähiger als er selbst und hatte ohnehin seit fünf Jahren keine Freundin mehr gehabt…
 

Er hielt inne. Sein Kopf kippte zur Seite und er verharrte einen Moment lang in völliger Regungslosigkeit. Da war noch ein Mitglied jemand, dessen Nummer er hatte. Nicht, dass er erpicht darauf gewesen wäre, ihn anzurufen, aber…
 

Seine Finger tasteten nach dem Handy in seiner Hosentasche. Felix hatte ihm Christians Nummer gegeben, falls sie zu Hause und auf dem Handy nicht zu erreichen war. Leon kaute auf seiner Unterlippe herum und dachte nach. Sollte er…? Seine Gedanken wanderten zu Felix und zu der enttäuschten Miene, die er sicher machen würde, wenn Leon ihm irgendein Ramschgeschenk unter den fiktiven Weihnachtsbaum legte…
 

Er wählte die Nummer, hielt den Hörer ans Ohr und schluckte, als er es tuten hörte. Er konnte noch auflegen. Er konnte sich diese Peinlichkeit ersparen…
 

»Ja?«
 

Einen Moment lang schwieg er.
 

»Hallo?«, sagte Christians Stimme verwirrt.
 

»Hey… hier ist… Leon.«
 

Schweigen am anderen Ende. Leon erinnerte sich dunkel an eine Party, auf der er Christian hatte verprügeln wollen…
 

»Was verschafft mir dir Ehre?«
 

Christians Stimme klang sehr amüsiert und Leon hatte augenblicklich den Drang, Christian eine rein zu schlagen. Leon holte tief Luft.
 

»Ich… ähm… brauche Hilfe.«
 

Erneutes Schweigen.
 

»Von mir?«, fragte Christian mit einem Grinsen in der Stimme, als würde er erwarten, dass Leon ihn jeden Moment auslachte und ihm erklärte, es sei nur ein Juxanruf gewesen.
 

»Ich hab schon alle anderen angerufen, die in Frage kommen, aber die konnten mir nicht weiterhelfen, deswegen… dachte ich… ruf ich dich an…«
 

»So so… und warte. Sag nichts. Es geht nicht zufällig um das bevorstehende Weihnachtsfest und darum, was du Felix schenken sollst, oder?«
 

Einen Moment lang war Leon fassungslos, erstarrt in der heillos verwirrten Missinterpretation dieser Worte, die klangen, als sei Christian genauso gruselig wie Felix, weil er wusste, was Leon wollte, bevor der es überhaupt erwähnt hatte. Dann erinnerte er sich daran, dass Christian und Felix gut befreundet waren und Felix ihm vermutlich alles über Leons Gefühlskrüppeligkeit erzählt hatte.
 

Als er schwieg lachte Christian.
 

»Also, du hast Recht. Ich weiß nicht, was ich ihm schenken soll«, gab er kleinlaut zu.
 

»Du bist doch mit ihm zusammen. Was mag er denn so, außer Männer und Chemie?«, fragte Christian amüsiert.
 

Leon grummelte ungehalten. Dieser Kerl machte ihn rasend!
 

»Kekse zum Beispiel. Letztens hatte Sabine welche mit und er ist fast ausgeflippt vor Begeisterung«, fügte Christian hinzu und seine Stimme klang erneut, als würde er gleich anfangen zu lachen.
 

»Was haben Kekse mit meinem Problem zu tun?«, fragte er entnervt. Christian lachte. Leon wollte ihn durch den Hörer ziehen und erwürgen. Auf der Stelle!
 

»„Na, back ihm doch welche. Er würde sich sicher freuen, wenn er wüsste, dass du dich in der Küche abgequält hast, nur um ihm Kekse zu backen. Meinst du nicht? Du kannst ihm ja noch was kaufen, irgendwas Kleines, von dem er mal gesagt hat, dass er es haben will. Und dann schreibst du ihm eine Karte dazu und… fertig.«
 

Leon blickte in Richtung Fenster, ohne das Fenster wirklich zu sehen.
 

»Backen… ich? Kekse?«, sagte er langsam. Christian lachte schon wieder.
 

»Dafür gibt es Kochbücher«, erklärte er amüsiert. Leon kaute auf seiner Unterlippe herum. Auch wenn er sicher war, dass er und backen sich in etwa so gut verstanden wie er und Christian, konnte er doch nicht leugnen, dass Felix die Tatsache ‚niedlich’ finden würde, wenn Leon sich für ihn in die verhasste Küche stellte und…
 

»Hm…ok… ich denk mal drüber nach…danke.«
 

»Kein Problem. Frohes Fest und gutes Gelingen«, sagte Christian.
 

»Danke. Dir auch«, murmelte er, in Gedanken schon bei Mehl, Zucker und Eiern.

23rd

Weihnachten.
 

Das war eindeutig sein persönliches Unwort des Jahres. Mittlerweile bekam er jedes Mal eine mittelschwere Identitätskrise, wenn er den Fernseher oder das Radio einschaltete, da ihm aus allen Boxen, Lautsprechern und vom Bildschirm des Fernsehers in Weihnachtsmann- Kluft gekleidete Männer zuwinkten, bunte Lichter leuchteten und Kinder ihre Weihnachtswünsche äußerten. Er wusste jetzt schon, dass er drei Kreuze machen würde, wenn Weihnachten endlich vorbei wäre.
 

Kürzlich hatte Felix ihn mit einer simplen Frage ziemlich aus dem Gleichgewicht gebracht.
 

»Sag mal, Noel… Was wünscht du dir eigentlich zu Weihnachten?«
 

Das war ungerecht! Wieso fragte Felix so was und wieso musste er sich irgendwelche persönlichen Sachen aus dem Kreuz leiern? Er hätte es sich auch einfach machen können. Dann wäre er zu Felix gegangen, hätte ihn diese absolut tabuisierte Frage gefragt und hätte sich damit einen halben Nervenzusammenbruch erspart!
 

»Zeit mit dir«, hatte er gebrummt.
 

Beängstigender und absolut unverständlicher Weise hatte dieser kurze Satz Felix so dermaßen zum Strahlen gebracht, dass Leon seine Augen instinktiv ein wenig geschlossen hatte, in der Angst, er könnte sein Augenlicht verlieren, wenn er Felix zu direkt ansah.
 

»Ach Noel«, hatte sein Freund gemurmelt und Leon hatte sich auf Sätze wie ‚Das gilt nicht!’ oder ‚Du musst dir schon was Richtiges wünschen!’ eingestellt. Aber es kam nur ein hingerissen geseufztes:
 

»Du bist so niedlich!«
 

Er konnte an all dem Stress, den er sich wegen Weihnachten machte, überhaupt nichts niedlich finden. Er hatte immerhin mit Felix festgelegt, dass sie in der neuen, winzigen Wohnung des Gitarristen den Abend verbringen wollten, das hieß, er musste sich nicht darum kümmern, ob Felix einen Baum wollte, oder nicht. Denn wenn Felix einen Baum wollte, dann würde er sich einen kaufen.
 

Heute war der dreiundzwanzigste Dezember, einen Tag vor dem Horrortag des Jahres. Heiligabend. Er war einkaufen gewesen, nachdem er sich vor einigen Tagen ein Backbuch von Lara geliehen hatte, das er an Felix vorbei aus der Umkleide ins Auto hatte schmuggeln müssen, weil Lara, diese Flachpfeife, es nicht für nötig gehalten hatte, das Buch in eine unauffällige Plastiktüte zu packen. Dass Leon Lara nicht gesagt hatte, was er vorhatte und Lara somit gar nicht hatte wissen können, dass die Kekse geheim waren, das hatte er bei seinen unterdrückten Flüchen auf Lara außer Acht gelassen.
 

Nachdem er einkaufen gewesen war und die Sachen in seiner Küche verstaut hatte, war er zurück in die Innenstadt gehechtet. Er hatte eine Weihnachtskarte mit einem Schneemann gekauft, auf der ‚Merry X-Mas’ stand und er hatte einen Schlüsselanhänger gefunden, in den man ein Foto stecken konnte. Er hatte keine Ahnung, ob Felix so was mochte und ob er sich damit vollends zum Idioten machen würde, aber er hatte ihn gekauft.
 

Und jetzt lag die Karte beschrieben und in einem Umschlag, auf dem ‚Für Felix’ stand, auf dem Küchentisch, gleich neben dem kleinen Schlüsselanhänger, in dem natürlich kein Foto steckte.
 

Nun wälzte er Laras Backbuch. Laute Musik – extra absolut nicht weihnachtlich- stimmungsvoll – drang aus seiner Stereoanlage und er summte leise mit, während er mit gerunzelter Stirn die Anleitung zum Backen von ‚Bunt verzierten Plätzchen zum Bemalen’ las.
 

Nicht, dass er vorhätte, die Plätzchen zu bemalen… nun ja… er hatte Lebensmittelfarbe gekauft, aber das wäre ja noch schöner, wenn er Felix bunte Plätzchen schenken würde. Oder welche mit bunten Streuseln oben drauf, die er natürlich auch gekauft hatte. Nur für alle Fälle, falls die Plätzchen zu sehr verkokelten und er diese Tatsache irgendwie verschleiern musste.
 

»Alle Teigzutaten (Marzipanrohmasse und Fett in kleinen Stücken) in eine Schüssel geben und mit den Knethaken des Handrührers zu einem glatten Teig verkneten.«
 

Seine Augenbrauen hoben sich noch ein wenig mehr. Was in Gottes Namen sollte denn ein ‚Handrührer’ sein? Von so etwas hatte er noch nie gehört und er war sich auch nicht sicher, ob er das jemals wollte. Er grummelte leise, was in der lauten Musik unterging, verschränkte die Arme und starrte das Backbuch feindselig an. Das fing ja gut an.
 

Die Schürze – die er bei seiner Mutter im Schrank gefunden und sich umgehängt hatte – raschelte ungnädig, als er wütend die Küche durchquerte und nach dem Telefon griff.
 

»Ja?«
 

»Lara, dein Backbuch verlangt irgendwelche Unmöglichkeiten von mir. Was zur Hölle ist ein Handrührer?«
 

Stille trat ein. Nur die laute Musik dröhnte weiter durch den Raum, während Lara keinen Mucks von sich gab. Leon hob die Brauen.
 

»Hallo? Lara? Bist du noch dran?«
 

»Ja… ja sicher. Also… ein Handrührer… das ist ein Gerät zum Mixen oder zum Teig kneten. Hast du… habt ihr so was nicht in der Küche?«
 

Leon war sich nicht sicher, ob er es durch seine dröhnende Musik falsch heraushörte, aber Lara klang, als würde sie sich sehr stark bemühen, nicht zu lachen.
 

»Keine Ahnung wie so ein Ding überhaupt aussieht, sonst würde ich ja nicht fragen«, fauchte er ungehalten.
 

»Naja, dann knete den Teig per Hand. Das dauert zwar länger, aber wenn du keinen Mixer hast, dann muss es eben so gehen.«
 

Leon blinzelte.
 

»Mit… mit der Hand? Du weißt aber schon, dass da Butter und rohe Eier reinkommen, ja?«
 

Erneut herrschte Stille und Leon schaltete unwirsch die Musik aus, nur um sicher zu gehen, dass er Laras Antwort nicht eventuell überhört hatte.
 

»Ja…weiß ich«, kam es gepresst zurück.
 

»Lara… lachst du mich etwa aus?«
 

»Wie kommst du denn darauf?«
 

Jetzt klang Laras Stimme eindeutig so, als wäre sie dem Ersticken nahe und Leon grummelte halb verzweifelt, halb wütend, während er auf seiner Unterlippe herumkaute.
 

»Ach nur so… also gut. Dann… knet ich den Mist eben mit der Hand. Bis dann!«
 

»Viel Spaß noch!«
 

»SCHNAUZE!«
 

Er legte auf, schaltete die Musik wieder an und zögerte einen Moment. Dann eilte er zu seinem Schreibtisch, grub in einer seiner Schubladen nach seiner Kamera und schleppte sie mit in die Küche. Felix sollte ruhig sehen, wie er sich gequält hatte, nur um ihm Kekse zu backen. Auch wenn er sich nicht sicher war, ob er die Schmach ertragen konnte, dass eine Menschenseele ihn in einer Schürze sah… Er benutzte den Selbstauslöser, ohne großartig darauf zu achten, wie er aussah, er machte sich einfach daran, das Mehl, den Zucker und all die anderen Zutaten in eine Schüssel zu geben. Als er gerade dabei war, ein Ei aufzuschlagen, blitzte es und er ließ das Ei prompt fallen.
 

Lauthals fluchend starrte er in das, was sein Teig hatte werden sollen und was nun mit vielen kleinen Splittern der Eierschale gespickt war.
 

»Scheißdreck«, knurrte er zornig, grübelte darüber nach, ob er die Schalenstückchen aus dem Teig fischen oder einfach noch mal anfangen sollte… und entschied sich dann für zweiteres.
 

Er entsorgte das erste Dilemma, atmete einige Male tief durch und fing diesmal mit dem Ei an. Zugegebener Maßen sah er sicher ziemlich kläglich aus, wie er das Ei halb am Schüsselrand zerquetschte, ehe er es mit Müh und Not schaffte, es in zwei Hälften zu brechen und den Inhalt in die Schüssel zu befördern. Er bemerkte, dass er vor lauter Konzentration die Zunge zwischen den Lippen hatte und zog sie schnell zurück, auch wenn ihn eigentlich niemand beobachtete.
 

Er schoss ein Foto von seinem erfolgreich aufgeschlagenen Ei und schaute auf die Zutatenliste.
 

»1 Ei, 1 Eigelb«
 

Er runzelte die Stirn. Ein Eigelb. Und wie bekam er das Eigelb aus dem Ei, ohne das Eiweiß auch mit in die Schüssel zu tun? Er knurrte. Der Stolz über das erfolgreich aufgeschlagene Ei verflog und er zermarterte sich das Hirn, wie er das Ei trennen sollte, ehe er schließlich wagemutig – wie er fand – ein zweites Ei aufschlug und dann vorsichtig – und erneut mit der Zungenspitze zwischen den Lippen – das Eiweiß in seine Spüle tropfen ließ. Als das Eigelb ihm einen Strich durch die Rechnung machte und ebenfalls in die Spüle flutschte, fluchte er lauthals.
 

Es kostete ihn zehn Minuten und vier weitere Eier, bis er schließlich endlich ein einzelnes Eigelb in der Schüssel hatte und seine Aggressionen an der Marzipanmasse ausließ, die er mit einem Messer zerhackstückte. Nachdem er alles an Zutaten in der Schüssel hatte, starrte er einen Moment lang in ihre Tiefen. Und in diese Matschepampe aus Eiern, Butter, Mehl und anderem Gekröse sollte er nun seine Finger stecken? Zunächst machte er ein Foto von sich neben der Teigschüssel, ehe er schließlich schluckte, fest an Felix dachte und seine Finger in die Schüssel tauchte.
 

Tatsächlich dauerte es ewig, bis er all die Zutaten zu einem halbwegs anständigen Klumpen Teig verknetet hatte und er betrachtete sein Werk mit einer Mischung aus Unsicherheit und Stolz, ehe er schließlich ein weiteres Foto schoss, gleich nachdem er sich ausgiebig die Hände gewaschen hatte.
 

Dann stellte er den Teig in den Kühlschrank, wie es in dem Rezept hieß und las sich den Rest der Anleitung durch.
 

»Den Teig in Stücke schneiden, kurz durchkneten und auf der bemehlten Arbeitsfläche ½ Zentimeter dick ausrollen.«
 

Er runzelte die Stirn. Einen halben Zentimeter. War das nicht viel zu dünn für Kekse? Und überhaupt, sollte er die Dicke des Teiges mit dem Lineal abmessen? Wer auch immer der Autor dieses Buches war, er hatte eindeutig ein Rad ab.
 

Er nutzte die halbe Stunde, um die Küche nach einem Nudelholz zu durchwühlen. Er fand schließlich eines und betrachtete es misstrauisch, ehe er den Teig aus dem Kühlschrank holte.
 

Zehn Minuten später sah er sich mit Mehl im Gesicht und einer herzförmigen Ausstechform dem ausgerollten Teig gegenüber, der wohl eher zwei Zentimeter dick war, als lediglich einen halben. Dann begann er vorsichtig damit, Kekse auszustechen und sie auf ein Blech zu legen. Zwei mit Herzkeksen beladene Backbleche, einen Wutanfall und eine riesige, durch ein heftiges Husten entstandene Mehlwolke, die ihm die Sicht für einen Moment raubte später, hatte er die Kunstwerke im Ofen und fotografierte mit Mehlfingern das Chaos in der Küche. Nur gut, dass seine Mutter nicht da war und sein Vater ein Mittagsschläfchen hielt.
 

Er überlegte stark, ob er das Bild von sich, wie er mit Mehl im Gesicht und grimmiger Miene neben dem Küchentisch stand, nicht löschen sollte, entschied sich dann aber dagegen und legte die Kamera beiseite. Während die Plätzchen im Ofen schmorten, machte er sich daran, den Küchentisch sauber zu wischen, die Teigreste aufzuessen und den Zuckerguss anzurühren, wofür er Unmengen von Puderzucker verbrauchte und schließlich drei Schälchen mit Zuckerguss hatte. Jedes Schälchen färbte er mit Lebensmittelfarbe anders und schließlich starrte er auf grünen, blauen und roten Zuckerguss hinunter.
 

Auch der Zuckerguss wurde fotografiert, dann kramte er die Schokostreusel und die bunten Perlen hervor und sah in den Ofen. Am Rand waren die Kekse braun, in der Mitte waren sie noch weiß. Er seufzte. Vielleicht hätte er sie doch nicht so dick ausrollen sollen? Er fluchte und zog die beiden Bleche aus dem Ofen, wobei er sich zunächst die Hände verbrannte, weil er vergessen hatte, Topfhandschuhe überzuziehen.
 

Als die Kekse schließlich auf einem großen Teller vor ihm lagen, war er völlig geknickt. Einen Moment lang dachte er daran, sie einfach wegzuwerfen. Sicherlich waren sie in der Mitte noch ganz teigig. Er fluchte und stellte den Teller zum Auskühlen auf das Fensterbrett im Wohnzimmer, nachdem er es geöffnet hatte.
 

Seine Wartezeit verbrachte er damit, das Nudelholz abzuwaschen und die Schürze in die Wäsche zu stecken.
 

Er kam gerade noch rechtzeitig, um das Klingeln des Telefons zu hören. Er sprintete ins Wohnzimmer und nahm ab. Die Nummer kannte er mittlerweile auswendig…
 

»Ja?«
 

»Bist du gerannt?«
 

Sein Herz machte einen Hüpfer, als er Felix’ Stimme hörte, die eindeutig nach einem Schmunzeln klang.
 

»Ja, ich war…ähm…einkaufen«, schwindelte er.
 

»Ach so…«, sagte Felix verschmitzt und Leon wusste, dass Felix wusste, dass er nicht die Wahrheit gesagt hatte, aber weil es kurz vor Weihnachten war, fragte Felix nicht nach.
 

»Ich wollte dir nur sagen, dass du übermorgen erst um sieben kommen musst, ich koche für dich«, erklärte Felix. Leon blinzelte.
 

»Du…du kochst für mich?«
 

Felix lachte. Leon stellte wieder einmal fest, dass telefonieren mit Felix absolut scheiße war, weil er ihn dann nicht jedes Mal anfassen, küssen oder ansehen konnte, wenn er lachte, sprach oder einfach nur Felix war.
 

»Ja, es ist doch Weihnachten. Da kann ich für meinen Freund auch kochen, um ihm eine Freude zu machen.«
 

Leon seufzte. Er musste Felix küssen. Jetzt gleich. Und zwar mindestens stundenlang.
 

»Hast du zufällig Lust jetzt gleich vorbei zu kommen?«, fragte er etwas wehmütig, weil er die Antwort schon kannte.
 

»Das geht nicht. Ich muss noch den Baum schmücken und dein Geschenk einpacken«, sagte Felix liebevoll. Leon grummelte.
 

»Ich kann Weihnachten nicht ausstehen, weißt du? Du verschmähst mich für einen Tannenbaum«, beschwerte er sich. Felix lachte erneut leise.
 

»Du bist niedlich Noel. Ich freu mich auf morgen«, sagte er. Leon brummte.
 

»Ich mich… auch… aber nicht weil Weihnachten ist«, knurrte er ungehalten in den Hörer.
 

»Sondern?«
 

»Sondern nur auf dich und dein Essen«, gab er ungeduldig zurück. Einen Moment lang schwieg Felix. Dann…
 

»Ach Noel… ich bin so verdammt verliebt in dich«, sagte er seufzend. Leon wurde rot und schluckte.
 

»Ähm… ja… geht mir auch so«, gab er leicht krächzend zurück. Wieso konnte Felix den Baum nicht einfach Baum sein lassen? Das Leben war so ungerecht.
 

»Bis morgen!«
 

»Jaja… bis dann…«, grummelte er und lauschte hoffnungsvoll, ob Felix nicht doch noch dran bleiben würde, aber da hörte er schon das Klicken und Felix hatte aufgelegt. Er seufzte leise, starrte den Hörer noch einen Moment lang an, dann ging er die Kekse holen, um sie mit Zuckerguss, Perlen und Streuseln zu verzieren. Wenn sie Felix nicht gefallen würden, konnte er sich immer noch vor lauter Scham aus dem Fenster stürzen.

25th

Achtung, Felix' Pov!

Und hier ist schon das letzte Kapitel :) Frohe Weihnachten und viel Spaß beim Lesen :D

Liebe Grüße,

Ur

______________________
 

Er hatte den Baum geschmückt, Leons Geschenk ‚eingepackt’, den Tisch gedeckt und Kerzen angezündet. Kerzen. Er mochte Kerzen, zumindest im Winter und er fragte sich, ob Leon als Romantikhasser etwas dagegen hatte, wenn er Kerzen auf den Tisch stellte. Er betrachtete sein Werk einen Moment lang nachdenklich, ehe er schließlich zurück in die Küche ging, um sich wieder an den Herd zu stellen, wo das Abendessen munter vor sich hin köchelte.
 

Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war zwanzig Minuten vor sieben. Ein Schmunzeln huschte über seine Lippen, während er einmal kurz in der Soße rührte. Dann klingelte es. Manchmal fand er es selbst gruselig, wie gut er Leon kannte. Er ließ den Kochlöffel im Topf und ging zur Tür, um aufzumachen.
 

Leon sah einigermaßen verlegen aus, als er die Treppe hinaufkam und seinen Rucksack möglichst unauffällig an ihm vorbei schmuggelte. Felix verkniff sich ein Lachen und schloss die Tür hinter seinem Freund, während der Blondschopf den Rucksack vorsichtig abstellte und sich aus der Jacke und seinen Schuhen pellte.
 

»Hi«, sagte er verlegen lächelnd und warf einen Blick auf die Uhr. Felix breitete die Arme aus und küsste Leon zufrieden auf den Mund. Er hatte schon geahnt, dass Leon früher kommen würde und er freute sich darüber, auch wenn er mit dem Kochen noch nicht fertig war. Leise seufzend drückte er den anderen noch etwas näher an sich, ehe er den Kuss schließlich löste.
 

Er freute sich, Leon zu sehen. An Weihnachten. Das war ihr erstes gemeinsames Weihnachten und er spürte ein leichtes Kribbeln irgendwo in der Magengegend. Vor allem, weil Leon offenbar ein Geschenk mitgebracht hatte. Felix war sich nicht sicher gewesen, ob Leon ihm etwas schenken würde, vor allem, weil sein Freund ihn nicht gefragt hatte, was er sich wünschte.
 

»Hi… Das Essen ist noch nicht ganz fertig«, informierte Felix Leon amüsiert. Leon lachte peinlich berührt und kratzte sich am Hinterkopf.

»Ich hab aber gestern schon auf dich verzichten müssen… wegen dem ollen Tannenbaum«, brummte Leon ungehalten und wurde etwas rot im Gesicht. Felix lächelte und hatte wie so oft das Gefühl, als würde er jeden Moment vor lauter Liebe explodieren. Jedes Mal, wenn Leon so etwas sagte, wollte er am liebsten die ganze Welt umarmen. Einfach, weil es so Leon- untypisch war, solche Dinge zu sagen. Und er liebte jeden einzelnen Satz davon.
 

»Dann setz dich schon mal ins Wohnzimmer, ich denke, ich bin gleich fertig«, versprach er murmelnd, drückte seine Lippen noch einmal auf die von Leon und zog sich dann von ihm zurück. Das Rascheln hinter seinem Rücken sagte ihm, dass Leon den Rucksack mit ins Wohnzimmer schleppte.
 

Als er nacheinander drei Töpfe ins Wohnzimmer trug und auf den Tisch stellte, sah er Leons regungslosen Blick auf den Kerzen verharren und er räusperte sich unweigerlich.

»Ich kann die Kerzen auch ausmachen, wenn sie dir zu kitschig sind«, meinte er. Leon hob den Kopf und sah ihn einen Moment lang ein wenig perplex an, als hätte er nicht ganz verstanden, was Felix ihm gesagt hatte. Dann schüttelte er hastig den Kopf.
 

»Nein… nein, ich denke, ich kann die Kerzen ertragen«, sagte er und grinste leicht. Felix streckte ihm die Zunge heraus, holte eine Flasche Sake aus der Küche und stellte sie auf den Tisch. Dann setzte er sich zu Leon, deutete auf die Töpfe und sagte:

»Nimm dir.«
 

Leon warf in jeden Topf einen Blick und schmunzelte dann, ehe er sich vorsichtig auftat. Felix wusste, dass er sich bemühte, nicht zu kleckern. Er stützte das Kinn auf seinen Handballen und legte den Kopf schief, während er seinen Freund betrachtete, der umsichtig Soße über seinen Reis schüttete.
 

Als Leon aufblickte und sah, dass Felix ihn beobachtete, wurde er rot und räusperte sich.

»Was denn?«, erkundigte er sich bemüht lässig. Felix lachte, griff nach dem Topf mit dem Reis und antwortete nicht. Er wusste immerhin, dass Leon es nicht gern hörte, wenn Felix ihn für ‚niedlich’ befand.
 

Sie aßen schweigend und Felix verkniff sich ein Lachen, weil Leon so schnell aß, als hätte er seit Wochen nichts mehr gegessen. Die nette Begründung, wieso er das tat, wäre gewesen, dass es ihm einfach überwältigend gut schmeckte. Die richtige Vermutung allerdings war, dass Leon wusste, je eher er mit dem Essen fertig würde, desto schneller könnte er sich Küssen und Umarmungen widmen und egal wie hart Leon immer tun mochte, Felix wusste, dass er süchtig nach diesen Zärtlichkeiten war.
 

»Schmeckt’s?«, fragte er beiläufig. Leon sah auf, den Mund voll Reis und Schweinefleisch und nickte eilig. Nun musste Felix doch lachen, lehnte sich im Stuhl zurück und legte den Kopf in den Nacken. Auch wenn es irgendwie albern war. Er war sich jetzt schon sicher, dass dies das schönste Weihnachten werden würde, das er je erlebt hatte. Einfach weil es das erste Weihnachten mit seinem Noel war.
 

Sobald Leon aufgegessen hatte, zappelte er wie ein ungeduldiges Kind auf seinem Stuhl herum, während er darauf wartete, dass Felix mit dem Essen fertig würde. Felix schmunzelte seinem Teller entgegen.

»Hast du es eilig, Noel? Scharf auf dein Geschenk?«, wollte er scheinheilig wissen. Leon brummte leise.

»Nein. Ich will… ach schon gut…«
 

Felix lachte leise und schob sich den letzten Bissen Fleisch in den Mund. ‚Kuscheln’ war natürlich ein vollkommenes Tabuwort in Leons Wortschatz. Wie gut, dass er oft Leons Gedanken lesen konnte.

In aller Seelenruhe räumte er den Tisch ab. Leon half ihm sogar, das Geschirr in die Spüle zu stellen und kaum, dass Felix die Klappe des Geschirrspülers geschlossen hatte, zog Leon ihn in eine Umarmung und küsste ihn innig auf den Mund.
 

Felix schmunzelte gegen Leons Lippen, erwiderte den Kuss aber nicht minder innig. Für ihre Verhältnisse hatten sie sich einigermaßen lange nicht gesehen und er wunderte sich immer wieder darüber, wie sehr er Leon nach nur wenigen Tagen vermisste. Eine kleine Ewigkeit lang standen sie in der Küche und küssten sich, ehe Leon sich schließlich von ihm löste und ihn ansah.

»Wir müssen ein Fenster aufmachen im Wohnzimmer«, erklärte er. Felix blinzelte.

»Wieso das?«
 

Leon räusperte sich offenkundig verlegen.

»Damit… damit ich mich rausstürzen kann, wenn du mein Geschenk ausgepackt hast«, nuschelte er und wandte den Blick ab. Felix lachte leise.

»Es wird schon nicht so schlimm sein«, gab er zurück. Irgendwo in seiner Magengegend spürte er, dass er tatsächlich ein wenig aufgeregt war. Wie ein kleines Kind. Er griff nach Leons Hand und zog ihn mit sich ins einzige Zimmer, das Schlaf- und Wohnzimmer gleichzeitig war. Leons Rucksack stand unter dem geschmückten, winzigen Tannenbaum und Felix lächelte leicht. Sie setzten sich im Schneidersitz neben den Baum, Leon atmete einige Male tief durch und zog den Reißverschluss von seinem Rucksack auf.
 

Felix beobachtete ihn genau. Leon kramte einen Umschlag, ein kleines, sehr abenteuerlich eingepacktes und mit Tesafilm verschnürtes Päckchen und eine… Tupperdose aus. Felix blinzelte ein wenig verwirrt. Leon hielt ihm den Umschlag und das Päckchen hin.

»Ich hoffe, du magst es ein bisschen«, murmelte er, den Blick auf seinen Rucksack gerichtet. Felix’ Herz klopfte ungewöhnlich schnell, während er mit leicht zittrigen Fingern den Umschlag öffnete. Das Erste, was ihm in die Hände fiel, war eine Weihnachtskarte mit einem Schneemann. Er lächelte die Karte an, klappte sie auf und las:
 

»Hey Felix,

Du weißt ja, dass ich mit Weihnachten nicht so viel am Hut habe, aber ich hab mir den Arsch aufgerissen, um dir was zu schenken, über das du dich auch wirklich freuen würdest. Ich wünsche dir frohe Weihnachten. Für das grausig eingepackte Päckchen gibt es noch einen Gutschein für ein Foto, wenn du magst.

Noel«
 

Felix klappte die Karte halb amüsiert, halb gerührt wieder zu und sah, dass noch etwas in dem Umschlag steckte, aber Leon schnappte es ihm aus den Fingern.
 

»Erst das Päckchen!«, wies er ihn an.
 

Felix lachte leise.
 

»Ok, ok«, gab er beschwichtigend zurück. Es folgte ein Kampf mit den vier Kilometern Tesafilm, die Leon offenbar um das Papier gewickelt hatte wie Bandagen um eine Mumie. Es kostete ihn ganze zwei Minuten, bis er schließlich das Papier aufgerissen hatte. Zum Vorschein kam ein Schlüsselanhänger, in dem kein Foto steckte. Aber dafür war wohl der ‚Gutschein’. Er starrte den Schlüsselanhänger an. Konnte es denn sein, dass Leon, der von solchen Dingen eigentlich überhaupt nichts hielt, sich tatsächlich den Kopf zermartert hatte, um ihm etwas Kreatives, etwas Persönliches zu schenken? Etwas, das von Herzen kam? Weil er sicher wusste, dass Felix sich über so etwas viel mehr freuen würde, als über etwas einfach nur teuer Erstandenes?
 

Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Leon wedelte mit der Hand. Er war knallrot im Gesicht und hielt Felix nun wieder den Umschlag hin, offenbar fest entschlossen, dass Felix erst alles auspacken sollte, bevor er einen Kommentar dazu abgab.
 

Felix zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus dem Umschlag, breitete es aus und starrte es an. Es war ein dicht bedrucktes Blatt, mit Fotos, wie es schien, ungefähr in Passbildgröße. Er hob das Blatt näher an die Augen. Er sah Eier in einer Schale schwimmen, einen Klumpen in derselben Schale, der nach Teig aussah, Leon mit einer Schürze und Mehl im Gesicht. Felix war ausgesprochen selten in seinem Leben sprachlos.
 

»Hast du… du hast doch nicht…«, begann er, ohne eigentlich zu wissen, was er sagen wollte. Leon hüstelte leicht, dann zog er den Deckel von der Tuppadose.
 

Und da waren sie. Dick beschmiert mit Zuckerguss und überhäuft mit Streuseln und bunten Perlen. Kekse. Selbstgebackene Kekse von seinem Freund. Von Leon, dem Küchenphobiker. Er starrte die Kekse an, als wären sie das achte Weltwunder.
 

»Das…du…«
 

Er hob den Blick und starrte Leon an, der immer noch knallrot im Gesicht war und ihn unsicher ansah.

»Außen sind sie zu dunkel und drinnen sind sie zu hell und sicher nicht ganz durch und es ist zu viel Zuckerguss drüber und die Streusel sind…«
 

Weiter kam er nicht. Felix hatte das Blatt beiseite geworfen, mitsamt Umschlag und Schlüsselanhänger, er zog Leon die Dose aus den Händen, stellte sie zur Seite und riss seinen Freund in seine Arme, presste seine Lippen auf Leons und hörte wie durch einen Schleier ein überraschtes Keuchen. Leon hatte ihm Kekse gebacken. Am liebsten hätte er vor Freude laut gejubelt.
 

Er drückte Leon so fest an sich, dass er wohl Gefahr lief, dem Kleineren die Rippen zu brechen.

»Danke«, nuschelte er in den Kuss und presste seine Lippen dann wieder auf Leons.

Leon schien völlig perplex von der Wirkung seines Geschenks.

»Es sind doch nur Kekse«, murmelte er leicht benommen. Felix lächelte zittrig.

»Das sind die tollsten Kekse, die ich je in meinem Leben gesehen hab«, versicherte er Leon. Leon blinzelte und wurde dann noch röter.
 

»Du hast sie noch nicht probiert. Wahrscheinlich wirst du dann mit einer Lebensmittelvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert«, murmelte er kleinlaut. Felix lachte, nahm behutsam einen rot- glasierten Keks mit bunten Streuseln und schob ihn sich in den Mund. Wie Leon gesagt hatte, waren die Kekse in der Mitte sehr weich und außen sehr knusprig, aber das störte ihn herzlich wenig. Erstens einmal schmeckten sie trotzdem und zweitens waren diese Kekse ein so riesiger Liebesbeweis, dass er am liebsten vor Freude den Tannenbaum umarmt hätte.
 

»Ich liebe diese Kekse«, versicherte er Leon, nachdem er ausgekaut und geschluckt hatte. Leon hatte ihn während der ganzen Zeit mit bangem Blick beobachtet.

»Sicher? Dir ist nicht schlecht? Sie schmecken nicht furchtbar schrecklich?«, fragte er. Felix schüttelte den Kopf. Leon war so niedlich, dass er es kaum ertragen konnte.

»Da kommt mir mein Geschenk richtig peinlich vor«, sagte Felix.
 

Er griff hinter sich, reichte Leon zunächst eine Weihnachtskarte und hielt einen Umschlag solang fest, bis Leon die Karte gelesen hatte. Natürlich war Felix besser darin, seine Gefühle auszudrücken, was diese schriftlichen oder auch mündlichen Dinge anging. Aber diese Kekse übertrafen so ziemlich alles. Er fand sein Geschenk plötzlich grausam unpersönlich und unkreativ.
 

Leon kaute auf seiner Unterlippe herum, während er die Karte las und seine Augen funkelten. Er linste hoch in Felix’ Gesicht und murmelte ein »Danke«.
 

Dann reichte Felix ihm den Umschlag und wartete mit klopfendem Herzen darauf, dass Leon ihn öffnete. Leon zog die rechteckige Pappe aus dem Innern des Umschlags und starrte darauf. Und zwar eine ganze Minute lang. Schweigend. Felix beobachtete ihn aufmerksam. Als Leon den Kopf hob, war sein Mund leicht geöffnet.
 

»Du schenkst mir Konzertkarten mit Übernachtung?«
 

»Du hast gesagt, du wünscht dir Zeit mit mir…«
 

»Du schenkst mir eine Konzertnacht mit dir zusammen?«
 

»Ja…?«
 

Einen Moment lang hatte er das Gefühl, es wäre wirklich eine Schnapsidee gewesen, aber als Leon ihn völlig Leon- untypisch anstrahlte, tat sein Herz einen Hüpfer und Leon legte die Pappe umsichtig beiseite, krabbelte zu ihm hinüber und umarmte ihn.
 

»Weißt du, wie teuer das ist? Und weißt du, wie wenig mein Geschenk gekostet hat?«
 

Felix lachte leise.
 

»Ich finde dein Geschenk toll. Egal, wie viel oder wie wenig es gekostet hat«, nuschelte er, drückte Leon einen Kuss auf die Wange und sah ihn an.
 

»Danke, Noel.«
 

»Selber Danke… verrücktes Huhn…«, murmelte Leon.
 

Felix griff nach der Dose mit den Keksen und hielt sie Leon hin.
 

»Nimm dir einen Keks«, sagte er grinsend. Leon lachte leise, griff nach einem grünen Keks mit Schokostreuseln und schob ihn sich in den Mund.
 

»Frohe Weihnachten«, sagte er kauend. Felix lächelte.
 

»Frohe Weihnachten.«



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Kommentare zu dieser Fanfic (56)
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Von:  CharleyQueens
2016-10-22T14:48:52+00:00 22.10.2016 16:48
Huhu ^^
Es ist zwar viel zu früh für Weihnachten, aber irgendwie war mir der Sinn danach.
Und die FF ist wirklich zuckrig, vor allem das zweite Kapitel hat es mir angetan. Leons Abneigung gegen Weihnachten und wie er dann doch alles gab, um für Felix Plätzchen zu backen - oh, das war wirklich so verdammt süß.
Eine wirklich süße, kleine FF für zwischendurch. Ich bin gespannt, mehr über die beiden zu lesen. <3
 
LG
Antwort von:  Ur
22.10.2016 21:02
Aww, danke :D Die Sachen sind schon so alt, ich hab einiges davon schon gar nicht mehr auf dem Schirm :'D Freut mich, dass dus mochtest! :)
Von:  aschenneller
2014-11-15T17:19:07+00:00 15.11.2014 18:19
OMG!!! Noch mehr Zucker!!! Leon würde ich am liebsten adoptieren!!! *grins*
Alles Liebe
Christina
Von:  Maldoran
2011-07-22T22:48:13+00:00 23.07.2011 00:48
Hi,

doch noch was gefunden...
Ich mag und kenne ja die zwei Süßen aus der Haupt-Story (ups, ich hoffe, ich hatte Dir da auch einen Kommi gegeben...? *hust*). Na, jedenfalls liebe ich sie nach wie vor, und konnte mir die beiden wieder total gut vorstellen.
Wie Leon mit dem Teig gekämpft hat... hahaha,kann ich auch gut nachvollziehen, ich backe nämlich auch nicht so gern...
trotzdem sweet, wie er sich bemüht hat für seinen Liebsten! Die zwei sind einfach nur Zucker zusammen, gegensätzlich und trotzdem hast Du sie hier auch wieder so toll "zusammengeklebt", na- eben wie zwei Plätzchen mit Zuckerguss!*lekka*!!!

GLG
Vala
Von: abgemeldet
2010-09-24T21:21:56+00:00 24.09.2010 23:21
got ich sterb gleich mitten im september an ner zucker vergiftung XD das ist so süß XD gott, ich hab voll mitgegrinst XD
Von: abgemeldet
2010-07-22T19:07:33+00:00 22.07.2010 21:07
Ich bin geplättet :'3 die beiden sind Zucker pur ♥
Von:  kabocha_sora
2010-07-19T12:13:56+00:00 19.07.2010 14:13
niedlich ^^
besonders leon wie er sich mit dem keksen abrakert nur für felix
hab mich kringelig gelacht >o<
das ich doch mal ein echter liebesbeweis ;3
Von: abgemeldet
2010-06-17T17:14:54+00:00 17.06.2010 19:14
Recht kitschig, aber sooo niedlich.
Wie Leon sich ziert *bwahaha*
Felix freut sich wie verrückt und Leon platzt beinahe der Schädel! Hatte ich erwähnt, dass die beiden ziemlich gut zusammen passen?

Von: abgemeldet
2010-06-17T16:38:32+00:00 17.06.2010 18:38
Ich habe beim Backen mal Salz für Zucker gehalten................
Ist schon ziemlich lange her und mir seitdem auch nicht wieder passiert -.-''
Habe mich trotzdem besser geschlagen als Leon *haha* Auch wenn das Endprodukt letztendlich ungenießbar war. Es war wenigstens schön!

Die beiden sind so ein süßes Paar <3 Wie er sich für Felix abmüht. Der wird ihm dafür bestimmt die Füße küssen.
Von: abgemeldet
2010-06-17T16:22:56+00:00 17.06.2010 18:22
Draußen sind ist eine Affenhitze und ich lese was über Weihnachten O.o

Jaja, wer kennt das nicht mit der scheiß Rumquälerei ein passendes Geschenk zu finden. Aber als letzten Ausweg Christian anzurufen *uiuiui* Das spricht für pure Verzweifelung XD
Und wie Christian sich darüber amüsiert, aber ihm trotzdem hilft. Felix sollte ihm ein wenig dankbarer sein :P Christian ist schließlich eine geile Sau!
Von:  shibui
2010-06-10T10:02:46+00:00 10.06.2010 12:02
ahhh, wie süüüüß *gg* auch diese Story zu Felix und Leon hab ich noch gelesen (klar, so als Felix-Fan mußte das einfach sein XD) boah, Leon in der Küche... da standen mir die Haare zu Berge, am liebsten hätte ich die Küche gestürmt, ihn beiseite geschoben und das mal selbst in die Hand genommen *lol* aber war sehr schön und Felix' Geschenk war auch toll^^ wer weiß vielleicht schlafen sie ja bei dieser Gelegenheit das erste Mal miteinander XD
so, nachdem ich jetzt drei Geschichten von dir gelesen hab (teilweise recht lange Sachen), ist mir aber auch eine Sache aufgefallen, bitte sei nicht böse, wenn ich das mal so anmerke. du neigst dazu, dich gelegentlich in deinen Gedanken zu verheddern, weniger in der übergeordneten Struktur, eher in kleineren Szenen, die dadurch für den Leser nicht ganz nachvollziehbar werden. das ist jetzt nicht so schlimm, kommt auch nicht so oft vor, und im Großen und Ganzen, weiß man trotzdem doch meist was du meinst... nur na ja, es ist mir halt aufgefallen...
also, nicht böse sein deswegen^^°

lg shibui^^


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