Prolog
„Verschwinde!“ zischte mir die wohlbekannte Stimme entgegen. „Aber…aber wieso?“ ich wollte das Entsetzten verbergen, die Enttäuschung verstecken, doch sie bohrten sich durch meinen Willen. „Ich hab gesagt ich will dich nicht mehr! Du bist mir zuwider…Du…ekelst mich an!“ eiskalte Augen sahen mich an. Das tiefe blau durchstieß mein Herz. Das hatte es oft getan. Doch heute blieb mir jener süße Schmerz verweht, dem ich mich sonst so leidenschaftlich hingab. Heute hatte der Schmerz nichts Süßes, er war bitter und tödlich. Ich rang nach Luft, versuchte mich unter Kontrolle zu bringen. War ich so jemand? War ich jemand, der auf Lügen hinein fiel, wenn sie ihm erzählt wurden? Nein…ich war mir sicher, ich hatte fest daran geglaubt, dass sich immer die Ehrlichkeit in seinen Augen spiegelte. Und jetzt…da war sie…die Lüge.
„Du Lügst…“ mir brach die Stimme. Ich drehte das Gesicht weg, damit er die Tränen nicht sah. „Ich hab genug von dir…KÖTER…“ Und wieder trafen sie mich, die Worte, die er mit so viel Verachtung aussprach. Seine Schritte hallten von den dreckigen Wänden des Klassenraumes wieder, als er aus dem Raum schritt. Das tat er tatsächlich, aufrecht, ignorant, eingebildet. In diesem Moment war er alles was ich hasste und doch alles was ich je brauchen würde.
„Seto…“ keuchte ich leise, während ich mich um Atem ringend am Tisch festhielt.
„Ich liebe dich…“
Es tut weh. Ich, der ewige „Eisklotzt“ musste mir eingestehen, dass es schmerzte. Es gab keinen anderen Weg, den hatte es nie gegeben. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, jemals so zu empfinden. Niemals dachte ich, dass es mich zerreißen könnte, mir das Herz zersplittern lassen konnte.
Wenn ich einst in den Spiegel sah, waren dort nur kalte, hasserfüllte Augen, die eisig zurückstarrten. Es gab eine Zeit, da konnte nicht einmal mehr Mokuba mir ein Lachen schenken. Ich war verloren. Einsam und zurückgelassen. Es war mein Schicksal. Es war, als hätte ich es nicht anders verdient. Und gerade als ich gelernt hatte damit zu leben, mich hinter einer Mauer zu verschanzen, hat er alles eingerissen, mich mitten ins Herz getroffen.
Wie konnte ich mich einer Qual hingeben, die doch so verlockender schien, als alles andere, was mich jemals verletzten würde. Es war eine Sucht, von der ich nicht loszukommen vermag, die mich zu verschlingen drohte. Etwas, gegen das ich mich niemals hätte schützen können. Es musste ein Ende haben, bevor es zu spät war, bevor es mich zerbrechen würde, bevor ich ihn mit zerbrechen würde.
Und jetzt…ich zweifle, schreie Innerlich, weine. Wenn ich es tun musste, warum ist es so schwer, warum fühlt es sich so falsch an?
Es ist grausam, sein ersticktes Keuchen hinter mir. Ich will es nicht hören, mich umdrehen, ihn in meine Arme schließen, sagen…sagen, dass ich ihn liebe, dass alles gut ist. Es wäre eine Lüge. Nichts ist gut. Ich verletzte jeden der mich liebt, ich ziehe ihn mit mir in den tiefen Abgrund, in den ich Tag für Tag zu fallen drohe. Ich könnte es nicht ertragen…niemals.
Ich widerstehe allem Verlangen und gehe. Meine Schritte hallten von den dreckigen Wänden des Klassenraumes wieder, als ich aus dem Raum ging.
„Ich liebe dich…“ höre ich mein Herz leise flüstern und es scheint, als wäre es das erste Mal, dass es sich dieser Worte wirklich bewusst ist.
