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Scherben wieder zusammensetzen ist nicht einfach

von

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Steine trafen mich hart. Überall am Körper. Ich wartete reglos ab, bis ich mich nach einigen Minuten, in denen ich nichts schmerzhaftes mehr gespürt hatte, endlich traute, aufzustehen und mich umzusehen. Sie waren nicht mehr da.

Meine Wunden dafür schon noch. Ich ignorierte den Schmerz und klopfte mir vorsichtig den Dreck von meinen Kleidern. So wie ich aussah, würde meine Mutter mich sicherlich wieder nur schimpfen, aber sie ahnte nichts von dieser Folter, die ich so oft ertragen musste. Niemand wusste davon – außer mir und ihnen. Und ich persönlich wollte auch nicht unbedingt eine weitere Person einweihen. Es war schon erniedrigend genug. Den Spott anderer konnte ich nicht gebrauchen. Mein Vertrauen in die Menschheit war seit langer Zeit schon erschüttert. Nicht einmal mir selbst vertraute ich wirklich.

Ich setzte meine gewöhnliche lässige Maske wieder auf, während ich das kleine Grüppchen Bäume verließ, und sammelte mich. Es war viel los auf den Straßen bei diesem wunderschönen Wetter, aber mir konnte es kein Lächeln entringen. Ich wollte nur heim und mich in mein Zimmer verkriechen, um mich endlich sicher fühlen und ein wenig Ablenkung finden zu können.

Aber das Schicksal meinte es nicht gut mit mir, denn vor mir erkannte ich nicht weit entfernt eine kleine Gruppe Jungs, die mir sehr bekannt vorkamen. Genau genommen waren sie auf meiner Schule und ein Teil davon auch in meiner Klasse. Es war die Art Jungs, die dieses Machogehabe cool fanden. Nicht gerade meine Lieblingssorte, aber ändern konnte auch ich es nicht. Dennoch gefiel mir die Tatsache nicht, dass ich ihnen ebenso wenig ausweichen konnte. Ich mochte Umwege nicht sonderlich und bisher machte ich schon ziemlich große Umwege, um meinen Angreifern zu entkommen, aber sie schafften es immer wieder aufs Neue mich aufzuspüren.

Ich seufzte leicht und versuchte mich dann unauffällig an den Jungen vorbei zu schleichen als ich unmittelbar in ihrer Nähe war.

Doch sogleich hielt mich einer am Handgelenk fest – es war Ben – und zog mich zurück. „Na, wen haben wir denn da? Du siehst heute aber gar nicht gut aus, Sam. Hast du dich mal wieder im Dreck gewälzt? Benimmst dich wohl gerne wie ein Ungeziefer?“

Ich schluckte schwer. Ben war nicht der netteste der Truppe. Er war ihr Anführer und damit hatte ich ein echtes Problem. Denn Ben schien ein Problem mit mir zu haben.

„Ungeziefer ist noch zu hoch für sie“, höhnte Tobias dagegen. „Dreck wäre vielleicht treffender.“

Die Jungs verfielen in Gelächter und mir wurde schlecht. Ich versuchte mich aus Bens Griff zu winden, aber er hielt mich so fest, dass ich keine Chance hatte. Ich tat mir nur noch mehr weh, wenn ich es überhaupt versuchte. Eine schlechte Idee also.

Während sie weitere Beleidigungen über mich verlauten ließen, sehnte ich mich in mein gemütliches, dunkles Zimmer, das mir Trost spenden würde. Ich versuchte alles andere auszublenden und zu vergessen, in welchen Schwierigkeiten ich steckte. Allerdings konnte ich Dinge, die am Geschehen waren nicht so leicht verdrängen wie bereits vergangenes. Ich war froh, wenn ich diesen schrecklichen Ort wieder verlassen konnte. Meine Familie würde mir zwar wirklich fehlen, aber ich freute mich so darauf nie wieder gefoltert zu werden – seelisch und körperlich. Ich wollte Freunde und nicht immer die uncoole Außenseiterin sein als die mich alle betrachteten.

Ich wusste nicht genau wie lange sie sich über mich lustig machten, aber es kam mir vor wie eine Ewigkeit und ich war völlig überrascht als ich plötzlich in einer Seitengasse mit Ben stand – ganz allein. Ich erschauderte.

Ich hatte überhaupt nicht gemerkt, dass er mich hierher verschleppt hatte, aber das bereitete mir weniger Sorgen als die Frage, was er denn nun mit mir anstellen würde. So wie ich Ben kannte, würde es nichts harmloses sein und ich hatte heute schon genug durchgemacht. Ich konnte nicht mehr.

Aber der Gedanke ihn anzubetteln mich gehen zu lassen und nichts zu tun war widerwärtig. Ich war zwar schwach und hatte sicher nicht mehr die Nerven hierfür, aber deswegen hatte ich immer noch einen gewissen Stolz und den warf ich für niemanden weg. Nicht einmal für Ben oder meine anderen Peiniger. Keiner von ihnen würde sich an meinem Leid so erfreuen können. Wenn ich es so weit brachte, würden sie mir vielleicht für immer in Nacken sitzen – bis ich endlich wegzog.

Ich betrachtete rasch die Umgebung. Die Gasse war lang und völlig verlassen. Ein guter Ort, um mich weiter fertig zu machen. Ben mochte zwar ein richtiger Mistkerl sein, aber seine Intelligenz war nicht zu unterschätzen. Und das stellte er auch in der Schule immer wieder unter Beweis. Mittlerweile war ich aber auch besser geworden – irgendetwas musste ich ja tun, selbst wenn es sich dabei um lernen handelte.

Ich starrte ihn nur an, darauf gefasst mich sofort zur Wehr zu setzen, wenn er mir etwas tun wollte. Wenn das überhaupt eine gute Idee war. Vielleicht würde er mir dann nur noch mehr wehtun – ganz sicher. Also nicht verteidigen.

„Wer war das?“, drang Bens Stimme zu mir durch und unterbrach meine Gedanken. Ich verkrampfte mich. Warum wollte er das wissen? Wollte er ihnen helfen? Mir drehte sich der Magen um. Ich würde es nicht verraten.

Etwas trotzig meinte ich also: „Was geht dich das an?“ Ich wusste, dass ich dieses Verhalten noch sehr schnell bereuen würde, aber ich würde so oder so nicht heil aus dieser Situation herauskommen.

Er runzelte die Stirn und trat ein paar Schritte auf mich zu. Ich wich zurück. Er wurde wütend. Das war nicht gut. Ich wollte nicht, dass er wütend war. Je wütender er war, desto schlimmer würden meine Qualen werden. Und ich wollte mir selbst sicher nicht mehr als nötig schaden. Warum hatte ich ihm nicht einfach geantwortet? Warum ritt ich mich noch weiter in diese Sache hinein?

„Vielleicht nichts. Aber es wäre mir dennoch lieber, wenn du meine Frage beantworten würdest.“ Ich zwang mich zu einem Lächeln. Ich war mitten in einem scheußlichen Albtraum gefangen. Und um es noch besser zu machen, stieß ich mit dem Rücken auf einen Widerstand. Eine Hausmauer. Jetzt gab es kein Entrinnen mehr für mich. Er konnte mit mir tun, was er wollte. Selbst die Option wegzulaufen war mir nun genommen worden. Ich war zwar ohnehin keine gute Läuferin, aber ich hätte es ja nur wieder auf die Straße schaffen müssen, wo genug Menschen waren, die eingreifen konnten.

„Ich lass dich erst gehen, wenn du mir diese Frage beantwortet hast, Samy.“ Die Verärgerung war ihm sehr gut anzusehen. Ich konnte nicht anders. Ich fing an zu zittern. Wenn ich mich ihm weiterhin widersetzen würde, würde er mich schlagen und vielleicht noch schlimmere Dinge mit mir anstellen.

Er drückte seine Hände zu beiden Seiten meines Kopfes gegen die Wand und schränkte meine Bewegungsmöglichkeiten damit völlig ein. Seine Augen blickten mich so durchdringend und einschüchternd an, dass ich, wenn es mir möglich gewesen wäre, sofort weggelaufen wäre. Ich hatte verloren. Ich würde meinen Eltern heute eine wirklich triftige Erklärung abliefern müssen, weshalb meine Kleidung und ich so schrecklich zugerichtet waren. Am besten konnte ich gleich damit anfangen darüber nachzudenken, um mich von dem Folgenden ablenken zu können.

„Samy!“ Ich schloss gequält die Augen. Ich hörte seine Wut so deutlich heraus. Was hatte er bloß mit mir vor? Ich ignorierte seinen Spitznamen für mich schon seit langer Zeit. Ich wusste mittlerweile gar nicht mehr, wann er ihn mir gegeben hatte, aber ich hielt definitiv nicht viel davon. Er verhöhnte mich damit nur.

Meine Lippen hatte ich fest aufeinander gepresst, damit ich mich nicht plötzlich doch noch verhaspelte. Er musste es nicht wissen. Er sollte es nicht wissen. Er durfte es nicht wissen. Denn mit dieser Information würde er sicher nichts Gutes anstellen. Aber was hatte ich noch zu verlieren? Ob er mich jeden Tag abpasste und ich mir dadurch noch zusätzlich Schläge einhandelte oder ob er mich mit ihnen zusammen verprügelte, spielte auch keine Rolle mehr. Wenn er sich ihnen anschloss, würde ich wenigstens umso schneller wieder aus dieser Situation herauskommen. Viel schneller.

„Sam“, flüsterte ich leise. „Sam, Lix, Rina, Moni und Fabi.“ Die berüchtigtste Gang an der ganzen Schule. Samira, Felix, Katharina, Monika und Fabian waren gemeingefährlich. Die meisten Schüler blieben zwar verschont, aber das verdankten sie mir. Denn Samira – ihre Anführerin – konnte mich auf den Tod nicht ausstehen und wollte ihre Energie nicht an anderen „Unwichtigen“ verschwenden, sondern ganz mir schenken.

Im Grunde war es eine wirklich lustige Geschichte, aber mir war das Lachen schon lange vergangen. Sam und ich waren früher einmal beste Freundinnen gewesen. Aber ich hatte schon lange aufgehört mir diese Freundschaft zurück zu wünschen. Sie war nicht mehr meine Freundin und würde es nie wieder sein. Und ich wollte sie auch gar nicht mehr zurück. Wie könnte ich mit einem Menschen befreundet sein, der mir so viel Leid zufügte?

„Die Slaughters?“, fragte er mich und seine Gesichtszüge spiegelten noch mehr Wut wieder. Ich konnte aber nicht einordnen, weshalb er diesmal wütend war. Er sollte ihnen, den Slaughters – oder auch Schlachtern, wie es im Deutschen eigentlich hieß – dankbar sein. Seine Wut passte gar nicht dazu.

„Ja“, hauchte ich verängstigt und spürte Tränen an meinen Wangen hinunter laufen. Es war so erniedrigend vor jemand anderem zu weinen und ich hatte es bisher fast immer eindämmen können, wenn jemand anders anwesend war, aber ich war so fertig mit den Nerven – es war erst Donnerstag und ich hatte schon so viele Prügel einstecken müssen, dass ich mich mieser fühlte als wie ich es an einem Sonntag tat – dass ich mich nicht mehr beherrschen konnte. Ich war dankbar dafür, dass es bisher nur einfach Tränen waren und ich nicht völlig zusammenbrach.

Ben wandte sich plötzlich von mir ab - ich dachte schon er wolle zum Schlag ausholen - und kramte aus seiner Tasche ein Taschentuch hervor. Entgeistert starrte ich ihn an, als er sich wieder zu mir umwandte und mit dem Tuch über mein Gesicht tupfte. Ich verstand sein Verhalten überhaupt nicht. Wollte er, dass ich dachte, er wollte mir nichts Böses, nur um dann richtig zuschlagen zu können? Wollte er mein Vertrauen gewinnen und es dann wieder vollkommen zerstören? Das würde er nicht schaffen. Ich würde nicht einfach so Vertrauen zu ihm fassen. Von mir Vertrauen zu verlangen war als würde man mich bitten wie ein Vogel zu fliegen – und zwar in die Lüfte, nicht nach unten oder auf die Nase.

„Ich bring dich am besten nachhause, Samy. Dann kann dir nichts mehr passieren. Tut dir irgendetwas weh?“ Ich war völlig verwirrt und versuchte meine Gefühle zu ordnen. Glaubte er wirklich, er könnte mein Vertrauen gewinnen? Er musste naiver sein als ich gedacht hatte. Ich lachte humorlos auf. Er wusste wirklich gar nichts. Er würde mit mir nichts anfangen können.

Ich konnte seinen Blick nicht ganz einordnen. Nachdenklich, vielleicht sogar besorgt. Wenn es so war, konnte er wirklich gut schauspielern.

„Tut dir etwas weh, Samy?“, fragte er erneut. Warum musste er ständig diesen Spitznamen wiederholen? Ich hasste ihn. Ben und diesen Namen.

„Das kann dir doch vollkommen egal sein, Beni“, antwortete ich bissig und freute und fürchtete mich gleichzeitig vor seiner Reaktion. Wenn er meinen Namen verunstalten konnte, konnte ich das getrost ebenfalls mit Seinem tun. Ich würde ihm zeigen, dass er mich mal kreuzweise konnte.

„Ich will dir nur helfen, Samy. Ich kann verstehen, dass du meine Hilfe nicht willst, aber jammere nachher nicht darüber, dass du sie nicht annehmen wolltest. Vielleicht wirst du es schneller bereuen als du denkst.“ Er schüttelte den Kopf und ging weg.

Noch bevor ich mein Mundwerk stoppen konnte, fragte ich lauthals: „Was willst du von mir? Ich brauche Leute wie dich nicht. Lass mich in Ruhe, du Arschloch!“

Er warf einen kurzen Blick zu mir zurück und verließ dann eiligst die Gasse.

Ich folgte ihm erst eine gefühlte Stunde – es waren nur fünf Minuten gewesen – später und war erleichtert, dass er und seine Freunde nicht mehr hier waren.
 

Am späten Nachmittag lag ich in meinem Bett und starrte zur Decke.

Mein Zimmer war vollkommen an mein inneres Gefühlschaos angepasst. Die Wände waren schneeweiß mit düsteren Landschaftspostern behängt. Die Decke allerdings war schwarz gestrichen und Leuchtsterne klebten daran. Mein Fenster war ebenfalls von einem schwarzen Vorhang verhüllt, mein Boden bestand aus weißem Kork. Schwarz und weiß waren die Hauptfarben in meinem Zimmer und wirkten fast als sollte es ein Schachbrett darstellen. Um mein Bett herum hing ein Vorhang, der mir noch mehr Privatsphäre bot.

Ich liebte meine kleine Höhle und fühlte mich pudelwohl darin. Zugegeben waren mir die Natur und kräftige Farben immer lieber gewesen, aber ich hatte mich verändert. Draußen fühlte ich mich nicht mehr sicher und ich wollte nicht in einem Zimmer voller prächtiger Farben sitzen, die nicht meinem Ich entsprachen. Mein Ich war vollkommen zerstört und bestand nur noch aus Scherben. Ich war ein Wrack, das im Leben keinen größeren Sinn mehr sah und so sehr auf eine bessere Zukunft hoffte.

Meine Mutter hatte heute nicht einmal mehr einen Kommentar zu meinem Aufzug gemacht. Sie hatte mich nur mit einem besorgten Blick bedacht und mich gefragt, ob ich ihr meine schmutzigen Klamotten gleich bringen könnte, da sie gleich die Wäsche machen wollte.

Mittlerweile hatte ich mich umgezogen. Im Gegensatz zu meinem Zimmer trug ich Farben. Damit wollte ich meinen Eltern klar machen, dass es mir gut ging. Außerdem hoffte ich, dass ich in der Schule nicht so verletzlich wirkte wie ich war. Damit konnte ich wenigstens weitere Hänseleien eindämmen. Ich brauchte keine Kommentare wie „Da ist ja unsere Emo“ oder so.

Als ich mich wieder einigermaßen wohl fühlte, setzte ich mich auf und ging zu meinem Computer. Während er hochfuhr, dachte ich bereits darüber nach, ob meine virtuellen Freunde schon online waren oder ob ich heute auf sie würde verzichten müssen. Sie hatten nicht immer Zeit. Anders als ich hatten sie ein schönes Leben. Und sie wussten auch nicht wie es mir ging. Sie dachten, ich hätte ein wundervolles Leben. Was würden sie von mir denken, wenn ich ihnen etwas anderes erzählte? Sicher würden sie mich auch nicht mögen. In der heutigen Gesellschaft waren Leute wie ich nicht gut genug.

Niemand war online. Das hatte ich mir fast schon gedacht. Bei dem schönen Wetter waren natürlich alle draußen. Wenigstens würden sie so nicht merken, dass ich wieder den ganzen Tag am Computer sitzen würde wie so oft.

Ich wählte mich in meinen Lieblingschat ein und suchte nach bekannten Namen, aber wie ich mir schon gedacht hatte, war wirklich keiner meiner Freunde da.

„Hi“, wurde ich angeschrieben und warf einen Blick auf den Namen – „Loneboy“. Sagte mir nichts, aber natürlich war ich nicht abgeneigt mit ihm zu schreiben.

„Hallo, wie geht’s dir?“, tippte ich als Antwort. Dieser klassische Smalltalk ärgerte mich. Wer würde einem Fremden schon sein Herz ausschütten und beichten, wenn es ihm schlecht ging? Es war immer das Gleiche, aber wenigstens musste ich mir nichts Besseres einfallen lassen.

„Nicht so gut, dir?“ Ich blinzelte erstaunt und starrte dann wieder auf seinen Namen. Neugierig öffnete ich sein Profil. Es stand nicht viel drin. Er war 17, hieß Benedikt und war Single. Aber letzteres hätte ich mir auch so zusammenreimen können oder warum nannte sich jemand „Loneboy“? Ich hatte mir einen fröhlicheren Namen ausgedacht. „Shining_sun“ passte zwar nicht zu meinem Charakter, aber wirkte authentischer und ich wurde oft angeschrieben. Allerdings konnte ich mir vorstellen, dass es genug Mädchen gab, die jemanden wie diesen Benedikt sofort angeschrieben hätten. Da fielen mir schon ein paar Flirtsprüche ein.

„Mir geht es gut“, log ich routinemäßig, auch wenn mir aufgrund seiner eigenen ehrlichen Antwort Gewissensbisse kamen. Aber ich wollte nicht, dass er nachhakte. Jetzt konnte ich das Gespräch wenigstens auf ihn lenken. „Wieso geht es dir denn nicht so gut?“

Ich wartete gespannt auf eine Antwort. Allerdings schien er sich damit wirklich Zeit zu lassen. Als ich den Chatroom gerade wieder verlassen wollte, bekam ich endlich eine Antwort.

„Tut mir Leid, mein Bruder hat mich grad genervt.“

„Kein Problem. Also, was ist nun?“

„Ach, das ist nicht so wichtig.“

„Dann sollte es dir auch nicht schlecht gehen.“

„Nicht wichtig für dich, besser?“

„Ist es wichtiger für mich, wie es dir geht?“, entgegnete ich und grinste in mich hinein. Es war lustig mit ihm zu schreiben.

„Wahrscheinlich nicht, aber ich will dich nicht mit meinen Problemen nerven.“

„Ach, wenn es einem schlecht geht, sollte man mit jemandem reden. Und ich hab zufällig grad Zeit. Ich könnte es mir natürlich auch anders überlegen.“

Und so erzählte er mir, dass er in ein Mädchen verliebt war, das ihn nicht einmal Ansatzweise zu mögen schien. Er könne das auch gut nachvollziehen, da er nicht immer nett zu ihr war, aber vor seinen Jungs wollte er nicht wie ein Schwächling wirken. Er wusste nicht wie er ihr begreiflich machen sollte, was er für sie empfand und dass er ernsthaft Interesse hatte. Dann schwärmte er mir von ihr vor.

Es war schade, dass ein Junge wie er sein Herz schon an eine andere verloren hatte. Dabei war er wirklich nett. Das Schicksal meinte es nicht gut mit mir. Aber Freunde konnten wir trotzdem sein und vielleicht konnte ich ihm helfen.

Ich gab ihm also reihenweise Ratschläge, was er tun könnte und irgendwann widmete sich unser Gespräch anderen Dingen zu. Wir erzählten uns alles übereinander – allerdings log ich ihn an, durchaus beschämt über mein Verhalten. Aber ich wollte mir die neue Freundschaft nicht versauen.

„So, Süße, ich muss jetzt aber offline. War schön mit dir zu schreiben. Bist du morgen wieder da?“

Ich gab ihm ein „Ja“ zur Antwort und war betrübt darüber, dass ich ihn schon jetzt an sein Reallife verlieren musste.

Aber endlich fühlte ich mich mal glücklich und nicht so leer wie sonst. Selbst meine anderen virtuellen Freunde lösten nicht dieses Gefühl in mir aus.



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