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Albinos Nights

von

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Er erwachte und setzte sich mit einem leisen Murren auf. Es musste noch mitten in der Nacht sein. Zumindest nahm er das an. Draußen war es stockdunkel. Etwas irritiert stellte er fest, dass er aufrecht im Bett saß. Er hatte jedoch keinerlei Erinnerung daran, wie er hierher gekommen war. Er wandte den Kopf zur Seite – er lag neben ihm. Ein Anflug von Widerwillen machte sich auf seinem Gesicht breit. Er konnte sich nicht daran erinnern ins Bett gegangen zu sein und auch nicht an ihn. Was hatte er, was hatten sie getan? Jedenfalls würde er jetzt aufstehen. Er hatte nicht die geringste Lust darauf, mit diesem Mann ein Bett zu teilen. Da fiel sein Blick auf den Notizzettel, der auf dem Nachtschränkchen lag. In der Dunkelheit wirkte das Weiß des Papiers beinahe unwirklich. Die Worte waren in einer grazilen Handschrift notiert, die er sofort als die des jungen Mannes erkannte.
 

Sie haben nichts getan. Ich habe nichts getan. Es ist nichts passiert. Sie waren überarbeitet und hatten etwas getrunken. Ich habe Sie zu Bett gebracht. Wenn Sie aufstehen wollen tun Sie das, aber tun Sie mir bitte den Gefallen leise zu sein.
 

Nach einem langen Moment der Verblüffung schlich sich ein Lächeln auf die Züge des Doktors. War er wirklich so leicht zu durchschauen? Dann wiederum kannte er ihn ja auch schon eine ganze Weile. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Konnte es sein? War es möglich, dass er tatsächlich schon zwei Jahre bei ihm lebte? Dass er ihn zwei lange Jahre ertragen hatte? Seine Kälte, seinen Hohn, seine Arroganz, seinen Sarkasmus, seine Unzulänglichkeit, seine Boshaftigkeit? Zwei Jahre lang? Er sah zu dem jungen Mann hinüber und verspürte tiefe Zuneigung zu diesem Geschöpf. Eine ähnliche Zuneigung wie er sie empfunden hatte, wenn seine Mutter, dieses strahlend schöne Wesen, ihn in ihre Arme geschlossen hatte. Wie er sie geliebt hatte. Ihre Umarmung, ihren schlanken Körper... Das war bevor sie sich verändert hatte. Bevor aus ihrer anbetungswürdigen Gestalt eine widerwärtige, wabbelnde Masse geworden war. Eine gute, aber niemals sanfte Mutter. Auch später hatte sie ihn noch manches Mal so gehalten und der Ekel, den er dabei empfunden hatte, während er in den weichen Wogen ihres Körpers zu versinken drohte, hatte sich tief in sein Gedächtnis gebrannt. Und so war sie gestorben. Groß und unförmig, wie eine riesige Geschwulst. Und er? Er hatte sich ihren Leichnam aushändigen lassen und sie seziert. Hatte es ihr abgesaugt, weggeschnitten, all das widerliche Zeugs, das sie nur verunstaltete. Dann hatte er sie wieder verschlossen, einen neuen, normalen Sarg bestellt und das Monstrum mit Überbreite zurückgeschickt. Er hätte es nicht ertragen können, sie in dieser Höhle, die ihr Leib womöglich ausgefüllt hätte, beerdigen zu lassen. Er wäre vor Scham und Ekel gestorben. Man war überrascht, hielt die Beschreibungen über ihre Körperfülle für ein übles Gerücht. Noch erstaunter waren allerdings jene, die sie bis kurz vor ihrem Tode noch gekannt hatten. Natürlich gab es Gerede. Besonders unter den Kollegen, wusste der Teufel warum sie überhaupt gekommen waren. Natürlich war es richtig, dass Schönheitsoperationen dieser Art nur bei lebenden Menschen gefährlich waren, aber man stellte sich dennoch die Frage, weshalb ein Arzt wie er sich weigerte, die Organe seiner Mutter zu Transplantationszwecken freizugeben, sich zugleich aber die Mühe machte, ihr sämtliches Fett abzusaugen.

Er sah zu dem jungen Mann hinüber. Das Verlangen wurde übermächtig und vorsichtig schob er die Decke zurück. Wunderbar. Keine eckigen, typisch männlichen Formen, nur ein leichter Ansatz von Muskeln und kein Gramm Fett zu viel. Nichts überflüssiges. Nicht ein einziges Gramm. Ein wunderschöner Körper. Und er gehörte ihm. Ihm allein, wenn er nur bereit war ihn anzunehmen. Der junge Mann schlief tief und fest. Vorsichtig, beinahe ehrfürchtig streckte er die Hand nach ihm aus. Die weiße, transparent wirkende Haut war weich. Unter seinen streichenden Fingern fühlte sie sich glatt an. Keine Falte, keine Unebenheit, kein ekliges Fett, das unter ihr wabbelte. „...Izuka-sama?“

Izuka-sama? Hatte er das gesagt? Hatte er ihm gesagt, dass er ihn wie einen Herrscher, einen Heiligen ansprechen sollte? Seine Hand schwebte in der Luft, als wisse sie nicht was sie tun solle, während er den Blick nicht von ihm abwenden konnte. Er hatte den Kopf leicht angehoben, seine wunderschönen roten Augen sahen ihn schlaftrunken an. Er konnte es auf den Alkohol schieben. Dieser Gedanke riss die letzte Barriere in ihm nieder. Das plötzlich Gewicht seines Körpers, trieb ihm die Luft aus den Lungen und einen Moment lang war er sichtlich erschrocken. Er küsste ihn. Stürmisch. Leidenschaftlich. Unverhohlen gierig. Er schloss die Augen. Und noch während er ihn küsste fühlte er, wie der Körper unter ihm weich wurde. Sich ihm öffnete. Sich ihm ganz und gar hingab. Und es war ein gutes Gefühl. Er war zweifellos hoffnungslos betrunken. Jetzt, in diesem Moment, in dieser Nacht vor Liebe. Morgen würde es der Alkohol sein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Ratana
2010-11-17T16:49:13+00:00 17.11.2010 17:49
Oi! Ich sehe was, was du nicht siehst! *hippel* ABSÄTZE!!! =) YAY!
Wie immer finde ich das Thema sehr interessant und gut durchgeführt. An einigen Stellen kamen mir deine Sätze etwas.... eckig vor. Vlt gehört es zu deinem Schreibstil, oder es war Absicht. Mir ist es nur gerade aufgefallen....
Ich hatte an einer Stelle dieses mal wieder das Problem mit dem ER. Wer soll wen, wie einen Herrscher ansprechen? Oo Izuka ihn oder er Izuka. Und wer küsste plötzlich wen? (das zählt nicht zum Er Problem, da es ja auch sein kann, dass ER es auch nicht so genau weiß =) )

Einen Vorschlag hätte ich noch: Briefe o.ä. mit Gänsefüßchen kennzeichnen oder so... Ich war nämlich für nen kurzen Moment etwas ausm Konzept gebracht. ^^

lg
Von:  kurayamide
2010-01-28T11:55:17+00:00 28.01.2010 12:55
Wie, abgeschlossen? D:
Noooin...!
Ich fand es faszinierend. Ich will mehr davon lesen. Sofort. D:<
(...bitte?)


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