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13]Stairs

uruha x aoi/ aoi x ruki
von

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Prolog

Er ging die Straße entlang, der Wind brauste durch seine zerzausten, ungewaschenen Haare, und der schmale Körper zitterte vor Kälte. Im Finstern der Nacht sprayen ein paar Punks Graffiti an die Wand eines bereits eingefallenen Fabrikgebäudes, wie spät es wohl gerade war? Er war müde und seine Füße schmerzten, doch noch konnte er nicht stehen bleiben.

„Nur noch ein Stückchen“, dachte sich der Junge und setzte ehrgeizig einen Fuß vor den anderen, „Gleich ist es soweit.“

Mit schwitziger Hand umklammerte er immer fester den Gegenstand aus Glas in seiner Hosentasche, jeder Schritt beschwerte seine Atmung; er konnte es nicht erwarten.

Warum er nicht einfach am Bahnhof geblieben war? Er wusste es nicht, er wusste nur, dass er die Umgebung und die Leute dort nicht mochte. Im Freien fühlte er sich sicherer.
 

Endlich, die Teenager waren aus seiner Reichweite gewesen, und er bog eilig in eine enge Gasse, um sich dort auf den Stufen eines verwahrlosten Wohngebäudes nieder zu lassen. Seine Finger zitterten, als er das Endstück eines alten Gürtels aus seiner Tasche zog und es sorgfältig um seinen linken Oberarm band. Aufgeregt holte er die mit durchsichtiger Flüssigkeit gefüllte Spritze hervor, blickte noch einmal nervös umher und wartete noch ein paar Sekunden. Dann drückte er die Nadel vorsichtig in seine Haut.

Ein befriedigtes Seufzen drang über seine Lippen, als sich das noch lauwarme Heroin endlich mit dem Blut in seinen Adern vermengte. Sofort wurden seine Finger taub und das Glas rutschte aus seiner Hand, sein Herz pochte. Entspannt lehnte er sich zurück, schloss die Augen und löste blind die Schnalle um seinen Arm wieder. Was für ein Gefühl...
 

„Hey!“, ein dumpfer Schrei hallte durch die Straßen, „Seht euch den mal an!“

„Lebt der noch, was glaubt ihr?“ Der Frage folgte nur ein hämisches Kichern, Schritte kamen näher.

„Lasst es uns doch ausprobieren“, er spürte eine Hand, die sich in seinen Haaren vergrub und seinen Kopf ruckartig hochzog; ein leises Murren drang über seine Lippen. „Hey, bist du tot?“

Einige Sekunden schienen zu vergehen; er realisierte, wie sich immer mehr Personen um ihn versammelten und auch der Geruch von hochprozentigem Alkohol wurde deutlicher. Dann spürte er etwas Metallisches im Gesicht und ein Schlag riss ihn zu Boden, „Ich hab dich was gefragt, du Ratte!“

Um ihn herum erklang schallendes Gelächter, als sein Kopf am Boden aufprallte und er einen schmerzerfüllten Schrei hervor presste. Er spürte, wie sich seine Mundhöhle mit warmer Flüssigkeit füllte, dann einen Tritt in den Magen und schließlich hustete er das Blut größtenteils aus, nachdem er sich auf den Bauch gedreht hatte um sich vor weiteren Angriffen zu schützen. Allerdings half es nicht sonderlich viel, denn die Typen hatten unter weiterem Gelächter, Sticheleien und Beschimpfungen begonnen, weiter auf ihn einzuschlagen und seinen sowieso schon geschundenen Körper erneut zu treten.
 

„Gib mir das Rohr“, hörte er plötzlich einen von ihnen sagen und merkte, wie die anderen ein paar Schritte zurück wichen. „Hey du Wichser“, der Mann, der am stärksten nach Alkohol roch, hatte sich zu ihm hinunter gebeugt und flüsterte ihm ins Ohr, „Willst du wissen, was ich von euch Straßenpunks halte?“ Der Junge öffnete seine Augen einen Spalt und sah seinem Peiniger direkt ins Gesicht, ein dreckiges Grinsen zierte seine Fresse. „Das.“

Er hatte sich wieder erhoben, gerade, als sich auch der am Boden Liegende wieder ein wenig aufgerappelt hatte, dann holte der Mann aus und schlug mit aller Kraft zu. Seine Wirbelsäule knackste unheilvoll, als das Eisen auf seinem Rücken aufprallte, doch der Junge blieb still, biss sich nur verkrampft auf die Lippe, von der immer mehr Blut auf den Boden tropfte. Er keuchte auf, als ein zweiter Schlag folgte. Schadenfrohes Gelächter drang an seine Ohren, noch ein Schlag, seine Finger krallten sich in die Erde.

„Hast du immer noch nicht genug?“ Erst beim vierten und kräftigsten Hieb konnte er sich nicht mehr halten und sackte kraftlos am Boden zusammen. „Geht doch.“

Ein paar der Männer begannen, sich lautstark zu Unterhalten und zu Lachen, schienen sich jedoch von ihm zu entfernen. Erst nach ein paar Sekunden ließ auch der neben ihm die Stange fallen- was ein lautes Klirren am Asphalt verursachte- trat dem Liegenden sicherheitshalber noch einmal in die Seite, was diesen noch mehr Blut aus röcheln ließ, und folgte dann seinen Leuten.

„Scheiß Junkies...“
 

Er wusste nicht, wie lange er noch in derselben Position dagelegen hatte; irgendwann hatte die Wirkung des Heroins ganz nachgelassen und ein grausamer Stich durchdrang seinen Körper im Sekundentakt. Der Junge versuchte, den Schmerz zu vergessen und erhob sich mit letzter Kraft, um sich danach gegen die Wand zu lehnen und erstmal das ganze Blut vom Kinn zu wischen.

„Scheiße“, fluchte er und warf den Kopf zurück, bereute es allerdings noch im selben Moment, das die Wunde schmerzvoll brannte, die er sich zuvor durch den Aufprall am Beton zugezogen hatte. Er war wütend, wütend auf sich selbst. Warum hatte er das getan? Er brauchte es doch nicht, warum hatte er sich also bloß dazu verleiten lassen...

Immer noch ein wenig benebelt und leicht wankend rappelte er sich schließlich auf, blickte nicht noch einmal auf das Blutmassaker zurück, dass er hinterlassen hatte, und machte sich auf den Weg in Richtung Hauptstraße.

Er wusste nicht genau, wo er hin sollte, auf jeden Fall brauchte er einen Platz zum Schlafen und hier war es zu gefährlich gewesen.

Morgen früh würde er dann zum Bahnhof gehen, seine Jacke für eine Fahrkarte verkaufen und zurück nach Komae fahren, um dort erstmal ein paar Nächte bei seinem besten Freund zu verbringen.

Ja, dachte er, Kai würde sich bestimmt freuen, ihn zu sehen.
 

Und mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen dachte er an den morgigen Tag, achtete nicht auf die Straße sondern überquerte sie einfach, bis er plötzlich nur mehr das schrille Quietschen von Reifen vernahm und spürte, wie sein Körper erneut zu Boden gerissen wurde.

Lost Puppy

Ich brauchte ein wenig, bis ich den unnatürlichen, platinblonden Schopf des jungen Mannes in der Menge erkannte, die sich in dem verrauchten Club angesammelt hatte.

„Yuu-san, da bist du ja endlich“, begrüßte mich Reita sofort, als ich mich bis zur Bar, an der er mit einigen Freunden stand, durchgekämpft hatte und schien erleichtert, mich zu sehen.

„Sorry für die Verspätung, aber die wollten mich nicht reinlassen, da es schon so überfüllt ist.“

„Kein Problem. Ich bin nur froh, dass du überhaupt noch wach warst und gleich gekommen bist. Wer weiß wie das sonst noch geendet hätte heute Abend...“

Ich versuchte ein freundliches Lächeln aufzubringen; wen störte es schon, wenn er mitten unter der Woche eine halbe Stunde vor Mitternacht aus dem Bett gerissen wurde? Takashima bestimmt nicht... ich seufzte. „Wo steckt er denn?“

Der Blonde drückte seine Zigarette aus, teilte seinen Bekannten mit, dass er gleich wieder da sein würde, und führte mich dann in den hinteren Teil des Nachtclubs, wo es sich einige der Gäste auf den Sofas gemütlich gemacht hatten. Ich brauchte nicht lange, bis ich meinen besten Freund auf einem von ihnen erkannte, eng umschlungen mit einem Typen, den er, so wie ich ihn kannte, wohl erst in den letzten zehn Minuten kennengelernt hatte.

„Wie viel hat er schon getrunken?“, fragte ich und beobachtete das Weinglas, das unbeholfen zwischen seinen langen Fingern hin und her schwankte.

„Ich hab nicht genau darauf geachtet, aber einiges würde ich mal behaupten“, seufzte Reita. „Nochmals vielen Dank, ich bin dir echt was schuldig.“

„Ach quatsch, ist doch selbstverständlich. Außerdem bin ich doch derjenige, der Uruha etwas schuldet, oder etwa nicht?“

„Okay. Viel Glück“, lächelte er noch einmal mitleidig zum Abschied und schon war er wieder zwischen den anderen Gästen verschwunden.

Ich atmete noch einmal tief durch, versuchte, meine Wut zu unterdrücken, und ging dann auf die Couch zu, auf der sich der Brünette mit seinem neuen Fang ausgebreitet hatte. Für mich war es kein besonderes Vergnügen, zwei Typen beim Rummachen zusehen zu müssen, doch den Mädchen auf dem Nebensofa schien es offensichtlich zu gefallen und so schienen sie etwas sauer zu sein, als ich die beiden mit einem aufdringlichen Räuspern unterbrach.

„Yuu-chan, was machst du denn hier?“ Und mit einem kräftigen Stoß hatte der feminine Schönling den Fremden von sich gestoßen und schenkte nun mir seine gesamte Aufmerksamkeit.

Manchmal war ich stolz darauf, so in seinem Mittelpunkt zu stehen, auch wenn ich wusste, dass es nur einen Grund dafür gab. Aber ich wollte mich nicht darüber beklagen, immerhin war es nicht so einfach, von Uruha beachtet zu werden, denn schließlich klebte jede paar Minuten ein anderer Bewunderer an seinem Arsch. Oder besser gesagt, an seinem Schwanz..

„Nenn mich noch einmal so und du fängst dir eine“, drohte ich ihm und verschränkte auffordernd die Arme vor der Brust.

Mein Gegenüber setzte nur sein typisches, gnadenlos arrogantes Grinsen auf, „Ich hab dich auch lieb“, säuselte er. „Möchtest du dich denn gar nicht zu uns setzten?“ Er beugte sich nach vorne, griff nach einer der Weinflaschen und füllte mit dem Inhalt ein Glas, das er mir danach entgegenhielt.

„Wozu, damit du mir auch unter den Stoff fahren kannst? Nein, danke.“ Ich warf einen kurzen Blick zu dem Jungen neben meinem Freund, seine Wangen hatten einen leichten rosa Ton angenommen und er wirkte ein wenig eingeschüchtert.

Uruha hatte sich mittlerweile wieder zurück gelehnt, die Beine überschlagen, und fuhr sich mit den Fingern durch seine langen, honigblonden Haare, bevor er das Weinglas, das ich nicht annehmen wollte, an seine eigenen Lippen setzte und in einem Zug austrank. „Schade“, lächelte er charmant, hob seine Hand und strich damit zärtlich über die Wange seines durchaus ebenfalls hübschen Nachbarn, der darauf knallrot anlief. „Ein Dreier zwischen uns hätte bestimmt Spaß gemacht.“

„Okay, das reicht jetzt, definitiv.“ Manchmal hatte ich so Lust darauf, ihm einen Polster auf sein überschminktes Gesicht zu drücken und ihn einfach zu ersticken. „Steh auf, wir fahren.“

„Waas, wieso?“, protestiere der größere sofort, wechselte seinen Gesichtsausdruck mit einem Schlag und sah mich schmollend an. Ich konnte seinen Zustand kaum fassen, so betrunken hatte ich ihn schon lange nicht mehr erlebt- was jedoch nicht daran lag, dass dies selten vorkam, sondern eher daran, dass ich es in letzter Zeit meistens geschafft hatte, mich aus seinen Sauforgien raus zu halten.

„Weil ich sicher nicht mitten in der Nacht aus dem Bett gerissen werden und zwanzig Minuten in dieser scheiß Kälte da draußen gewartet haben wollte, bis sie mich endlich reingelassen haben, nur um mir dann am nächsten Tag von deinem besten Freund anhören zu dürfen, warum ich dich nicht nach Hause gebracht habe. Also komm!“, forderte ich ihn abermals auf und packte ihn am Arm. Dabei musste ich feststellen, dass der junge Mann schwerer war, als man es so einem magersüchtigen Gerippe zutrauen würde, und so musste ich einiges an Kraft aufbringen, um ihn auf zu bekommen.

„Ich will aber noch nich' gehen, Yuu-saaan, bitte...“, jammerte er den ganzen Weg durch den Club, folgte mir aber ohne Gegenwehr, was mich ein wenig wunderte.

Ich warf noch einmal einen Blick zurück, der Junge schien ziemlich enttäuscht zu sein, lenkte aber eilig meinen Blick- immer noch mit Uruha im Schlepptau- auf den Ausgang. Eigentlich konnte es mir egal sein, Hauptsache ich konnte mich bald endlich wieder in mein Bett kuscheln.

„Du bist so fies...“, jammerte der Große, als ich ihn mit aller Kraft auf den Beifahrersitz bugsiert hatte.

„Du bist selber schuld, wenn du um Mitternacht schon so besoffen bist dass man es dir nicht einmal mehr zutrauen kann, alleine mit dem Taxi nach Hause fahren zu können.“ Genervt schlug ich die Tür auf seiner Seite zu, ging einmal um das Auto herum und setzte mich schließlich ans Lenkrad, bevor ich meinen Wagen startete. „Schnall dich an.“

„Nö“, meinte er trotzig und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Takashima!“

„Ich hab gesagt, du sollst mich nich' so nennen...“, schmollte er, griff dann aber doch noch zum Gurt und folgte brav.

„Und wie sollte ich dich sonst nennen?“, seufzte ich und bog in die nächste Straße ein; wenigstens war so spät kaum mehr Verkehr.

„Uruha, zum fünf-tausendsten Mal!“

„So wie die ganzen Typen, mit denen du schläfst? Nein, warum sollte ich...?“

„Du weißt ganz genau, dass ich meinen Namen nich' ausstehen kann...“ Eine lange Pause kehrte ein, in der der Brünette nur stumm aus dem Fenster sah, bis er wohl schließlich ein anderes Gesprächsthema gefunden hatte. „Wann schläfst du eigentlich endlich mit mir?“

Überrascht über die Frage verpasste ich beinahe die nächste Abzweigung, kriegte mich dann aber doch noch ein, „Ich hab das jetzt einfach überhört...“

„Schlaf mit mir.“

„Nein.“

„Warum nicht?!“

„Warum hast du es immer noch nicht aufgegeben?!“

„Weil... keine Ahnung!“, meinte er eingeschnappt und kauerte sich im Sitz zusammen; manchmal konnte er so unreif wirken, wenn er betrunken war.

„Ich will Sex...“

„Dein Pech“, war meine einzige Reaktion, doch leider kam ihn offensichtlich genau in dem Moment ein Geistesblitz.

„Komm schon, nur eine kleine Nummer. Als Wiedergutmachung, dass mich von der Party gezerrt hast!“

„Auf keinen Fall... was?“, fragte ich nach einigen Sekunden aufgebracht und sah zwischen ihm und der Straße hin und her. Dieses dreckige Grinsen konnte nichts Gutes bedeuten...

„Nichts“, lächelte er verträumt und seine Mundwinkel zogen sich immer weiter nach oben.

„Was starrst du so?“, schön langsam machte er mich nervös. „Krabbelt irgendwo ein Käfer in meinem Gesicht rum, oder was...?“

„Nein... Ich stell mir nur gerade vor, wie wir beide es treiben...“

Krampfhaft versuchte ich, meine Konzentration auf den Verkehr zu lenken. Verkehr...

„Wie du unter mir liegst, unsere heißen, schwitzenden Körper aneinander gepresst, keuchend und nach Luft ringend...“

„Lass das!“

„... und du laut stöhnst: Ja, Uruha-kun... mehr, mehr...“

Spätestens zu diesem Zeitpunkt reichte es mir endgültig, nie wieder! Abrupt fuhr ich den Wagen an den Rand der Straße und brachte ihn mit einem kräftigen Tritt auf die Bremse und unter lautem Quietschen zum Stehen, „Raus!“

Er sah mich erschrocken an, als er die Situation realisiert hatte und sich langsam wieder vom Sitz löste, in den er sich vor lauter Schreck gekrallt hatte. „„A-aber... du willst mich doch nich' etwa mitten in der Einöde raus schmeißen, oder?!“

„Takashima...“, sagte ich leise und lehnte mich in den Sitz, bevor ich mir mit den Nerven am Ende durchs Haar strich, „Wir stehen vor deinem Haus.“

Der Brünette blickte mich einen Moment lang perplex an, dann sah er durchs Fenster und schien es auch endlich zu begreifen, „Oh...hehe... ach so.“ Doch anstatt sich endlich auf zu bewegen, sackte der junge Mann noch mehr in sich zusammen und wieder zierte ein Grinsen sein Gesicht.

„Würdest du jetzt bitte aussteigen?“, bat ich ihn unter allen Anstrengungen, ruhig zu bleiben.

„Nein...“, sagte er und aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, wie seine Hand urplötzlich zu seinem Schritt wanderte, „Ich bin gerade viel zu geil um Aufzustehen.“

Schön bald war ich der Verzweiflung nahe, da half wirklich nur noch Gewalt.

Aufgebracht sprang ich aus dem Auto, riss seine Beifahrertür auf, beugte mich zu Uruha hinunter, schnallte ihn erst mal ab und zerrte ihn schließlich nicht gerade unsanft aus dem Wagen. Seine Aufmerksamkeitsspanne schien diesen Moment ziemlich den Bach runter zu gehen, jedenfalls blickte er mich nur verschwommen an und schien kaum zu realisieren, dass er plötzlich nicht mehr am Autositz saß.

„Kannst du stehen?“, fragte ich und lehnte den schweren Körper gegen das Fahrzeug, damit ich die Autotür schließen konnte.

„Ich bin müde...“, lallte er ohne mir zu antworten und ließ den Kopf auf meine Schulter sinken. So konnte er ja richtig handzahm sein- dachte ich zumindest.

„Krieg ich noch einen Gutenachtkuss?“, fragte er, als ich es endlich geschafft hatte, ihn unter größten Anstrengungen ins Bett zu bekommen. Spätestens jetzt schien der Alkohol wohl Wirkung zu zeigen, was man nicht nur an seiner Fahne erkennen konnte.

„Nein“, bestimmte ich und deckte ihn eilig zu, um endlich fahren zu können.

„Warum nich'...“, nuschelte er in den Polster, hatte allerdings schon die Augen geschlossen und war offenbar bereits nach ein paar Sekunden eingeschlafen, da von da an keine Reaktion mehr von ihm kam.

Ich seufzte, machte das Licht aus, ging die Treppe wieder hinunter, die ich mich soeben noch hoch gequält hatte, und verließ die schöne Villa über die Hintertür, da ich für den Vordereingang keinen Schlüssel hatte und diese sowieso die ganze Zeit offen war.

„Hoffentlich hat er morgen einen ordentlichen Kater“, dachte ich mir, als ich meinen Wagen wieder an startete, musste jedoch trotz allem schmunzeln. Was wäre mein Leben wohl ohne diesen verwöhnten Schnösel? Wohl ziemlich langweilig.

Trotz der Aufregung ergriff mich auf dem Heimweg schnell die Müdigkeit und ich musste das Radio ein wenig lauter stellen, um mich wach zu halten. Immerhin war es noch ein schönes Stückchen bis zur Stadtmitte und ich hatte keine Lust, einen Unfall zu bauen. Doch wie immer hatte das Schicksal andere Pläne mit mir...
 

Gerade lief ein besonders toller Song und ich hatte extra laut auf gedreht, dann bog ich in die nächste Straße ein und erkannte nur noch einen Schatten- gefolgt von einem dumpfen Knall. Sofort sprang ich auf die Bremse, krallte mich ans Lenkrad und schaltete automatisch den Motor ab. Wie in Trance starrte ich in die Dunkelheit vor mir, niemand war weit und breit auf der Straße und abgesehen von meiner beschleunigten Atmung herrschte eiskalte Stille.

Ein Hund, es war bestimmt nur ein Hund... irgendein verwahrloster Straßenköter...
 

Zittrig stieg ich aus dem Fahrzeug, nachdem ich mich wieder halbwegs besonnen hatte, ließ die Autotür offen, um Licht zu haben, und ging ein paar Schritte nach vorne.

Erschrocken fuhr ich zurück, Panik breitete sich in mir aus. „Scheiße!“, fluchte ich, nervös sah ich mich um. Keine Menschenseele.

„Okay, ganz ruhig...“, versuchte ich, mich zu beruhigen, hatte jedoch kaum Erfolg damit.

Langsam näherte ich mich der Person vor meinem Wagen, der Geruch von Blut stieg mir sofort in die Nase. Mein Verdacht bestätigte sich, als ich mich mit aller Willenskraft zu dem jungen Mann hinunter beugte; erleichtert seufzte ich auf, als ich Puls an seinem Hals messen konnte. Sein Körper war eiskalt.

Er lag auf der Seite, sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, nur die riesige Platzwunde auf seinem Hinterkopf. Sofort zog ich meine Augenbrauen zusammen, okay, er schien klein zu sein, aber es war unmöglich, dass die Verletzung von meinem Wagen kam- allerhöchstens durch den Aufprall. Außerdem war nirgends Blut am Lack zu sehen, soweit ich in der Dunkelheit zumindest erkennen konnte.

„Hey, kannst du mich hören?“, fragte ich in die Stille hinein und zog den Arm von seinem Gesicht, auch dort hatte er einige Schürfwunden und seine Lippen waren voller Blut. Nachdem wie erwartet keine Antwort kam, musterte ich ihn genauer. Er schien sonst keine groben Verletzungen zu haben, an seinen Armen hatte er nur einige Blutergüsse, Kratzer und... Einstichwunden.

Mit einem Mal wich ich zurück, Bilder, die ich vor langer Zeit verdrängt hatte, durchstreiften erneut meine Gedanken, mein Puls begann zu rasen. Ein Straßenkind also, wunderte mich das wirklich, so wie er aussah? Erschöpft fuhr ich mir durch die Haare und blickte auf den reglosen Körper hinab.

Was sollte ich bloß tun? Ihn ins Krankenhaus bringen kam nun nicht mehr in Frage, dort würden sie ihn ohne Papiere sowieso nicht behandeln. Sollte ich ihn also einfach liegen lassen? Halberfroren war er doch sowieso schon und bei den Wunden... nein, das hatte er nicht verdient. Erneut beugte ich mich hinab und musterte verachtend die Einstichstellen in seiner Armbeuge, plötzlich machte mein Herz einen Aussetzer.

Dieser Blick. Dieser fesselnde, rebellische Blick. Seit wann war er wach? Und wie lange hatte er mich schon so angestarrt? Noch nie zuvor hatte ich einen Menschen mit so viel Ausdruck in den Augen gesehen- doch was wollte er mir damit sagen? Wohl nur eines...

„Ich will leben.“
 

Es dauerte nicht lange, bis seine Lider wieder zufielen und er erneut das Bewusstsein verlor. Wie erstarrt kniete ich noch einige Augenblicke vor ihm und musterte ihn stumm; ich hatte es mir doch nicht eingebildet, oder etwa doch? Ich brauchte dringend Ruhe...

Noch einmal kräftig durch atmend richtete ich mich wieder auf, ging zum Kofferraum und holte eine Decke aus diesem, öffnete im Vorbeigehen noch die Hintertür des Wagens, um dann zu dem Jungen zurückzukehren.

Es wunderte mich, wie leicht er war; anscheinend war er völlig abgemagert. Allerdings hatte ich kein Problem damit, denn jemanden mit Uruhas Statur hätte ich wohl schwer bis zu meiner Wohnung hinauf schleppen können; da waren mir die paar Treppen in seinem Haus ja schon beinahe zu viel gewesen. Vorsichtig nahm ich ihn also hoch, hüllte ihn in die Decke und legte ihn behutsam auf die Rückbank meines Autos, bevor ich mich endlich wieder ans Steuer setzte und immer noch ein wenig zitternd los fuhr. Während der Fahrt machte ich immer wieder einen Blick in den Rückspiegel, was hatte ich mir da nur eingebrockt?
 

Endlich in meiner Wohnung angekommen legte ich den Jungen gleich auf die Couch, hüllte ihn sicherheitshalber in eine weitere Decke und holte ein paar Pflaster und Desinfektionsmittel aus dem Bad; mehr konnte ich um zwei Uhr morgens leider nicht auftreiben. Grob reinigte ich seine Wunden, desinfizierte sorgsam die Stelle, in der er sich offensichtlich erst vor kurzem Heroin gespritzt haben musste, und klebte ein großes Pflaster über die Schürfwunde auf seiner Wange. Der Abdruck darauf sah aus wie der von einem Schlagring.

Nachdem ich sein Gesicht schließlich noch von dem ganzen Blut und diverser, schon längst verblasster Schminke gesäubert hatte, musterte ich ihn noch ein letztes Mal. Er schien ja fast noch ein Kind zu sein; was konnte man denn in so jungen Jahren nur für Gründe haben, sein Leben so hin zu schmeißen?

Vielleicht die selben, die ich damals gehabt hatte...

First Bite

gomen~ hat ein wenig länger gedauert >< ich wechsel mich beim schreiben von zwei FFs ab, deshalb könnte das nächste kap auch ein wenig dauern, sorry <3
 

Der nächste Morgen begann wie jeder andere, nämlich mit dem nervtötensten Geräusch auf der Welt: dem Wecker. Murrend rollte ich mich zur Seite und tastete blind nach der unaufhörlich klingender Uhr, bevor ich mich verschlafen aufrichtete und erstmal herzhaft gähnte. Gott sei Dank war heute Freitag, was hieß, dass ich mich morgen ausschlafen konnte. Langsam erhob ich mich aus dem Bett und verschwand gleich unter der kalten Dusche, um richtig wach zu werden. Danach schlüpfte ich eilig in meinen Anzug, kramte meine Sachen zusammen, griff nach meinem Handy und- Moment, wo war mein Handy? Fragend kratzte ich mich am Kopf, ich musste es wohl letzte Nacht im Auto liegen gelassen haben.

Natürlich... letzte Nacht. Erst jetzt erinnerte ich mich wieder an den Unfall, ein unbehagliches Gefühl breitete sich in mir aus. Leise öffnete ich die Tür zum Wohnzimmer, ging zur Couch und musste fest stellen, dass sie leer war. Suchend blickte ich mich um, niemand da? Seltsam... Dann fiel mir ein, dass ich ja die Wohnungstür offen gelassen hatte, wahrscheinlich war er einfach ab gehauen- wen kümmerte es schon.

Schulterzuckend machte ich mich also auf in die Küche, um mir noch Frühstück zu machen bevor ich in die Arbeit musste, und bekam fast einen Herzinfarkt, als ich dort eine Person vor meinem Kühlschrank erkannte.

Was zum...? „Hey!“

Sofort wirbelte der Kleine herum, ließ dabei die Milchpackung fallen, deren gesamten Inhalt sich auf dem Boden verteilte, griff reflexartig in seine Hosentasche und zückte ein Messer hervor. Verwundert musterte ich ihn, ging dann ein paar Schritte nach vor und verschränkte gelassen die Arme vor der Brust.

„Nicht nur, dass du die letzte Milch austrinkst, ohne zu fragen“, begann ich, und er blickte mich drohend an, „Jetzt hältst du mir auch noch eine Waffe entgegen.“ Und mir einem Wimpernzucken griff ich nach der Klinge und riss sie ihm aus der Hand; so etwas war schließlich kein Spielzeug. „Dafür, dass ich dich gestern Nacht verarztet und auch noch hier schlafen gelassen habe, bist du ganz schön frech.“

Er schien ziemlich überrascht zu sein, wie schnell ich war, und wohl auch ein wenig eingeschüchtert. Aber so schnell ließ ich mir eben nicht von einem kleinen Straßenpunk drohen- oder besser gesagt, Straßenköter. Er hatte wirklich Ähnlichkeiten mit einem Hund, so zähnefletschend, wie er mich ansah. Trotzig traf sein Blick meinen. Oder doch eher mit einem Welpen?

„Raus mit dir!“, vielleicht ein wenig zu grob packte ich ihn an der Schulter und schleifte ihn zur Eingangstür. Er wirkte etwas überwältigt und versuchte sofort, sich unter heftigem Herumgezappel zu wehren, doch ohne Erfolg. Mit Schwung riss ich die Tür auf, gab ihm einen ordentlichen Stoß und der Kleine landete direkt vor meiner Wohnungstür, die ich kurz darauf wieder mit einem lauten Knall zuschlug.

Genervt machte ich mich wieder in die Küche auf, um das angerichtete Milchmassaker wieder aufzuwischen, und fluchte dabei ein paar mal vor mich hin. Das konnte doch wirklich nicht sein, bedrohte mich da in meiner eigenen Wohnung! Kurz drehte ich mich wieder in Richtung Tür, ob ich nicht doch zu hart gewesen war?

„Nein“, dachte ich mir und schrubbte fester. Wahrscheinlich lachte er sich sowieso gerade einen über mich ab und war schon auf dem Weg zum Bahnhof, um dort neuen Stoff zu kaufen. Seufzend erhob ich mich wieder, warf den Schwamm ins Waschbecken und machte mir noch eilige einen Kaffee, bevor ich nach meinem Autoschlüssel und den restlichen Sachen griff und die Wohnung verließ. Wie erwartet war der Kleine schon weg und beruhigt konnte ich mich auf den weg in die Arbeit machen.
 

Es war kein besonders aufregender Job den ich hatte, aber ich mochte ihn eigentlich. Das Büro lag im Stadtinneren, nähe eines Parks und auch ins Zentrum war es von dort aus nicht weit, weshalb ich es mir in der Mittagspause auch mal erlauben konnte, hier und da ein wenig Shoppen zu gehen. Shoppen... ich klang schon wie Takashima.

Apropos... ob der eigentlich schon auf war? Ein ironisches Lachen drang über meine Lippen, als ich am Parkplatz vor dem hohen Gebäude hielt. Wohl kaum.

Wie jeden Morgen wurde ich erst einmal fröhlich von meinen Arbeitskollegen begrüßt als ich die Firma betrat, was aber wohl daran lag, dass ich gerne mal so wie auch an diesem Tag Kaffeelieferant spielte. Wenigstens entschädigt das mein häufiges Zuspätkommen, dachte ich mir.

„Guten Morgen, Shiroyama-san. Da wartet schon eine menge Arbeit auf dich“, grinste mein Schreibtischkollege und deute auf den Stapel von Akten, die neu aufgearbeitet werden mussten.

Ich grüßte ihn zurück, stellte ihm den noch heißen Strabucksbecher vor die Nase, wofür er sich doppelt bedankte, und machte mich sofort an die Arbeit. Schön, manchmal war es vielleicht ein wenig langweilig und eintönig, immer nur alte Akten von Rechtskanzleien aufzuarbeiten und in Computerdaten umzuwandeln, aber hier und da waren auch mal interessante Fälle dabei und ich wollte mich weiß Gott nicht beklagen. Und die Bezahlung war auch nicht gerade mies, nebenbei gesagt.

Während ich also so dasaß und fröhlich vor mich hin tippte, dachte ich schon mal darüber nach, was ich an diesem Abend zu Essen kochen würde. Fisch auf Reis wäre mal wieder nicht schlecht gewesen, also beschloss ich, nach der Arbeit noch beim Markt vorbei zu fahren, da ich keinen frischen Fisch mehr zu Hause hatte. Gesagt, getan.
 

Allerdings staunte ich nicht schlecht, als ich gegen fünf Uhr endlich vor dem großen Wohnkomplex hielt, in dem mein bescheidenes Zuhause lag, die Einkaufstüten aus dem Wagen holte und nach zweimaligen Hinschauen eine Person neben dem Haupteingang sitzen saß, die mir ungut bekannt vor kam. Ich überlegte ernsthaft, einfach vorbei zu gehen und so zu tun, als ob ich ihn nicht gesehen hätte; war ja schließlich nicht mein Problem, wenn er einen halben Tag hier herum gesessen hatte. Allerdings ging mir die Frage nach dem Grund nicht aus dem Kopf, hatte der denn nichts Besseres zu tun? Mehr Heroin kaufen zum Beispiel... er wirkte nicht gerade so, als ob er sich die letzten paar Stunden etwas reingezogen hätte. Stattdessen eher deprimiert.

Erschrocken über mich selbst schüttelte ich eilig den Kopf und schlug mit voller Wucht die Autotür zu, was ihn aufblicken ließ. Ich hatte doch wohl nicht etwa Mitleid mit ihm, oder? Wahrscheinlich wusste er gar nicht, wo er sonst hin sollte...

„Heute Nacht soll ein schwerer Sturm kommen. An deiner Stelle würde ich mir einen Unterschlupf suchen“, zwar war es schon April, doch in der Nacht konnte es trotzdem noch ziemlich kalt werden, vor allem bei Regen. Ich stand neben der Eingangstür, beide Hände voll mit Einkäufen, und sah auf ihn herab; als ich näher gekommen war, hatte er schnell seinen Kopf wieder gesenkt und tat so, als ob er mich ignorieren würde.

Ich seufzte, „Solange du mir versicherst, dass du da nicht noch irgendwo ein Messer in deiner Tasche hast und ich mir keine Sorgen machen muss, dass du mich ausraubst oder gleich im Schlaf ermordest, kannst du wenn du willst noch eine Nacht bleiben.“ So unmenschlich konnte selbst ich nicht sein, auch wenn der Bengel ganz schön frech gewesen war. Vielleicht hatte er sich auch wirklich nur einfach erschrocken, konnte ja sein.

Er sah auf, als ich meinen Vorschlag zu ende gebracht hatte, und blickte mich unterwürfig mit seinen dunklen Augen an; war das ein ja? Schien ja nicht gerade gesprächig zu sein, der Winzling...
 

„Komm schon rein“, sagte ich, nachdem ich eine glatte halbe Minute an der Wohnungstür gestanden war und sie extra für ihn aufhielt. Warum war er mir eigentlich bis nach oben gefolgt, wenn er jetzt so unsicher war? „Ich beiße schon nicht.“

Für den Blick, den er mir darauf zu warf, hätte ich ihm am liebsten die Tür wieder vor der Nase zugeknallt. Was bildete der sich eigentlich ein?! Innerlich seufzte ich genervt auf, nur die Ruhe...

Dann endlich folgte er mir brav in mein Zuhause.

„Wenn du willst, kannst du dich duschen gehen“, sagte ich, hängte meine Jacke auf, schlüpfte aus den Schuhen und stellte die Lebensmittel erstmal auf den Küchentisch. Moment, warum war ich eigentlich so nett zu ihm? „Ich würde es dir sogar raten, denn so schläfst du mir bestimmt nicht noch einmal auf der Couch“, mit einem vielleicht zu strengen Blick musterte ich ihn und deutete auf seine dreckigen Sachen.

Sofort entgegnete er mir einen funkelnden Blick, was mich jedoch schmunzeln ließ. Irgendwie erinnerte er mich stark an jemanden, der mir leider nur zu bekannt gewesen war...
 

* Ruki~ *
 

Laut ausatmend blickte ich in den Spiegel, mein Hinterkopf tat höllisch weh. Was war nur passiert? Diese Frage stellte ich mir schon den ganzen Tag. Erinnerungsfetzen durch schwebten erneut meine Gedanken, ich konnte mich kaum mehr an Details erinnern.

Warum hatte mich der Typ bloß zu sich genommen? Normalerweise begingen solche Spießer wie er lieber Fahrerflucht, um nicht in Schwierigkeiten zu kommen, oder besser, überhaupt mit solchen „dreckigen Bälgern“ wie mir in Kontakt zu kommen. Außerdem schien kaum etwas passiert zu sein, die meisten Verletzungen, die ich heute Morgen an mir entdeckt hatte, stammten von den scheiß Typen, die mich letzte Nacht zusammengeschlagen hatten.

Und warum zum Teufel lud er mich noch eine zweite Nacht ein, bei ihm in der Wohnung zu schlafen? Aus Mitleid bestimmt nicht, da konnte man ja nur misstrauisch werden. Er sah zwar nicht aus wie so ein Perversling, der am liebsten kleine Kinder verschleppte, aber man konnte ja nie wissen. Jedenfalls beschloss ich, lieber auf der Hut zu sein.

Neugierig sah ich mich schließlich um, alles wirkte ganz normal. Normale Dusche, normales Waschbecken, normaler Kamm... ziemlich viele Stylingprodukte für die Haare und war das etwa ein Eyeliner? Der Typ ist bestimmt schwul, war mein erste Gedanke.

Schön, ich schminkte mich auch ab und zu aber hey, ich war ein Punk, ich durfte das. Und der Spießer da draußen vor der Tür war wohl offensichtlich kein Anhänger dieser Szene, sonst würde er nicht in so einem Snob-mäßigen Anzug herumlaufen. Andererseits... vielleicht gehörten die Sachen einfach nur seiner Freundin?

„Hier, ich hab ein paar frische Sachen für dich zum Anziehen...“, erschrocken fuhr ich zusammen, als die Tür aufgerissen wurde und mir plötzlich ein T-shirt und eine Jogginghose entgegen geworfen wurden. „Shampoo kannst du dir auch ausleihen, hast es bestimmt nötig.“ Noch halb perplex hatte ich die Sachen aufgefangen und schon war er wieder verschwunden.

„Hast es bestimmt nötig“, äffte ich ihn in Gedanken nach und legte die Klamotten auf eine freie Fläche. So ein Schnösel! Dafür würde ich extra viel Wasser verbrauchen...

Sofort befreite ich mich von meinen eigenen Klamotten, warf sie einfach in die Badewanne, versuchte noch, die viele Armbänder von meinem Handgelenk zu schälen- wobei es mir nur bei der Hälfte gelang- und stieg schließlich in die Dusche.

Auch wenn das Wasser zu beginn noch eiskalt war, es fühlte sich einfach traumhaft an, und so verbrachte ich nicht nur aus Trotz lange Zeit unter dem angenehmen Strahl. Als ich mich dann endlich wieder von dem schönen Gefühl der Wärme trennen konnte, schnappte ich nach einem großen Handtuch, kuschelte mich hinein und blieb solange auf den lauwarmen Fließen des Badezimmers sitzen, bis ich schon beinahe wieder trocken war. Ich wusste gar nicht mehr, wann ich mich das letzte mal so wohl gefühlt hatte. „Wenn ich noch Zuhause wohnen würde, könnte ich so ein Gefühl jeden Tag erleben...“ Sofort schüttelte ich den Gedanken wieder aus meinem Kopf, bloß nicht verweichlichen!

Schnell sprang ich auf, schüttelte mir das Handtuch vom Körper und schlüpfte in die frischen Sachen, die mir zwar ein wenig zu groß waren, sich aber wirklich angenehm tragen ließen. Danach föhnte ich noch schnell über meinen schwarz-blonden Haare, gelte sie ein wenig auf- Styling musste schließlich sein- und umrandete meine Augen bei Gelegenheit auch noch ein wenig mit dem Kajal. Wenn ich schon mal hier war, konnte ich es immerhin auch ausnutzen.
 

Die Wohnung war leer, als ich aus dem Badezimmer trat, von dem Typen war keine Spur. Draußen war es mittlerweile bereits dunkel. Ich ging zum Sofa und noch bevor meine Augen es sahen stieg mir schon der köstliche Geruch von Essen in die Nase und schon lief mir das Wasser im Mund zusammen. Mein Magen knurrte auffordernd, als ich etwas zögerlich die noch dampfende Mahlzeit- eine Schüssel Reis und zwei mittelgroße, gebratene Fische- auf dem Couchtisch anstarrte. Wann ich das letzte mal etwas richtiges gegessen hatte? Es musste Wochen her sein...

Doch das war viel zu schön um wahr zu sein; zuerst eine schöne Dusche und dann auch noch heißes Essen? Von jemanden, dessen Namen ich nicht einmal kannte...? Wer wusste es schon, vielleicht war er ja doch ein kranker Spinner der sich ein Hobby daraus machte, verwahrloste Jugendliche zu vergiften. Immer noch wie gebannt das Essen betrachtend legte ich die Hand auf meinen Bauch; er fühlte sich an, als ob darin ein riesiges Loch wäre...

Vielleicht sollte ich einfach nicht so verdammt paranoid sein- wenn ich schon sterben würde, dann wenigstens glücklich und mit vollem Magen. Blitzschnell griff ich nach den Stäbchen und der Schale und verputzte in rasendem Tempo alles, von dem ich dachte dass ich es nicht verdauen könnte, und so blieben nach wenigen Minuten nur noch magere Überbleibsel der beiden Fische in der Schale zurück; nicht einmal ein Reiskorn hatte ich verschont.

„Scheinst ja mächtig Hunger gehabt zu haben“, einem Herzinfarkt nahe wirbelte ich herum, gleich neben dem Sofa war plötzlich eine Schiebetür zu einem Balkon aufgegangen und der junge Wohnungsbesitzer grinste mich fröhlich zwischen Tür und Angel an. Es roch nach Zigaretten. „Fische sind leider keine mehr da“, sagte er, stieß sich von der Tür ab, die er kurz darauf schloss, und ging dann auf mich zu. Ich reagierte sofort und rutschte auf der Bank einen Platz weiter, aber nicht, um ihm Platz zu machen, sondern weil ich nicht wollte dass er mir zu nahe kam. Um auf Nummer sicher zu gehen, funkelte ich ihn auch noch einmal böse an. „Aber wenn du willst, es gibt noch Reis.“

Mit einem Wimpernzucken hatte ich meine Schüssel aufgehoben und hielt sie ihm mit beiden Händen entgegen; scheiß auf alles, ich hatte verdammt noch mal Hunger.

Seine einzige Reaktion war ein Kichern, dann nahm er mir das Geschirr aus den Fingern und kam mit einer weiteren Portion Reis zurück, auf die ich mich sofort gierig stürzte. Inzwischen hatte er sich auf den Lehnstuhl gegenüber gesetzt und sah mir mit einem seltsamen Lächeln auf den Lippen dabei zu. Normalerweise hätte mich das ziemlich angepisst aber in dem Moment war mein Hunger größer. Als ich schließlich auch die zweite Portion verputzt hatte war mein Bauch so voll, dass mir beinahe schon schlecht war. Aber das war es definitiv Wert gewesen, so etwas Leckeres hatte ich wirklich schon seit Ewigkeiten nicht mehr zwischen den Zähnen gehabt. Es gab nur eine einzige Person, die noch besser Kochen konnte, aber an die kam nun mal keiner ran.

Mit einem Mal wurde mir ganz wehmütig, als ich an Kai dachte. Wenn ich heute nicht den ganzen Tag solche Schmerzen gehabt hätte, wäre ich ja schon längst losgefahren, um ihn zu besuchen, aber nun musste ich das wohl oder übel auf morgen verschieben. Ich dachte einen Moment nach, während mein Gegenüber auf gestanden war, um den Tisch abzuräumen- mann, war der penibel...

Morgen war Samstag, das hieß, wenn ich früh genug aufwachen und mich aus dem Haus schleichen könnte, blieb vielleicht noch eine Möglichkeit, mich hier ein wenig genauer um zu sehen und vielleicht noch ein wenig Kleingeld mitgehen zu lassen. Immerhin benötigte ich dringend Geld für die Zugfahrt, denn solche wie mich steckten die als Schwarzfahrer ohne zu Zögern in den Knast und das wollte ich mir bei Gott nicht antun.

„Brauchst du noch irgendetwas?“, riss mich der Schwarzhaarige aus den Gedanken, ließ mir aber dann auch gar keine Zeit zum Antworten. „Ach warum frag ich eigentlich, du redest ja sowieso nicht mit mir.“ Und schon war er beinahe aus dem Raum verschwunden.

„Danke“, flüsterte ich leise.

Er drehte sich um und blickte mich ein wenig verwirrt an, dann legte sich ein zufriedenes Lächeln auf seine Lippen. „Geht doch.“

„H-hast du vielleicht eine Zigarette für mich?“ Ach ich hasste es, warum musste ich gerade jetzt so rot werden? Aber ein wenig Nikotin würde jetzt bestimmt gut tun...

Immer noch schmunzelnd blickte er mich einen Moment lang an, danach setzte er sich in Bewegung und griff in eine Schublade. Dann warf er mir ein ganzes Päckchen zu.

„Die schenk' ich dir, ist sowieso nicht meine Marke. Das Feuerzeug darin kannst du auch behalten, aber rauch' bitte am Balkon. Gute Nacht.“ Und schon war er weg.

Shelter

Aufmerksam ließ ich eine Münze nach der anderen, bis die Anzeige schließlich auf Null fiel und der Automat endlich meine lang ersehnte Fahrkarte nach Komae ausspuckte. Während ich das kleine Stück Papier behutsam in meiner Hosentasche verschwinden ließ fragte ich mich, wie oft ich diese Strecke eigentlich schon ohne ein gültiges Zugticket gefahren war. Sofort legte sich ein Grinsen auf meine Lippen, als ich die Treppen zu den Gleisen hoch ging und mich daran erinnerte, als ich das letzte mal beinahe erwischt worden wäre. Gleichzeitig hatte ich ein paar kleine Gewissensbisse, zwar konnte mir der Kontrolleur im Zug dieses eine Mal nichts anhaben, andererseits war es auch nicht wirklich mein Geld gewesen, dass ich in den Automaten geworfen hatte. Aber eigentlich war es auch egal, schließlich war dieser aufgeblasene Anzugschnösel selbst Schuld gewesen, wenn er sein Bargeld einfach in seiner Wohnung herum liegen ließ, ohne darauf zu achten. Und was für ein Idiot musste man dann auch noch sein, wenn man seine Tür die ganze Nacht offen ließ damit ich am nächsten Morgen einfach ungestraft abhauen konnte?

„Dieser Typ muss echt ganz schön verpeilt sein“, dachte ich mir mit einem Kichern, nahm inzwischen auf einer Bank platz und steckte mir eine Zigarette an, um die restliche Zeit des Wartens zu vertreiben. Als der Zug dann endlich kam, stieg ich in einen der hintersten Waggons und suchte mir einen ruhigen Platz, verstaute meine Rucksack-Tasche auf dem Sitz neben mir und machte es mir gemütlich. Ich hatte sie auch aus der Wohnung mitgehen lassen, genauso wie ihren gesamten Inhalt: Lebensmittel, einen alten Pullover, ein paar Medikamente gegen meine üblen Rückenschmerzen, die immer noch nicht weg waren, und ein bisschen Make-up für meine Augen. Alles Dinge, der der Typ wahrscheinlich sowieso nicht mehr brauchte, außer das Brot vielleicht, aber selbst das würde er wohl verkraften, also brauchte ich mir keine Sorgen machen, dass er mich anzeigen würde.

Mit ruhigem Gewissen genoss ich also die Fahrt und mein Herz machte einen kleinen nervösen Hüpfer, als der Zug schließlich gegen Mittag am Bahnsteig von Komae, einem Stadtviertel eher außerhalb von Tokyo, stehen blieb. Schnell stieg ich aus, suchte im Gedränge der Leute auf den Gleisen den Ausgang und verließ den Bahnhof dann in Richtung Westen der Stadt. Geld für Straßenbahn wollte ich keines ausgeben, allerdings war mein Ziel auch nicht so weit entfernt gewesen also war es kein Problem für mich, zu Fuß zu gehen. Mit jedem Schritt pochte mein Herz etwas schneller, ich konnte es kaum erwarten.
 

Als ich dann etwa zwanzig Minuten später endlich am Hintereingang des hohen Gebäudes in dem alten Büroviertel stand, hatte ich jedoch Zweifel. Sollte ich es wirklich wagen? Doch kaum hatte ich meine Bedenken zu Ende gedacht, tauchten hinter mir zwei Personen auf und es dauerte keine zwei Sekunden, bis sie mich entdeckt hatten.

„Na wenn das nicht unser kleiner Straßenköter ist“, sagte der Kleinere mit einem herablassenden Unterton, „Was hast du hier zu suchen?“

Ich hatte die beiden sofort erkannt und war ein wenig erleichtert, sie gehörten zu den wenigen eher friedlicheren Personen, die in dem Haus hier vor mir wohnten. „Ich möchte zu Kai.“

„War ja irgendwie zu erwarten. Komm schon, ich bring dich rauf“, meinte nun der andere weitaus netter zu mir und war schon fast bei der Tür, als ihn sein Freund aufhielt.

„Tora! Du weißt genau, dass der Boss ihn hier nicht sehen will!“

„Ach komm schon, Nao, er wird schon nicht gleich austicken. Außerdem ist Saga sowieso gerade mit seinem neusten Fang beschäftigt“, grinste der Dunkelhaarige und deutete mir, ihm zu folgen.

Wir gingen durch die Tür und dann eine lange Treppe hoch, vorbei an einem Nachtclub im Erdgeschoss und diversen Wohnungen darüber, bis in den fünften Stock, wo Tora an eine schmale Holztür klopfte. Sollte er nicht nicht eigentlich einen Schlüssel dafür haben? Immerhin war es auch seine Wohnung...

Der kleinere der beiden war uns unterdessen nicht gefolgt, sondern hatte sich in den Nachtclub verzogen, der unter Tags als so etwas wie ein allgemeiner Treffpunkt für alle Leute galt, die hier in dieser Art Wohngemeinschaft wohnten.

Plötzlich wurden meine Gedanken unterbrochen, als die Tür vor mir aufgerissen wurde und kaum einen Augenblick später ertönte ein Freudenschrei und schon hatten mich zwei schmale Arme umfasst und drückten mich nicht gerade unsanft an den Körper meines besten Freundes.

„Ruki! Was machst du denn hier?!“, fragte er laut, löste sich kurz von mir, um mich anzusehen, und schloss mich dann erneut in seine Arme.

„Ich freue mich auch dich zu sehen, Kai“, grinste ich, nachdem er mich endlich endgültig losgelassen hatte und ich wieder normal atmen konnte.

„Und ich erst! Komm schon rein“, sagte er und schloss die Tür hinter uns, nachdem wir die Wohnung betreten hatten. „Wo hast du ihn gefunden?“, wandte er sich dann an den Größeren.

„Hab ihn vor der Hintertür auf gegabelt“, meinte Tora.

„Ach, dann hattest du sogar ganz von alleine vor, mich mal wieder besuchen zu kommen?“, fragte mich Kai traurig aber gleichzeitig mit einem leichten Anflug von Vorwurf in der Stimme.

Ein schlechtes Gewissen breitete sich sofort in mir aus. „Klar!“, verteidigte ich mich, „Ich wollte ja schon früher kommen, aber...“ Mist, mir fiel kein guter Grund ein, abgesehen von dem Vorfall vor zwei Tagen, aber von dem musste Kai auch nicht unbedingt etwas wissen.

„Aber...?“, wiederholte der Braunhaarige etwas säuerlich und ich folge ihm in die kleine Küche, während es sich sein Mitbewohner im Wohn- und Schlafraum gemütlich gemacht hatte.

„Ich hatte nie Geld für die Zugfahrt. Und außerdem weißt du genau, dass mich Saga hier nicht sehen will!“

Kai wandte sich zu mir um und seufzte, die beiden Ausreden hatten ihm wohl doch gereicht. „Ist schon okay“, sagte er und legte seine Hände auf meine Schultern, „Es ist nur... ich hab mir einfach solche Sorgen um dich gemacht. Woher soll ich denn wissen, ob du überhaupt noch lebst, wenn du dich drei Wochen nicht meldest?“ Ich schwieg und sah betreten zu Boden, als er plötzlich eine seiner Hand hob und damit in meinem Gesicht herum fummelte. „Woher hast du denn die ganzen Schrammen?“

Sofort beschleunigte sich mein Puls und nervös wich ich seinen durchdringenden Blicken aus, oh man, Mama Kai entging auch wirklich gar nichts. Warum versuchte ich eigentlich immer wieder, ihm etwas zu verheimlichen? Hatte doch sowieso keinen Sinn...

„Ehm, nur von ein paar betrunkenen Typen, die mich zusammen geschlagen hatten, sonst nichts...“, versuchte ich in monotoner Stimme zu erklären, doch daraufhin verengten sich die Augen meines besten Freundes noch mehr.

„Und warum hast du dich nicht gewehrt?“, fragte er skeptisch, „Wozu hab ich dir denn das Messer geschenkt?“

Plötzlich durchdrang mein Herz ein unsanfter Stich. Oh nein, ich hatte das Messer in der Wohnung vergessen, der Typ hatte es mir ja weggenommen... „Weil, eh...“

Doch Kai fackelte nicht lange herum, griff nach meinem Arm, zog den Ärmel bis über den Ellenbogen und begutachtete dann meine Armbeuge genauer.

„Ruki!“, sein Brüller ließ mich unweigerlich zusammenzucken, „Spinnst du?!“

Schnell befreite ich mich wieder aus seinem festen Griff und schob den Stoff wieder nach unten. „Das... war nicht so wie du denkst“. Stotterte ich unterwürfig, wusste jedoch genau, dass er mir sowieso nicht glauben würde, außerdem hatte ich keine gute Ausrede mehr parat.

„Ach ja, und wie dann?! Glaubst du ich hätte das nicht gemerkt, hältst du mich für so bescheuert?“, schrie er und resigniert ließ ich mich auf einen der Sessel fallen. Dann endlich bemerkte er, dass ich mich selbst sehr wohl für die Einstiche in meiner Haut schämte. „Was hat du dir dabei gedacht?“, fragte er nun sanfter und setzte sich ebenfalls.

Ich zuckte nur mit den Schultern und ließ mein Kinn auf meine Arme sinken, die auf der Tischplatte ruhten, während ich ausdruckslos einen Punkt auf der gegenüberliegenden Wand fixierte.

Der Ältere neben mir atmete seufzend aus, „Ruki, hör zu... wenn du schon nicht an dich selbst denkst, dann tu es wenigstens für mich nicht mehr. Mir reicht's schon, wenn ich mir jeden Tag darüber Gedanken machen muss, ob du nicht verhungerst oder erfrierst. Da will ich mir nicht auch noch Sorgen darüber machen müssen, ob du vielleicht irgendwann am Heroin-Tod stirbst. Okay?“ Ich nickte gehorsam und er strich mir aufmunternd über meine schwarz-blonden Haare. „Na schön, dann lassen wir das Thema... Hast du Hunger? Soll ich dir etwas kochen?“, lächelte er nun endlich wieder und war bereits am Herd, bevor ich verneinen konnte.

„Nein, danke. Ich hab noch genug zu Essen in meiner Tasche. Das wird schlecht, wenn ich es nicht bald aufesse“, meinte ich und deutete auf den dunklen Rucksack bei der Tür.

„Woher hast du denn so viel Essen?“, fragte er mit enttäuschtem Blick und sah dann argwöhnisch zu der Tasche.

„Oh, also...“, das hatte ich wieder toll gemacht, war doch klar dass er nachfragte. Jetzt musste ich es ihm wohl oder übel doch erzählen... „Ich hab die letzten beiden Tage bei so einem Typen übernachtet und heute Morgen noch ein paar Dinge mitgehen lassen, bevor ich abgehauen bin.“

„Bei 'so einem Typen'?“, wiederholte er mit hochgezogener Augenbraue, nahm den Beutel und entleerte seinen ganzen Inhalt auf dem Tisch. Manchmal konnte seine mütterliche Neugierde echt nerven.

„Ja, er hat mich vorletzte Nacht angefahren und dann offensichtlich in seine Wohnung gebracht anstatt ins Krankenhaus, und dort hat er mich dann zwei mal auf seiner Couch schlafen lassen. Er war eigentlich total nett, ich durfte sogar duschen und er hat mir Zigaretten geschenkt“, meinte ich, während Kai die Dinge am Tisch durchwühlte. Bei den vielen Schmerzmitteln hatte er einen Moment lang gestockt, hatte sie dann aber doch wieder beiseite gelegt, nachdem ich genauer von dem Unfall und meinen Rückenschmerzen erzählt hatte.

„War er denn hübsch?“, fragte er dann grinsend nach, als ich ihm alles genau geschildert hatte.

„Wieso interessiert dich das?“, stellte ich im zögernd als Gegenfrage.

Doch sein Grinsen wurde nur größer, „Na ja, vielleicht hat er ja etwas an dir gefunden, wenn er dich schon zwei Tage bei sich übernachten ließ.“

„So ein Blödsinn“, meinte ich sofort und vernahm im Hintergrund das öffnen der Wohnungstür.

Doch Kai schien mit etwas anderes beschäftigt zu sein, plötzlich weiteten sich seine Augen, „Er hat dir doch nichts getan, oder?!“

Ich musste einen Moment lang nachdenken, bevor ich wusste, was er meinte, „Was? Nein!“ Sofort spürte ich, wie mir das Blut in die Wangen stieg. Als ob ich mich von so einem Anzugschnösel begrabschen lassen würde! Andererseits, hässlich war er wirklich nicht gewesen...
 

„Ich hoffe, du hast auch ordentlich für deinen Aufenthalt bei ihm bezahlt. Falls nicht, kannst du gerne hier weiter machen.“

Sofort wandte ich mich um, diese Stimme kam mir verdächtig bekannt vor.

„Saga-sama, er hat doch gerade gesagt, dass der Mann ihn nicht angefasst hat. Nicht wahr?“, verteidigte mich mein bester Freund sofort vorsichtig.

Ich nickte und stand wie er auf, bevor ich den Mann, der im Türrahmen lehnte, genauer besah. Kais Boss hatte sich kein Stück verändert, seit ich in das letzte Mal gesehen hatte; immer noch dieselbe teure Kleidung, dieselbe arrogante Haltung und derselbe verachtende Blick. Nur an seiner Seite klebte der Arsch eines neuen Mannes, wobei ich mir wegen der Tatsache, dass er komplett aufgetakelt und sein Gesicht völlig überschminkt war, nicht einmal sicher war, ob es überhaupt ein Mann war. Allerdings wusste ich, dass Saga schwul war, also ging ich einfach mal davon aus. Hinter den beiden stand Nao, für den meine Sympathie nun endgültig ein Ende gefunden hatte. Diese kleine Petze...

„Nun, ich kenne das Gefühl ja nur zu gut, von dem Kleiner ausgenutzt zu werden, ohne Entschädigung dafür zu bekommen“, meinte er und blickte mich eiskalt an. Trotzig versuchte ich, zu erwidern, doch der weitaus größere war bereits dabei, wieder zu verschwinden. „Vier Freier heute Nacht, Kai, wenn du nicht willst, dass der Köter morgen Früh hochkantig raus fliegt. Nao, Shou, wir gehen.“ Und schon waren die drei wieder weg.
 

Kai schluckte hart, während Tora seufzend die Tür hinter ihnen schloss, „An deiner Stelle würde ich tun, was er sagt. Mit Saga ist in letzter Zeit nicht zu Spaßen.“

Mein bester Freund nickte nur und ging zurück in die Küche, wo er schweigend die Lebensmittel aus meinem Rucksack auf den Küchentresen verstaute, und mit einem Mal wich in mir das schlechte Gewissen der Wut.

„Das kann er doch nicht einfach so von dir verlangen!“, fuhr ich den Älteren an, der allerdings vollkommen ruhig blieb.

„Natürlich kann er das, er ist mein Boss.“

„Das... das ist nicht fair!“, schrie ich, den Tränen nahe, und Kai blickte mich traurig an.

„Nein, ist es nicht...“ Langsam hob er seine Arme und drückte mich vorsichtig an sich.

„Warum... warum machst du es dann?“, fragte ich verzweifelt. Mir lief es eiskalt den Rücken hinab, wenn ich nur daran dachte, was er alles über sich ergehen lassen musste, nur um nicht verhungern zu müssen.

„Weil ich nun mal keine andere Wahl hab, das weißt du doch genau.“

„Natürlich hast du die! Ich lebe schließlich auch ohne meinen Körper zu verkaufen, oder etwa nicht?!“, schrie ich erneut und schlug wütend meine Fäuste gegen seine Brust, obwohl ich genau wusste, dass der andere nichts dafür konnte.

Kai antwortete darauf nichts, sondern schwieg. Vielleicht, weil wir die Antwort darauf beide schon kannten.

Wie lange wohl noch...?

„Irgendwann...“, begann er plötzlich leise, „...habe ich soviel Geld zusammen gespart, dass wir von hier weg können. Dann kaufen wir uns eine kleine Hütte weit weg am Land und dort leben wir beide dann ganz alleine, bis wir irgendwann steinalt sind und glücklich sterben.“

Ich nickte stumm und spürte, wie mich seine Arme stärker an sich drückten. „Ich hab dich lieb...“

„Ich hab dich auch lieb.“
 

* Aoi~ *
 

Demotiviert betätigte ich den Schalter auf meinem Wecker, der ihn verstummen ließ, und drehte mich noch ein paar mal hin und her, bis ich schließlich aufstand. Heute war doch Samstag, warum läutete der eigentlich?

Gähnend griff ich nach meiner Jeans und einem frischen Hemd, schleppte mich ins Bad und dort erstmal unter die Dusche, bis ich endlich wach war. Dann zog ich mich an, fuhr noch einmal mit dem Kamm durch meine dunklen Haare und- musste fest stellen, dass der Schrank in dem ich meine Medikamente unterbrachte, komplett durchwühlt war. Sofort fiel mir ein, dass der kleine Punk ja immer noch hier war, oder zumindest gewesen war, denn als ich die komplett verwüstete Wohnung nach ihm absuchte, war er nirgends zu finden. Ich bemerkte, dass ein paar Sachen fehlten, wunderte mich allerdings nicht besonders darüber, schließlich war ich selbst Schuld gewesen, wenn ich ihn unbeobachtet einfach hier schlafen ließ. Gleichzeitig fragte ich mich, wonach er wohl genau gesucht hatte, so wie es hier aussah.

Plötzlich fiel mir etwas ein und ich eilte zurück ins Schlafzimmer zu meinem Schreibtisch, auf dem mein Geldbeutel schon von weitem erkennbar lag. Ich öffnete ihn und stellte fest, dass zwar ein paar Scheine fehlten, jedoch Kreditkarten und Ausweise immer noch hier waren. Erstaunt steckte ich mein Portmonee in meine Hosentasche, der Kleine war wohl nicht besonders schlau gewesen, oder er verstand nur nicht viel davon, was man mit gefälschten Papieren alles erreichen konnte.

Seufzend ging ich in die Küche, um mir Frühstück zu machen, musste allerdings murrend fest stellen, dass mein halber Kühlschrank entleert wurde und kein Brot mehr da war, also beließ ich es bei einer Tasse Kaffee und machte es mir damit auf der Couch gemütlich. Ich fragte mich gerade, wie ich den Tag wohl gestalten konnte, da klingelte es bei der Tür und ich wusste, dass sich meine Langeweile damit erübrigt hatte. Immerhin gab es nur einen Menschen, der zu dieser Zeit vor meiner Tür stehen konnte, und mit dem hatte man bei Gott niemals Langweile...

„Guten Morgen“, grinste mich mein bester Freund an und drückte mir einen dampfenden Kaffeebecher in die Hand, während er sich an mir vorbei schob, um in die Wohnung zu gelangen.

„Was machst du denn schon auf?“

„Na hör mal, Yuu, heute ist Samstag. Das heißt Shopping-Day“, lächelte er von einem Ohr zum anderen, verstummte allerdings, als er sich genauer umsah. „Sag mal, bist du ausgeraubt worden oder was?“

„So etwas in der Art“, seufzte ich und geleitete ihn in die Küche, wo es am wenigsten chaotisch aussah.

Uruha blickte mich nur mit hochgezogener Augenbraue an. „So etwas in der Art?“, wiederholte er und nahm gegenüber von mir am Tisch platz, um dann genüsslich an dem Strohalm seines Bechers zu saugen.

„Ja, nur so ein kleiner Punk, den ich zwei Nächte lang bei mir auf der Couch schlafen ließ. Es fehlt nichts wichtiges, sogar meine Gitarre hat er da gelassen, also nicht so wichtig.“

„Aha... und warum zum Teufel hast du ihn bei dir übernachten lassen? Man gabelt schließlich nicht irgendwelche Straßenkinder auf, um sie dann ein paar Tage lang auf seinem Wohnzimmersofa pennen zu lassen. Außer natürlich, man ist pädophil. Yuu-san, du willst mir doch nichts sagen, oder? “, fragte er kichernd nach und fand das ganze anscheinend sehr amüsant.

„Er ist mir vors Auto gerannt, was hätte ich den machen sollen? Ihn liegen lassen?“, verteidigte ich mich ein wenig säuerlich und ging gar nicht erst auf seine Anspielungen ein.

„Und wie schafft man es, einen Straßenköter anzufahren? Du bist doch auch sonst immer so vorsichtig“, lachte er.

„Indem man mitten in der Nach aus dem Bett gerissen wird, weil man seinen besten Freund sturzbesoffen aus einer Bar und dann nach Hause schleppen muss“, sagte ich und sah in grimmig an, „Dafür schuldest du mir übrigens noch etwas.“

„Oh, ach ja. Hatte ich schon wieder ganz vergessen, sorry.“

„Vergessen?!“, wiederholte ich und hätte ihm sein Grinsen am liebsten angetackert, „Das war vorgestern, Takashima.“

„Du musst bedenken, dass dazwischen immer noch ein Abend lag an dem ich einige meiner Gehirnzellen weg saufen konnte, also...“, belehrte er mich mit einem schelmischen Blick und die Mundwinkel weit auseinander gezogen.

Nach diesem Argument konnte ich nur noch seufzen, am liebsten hätte ich meinen Kopf mehrere Male gegen die Tischplatte geschlagen. Wie konnte man nur so...so... Uruha sein?!

„Also, was ist nun mit Shopping?“, lächelte er und stand auffordernd auf.

„Mir wird wohl nicht anderes übrig bleiben, oder?“, seufzte ich und erhob ich ebenfalls.

„Nein!“

Ach, wie ich dieses Grinsen manchmal hasste...

Hide

so, endlich wieder ein neues kapitel :) leider wieder etwas kürzer, aber das liegt daran, dass es nur eine art zwischenkapitel ist bevor es so richtig mit der ganzen story los geht~ jetzt wirds also erst so richtig emo ><

ich hoffe die nächsten kappis folgen bald und werden etwas länger~ jdenfalls wirds spannend ;3

freu mich über kommis (auch kritik, etc.) *hug* <3
 

„Mit dem Geld das du heute nur für Shopping ausgegeben hast, könntest du ein ganzes Waisenhaus ernähren“, stellte ich fest und räumte eine Tasche nach der anderen in den Wagen.

„Du brauchst dich gar nicht beschweren“, schmollte mein bester Freund, „Hast ja selber vier Taschen voller Klamotten gekauft.“

„Ja aber ich behalte die Sachen dann auch mindestens zwei Jahre, hingegen du sie nach drei mal tragen irgendwo in deinem Schrank versauern lässt“, kichere ich und schlug die Kofferraumtür zu, bevor ich mich neben Uruha auf den Beifahrersitz fallen ließ.

„Tja, die Welt ist nun mal ungerecht“, hielt er das Thema offensichtlich für beendet und startete sein Auto. „Manche haben Pech und haben's schlecht, anderen geht es prima.“

„Dir vor allem“, seufzte ich in mich hinein und sah aus dem Fenster. Es war ein schöner Samstagnachmittag und das Wetter war recht warm für die Jahreszeit.

„Übrigens, ich hab 'ne neue Nummer.“

„Schon wieder?“, fragte ich nach und wandte mich zurück zu dem Fahrer, „Sag bloß du hattest schon wieder so einen Stalker?“

„Nee, hatte einfach nur Bock auf 'ne neue“, grinste er gelassen und bog in die nächste Straße ein.

Warum überraschte mich diese Aussage eigentlich nicht? Ich griff in meine Jackentasche um mein Handy raus zu holen, fand allerdings stattdessen nur einen anderen Gegenstand darin.

„Was ist das?“, fragte der Dunkelblonde neben mir und blickte einen Moment von der Straße zu mir, nachdem ich nicht geantwortet sondern nur das Messer in meiner Hand angestarrt hatte.

Ich hatte ganz vergessen, dass ich es ja vor zwei Tagen diesem kleinen Punk weggenommen und dann in meiner Jacke versteckt hatte. Nachdenklich untersuchte ich es und drehte das Klappmesser dabei zwischen meinen Fingern umher; am Griff waren in Katakana die Zeichen für „ru“ und „ki“ eingeritzt. Ob es wertvoll für ihn gewesen war?

„Erde an Yuu“, riss mich mein bester Freund plötzlich aus den Gedanken und schnell ließ ich den Gegenstand wieder verschwinden.

„Gar nichts“, antwortete ich auf seine Frage und ignorierte seinen argwöhnischen Blick, dann griff ich in die andere Tasche meiner Jacke und holte endlich mein Mobiltelefon hervor. Ich war gerade dabei, seine neue Nummer einzuspeichern, als Uruha plötzlich laut auffluchte.

„Shit!“, schnell drehte er das Lenkrad zur Seite und konnte den wagen gerade noch auf einem Parkplatz zum Stehen bringen, ehe der Motor des Autos komplett abstarb.

„Sag bloß, du hast keinen Sprit mehr...?“, fragte ich und legte mein Handy wieder zu Seite.

„Doch, das ist nur dieses blöde Kabel!“, meinte er und schnallte sich ab, um aussteigen zu können. Ich machte es ihm nach und verließ meinen Sitz ebenfalls, während mein bester Freund schon die Motorhaube geöffnet hatte und fluchend darin herum werkte. „Diese verdammten amerikanischen Autos. Nächstes mal kaufe ich mir einen Europäer, das schwöre ich dir!“

„Wie wär's, wenn du dir mal ein japanisches kaufen würdest?“, meinte ich mit hochgezogener Augenbraue, obwohl er mich sowieso nicht sehen konnte, und lehnte mich gelassen gegen die Wagentür, um mir schließlich eine Zigarette anzustecken. So wies aussah, konnte das noch dauern...

Während Uruha weiter vor sich her schimpfte, sah ich mich um. Wir waren in einem der berühmt berüchtigten alten Geschäftsviertel von Tokio, wo überall nur geschlossene Firmen und Läden zu erkennen waren. Die paar Menschenseelen, die auf den Straßen umherwanderten, waren in Eile und versuchten offensichtlich so schnell wie möglich zu ihrem Ziel zu gelangen, ohne dabei von anderen gesehen oder aufgehalten zu werden.

Ich mochte diese Gegend nicht, andererseits war es der schnellste Weg vom Zentrum nachhause, also wollte ich auch nicht meckern.

„Geschafft!“, rief mein bester Freund und schlug die Motorhaube wieder zu, doch etwas anderes hatte bereits meine Aufmerksamkeit erlangt.

Ein paar hundert Meter weiter von uns standen ein paar Gestalten neben einem alten Laden herum, die sehr auffällig wirkten. Ich stieß mich vom Wagen ab, um sie besser beobachten zu können, dann drückte ich meine Zigarette aus und ging auf sie zu. Hinter mir hörte ich Uruha, der mich fragte, wo ich hinginge, doch ich achtete nicht auf ihn.

Die Jungs hatten mich schon von weitem bemerkt und blickten mich argwöhnisch an, als ich schließlich bei ihnen ankam und sie mich still musterten. Vor allem einer von ihnen wirkte, als ob er mich gleich anspringen würde und ein mulmiges Gefühl breitete sich in meinem Magen aus, bevor ich mich räusperte und meinen Mund öffnete.

„Hey, ehm, sorry für die Störung, aber kennt ihr zufällig einen Jungen namens Ruki?“

Die jungen Männer tauschten einen Moment lang fragende Blicke aus, bevor jeder von ihnen den Kopf schüttelte. „Noch nie gehört.“

„Oh, okay, danke trotzdem.“

Ich wollte schon wieder gehen, als der am auffälligsten aussehende von ihnen erneut sprach, „Ich kann's dir und deinem äußerst ansehnlichem Freund da hinten aber sicher genauso gut besorgen.“ Er kam einen Schritt näher und grinste mich dreckig an, während seine Freunde amüsiert kicherten.

„Nein, danke“, sagte ich und versuchte dabei so gelassen wie möglich zu klingen, was mir allerdings nicht so gut gelang und meiner Verlegenheit folgte ein erneutes Auflachen der anderen.

„Schade. Ich hätte euch einen guten Preis gemacht“, meinte er und schnell wandte ich mich wieder um, um eilig zum Auto zurück zu kehren, wo bereits ein äußerst skeptischer Uruha auf mich wartete.

„Was zum Teufel wolltest du von denen?“, fragte er und sah mich entgeistert an.

„Gar nichts“, meinte ich wieder und schob mich an ihm vorbei, um einsteigen zu können.
 

„Du verheimlichst mir irgendetwas!“, beschuldigte er mich und startete den Motor, nachdem er neben mir auf der anderen Seite Platz genommen hatte.

„Tu ich nicht“, meinte ich genervt und sah noch einmal zur anderen Straßenseite, bevor wir losfuhren.

Der andere schnaubte nur genervt auf, „Ach, und warum hast du dann gerade eben diese Stricher dort angequatscht?!“

Ich musste innerlich auflachen, war er etwa eifersüchtig? Ein Seufzen drang von meinen Lippen, „Das war doch nur, weil ich sie nach dem Jungen von gestern gefragt habe. Denkst du ernsthaft, ich wollte etwas von denen?“, fragte ich schon beinahe lachend.

„Woher soll ich denn das wissen“, meinte er und starrte schmollend auf die Straße. „Was willst du eigentlich von dem kleinen Punk dass du sogar solche Gestalten nach ihm fragst?“

Das war wirklich eine gute Frage, die ich nicht mal selbst beantworten konnte. „Ich hab noch etwas von ihm, dass er bei mir vergessen hat. Dachte er könnte es vielleicht gebrauchen, aber na ja, ist wohl sein Problem.“

Mein bester Freund sah einen Augenblick mit einem argwöhnischen Blick von der Straße zu mir rüber, antwortete jedoch nichts darauf. „Kommst du noch mit zu mir?“, fragte er dann in beiläufigem Ton.

„Von mir aus.“

Damit schien das Thema wohl beendet zu sein...
 


 

*Ruki~*
 

„Guten Morgen kleine Prinzessin, es ist Zeit zum Aufstehen.“

Widerwillig öffnete ich meine Augen; wer wagte es, mich eine Prinzessin zu nennen!? Neben mir ertönte ein amüsiertes Kichern und noch bevor ich sie im Halbschlaf ausmachen konnte, wusste ich bereits, dass dafür nur eine Person in Frage kam.

„Kai, lass mich schlafen!“, murrte ich und zog die dünne Decke über meinen Kopf, um weiterschlafen zu können.

„Komm schon du kleine Schlafmütze. Es ist schon halb Zehn“, säuselte der Sitzende.

Okay, das reichte. Er hatte mich nun zwei mal innerhalb einer Minute klein genannt, das würde er büßen! Mit einem Ruck riss ich die Decke von mir, drehte mich blitzschnell um und versuchte, den jungen Mann neben mir zu schlagen, doch wie erwartet sah dieser meine Attacke bereits kommen, packte meine Arme an den Handgelenken noch bevor ich ihn erreicht hatte und warf mich mit einem leichten Schubs vom Bett.

„Du versuchst es auch immer wieder“, lachte er noch während ich mir fluchend den Kopf rieb, der eben unfreiwilliger Weise Bekanntschaft mit dem harten Parkettboden machen musste. Dann stand er auf und ging grinsend in Richtung Küche, „Reib dir erst mal den Schlaf aus den Augen und dann komm Frühstücken, es gibt was Leckeres.“

Sofort vergaß ich meinen Müdigkeit und das auffordernde Knurren meines Magens war nicht zu überhören. Eilig schlüpfte ich in meine alten, zerrissenen Jeans, wusch mir noch schnell das Gesicht im Bad und schon saß ich einen Augenblick später hungrig wie ein Wolf am Küchentisch.

„Man sieht das lecker aus“, staunte ich, als mir Kai einen Teller mit zwei Scheiben Toast, Speck und zwei Spiegeleiern vor die Nase schob. Schon von dem köstlichen Geruch lief mir das Wasser im Mund zusammen und ich konnte es kaum erwarten, es gab einfach nichts besseres als Kais Kochkünste.

„Isst du denn gar nichts?“, fragte ich halb kauend nachdem ich mich endlich über den Teller gestürzt hatte, allerdings bemerkte, dass mein bester Freund nur an einer Tasse Kaffee nippte.

„Ich hab schon gegessen“, lächelte er und stützte seinen Kopf mit seinem Arm ab, bevor er mir offensichtlich amüsiert dabei zusah, wie ich das Essen runter schlang.

Schulterzuckend beachtete ich ihn nicht weiter, sondern konzentrierte mich eher darauf, nicht vor lauter Hast am Toast zu ersticken, bevor ich mich schließlich mit einem lauten, „Boah, bin ich satt“, in den Sessel zurückfallen ließ. Ein schneller Blick auf den Teller verriet Kai, dass ich keinen Krümel übrig gelassen hatte.

„Hat's geschmeckt?“, fragte er kichernd und erhob sich, um das schmutzige Geschirr zum Spülbecken zu tragen.

„Jaa“, meinte ich laut, doch genau in dem Moment klopfte es an der Eingangstür im Nebenraum.

Während Kai losgegangen war, um aufzumachen, sah ich mich ein wenig in der Küche um. Wie immer war alles makellos sauber, typisch er eben, doch trotzdem wunderte es mich, dass nirgendwo ein zweiter Teller zu sehen war, neben der Spüle standen nur zwei bereits abgespülte Tassen. Ob er wirklich gefrühstückt hatte? Ich hatte da so meine Zweifel...
 

„Lüg mich nicht an!“, kam es plötzlich aus dem Nebenraum und sofort eilte ich aus dem Zimmer, diese Stimme kam mir verdächtig bekannt vor. Wie erwartet fand ich dort meinen besten Freund vor, der gerade von seinem Chef zusammen geschrien wurde. Saga schien dieses Mal nicht einmal die Wohnung betreten zu wollen, mit verschränkten Armen stand er in der Tür und musterte Kai mit einem eiskalten Blick. Hinter ihm stand Nao, der sich lässig gegen den Türstock gelehnt hatte und die Szene wie ich lieber aus dem Hinterhalt beobachtete.

„Aber ich habe das ganze Geld abgegeben, ich schwöre. Frag Tora wenn du mir nicht glaubst, er war dabei!“, versuchte sich der Kleinere zu verteidigen, hatte jedoch kaum Chancen, sich gegen seinen Vorgesetzten durchzusetzen.

„Tora ist aber nicht hier“, zischte Saga und schien bald die Geduld zu verlieren, dann fiel sein Blick plötzlich auf mich, „Das einzige was ich hier sehe ist ein fauler Straßenköter der glaubt, sich hier von meinem Geld durchfüttern lassen zu können.“

Kai verstummte mit einem Mal, doch ich ließ diese Anschuldigen nicht auf mir sitzen. „Es ist nicht dein Geld!“, schrie ich und kam ein paar Schritte näher, „Das Geld gehört Kai! Er hat es verdient also sollte er damit auch machen können, was er will!“

Saga schien einen Moment nicht zu wissen, was er sagen sollte, dann brach er plötzlich zusammen mit seinem Kumpanen in einem verachtenden Gekicher aus.

„Du wagst es dich einzumischen, du kleine Ratte?“, meinte er und seine eiskalten Augen durchbohrten mich förmlich, als er mich von oben herab musterte, „Du hast doch keine Ahnung, wie das hier läuft!“

Ich hatte schon meine Lippen geöffnet, um etwas dagegen einzuwenden, doch Kai ging dazwischen und hielt mich zurück. „Ruki, lass es gut sein. Ich zahle ihm den fehlenden Betrag einfach in Raten zurück und damit ist de Sache gegessen, okay? Ist doch keine große Sache...“

„Keine große Sache!?“, wiederholte ich aufgebracht, „Der Typ linkt dich doch nur! Der verarscht dich nach Strich und Faden, kapierst du das denn nicht? Wahrscheinlich hat er das Geld einfach selbst genommen, damit er mich los wird, ganz sicher sogar!“ Mein Verdacht bestätigte sich, als ich an Kai vorbei sah und Sagas hinterhältiges Grinsen für einem Moment erspähen konnte. Dieser verdammte... ich hätte ausrasten können! Doch ich wusste, wenn ich nicht bald meine Klappe hielt, könnte es für meinen besten Freund noch schlimmere Konsequenzen haben, als meine Anwesenheit wohl ohnehin schon hatte.

„Ist schon okay“, meinte mein Gegenüber und wandte sich schließlich wieder ab, „Wie viel fehlt?“, fragte er mit ruhiger Stimme.

„Zehntausend Yen“, mischte sich nun auch Nao ein.

„Okay, ich werde dir das Geld heute nach der Arbeit persönlich vorbei bringen, geht das in Ordnung?“

Der Kleine machte zuerst einen Blick zu seinem Chef, bevor er nickte.

„Aber keinen Yen weniger, verstanden? Und sieh zu dass du dieses Ungeziefer loswirst“, zischte Saga noch einmal, bevor sie schließlich kehrt machten und dabei die Tür hinter sich zuknallten.

Kurz davor, ihm nachzustürmen, ballte ich wütend meine Fäuste zusammen. Am liebsten hätte ich ihm eine mitten in seine arrogante Fresse gehauen, dieser verdammte Mistkerl!

„Warum lässt du das einfach so auf dir sitzen?“, brüllte ich den Mann neben mir stattdessen an, doch dieser wandte sich nur seufzend ab.

„Vergiss das doch einfach, das ist wirklich nicht die ganze Aufregung wert. Ich mach' heute Nacht einfach einen Freier mehr und die Sache hat sich erledigt, hm?“ Das Lächeln, das mein bester Freund nach diesem Satz auf den Lippen trug, brach mir fast das Herz.

„Du bist wirklich das Letzte“, flüsterte ich und stieß dabei ein ironisches Kichern aus, sofort erstarb Kais Lächeln und er blickte mich entgeistert an.

„Ruki, was...“

„Es ist dir also mittlerweile schon egal, ob du dich nächtlich von einem oder von zehn fremden Typen vögeln lässt? Hauptsache du bekommst dein bisschen Geld von Saga, nicht wahr? Bist du wirklich schon so tief gesunken?“

Nun schien auch er seine Beherrschung zu verlieren, „Spinnst du?“

„Nein aber du! Du lässt dich hier einfach so ausnutzen und kapierst es nicht mal!“

„Saga hat Recht“, brüllte er und wanderte aufgebracht vor mir auf und ab, „Du hast wirklich keine Ahnung! Hältst du mich für einen Idioten? Natürlich merke ich das, aber was soll ich denn dagegen tun?!“

„Abhauen!“, schrie ich, „Einfach weg von hier, bevor es zu spät ist und du gar keinen Respekt mehr vor dir selbst besitzt!“

Nun war es Kai, der ironisch auflachte, „Klar, damit ich so ende wie du und jeden Tag um mein Leben fürchten muss, in einer Welt, in der es sowieso keine Zukunft gibt!“

„Ach ja?! Bevor ich mich jeden Tag ficken lassen muss, um zu überleben, sterbe ich lieber!“

„Schön, dann kannst du ja gehen!“, brüllte er, schien es allerdings noch im selben Moment zu bereuen.

„Schön“, sagte ich und ging zum Bett um ein paar meiner Sachen zusammen zu klauben.

Kai versuchte mich aufzuhalten, als auf den Weg in die Küche war um meinen Rucksack zu holen, doch es hatte keinen Sinn. „Ruki, warte... bitte“, ich reagierte nicht auf ihn, packte meine Sachen und ging zur Tür. „Das war doch nicht so gemeint...“, flehte er und nahm meinen Arm. „Bitte geh nicht...“

Ich blickte ihn einen Moment lang an, sah, wie sich Tränen in seinen Augen bildeten, und schüttelte seine Hand wieder ab, bevor ich dann durch die Eingangstür verschwand.

„Ruki...“, hörte ich ihn noch einmal flehen, doch es war bereits zu spät. Ich achtete weder auf ihn, noch auf die anderen Leute die mir auf den Treppen gegenüber kamen. Ich wollte einfach nur weg...
 

Draußen angekommen schulterte ich meine Tasche, ging allerdings nicht in Richtung Bahnhof sondern schlug irgendeine Richtung ein, bald begann ich zu rennen. Als ich mich schließlich weit genug entfernt hatte, blieb ich keuchend stehen und lehnte mich gegen eine kahle Wand. Die Gegend hier war keine besonders fröhliche und eigentlich hätte ich so schnell wie möglich verschwinden sollen, doch ich konnte nicht.

Kraftlos ließ ich mich an der Mauer hinab sinken, legte meinen Kopf auf meine zitternden Knie und spürte, wie die heißen Tränen von meinem Gesicht in meinen Schoß tropften.

Julien

ich hab mich ewig auf dieses kapitel gefreut, leider hat im endeffekt doch die faulheit gesiegt daraum hats ein wenig länger gedauert ^^'

zu dem titel: gemeint ist das lied "julien" von Placebo, hab das lied gehört als ich die tanz-szene geschrieben hab und ich glaub es passt gut, auch wegen dem text :) und btw, liebe für das pairing <3

have fun :]

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„Wo bleibst du so lange?“, empfing mich mein bester Freund bereits an der Haustür, kaum hatte ich meinen Wagen vor seiner Villa geparkt und den Fahrersitz verlassen.

„Dir auch einen schönen guten Abend“, begrüßte ich den jungen Mann, der gelassen am Türrahmen lehnte und mich einen Moment lang mürrisch ansah. „Seit wann machst ausgerechnet du solchen Stress?“, fragte ich mit einem Schmunzeln.

„Na hör mal“, meinte Uruha und knallte die Tür hinter sich zu, „Das ist immerhin Hiropon’s erstes Konzert, da dürfen wir doch nicht zu spät kommen. Außerdem müssen wir dich offensichtlich noch umstylen, so kannst du dort bestimmt nicht aufkreuzen“, fügte er hinzu und musterte mich gründlich von oben bis unten, während ich aus meinen Schuhen schlüpfte.

„Was passt dir denn an meinen Klamotten nicht?“ Prüfend folgte ich seinem Blick und sah an mir herab, was war denn an Jeans und einem Sweatshirt so schlimm? Zwar war es mittlerweile Sommer, aber in der Nacht konnte es immer noch sehr kühl werden also hatte ich mir extra etwas mit langen Ärmeln angezogen.

Doch wie immer hatte Uruha andere Vorstellungen von einem standesgemäßen Outfit gehabt und so kam ich kaum dazu Reita zu begrüßen, der in der Küche stand und gerade dabei war, sich ein Bier einzuschenken, bevor ich am Arm gepackt und nach oben verschleppt wurde.

Dort angekommen zerrte mich der Dunkelblonde sofort in einem Raum, der einer Luxus-Bekleidungsabteilung eines Kaufhauses ähnelte: Wo man auch hinsah stapelten sich Klamotten, Schuhe und Accessoires im Übermaß. Ich war schon öfter hier drin gewesen, und trotzdem musste ich jedes Mal aufs Neue staunen wie es nur möglich sein konnte so viel Geld für Kleidung auszugeben. Das war ja abartig...

Uruha störten meine skeptischen Blicke kaum und als ob er von jedem Kleidungsstück genau wusste wo es sich befand ging er die Regale ab und zog ein Teil nach dem anderen aus den Stapeln, bevor er jedes dann kurz musterte und mir schließlich in die Hand drückte.

„Und dann noch...“, nuschelte er vor sich hin, blickte kurz im Raum umher und griff schließlich nach einem Paar ziemlich teuer aussehenden, weißen Lederschuhen. „Die sollten passen“, lächelte er selbstsicher und legte es auf der Berg von Klamotten in meinen Armen, dann grinste er mich auffordernd an.

Ich seufzte nur stumm, machte kehrt und begab mich ins Gästezimmer zwei Türen weiter, um mich umzuziehen, musterte mich danach aber nur sehr zweifelnd im Spiegel.

„Ich seh' aus wie ein Gigolo“, beschwerte ich mich mürrisch, als ich die Treppe herunter kam und dabei unaufhörlich an dem engen schwarzen Shirt herumzupfte.

„So ein Quatsch, du siehst toll aus“, lächelte mein bester Freund, der nun mit Reita gemeinsam an der Bar stand und offensichtlich dabei war, eine Flasche Sake zu leeren.

Der Blonde sah amüsiert zwischen uns beiden hin und her, „Also ich finde, du siehst aus wie Uruha.“

„Also gut“, bestimmte der Größte und fuhr sich mit den Fingern durch seine honigblonden Strähnen.

Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf, diese Arroganz tat schon beinahe weh. „Lasst uns einfach fahren“, schlug ich schließlich vor und griff nach den Autoschlüsseln. Zu meiner Verwunderung folgten mir beide Männer ohne jegliche Vorfälle sofort, was nur selten vorkam, da Uruha sonst immer noch einmal zurück musste weil er etwas vergessen hatte, und so kamen wir zur Abwechslung mal überpünktlich bei dem Nachtclub an, in dem Reis Band heute ihren Debütauftritt hatte.
 

„Hast du auch bestimmt nichts vergessen?“, fragte ich bei meinem besten Freund sicherheitshalber noch einmal nach, bevor wir im Begriff waren die Bar zu betreten. Da wir früher dran waren als die meisten der anderen Gäste gab es wenigstens keine Warteschlange vor dem Eingang.

„Handy, Geld, Schlüssel… nope, alles da“, grinste der Dunkelblonde nachdem er seine Hosentaschen gründlich gecheckt hatte.

„Welch Wunder“, meinte der Blonde neben mir lachend und wir betraten das Gebäude. „Ich werd dann gleich mal Backstage verschwinden, ihr könnt es euch ja inzwischen oben gemütlich machen“, teilte Rei uns noch mit, bevor er schließlich in der bereits entstandenen Menschenmasse vor der Bühne verschwand.

„Komm schon“, forderte mich der Mann vor mir auf und mich wunderte es kaum, dass das erste Ziel welches er voller Enthusiasmus ansteuerte die Bar war. Seufzend folgte ich ihm und sah mich dabei unauffällig um, hier schein alles einen Tick luxuriöser zu sein als in anderen Nachtclubs.

„Na Darling, heute wohl besonders früh dran, nicht wahr?“, begrüßte eine der Bardamen meinen Freund sofort und ich konnte mir gut vorstellen dass die beiden sich gut kannten, immerhin war Uruha in mindestens vier Bars bereits Stammkunde.

„Klar, einer meiner Freunde spielt heute“, grinste er und griff nach seinem Geldbeutel, während die durchaus hübsche Frau nur lächelte, dann fiel ihr Blick auf mich.

„Und wer ist dein hübscher Begleiter?“

„Das ist Aoi-kun“, meinte er und sofort sandte ich ihm einen verwirrten Blick. „Es ist besser, wenn hier niemand deinen richtigen Namen kennt“, flüsterte er mir dann leise zu. Ich sah ihn mit gehobener Augenbraue an, fragte jedoch lieber nicht weiter nach.

„Das übliche?“, fragte die Person vor uns schließlich.

„Zwei mal“, lächelte er, schien es sich dann aber doch anders zu überlegen, „Oder weißt du was, gib uns gleich die ganze Flasche.“

Die Frau lachte nur, „Scheinst ja noch viel vor zu haben heute, Uruha-kun.“ Dann reichte sie uns eine Flasche Smirnoff und zwei Gläser mit Eiswürfeln über den Tresen.

„Immerdoch“, grinste Angesprochener nur, drückte ihr einen Schein in die Hand und verließ danach gemeinsam mit mir die Bar in Richtung Treppe, die zu einem weiteren Stock führte.
 

„Willkommen im VIP-Bereich“, lächelte er und deutete auf eine Sitzecke am anderen Ende des Bereichs.

„Nett“, staunte ich und ließ mich neben dem Dunkelblonden auf das Sofa sinken, von dem aus man die Bühne in perfekter Sicht hatte.

Uruha lachte nur, „Nur nicht gleich so voller Begeisterung.“ Ich grinste und griff nach dem Glas, das er mir reichte, „Na dann, prost.“

„Prost“, antwortete ich und trank den Inhalt in einem Zug aus, bevor ich schließlich ein unbegeistertes, „Ich hasse dich und deinen verdammten Vodka“, hervorpresste, worauf der Mann neben mir allerdings nur laut auflachte und die Gläser erneut mit der durchsichtigen Flüssigkeit füllte.

Das Konzert verlief größten Teils unspektakulär, obwohl ich zugeben musste, dass Pon wirklich ein kleines Naturtalent war. Als Reita schließlich zirka bei der Hälfte zu uns stieß, schien er nicht sonderlich verwirrt darüber zu sein, dass wir zu zweit schon eine halbe Flasche geleert hatten, sondern trank ab diesem Zeitpunkt nur freudig mit uns mit. Als die Band dann nach eineinhalb Stunden die Bühne verließ, war er offensichtlich sehr zufrieden, und spendierte damit gleich noch eine Flasche. Es war also kein Wunder, dass wir alle schon ziemlich angeheitert waren, als Hiroto schließlich zu uns stieß.
 

„Na, mein Kleiner?“, säuselte Uruha sofort und zog den Jüngeren an sich, wofür er sofort einen warnenden Blick von dessen Manager erhielt.

„Wehe du fasst ihn an“, drohte ihm Reita, wandte sich dann aber doch schnell wieder dem Glas in seiner Hand zu.

„Ich bin ganz brav“, grinste der Größere und fuhr dabei zärtlich über Pons Wange, die unterdessen einen leichten rosa Ton annahm. Während ich mich selbst von den beiden wegdrehte um mir eine Zigarette anzustecken, stieß plötzlich ein oder besser zwei weitere Gäste zu uns.

„Scheint ja mächtig hier abzugehen, die Party.“ Neugierig wandte ich mich um und musterte die beiden Neuankömmlinge, die es sich sofort rechts von uns auf dem Sofa gemütlich gemacht hatten, wobei sich einer ganz offen auf den Schoß des anderen platzierte.

„Was willst du hier, Saga?“, entgegnete Uruha sofort bissig, was jeden außer Angesprochenen verwirrt aufsehen ließ. Er war doch sonst nie so leicht reizbar, vor allem wenn es um so einen gutaussehenden Typen wie diesen hier ging, auch wenn dieser etwas arrogant wirkte.

„Mich um meine Geschäfte kümmern natürlich“, grinste der Brünette und streichelte sanft über die Lippen seines Schoßhündchens, bevor er seinen Blick schließlich wieder auf meinen besten Freund richtete, „Hier ist ja immerhin genug los um einen Haufen Kohle zu machen.“

„Wer ist das?“, flüsterte ich Reita zu, doch dieser zuckte nur unwissend mit den Schultern.

Uruha hatte dem Typen inzwischen einen argwöhnischen Blick zugeworfen, sagte jedoch nichts mehr und widmete sich stattdessen wieder dem kleinen Gitarristen, der immernoch neben ihm saß. Seine Reaktion hatte mich ein wenig stutzig gemacht, allerdings war ich in zu guter Stimmung um mir weiter den Kopf darüber zerbrechen zu wollen.
 

Als ich mich schließlich irgendwann erhob, um mich auf die Suche nach einer Toilette zu machen, bemerkte ich dass ich offenbar schon ziemlich viel getrunken haben musste; zumindest gehorchten mir meine Beine nicht mehr zu hundert Prozent und als ich dann leicht wankend bei den WC’s ankam, wirkte alles leicht verschwommen.

Nachdem ich fertig war beschloss ich deshalb ein wenig frische Luft zu schnappen und verließ den Nachtclub durch die Hintertür nach draußen, wo ich mir sofort eine Zigarette ansteckte. Ich ging ein paar Schritte, nahm einen kräftigen Zug von meiner Kippe und sah mich um. Neben der Tür standen noch einige andere Partygäste, sowie zwei Türsteher und ein paar Jugendliche die versuchten mit diesen zu verhandeln, um doch noch in den überfüllten Laden zu gelangen.

Doch als ich mich umwandte in Richtung der dunklen Gasse, erblickte ich ein Szenario, das mir weitaus bekannter vorkam: Entlang der Wände standen in regelmäßigen Abständen ein paar Typen, die ihr Warten mit Rauchen verbrachten. Einer von ihnen sah mich erwartend an, als er meine Blicke bemerkte, doch ich wandte mich schnell wieder ab und betrat schleunigst den Nachtclub wieder, nachdem ich so schnell wie möglich fertig geraucht hatte.
 

Erneut bahnte ich mir den Weg durch die Menschenmasse zurück zu unserem Platz, musste jedoch fest stellen, dass dort nur noch dieser Saga und ein paar weitere, ziemlich aufgetakelte Typen saßen. Da ich sowieso schon ein unwohles Gefühl im Magen hatte, wollte ich mich nicht wirklich zu ihnen setzen und begann deshalb, mich verzweifelt nach meinen Freunden umzusehen.

Dann plötzlich schlangen sich zwei Arme um meinen Oberkörper und mich ruckartig nach hinten zogen.

„Naa, mein Hübscher? Wo warst du denn?“, säuselte mir eine Stimme ins Ohr.

„Das wollte ich dich auch gerade fragen“, meinte ich vorwurfsvoll und kämpfte mich wieder aus Uruhas Fängen frei. „Wo sind Rei und Pon?“

„Keine Ahnung. Lass uns Tanzen!“, war seine kurze Antwort, dann griff er nach meiner Hand und zog mich ohne zu fragen mit sich.

„Aber…“, doch noch bevor ich mich wehren konnte, hatte mich der Größere bereits mitten auf die Tanzfläche gezerrt; um mich herum herrschte dichtes Gedränge, nun gab es wohl kein Entkommen mehr. Ich seufzte, Uruhas auffordernden Schmollblick konnte man kaum widerstehen und zu meiner Verwunderung lief gerade ein wirklich guter Song, also beschloss ich, dieses eine Mal nachzugeben. „Aber nur diesen einen Song“, schrie ich durch die laute Musik und der Dunkelblonde nickte zufrieden und zog mich sofort an sich.

Ich schloss meine Augen, um mich besser auf die Musik konzentrieren zu können, und plötzlich spürte ich Uruhas Hände auf meinen Hüften, wo sie zärtlich im Takt auf und ab strichen. Es störte mich nicht, schließlich gehörte das zum Tanzen dazu, und so dauerte es auch nicht lange, bis ich meine Arme ebenfalls um den Körper des anderen schlang. Als sich unsere Körper noch enger aneinanderschmiegten und wir uns im völlig gleichen Rhythmus zueinander bewegten, fühlte ich mich so gut, dass ich nicht mal bemerkte, dass schon längst ein anderer Song lief. Als ein besonders schneller Part kam, wandte ich mich um sodass sich der Größere von hinten an mich schmiegen konnte und mir dabei langsam über Hüfte und Oberkörper streichen konnte, während wir uns weiter im Takt bewegten.

Im Endeffekt hatte ich so viel Spaß daran, dass ich nicht einmal wusste wie lange wir eigentlich getanzt hatten, bis wir uns schließlich völlig ausgetrocknet zur Bar begaben. Ich bestellte zwei Getränke, drehte mich wieder zu meinem Freund um und lehnte mich erschöpft gegen den Tresen, an dem er sich ebenfalls abstützte.

„Wusste gar nicht, dass du so gut tanzen kannst…“, flüsterte Uruha und lehnte sich dabei vor, dicht gedrängt spürte ich seinen Oberkörper an meinen.

„Es gibt einiges, was du nicht von mir weißt“, grinste ich zurück, und es dauerte keinen Wimpernschlag, schon spürte ich seine Lippen auf meinen.

Alls um mich herum begann sich zu drehen, das einzige, das ich noch wahrnahm waren diese unglaublich weichen Lippen und eine heiße Zunge, die sich plötzlich um meine eigene schlang.

„Lass das“, presste ich schließlich hervor und drückte den Größeren von mir weg. Dann griff ich nach dem Glas, das die Kellnerin neben mir abgestellt hatte, und trank es in einem Zug leer.
 

„Wir sollten lieber die Bahn nehmen“, stellte ich fest und richtete meinen Blick von den Autoschlüsseln in meiner Hand, die leicht verschwommen wirkten, zu meinem besten Freund, der bereits beim Wagen stand und darauf wartete, einsteigen zu können.

„Ach komm schon… so viel hast du doch gar nicht getrunken“, jammerte der Dunkelblonde und schien von meiner Idee nicht gerade begeistert zu sein, doch ich schüttelte nur den Kopf. „Dann fahr ich eben.“

„Kommt gar nicht in Frage!“, bestimmte ich und hielt ihn davon ab, nach den Schlüsseln zu greifen, „Und jetzt komm.“ Uruha murrte noch etwas unverständliches, folgte mir dann aber doch noch brav in Richtung U-Bahn Station.

Allerdings schien das öffentliche Bahnnetzwerk komplizierter, als ich es in Erinnerung hatte, und auch der andere schien keinen Plan zu haben, wo wir eigentlich hin mussten.

„Ich glaube, hier müssen wir umsteigen“, stellte ich schließlich fest und bugsierte Uruha mit einem Schubs aus dem Waggon, da dieser schon beinahe im stehen eingepennt war.

„Bist du sicher?“, nuschelte er und sah sich verschlafen um. „Ich hab irgendwie ein ungutes Gefühl.“

Ich antwortete nichts darauf, fühlte mich jedoch auch nicht gerade wohl, außerdem war nirgends eine Menschenseele.

„Hier ist ein Plan!“, rief mir der andere zu, während ich mich weiter von ihm entfernte, um mich umzusehen. Warum kam mir dieser Ort so bekannt vor? „Yuu…?“

Plötzlich erstarrte ich, mein Herz begann laut zu pochen.

„Yuu…“, ertönte immer wieder Uruhas Stimme und dumpf hörte ich seine Schritte, als er eilig näher kam.

Ich stand am Anfang einer Treppe, die zu einem weiteren Bahnsteig führte, der allerdings nicht genutzt wurde.

Mein Puls raste inzwischen, immer wieder drangen Fetzen von Erinnerungen in Form von Bildern in mein Gedächtnis.

„Man, was ist los?“, fauchte mich mein bester Freund an, als er schließlich bei mir angekommen war.

„Kommt dir dieser Ort nicht bekannt vor?“, flüsterte ich leise und starrte dabei auf die hässlichen, vergilbten Fliesen, die mir so vertraut waren.

Der Mann neben mir folgte zögernd meinem Blick nach unten, schüttelte aber nur den Kopf. „Sollte er?“

Doch noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, hatte ich mich bereits auf den Weg nach unten gemacht, mein Herz klopfte schneller und schneller.

„Verdammt, wo willst du hin?!“, rief mir der Jüngere nach, doch ich machte nicht halt, sondern beschleunigte meine Schritte noch. Unten an der Treppe angekommen konnte ich bereits die schwache Beleuchtung des alten Bahnsteigs erkennen und ohne darüber nachzudenken wieso rannte ich den langen Gang entlang.

Uruha folgte mir unterdessen zögernd, machte allerdings erst wieder einen Mucks, als wir bei den Gleisen angekommen waren. „Was zum Teufel willst du hier?“, fragte er schon beinahe panisch, nachdem er sich wie ich umgesehen hatte.
 

An den Wänden und auf dem Boden kauerten Menschen, ihre Gesichter weiß wie die Wand und ihre Arme übersäht von Blutergüssen. Einige von ihnen starrten uns mit ihren gläsernen Augen an, anderen waren wir völlig egal.

Abscheu breitete sich in mir aus, und doch fühlte ich mich diesen Menschen, von denen einige beinahe noch Kinder waren, irgendwie zugänglich. Natürlich wollte ich umkehren, einfach weg von hier, doch irgendetwas fesselte mich… Plötzlich fiel mein Blick auf den fast leblos erscheinenden Körper eines jungen Mannes inmitten von ihnen und ein leichtes Stechen breitete sich um mein Herz aus.

Die flehenden Worte meines Begleiters, der von hier weg wollte, ignorierend, machte ich mich so schnell wie möglich auf den Weg zu ihm, kniete mich zu ihm herab und untersuchte den völlig blutverschmierten Körper nach einem Lebenszeichen; offensichtlich war er zusammengeschlagen worden.

Einige der anderen Personen redeten auf mich ein, ich solle ihn gefälligst in Ruhe lassen und verschwinden, doch ich kümmerte mich nicht um sie sondern suchte weiter nach einem Puls, bis ich ihn schließlich fand. Dann winkte ich Uruha zu mir, der zwar zögerte, schließlich aber doch noch kam.

„Hilf mir, ihn hoch zu heben“, forderte ich ihn auf und rutschte ein wenig zur Seite, um Platz zu machen.

„Was!?“, der Dunkelblonde sah mich an, als ob ich eben von ihm verlangt hätte, von einem Hochhaus zu springen.

„Mach schon!“

„Spinnst du?! Was willst überhaupt von dem…der ist doch sowieso schon so gut wie tot.“

„Bitte“, flehte ich schon beinahe und hob dabei den Oberkörper des Jungen an, „Ich möchte ihm helfen.“

Uruha zögerte, „…du kannst ihnen sowieso nicht allen helfen.“

„Ich weiß.“

Der Größere seufzte nur, kniete sich dann aber doch neben mich und half mir, den Jungen von dem Bahnsteig zu tragen.
 

„Du hast sie nicht mehr alle.“ Der Junge Mann gegen über von mir sah mich mit einer gewissen Form von Abscheu an, genauso wie alle anderen wenigen Fahrgäste in der U-Bahn, doch ich ignorierte die Blicke. Schützend drückte ich den eiskalten Körper des jungen Mannes an mich, blickte aus dem Fenster und strich dabei abwesend durch seine blond-schwarz gefärbten Haare.

Second Bite

kurz- aber gut.

ich hab ziemlich lange mit den ersten Szenen herumgekämpft /D meiner meinung nach sind die nur halb so gut geschrieben wie ich es mir vorgestellt hab. hoffe es kommt trotzdem alles ordentlich rüber. ps.: dramaaaqueen *hust*

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Ich hörte Schritte, jemand ging durchs Zimmer. Durchs Zimmer? Welches Zimmer…? Vorsichtig öffnete ich meine brennenden Augen. Wo war ich? Es war dunkel im Raum, verschwommen konnte ich einen einzigen Lichtstahl ausmachen.

Dann plötzlich ertönte ein Geräusch; ein Vorhang wurde zur Seite geschoben und der Raum wurde in gleißendes Licht getaucht. Ich drehte meinen Kopf, oder versuchte es zumindest so gut wie möglich. Mein Körper fühlte sich an wie Stein; schwer und taub.

Beim Fenster stand eine Person, ich konnte nur ihre Umrisse erkennen, dann schloss ich meine Augen wieder, um den blendenden Strahlen der Sonne zu entgehen.

Mein trockener Hals schmerzte, als ich immer wieder nach Luft rang. Wieder hörte ich Schritte. Kalte Finger strichen vorsichtig über meine Stirn. Ich öffnete meine Augen erneut einen Spalt und erkannte die Umrisse eines Gesichts, dann wurde um mich herum alles schwarz.
 

Ein gewaltiger Schmerz durchfuhr meine Beine. Es fühlte sich an, als ob mir jemand in regelmäßigen Abständen mit einer Nadel durch die Haut stach. Ich saß aufrecht in einem Bett, es war Nacht und eine Eiseskälte herrschte im Raum, verursachte mir Gänsehaut. Die Laken um mich herum waren klitschnass und ich spürte kalte Schweißtropfen, wie sie meinen Rücken hinunter liefen. Dann kam der Schmerz erneut, noch stärker als zuvor, und mit ihm die Übelkeit.

Ich biss die Zähne zusammen, winkelte meine Beine an und schloss meine ebenfalls stechenden Arme fest um sie. Doch es half nichts, ich schrie auf. Woher kamen diese schrecklichen Schmerzen bloß...?

Langsam begann ich, vor und zurück zu wippen. Immer wieder spürte ich ein Stechen, nun auch in meinem Oberkörper. Mein Puls raste, plötzlich spürte ich einen starken Druck auf meinen Lungen und keuchte auf; ich bekam kaum Luft.

Warum tat es so weh? Was tat überhaupt weh…

Doch genau in dem Moment, als ich mich zur Seite lehnte, um mich über den Bettrand zu übergeben, wurde eine Tür aufgerissen. Helles Licht durchflutete den Raum und durch meine halbgeöffneten Lider konnte ich das Blut erkennen, das ich soeben von meinem Magen hoch gewürgt und über den Teppichboden vor dem Bett verteilt hatte. Dann packte mich jemand und zog mich zurück. Reflexartig schrie ich auf und versuchte sofort, mich frei zu kämpfen, hatte jedoch kaum Kraft dazu und so blieb mein Versuch erfolglos, der Mann hielt mich fest mit seinen Armen umklammert. Plötzlich begannen auch meine Knochen zu schmerzen und ich versuchte, gegen die Krämpfe in meinen Unterschenkeln anzukämpfen, indem ich wild mit meinen Füßen gegen die Matratze schlug. Immer wieder hörte ich ihn einen Namen rufen, während ich dagegen ankämpfte, nicht noch mal zu erbrechen, dann kam plötzlich eine weitere Person ins Zimmer.

„Was ist los!?“, hörte ich ihn rufen und erschrocken blieb der Mann in der Zimmertür stehen.

„Schnell, bring mir irgendwelche Schmerzpillen. Und ein Glas Wasser, mach schon!“, rief der Mann über mir, nachdem sich der andere immernoch nicht bewegt hatte. Danach begann er weitaus ruhiger auf mich einzureden, während er versuchte, mein heftiges Umherschlagen einzudämmen, indem er mich immer stärker an sich drückte. „Beruhig’ dich, es ist alles okay… Das sind nur Entzugserscheinungen, die gehen bald wieder vorbei. Dein Körper entgiftet nur…“, vorsichtig löste er seinen Griff, nachdem ich mich tatsächlich etwas beruhigt hatte, und strich mir mit einer Hand langsam über meine klitschnasse Stirn.

Dann tauchte sein Freund wieder in meinem Blickfeld auf, im Halbdunkeln konnte ich nur erkennen, wie er ihm etwas in die Hand drückte und dann wurde ich aufgefordert, etwas zu schlucken. Eigentlich hätte es alles Mögliche sein können was er mir gab, doch in diesem Moment dachte ich nur daran, dass ich diese schrecklichen Schmerzen los werden wollte, also tat ich gehorsam, was mir der Fremde sagte.

„Hier, trink das darauf“, er hielt mir ein Glas an die Lippen und ich trank den gesamten Inhalt aus.

Dann verließ mich auch noch das letzte bisschen meiner Kraft, erschöpft ließ ich mich nach hinten fallen, wobei mich der Mann mit seinen Armen abbremste, bis ich schließlich meinen Kopf in dem weichen Polster vergraben konnte. Wegen den vielen Schmerzen hatten inzwischen auch meine Augen zu tränen begonnen, doch ich wusste, dass sie durch die Medikamente bald aufhören würden. Bald bekam ich nicht mehr viel mit, ich hatte meine Augen fest geschlossen und versuchte, mich nur auf meine Atmung zu konzentrieren und darauf, dass der Schmerz bestimmt bald vergehen würde.

„Dein Name ist Ruki, nicht wahr?“, vernahm ich plötzlich eine Stimme nah bei meinem Ohr. Ich hatte inzwischen angefangen zu zittern und auf einmal schlangen sich wieder zwei Arme um mich, sofort zuckte ich zusammen. „Ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnerst. Mein Name ist Yuu. Du hast vor ein paar Wochen zwei Tage bei mir übernachtet…“, flüsterte er leise.

Ich atmete tief durch und spürte dabei den warmen Körper, der sich vorsichtig an meinen drückte und mich immernoch festhielt. Langsam entspannte ich mich, als die Pillen endgültig zu wirken begannen.

Bevor ich schließlich einschlief, gingen mir noch einmal die Bilder eines jungen Mannes durch den Kopf, der gerade aus der Küche in seiner Wohnung kam, um mir mit einem Lächeln auf den Lippen eine weitere Schüssel Reis zu bringen.
 

In meinem Traum stand ich vor einer leblosen Straße inmitten einer Stadt, nervös blickte ich umher. Aus irgendeinem Grund wollte ich auf die andere Seite, doch ich hatte Angst, mich zu bewegen. Nirgendwo waren Fahrzeuge oder Menschen zu sehen, ich war ganz alleine. Warum traute ich mich nicht, einen Schritt vorwärts zu machen? Immer wieder sah ich nach rechts und nach links, immernoch nichts zu sehen. Mein Herz klopfte, wieso hatte ich solche Angst? Ich fühlte mich, als ob ich vor einem tiefen Abgrund stand; es gab kein vorwärts und kein zurück.

Dann packte mich plötzlich jemand am Arm und zog mich nach vorne über den Asphalt. Erschrocken heulte ich auf, wollte mich freikämpfen, doch der Griff war zu fest. Er zog mich immer weiter, die Straße schien endlos; dann erkannte ich zwei Lichter auf mich zukommen. Doch anstatt sich zu beeilen, blieb der Fremde stehen. Ich flehte ihn an, mich loszulassen, nun kamen bereits auf beiden Seiten Fahrzeuge auf uns zu, sie kamen immer näher.

„Vertrau mir“, hörte ich eine Stimme flüstern. Ich zögerte einen Moment, dann griff ich nach seiner Hand und ließ mich von ihm zur anderen Straßenseite führen, während die Autos durch uns durchfuhren, als ob wir Geister wären.

Ich stand auf einem Bürgersteig, das Gesicht einer leeren Straße zugewandt. Nirgendwo war eine Menschenseele zu erkennen.
 


 

Als ich meine Augen aufschlug, befand ich mich in einem von hellen Sonnenstrahlen durchfluteten Raum. Mein erster Gedanke war, dass ich mich in einem Krankenhaus befinden musste. Doch wie kam ich hier her? Hatten meine Eltern mich doch irgendwann gefunden?

Vorsichtig bewegte ich meinen Kopf, mein Körper fühlte sich seltsam taub an, als ob ich jeden einzelnen Muskel überanstrengt hätte. Es fiel mir schwer, zu atmen, da meine Lungen und mein Hals wie verrückt brannten, und ich hatte unglaublichen Durst. Ich hob meine Arme vor mein Gesicht und erkannte, dass sie jemand in den Armbeugen einbandagiert hatte und über die Einstiche auf meinen Handrücken waren Pflaster geklebt. Außerdem hatte ich frische Kleidung an, wobei frisch ein wenig übertrieben war, offensichtlich hatte ich die ganze Nacht durchgeschwitzt- die Laken fühlten sich immer noch feucht an.

Dann fielen mir plötzlich wieder die Ereignisse letzter Nacht ein, gemischte Gefühle breiteten sich in mir aus. Einerseits war ich froh, dass mein Aufenthalt hier offenbar weder mit meinen Eltern oder mit irgendwelchen Beamten zu tun hatte, doch warum ausgerechnet er? Wie hatte er mich gefunden? Und wieso… hatte er mich hier her gebracht? Soweit ich mich erinnern konnte war dies ja nicht mal seine Wohnung…

Was wollte er von mir?

Ich versuchte mich ein wenig aufzustützen, um mich umzusehen und das erste, was mir ins Auge fiel, war eine Tasse Tee die am Nachttisch neben dem Bett abgestellt war. Ich griff sofort nach ihr und trank den bereits kalten Inhalt in einem Zug aus, worauf wenigstens der Schmerz in meinem Hals ein bisschen nachließ. Als ich die Tasse schließlich wieder abstellte, erkannte ich eine Uhr, die ebenfalls auf dem kleinen Tisch stand und halb Sieben anzeigte. Doch ich wusste nicht, ob morgens oder abends, geschweige denn, welcher Tag überhaupt war.

Ich blieb also noch eine Weile aufrecht im Bett sitzen und dachte nach. Immer wieder fragte ich mich, was genau passiert war, bevor mich der dunkelhaarige Mann offensichtlich hier her gebracht hatte, doch das letzte an das ich mich erinnern konnte war wie so oft eine Spritze, die ich mir tief in eine meiner Venen drückte.

Als ich mich dann schließlich kräftig genug fühlte, beschloss ich aufzustehen; meine Neugierde gegenüber dieses Hauses war zu groß um sie noch länger zu unterdrücken, außerdem fühlte sich mein Magen an, als ob ich seit Tagen nichts mehr gegessen hatte- was aber mit großer Wahrscheinlichkeit daran lag, dass ich auch seit Tagen nichts mehr gegessen hatte.
 

Die Tür des Zimmers führte zu einem langen Gang, der in einer Treppe endete. Das hier schien kein Haus zu sein, sondern eher ein ganzes Schloss. Ich blieb stehen und sah mich einen Moment lang um, es herrschte eine Totenstille in dem Gebäude, dann war nur das Knarren der Treppe zu hören, nachdem ich den Gang entlang geschlichen war und nun auf den Weg nach unten war. Dort angekommen befand ich mich erstmal in einem Vorraum, der schließlich zu einem großen Wohnzimmer mit offener Küche und einer riesigen Sitzecke führte.

Während ich mich schon fast automatisch in Richtung Kühlschrank begab fragte ich mich, wie viel Geld diese Typen wohl haben mussten, um sich so eine Villa leisten zu können. Vielleicht war ja einer von ihnen ein wichtiger Mafiaboss, der haufenweise Kohle damit machte, junge Drogenabhängige von der Straße aufzusammeln und sie schließlich an weitere Mafiabosse als Sklaven zu verkaufen.

„Oder sie drehen zuerst Pornos mit ihnen“, dachte ich mir während ich mir ein Glas Milch einschenkte, „Verkaufen diese dann teuer im Internet und versteigern die Jungen erst dann an alte Säcke.“ Ob meine Fantasie mal wieder mit mir durchging? Hm, wohl eher nicht.
 

„Du scheinst Milch zu mögen.“ Ich zuckte zusammen, wirbelte herum und ließ dabei die Milchpackung fallen, allerdings hatte der Mann vor mir schnell genug reagiert und fing sie mit einer Hand auf. „Man, pass doch auf. Diesmal hätte ich das nicht aufgewischt.“

Argwöhnisch beobachtete ich den Dunkelhaarigen, wie er die Packung zurück in den Kühlschrank stellte, erst dann fiel mir wieder ein, dass ich letztes Mal ja aus versehen seine ganze Milch über den Küchenboden verteilt hatte.

„Hast du gut geschlafen? Ach ja, warum frag ich eigentlich, bist ja sowieso nicht sonderlich gesprächig…“

Zögernd griff ich nach meinem Glas, während er an mir vorbei ging, um sich einen Kaffee zu machen; es musste also doch morgen sein. Er sagte kein Wort mehr, lächelte nur fröhlich vor sich hin und tat dabei so, als ob es das normalste auf der Welt war, dass ich hier neben ihm stand und ihm dabei zuguckte, wie er ein paar Kekse aus ihrer Verpackung nahm und auf einen Teller legte.

„Möchtest du auch welche?“, grinste er mich an, nachdem er meine Blicke bemerkt hatte und hielt mir dabei den Teller direkt vor die Nase. Er wartete ein paar Sekunden ab, in denen ich gegen das heftige aber zum Glück lautlose Knurren meines Magens ankämpfte, dann machte er kehrt mit den Worten, „Na ja, überleg’s dir. Ich stell sie dort auf den Tisch.“ Dann ging er zum Sofa, machte sich dort neben dem kleinen Couchtisch breit und schaltete den Fernseher ein, während ich immernoch wie angewurzelt und mit einem leeren Glas in der Hand neben dem Kühlschrank stand.

Ich seufzte innerlich, meine Sturheit zeigte wieder einmal keine Grenzen. Aber irgendwie schien er ja auch netter geworden zu sein seit unserer letzten Begegnung, was also sprach eigentlich dagegen?

Der Dunkelhaarige sah mich einen Moment lang überrascht an, als ich mich auf der anderen Seite der Couch nieder ließ und so unauffällig wie möglich nach einem der Kekse griff, dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.

„Wenn du willst kannst du alle haben. Bin sowieso kein großer Fan von Schoko…“

Ich zögerte keinen Augenblick, griff nach dem Teller und stopfte einen Keks nach dem anderen in meinen Mund, bis ich alle verputzt hatte und mich satt in die Kissen hinter mir sinken ließ.
 

* Aoi~ *
 

„Sag bloß, die kleine Bratze ist immernoch hier.“

Ich blickte an meiner Schulter vorbei zu meinem besten Freund, der soeben hinter dem Sofa aufgetaucht war und verschlafen auf die Stelle starrte, wo der Junge schon vor über einer Stunde eingeschlafen war.

„Offensichtlich“, meinte ich ein wenig genervt und richtete meinen Blick wieder auf den Bildschirm vor mir; hatte er denn nicht gestern schon genug über seine Anwesenheit gejammert? Er tat ihm doch gar nichts.

„Und wie lange soll er deiner Meinung nach noch hier bleiben?“, fragte mich der Dunkelblonde und verschwand in der Küche, doch ich zuckte nur mit den Schultern und schwieg. Kurz darauf tauchte Uruha wieder in meinem Blickfeld auf und machte es sich neben mir gemütlich. Während er genüsslich an seinem Kaffee schlürfte blickte er immer wieder von der Glotze zu dem Kleinen, „Macht der eigentlich noch was anderes außer pennen?“

„Lass ihn in ruhe“, ermahnte ich den Jüngeren sofort, „Er hatte eine anstrengende Nacht.“

„Oh, die hatte ich auch“, meinte Uruha sofort theatralisch und sah mich verärgert an, „Aber er musste keine Kotzeflecken aus meinem schönen Teppich putzen!“

Ich seufzte, „Jetzt mach nicht gleich so einen Aufstand deswegen. Erstens benutzt du das Zimmer sowieso nie und zweitens schadet es dir bestimmt nicht, auch mal was zu arbeiten“, grinste ich schließlich, doch er schnaubte nur und murrte etwas unverständliches vor sich hin.

„Ich versteh nur nicht“, begann er erneut, „warum du ihn überhaupt mitgenommen hast. Immerhin war er es, der damals aus deiner Wohnung abgehauen ist und nur zu deiner Information, er hat dich davor auch noch ausgeraubt!“ Oh, das war so typisch er…

„Es ist mir egal was du von ihm hältst. Ich kann es nun mal einfach nicht mit ansehen, wie jemand so leiden muss, ohne jegliche Chance auf ein besseres Leben…“ Langsam ließ ich meinen Blick über den Liegenden schweifen; so etwas hatte er nicht verdient. Niemand hatte das…

„Oh mein Gott“, meinte der Größere plötzlich laut und sah mich entsetzt an, erschrocken fuhr ich zusammen. „Du bist in ihn verknallt!“

„Was?!“, rief ich und richtete mich von meiner Liegeposition auf, „Hast du sie noch alle?“

„Natürlich! Deshalb liegt dir so viel an ihm… das merkt doch ein Blinder!“, neckte er mich und lachte erfreut auf, bevor er schließlich aufstand, „Mann, das muss ich sofort Rei erzählen…“

„Du spinnst doch!“, schrie ich ihm nach, doch er war schon unter lautem Gelächter auf den Weg nach oben. Als ich mich dann wieder umwandte, um den Fernseher auszuschalten, fiel mein Blick erneut auf den Kleinen, und mit einem Mal wurde mir seltsam komisch. Dann schüttelte ich schnell den Kopf, stand ebenfalls auf und verschwand auf die Terrasse, um erstmal eine zu rauchen. „So ein Idiot“, flüsterte ich und ließ mich auf einen der Liegestühle vor dem Pool fallen. Abwesend blickte ich in die Wolken, dachte nach und versuchte dabei, das heftige Pochen in meiner Brust zu unterdrücken.

Twister

Ich lag am Pool, mit T-Shirt, Sonnenbrille und Badehose, und war gerade dabei, an meiner eiskalten Coke zu schlürfen, als in der Terrassentür plötzlich eine Gestalt auftauchte. Sofort legte sich ein Grinsen auf meine Lippen, wie niedlich der Kleine doch wirkte als er so verschlafen in meine Richtung tapste.

Er blieb vor mir stehen und musterte mich einen Moment lang, wobei er schließlich die Zigarette in meiner Hand fixierte. Ich zögerte nicht lange, griff zur Seite und reichte ihm das noch halbvolle Päckchen samt Feuerzeug. Ruki griff sofort danach, bedankte sich allerdings nicht dafür sondern drehte sich nur mit mürrischem Blick um und machte es sich im Schneidersitz eine Liege weiter gemütlich. Während ich meine eigene im Aschenbecher am Nebentisch ausdrückte, steckte er sich eine Kippe an und machte einen kräftigen Zug davon, bevor er den Rauch schließlich genüsslich über seine Lippen entweichen ließ.

„Sag mal, wie alt bist du eigentlich?“

Ohne seinen Kopf zu bewegen machte er einen Blick zur Seite und sah mich an, dann senkte er ihn und wandte sich ganz ab.

„Schön, dann rate ich eben. Siebzehn?“ Keine Reaktion. „Sechzehn?“, immer noch nichts. „…fünfzehn?“, fragte ich mit einem belustigten Unterton, was ihn wohl leicht verärgerte.

„Ich bin Achtzehn!“, meinte er eingeschnappt.

„Siehst du, ist doch gar nicht so schwierig ein bisschen Smalltalk zu machen“, grinste ich sofort und schon legte sich ein leichter Rosaschimmer auf seine Wangen.

„Und wenn ich aber keinen Bock auf Smalltalk habe?“, schmollte er genervt und betonte dabei das vorletzte Wort besonders stark.

“Magst du Musik?”, fragte ich ihn weiter aus, ohne auf sein Gemecker einzugehen, doch genau in dem Moment tauchte eine weitere Person hinter uns auf. Sofort senkte sich meine Stimmung ein wenig, musste er denn genau jetzt auf tauchen? Wo ich es gerade geschafft hatte, den Kleinen zum Reden zu bringen...

“Toll. Da ist dieses kleine Gör endlich einmal wach und dann hat es nichts Besseres zu tun, als mir meine Kippen wegzurauchen? Na vielen Dank auch.” Ich drehte mich um und erkannte einen verärgerten Uruha, der mit verschränkten Armen da stand und den jungen Mann mir gegenüber von oben bis unten musterte. “Was soll das?”, wandte er sich schließlich an mich, brachte mich mit seiner übertriebenen Genervtheit nur zum Kichern.

“Jetzt hab dich doch nicht so. Schließlich war es auch Rei's Geld, mit denen du sie gekauft hast, soweit ich mich erinnern kann zumindest.”

Während Ruki nur genüsslich weiter geraucht hatte, hatte sich der Dunkelblonde seine Zigaretten längst wieder geschnappt und war nur dabei sich auf einer Liege auf der anderen Seite des Pools gemütlich zu machen. “Mir gehts ja nicht um die Kohle”, meinte er dann, “Aber das sind meine letzten die ich habe und ich hab keinen Bock, an einem Sonntagnachmittag noch zu einem Automaten rennen zu müssen, nur weil du Obdachlosenheim spielen musst. Und im Übrigen, eine Dusche würde dem Kleinen bestimmt nicht schaden. So schläft er nämlich bestimmt nicht nochmal in meinem Haus”, fügte er noch hinzu, dann lehnte er sich zurück und schien das Thema damit beendet zu haben.

Na ja, dachte ich mir, wenigstens bedeutete dies Ruki konnte noch eine Nacht bleiben. Zwar hätte ich ihn auch zu mir nach Hause bringen können, aber nun war es doch auch schon zu spät dafür und freiwillig würde er bestimmt nicht mitkommen. Und ich wollte weiß Gott nicht, dass er dieses Mal erneut abhaute und dann gleich wieder in der nächsten Drogenszene untertauchte. Da ärgerte ich Shima lieber weiter mit unserer Anwesenheit, wenigstens langweilte er sich dadurch nicht und Spaß machte es irgendwie ja auch.

“Dieser eingebildete Schnösel ist übrigens Takashima Kouyou, ihm gehört das Haus hier”, wandte ich mich wieder meinem Schützling zu, der allerdings kaum Interesse zeigte und nur beiläufig mit den Schultern zuckte, während er den Zigarettenstummel am Boden ausdrückte.

„Hey, ein bisschen mehr Respekt bitte“, hörte ich meinen besten Freund von der anderen Seite murren.

„Sagt gerade der richtige“, kicherte ich und erhob mich schließlich, worauf Ruki fragend aufsah. „Komm schon, ich zeig dir das Bad.“
 

* Ruki~ *
 

„Hier sind ein paar frische Sachen, die sollten passen“, meinte mit einem Lächeln und drückte mir eine noch ziemlich neu aussehende Jeans und ein helles Tshirt in die Hände, dann deutete er auf den Rand der Badewanne. „Dort drüben liegen frische Handtücher und Shampoo steht auch bereit. Brauchst du sonst noch irgendetwas?“ Er wartete noch ab bis ich meinen Kopf schüttelte, grinste dann zufrieden und verließ schließlich den Raum.

Ich stand da und blickte fragend auf die geschlossene Tür, durch die der Schwarzhaarige soeben verschunden war. Bildete ich es mir nur ein, oder war der Typ seit unserem letzten aufeinandertreffen weitaus freundlicher geworden? Und was war eigentlich mit diesem anderen da… der war ja mehr als seltsam gewesen.

Ich seufzte und zuckte ratlos mit den Schultern. Viel zu viele Fragen gingen mir durch den Kopf, trotzdem versuchte ich nicht weiter darüber nachzudenken, ging zur Badewanne und drehte am Hahn, um sie mit heißem Wasser vollaufen zu lassen. Während ich wartete befreite ich mich erstmal von meiner verschwitzen Sachen, dann sah ich mich um. Wie im ganze Haus war alles ziemlich luxuriös eingerichtet, es gab sogar so ein unnötiges Fußwaschbecken, und das, obwohl das hier angeblich nur das Gästebadezimmer war. Ich beschloss ein wenig in den Schränken zu wühlen auf der Suche nach etwas Brauchbarem wie Harrstylingprodukte oder Schminke, wurde allerdings kaum fündig da dieser Schnösel wahrscheinlich alles in seinem eigenen Bad gehortet hatte.

Als ich mich dann seufzend auf dem Badewannenrand sinken ließ, fiel mein Blick auf den großen Spiegel an der gegenüberliegenden Wand, doch das einzige, das mir entgegenblickte war eine abgemagerte Gestalt mit tiefen Augenringen und farbloser, mit Wunden übersäter Haut. Wie gebannt starrte ich einige Sekunden auf mein Spiegelbild, ich konnte es kaum glauben wie fertig ich aussah. Und wieder einmal musste ich mir die Frage stellen, ob es das alles eigentlich wert war… nur für ein bisschen Freiheit.

Ich schluckte und schüttelte den Kopf, wandte meine Augen wieder ab und widmete mich schließlich den Bandagen um meinen Armen und begann vorsichtig sie von meinem Körper zu lösen.

Nachdem ich damit fertig war, drehte ich den Hahn wieder zu und ließ mich in das warme Wasser gleiten. Sofort lehnte ich mich zurück und schloss die Augen, das Bad fühle sich so entspannend an, ich hätte bestimmt Stunden darin verbringen können. Was ich vielleicht auch tat, ein Zeitgefühl hatte ich schließlich kaum und irgendwie musste ich auch für einen Moment eingeschlafen sein, denn plötzlich schreckte ich auf als die Tür auf ging und Yuu erneut den Raum betrat.

„Und ich mache mir hier schon Sorgen, dass du mittlerweile ertrunken bist“, lachte er nachdem er mich kurz gemustert hatte, ging dann zum Waschbecken und griff nach einem Kamm, um sich damit durch die Haare zu bürsten.

„Schon mal was von Privatsphäre gehört?“, nuschelte ich und beobachtete ihn mürrisch. Eigentlich wollte ich nichts sagen, doch ich konnte es mir einfach nicht verkneifen. Wenn er es schon wagte hier einfach reinzuplatzen, tze…

„Die existiert in diesem Haus nicht“, meinte er und grinste dabei sein Spiegelbild an, „Aber du solltest dich mal beeilen, ich hab uns Pizza bestellt.“ Und schon war er wieder weg, was man von meinem Magenknurren allerdings nicht behaupten konnte.

„Pizza? Pizza…“, sabberte ich schon beinahe vor mich hin und sank dabei bis zum Kinn ins Wasser. Worauf wartete ich eigentlich noch?

Schnell sprang ich aus der Wanne, schlüpfte in die frischen Klamotten die mir Yuu bereit gelegt hatte, fuhr noch notdürftig mit dem Kamm durch meine nassen Haare und eilte vorfreudig aus dem Bad. Oben auf der Treppe konnte ich bereits hören, wie der Schwarzhaarige noch mit einem Lieferanten sprach und schließlich die Eingangstür schloss, und kaum war ich unten angekommen verteilte er eine der drei ergatterten Verpackungen bereits an seinen großen Freund.

„Pizza Pizza Pizza…“, wiederholte ich tausendmal, hibbelte vor mich hin und konnte es kaum erwarten, als Yuu mir endlich auch eine Schachtel in die Hände drückte.

„Ich wusste nicht, welche Sorte du am liebsten hast, als hab ich einfach eine normale mit Tomaten, Schinken und Käse genommen.“

„Was auch immer“, meinte ich nur, schnappte mir mein Essen und verzog mich mit meinem Essen wie der dunkelblonde Besitzer dieses Hauses ebenfalls auf die Couch.

„Ach, wenn’s ums Essen geht werden sie plötzlich immer ganz handzahm…“, meinte er sofort, doch ich ignorierte ihn. Viel wichtiger war der köstliche Duft, der sich um meine Nase ausbreitete als ich den Deckel der Verpackung öffnete, und das wundervolle Gefühl von heißem zerronnenem Käse schon kurze Zeit später auf meiner Zunge. Oh Gott, wie ich diesen Geschmack vermisst hatte…

„Na, dir scheint’s ja zu schmecken?“, grinste der Dunkelhaarige neben mir und griff nach seinem ersten Stück, während ich schon drauf und dran war mein drittes zu verputzen. Ich nickte nur zufrieden und genoss jeden Bissen einzeln, der andere lachte. Was er wohl so amüsant fand?
 

„Ich hab ein neues Videospiel“, gab der größere der beiden plötzlich kauend von sich, wobei es sich eher nach einer Aufforderung anhörte.

„Und lass mich raten, du willst dass ich es mit dir ausprobiere?“, meinte der andere nur seufzend. „Heute lieber nicht.“

„Aber Yuu…“, begann sein Freund sofort zu jammern und zog eine Schnute.

„Ich hab wirklich keine Lust. Frag doch Ruki.“

Das letzte Stück Pizza in meinem Mund stopfend sah ich auf als mein Name fiel, wandte mich um und mein und Kouyous Blick trafen sich.

Arrogant drehte er sich weg und verschränkte dabei die Arme vor der Brust. „Pff… den Halbstarken mach ich doch mit Links fertig. Das macht keinen Spaß.“

Sofort verfinsterte sich mein Blick, war das etwa eine Herausforderung? Ich sah zu Yuu, der grinste mich auffordernd an und hielt mir einen Controller entgegen. Schön, wenn er es unbedingt so wollte. Ich schnaubte, legte den leeren Pappkarton von meinem Schoß auf den kleinen Tisch neben der Couch und griff nach dem Controller. Von so einem reichen versnobten Schnösel würde ich mich immerhin bestimmt nicht fertig machen lassen…

Das Spiel stellte sich als ein einfaches Rennspiel heraus, tolle Grafik aber simple Bedienung. Das erste Rennen gewann der Dunkelblonde, womit er natürlich sofort angab, aber so schnell war ich nicht klein zu kriegen. Ich forderte eine Revanche und gewann diesmal, was ich mit einem lauten „HA!“ sofort verdeutlichte, Kouyou schmollte und startete noch eine Runde. So ging das in etwa die nächsten paar Stunden weiter. Yuu war inzwischen neben uns gesessen, trank genüsslich seine Coke und blätterte hier und da in einer Zeitschrift, bis er irgendwann aufstand und nach oben ging.

Als er wieder kam, war er bereits im Pyjama. „Sagt mal, wollt ihr nicht irgendwann mal schlafen gehen?“

„Noch eine Runde...“

„Jaa, noch eine Runde...“, wiederholte ich bettelnd und hob kurz meinen Kopf in seine Richtung, konzentrierte mich dann aber doch gleich wieder auf den Bildschirm als mich der Schnösel beinahe überholte.

Der Schwarzhaarige seufzte, ließ sich dann aber doch wieder neben uns auf die Couch fallen. „Mich wundert es, dass du heute gar nicht aus bist“, meinte er zu dem Dunkelblonden, „Wann ist schließlich das letzte Mal her dass du an einem Abend nicht besoffen warst?“

Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen wie sein Freund nur gelassen mit den Schultern zuckte, „Hatte eben keinen Bock. Was ist mit dir? Mich wundert es dass du immer noch hier bist, musst du morgen nicht arbeiten?“

„Hab mich krank gemeldet“, war seine knappe Antwort, doch der andere schien ihm gar nicht mehr zuzuhören da er eben das letzte Rennen gewonnen hatte.

„Ha ha“, lachte er laut in meine Richtung auf und zeigte mit dem Finger auf mich, worauf ich ihm nur die Zunge zeigte und beleidigt meine Arme verschränkte. Dieser doofe Schnösel…

„Du hattest viel mehr Übung das zählt nicht“, grummelte ich vor mich hin, während er aufstand und den Fernseher ausschaltete.

„Tzz, und du bist ein schlechter Verlierer“, grinste und, streckte sich und verschwand schließlich mit einem halb-gegähntem, „Na dann, Gute Nacht“, nach oben.

Ich schnaubte, machte einen mürrischen Blick zur Seite und sah direkt in Yuus Gesicht, der neben mir saß und mich grinsend beobachtete. „Was?“, fragte ich ein wenig bissig.

„Nichts“, meinte er, doch sein Grinsen wurde nur größer, „Du bist süß wenn du sauer bist.“

Perplex musterte ich den Mann vor mir. Was? Sofort spürte ich wie mir das Blut in die Wangen stieg, doch er lachte nur auf und strich mir amüsiert durch die Haare, bevor er sich ebenfalls erhob und Richtung Treppe ging. „Gute Nacht, Kleiner“, sagte er, drehte das Licht ab und folgte seinem Freund nach oben.
 

Ich saß noch eine Weile im Dunkeln da und dachte nach, bis ich schließlich seufzend aufstand und mich auf den Weg in mein Zimmer machte, wo ich mich gleich ins Bett legte. Doch einschlafen konnte ich nicht. Einerseits, weil ich kaum müde war, andererseits, weil mir viel zu viele Gedanken im Kopf herum schwirrten. Ich dachte an die beiden und ihr unbeschwertes Leben, das sie anscheinend führten. Ich dachte daran, was für ein Glück ich eigentlich hatte, in einem weichen Bett schlafen zu können und das zur Abwechslung mal nicht hungrig oder durstig. Ich musste an Kai denken und daran, wie es ihm wohl gerade ging. Und ich dachte das erste Mal darüber nach, was gewesen wäre, wenn die beiden mich nicht gefunden und hier her gebracht hätten.

Und es war das erste mal, dass ich mir gewünscht hatte, niemals von Zuhause fort gegangen zu sein. Jetzt, wo ich mich wieder daran erinnern konnte, wie es eigentlich war, zu ‚leben’…



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Kommentare zu dieser Fanfic (20)
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Von:  hotmilk
2011-03-06T11:54:27+00:00 06.03.2011 12:54
I like! :D

Uru is ja doch ein ganz ein lieber. Und ich wusste es schon immer. Spielkonsolen könne freundschaften erschaffen! XD

anyway. ich freu mich schon vollgas aufs nächste chap~

hab dich lieb <3<3
Von:  Toffelchan
2011-03-03T16:15:02+00:00 03.03.2011 17:15
schönes kapi :D
hat mich gefreut, dass ich wieder was lesen konnte <3


ich mag besonders den letzten abschnitt *3* <333
Von: abgemeldet
2011-03-03T13:16:37+00:00 03.03.2011 14:16
Es hat mich amüsiert wie Uruha und Ruki zusammen gespielt haben xDD
Ich hätte nicht gedacht das Uruha das tut

Und das Ende war so süss wo Aoi ihm gesagt hat das er süss sei **
Man merkt schon das Aoi mehr für ihm empfindet als er zugeben will xDD
Auf jedenfall ein tolles Kapi^^

Ich freue mich auf`s nächste und hoffe du schreibst bald weiter^^
Von: abgemeldet
2011-03-03T12:42:36+00:00 03.03.2011 13:42
hallo~ ^^

so, das es hier so leer ausschaut, hab ich mir gedacht, mach ich mal das erste kommi zu diesem kap.

erstmal, hätte ich echt nicht gedacht das ruha wirklich
so 'handzahm' ruki gegenüber wäre, immerhin ist dieser als schmarotzer
bei ihm, wobei aoi hat ja dem hübschen keine andere wahl gelassen. XD

das aoi dann einfach ins bad platzte als der kleine noch in
der wanne saß, war schon i-wie komisch, aber auch auf die andere
art und weise auch amüsant XD~

der schluss war so süß~
aoi mag ruki... findet ihn süß..
*schmunzel*

freue mich auf das nächste, also schreib schön weiter ^^

bis zum nächsten mal~

lg, Alacran
Von:  Toffelchan
2010-12-30T13:28:53+00:00 30.12.2010 14:28
LASS IHN LEIDEN !!!!!!!!!!!!!!!! mahahahahauauahahuahau *krank lach*
*//////////////////*
bin ganz entzückt <3
lass ihn ruhig noch mehr schmerzen haben oder so xD~+ich mag das ... wie du weißt~ *räusper*

süß, dass aoi sich da scheinbar in ihn verguckt hat >D
obwohl ich das pair ja nun nicht bevorzugen würde bei den aktuellen leuten XD

ich finds toll, dass das neue kapitel jetzt so schnell kam */////////*~ ganz ohne nachfragen und drängeln und so.... ha.. ha... xD

ich hoffe es geht bald weiter *//////////*
*dich am tisch beim laptop festkette*
nur keine eile mein schatz ~ <3
*mit dem geschärften messer hinter dir steh*
hihihi



Von:  hotmilk
2010-12-30T03:37:49+00:00 30.12.2010 04:37
yuu-chan ist verliiiiiebt, yuu-chan ist verliiiieeebt~ *träller* 8D

ach der arme ruki Q_Q
er tut mir ja schon irgendwie leid. *ihn streichel*
Mach ihn wieder heile ;__;
KEINE MACHT DEN DROGEN!

die story wird immer spannender~
*mich schon aufs nächste kapitel freu* =3
Von:  totenlaerm
2010-12-30T01:37:37+00:00 30.12.2010 02:37
ich glaub, dass ist mein lieblingskapitel....uruha ist echt fies. aber es muss ja einenm bösen geben, ne?
Von:  Toffelchan
2010-12-27T23:04:26+00:00 28.12.2010 00:04
*////////////*
mein darling~


so eine tolle ff !!!!!!!!!!!!!!!!!!
ich versteh nicht, warum so wenige kommentare da sind û__u
*gleich mal werbung machs xD*

ich find die idee so toll *__*
als ich dich heute angeschrieben hatte wollte ich eigentlich fragen ob du lust auf ein rpg hast... meine idee war ähnlich wie die ff hier |DDD

armer ruki *////////////* aber lass ihn mehr leiden. ich liebe das >DDD hehe
süß, dass aoi ihm so hilft ehy !!! würde ich glaube nicht tun... xD""

alter uruha ist ja mal die übelste tusse!!! XDDDD
bonzen tussi XD"
wer kann der kann nich? XD

ich hoffe du schreibst schnell weiter.
wenn nicht tret ich dir in deinen zuckersüßen erdbeer-popo 8DDD






Von:  naeki
2010-12-01T21:24:13+00:00 01.12.2010 22:24
T_____T
der arme Ruki
und kai tut mir auch so leid
dem gehts doch jetzt sicher nur noch schlechter als sowieso schon
T__T
mach bald weiter
es ist echt spannend :)
und dein schreibstil wird immer besser *thumbs up*
weiter so ^^

lg
naeki
Von:  totenlaerm
2010-11-15T22:34:33+00:00 15.11.2010 23:34
ah danke. ich freu mich total. diese geschichte ist sowas von toll. aoi und ruki sind sowieso mein lieblingspairing, weil ich die beiden zuerst kannte :)


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