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Ai shite iru

Eine Reise, die ihr Leben veränderte
von

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Der Brunnen

25. Der Brunnen
 

Sie schloss die Augen und gab sich den Vibrationen hin, die die Triebwerke des Flugzeugs erzeugten. Die schweren Schwingen schlingerten in den Luftwirbeln und ließen den Rumpf tanzen. Aber Sarah hatte keine Angst, sie freute sich weil sie der Flieger Minute für Minute ihrem so lange vermissten Freund näher brachte. Genüsslich lehnte sie sich zurück und gab sich ihren Gefühlen hin. Ihre Vorfreude war riesig.

All ihre Zweifel waren schlagartig begraben worden als Kouga auf ihrem Bildschirm aufgetaucht war. Wie hatte sie sich selbst misstraut, hatte am Schluss wirklich selbst geglaubt sie wäre krank gewesen und hätte sich alles nur eingebildet. Und dann sah sie ihn vor sich, sein schmales Gesicht, sein wunderbares Lächeln, diesen absolut hinreißende Mann.

Mit Kagome hatte sie geplant, dass sie nach Japan reisen würde. Diese würde dort mit Kouga auf sie warten. Schnell hatte sie Urlaub eingereicht, alles Geld abgehoben, das ihr zur Verfügung stand und sich ein Flugticket im Internet besorgt. Eine kleine Tasche enthielt ihre wichtigsten Kleidungstücke wie auch ihren Ausweis. Viel brauchte sie nicht um der Erfüllung ihres Lebens entgegen zu reisen.
 

Gehetzt klapperte die Frau einige Telefonnummern ab. Als nächstes wählte sie die Nummer der Eltern ihrer Patientin. Der Arbeitgeber hatte nichts über ihren Verbleib gewusst, nur dass sie gerade Urlaub eingereicht hatte. Vielleicht war wenigstens der Familie etwas bekannt.

In ihr rumorte ein Verdacht. Die Patientin schien genesen, war ausgeglichen und ruhig. Und trotzdem trieb sie eine innere Unruhe weiter. Sie kannte die Nebenwirkung der Schizophrenie unterdrückenden Wirkstoffe genau. Eine gewisse Trägheit befiel die Konsumenten üblicherweise, etwas vergrößerte Pupillen wiesen kaum merklich auf die Einnahme der Medikamente hin. Sie hatte lange gegrübelt, bis sie erkannt hatte, was nicht gestimmt hatte. Ihr kamen die Nebenwirkungen irgendwie vorgespielt vor, und die Augen waren klar gewesen, aber nicht erweitert. Sie hatte nicht darauf geachtet, da die junge Frau so überzeugend von ihrem neuen Leben erzählte. Aber als sie zum ausgemachten Termin am Vormittag nicht erschienen war, hatte sie sofort begonnen, der jungen Patientin hinterher zu telefonieren. Sie konnte sich irren, aber wenn die Frau einen schweren psychotischen Schub erfuhr, war sie für sie verantwortlich.
 

Sarah stieg aus dem Flugzeug. Sie war über Nacht geflogen und hatte Tokio am frühen Morgen erreicht. Sie wollte kein Hotelzimmer nehmen, wozu auch. Sie machte sich sofort auf den Weg zum Schrein. Dort würde sie Kagome treffen, und vor allem: ihn! Sie würde ihn wieder spüren, mit ihm zusammen sein, wieder mit ihm vereint sein. Ja, nichts würde sie aufhalten. Entschlossen schulterte sie ihre Tasche und stieg in den Bus, der sie zum Fuße der langen Treppe führen würde, die auf dem Platz endete, auf dem Kagomes Haus und auch der Schuppen mit dem Brunnen lagen.
 

Sarahs Eltern wussten nichts über den Verbleib ihrer Tochter. Sie trafen sich mit der Psychiaterin in der Wohnung der jungen Frau, zu der sie einen Schlüssel hatten. Die Wohnung war verlassen, aber es schien kaum etwas zu fehlen. Der Schrank war voll, nur ein paar wenige Kleidungsstücke fehlten, wie die Mutter meinte. Alles war aufgeräumt und ordentlich, als ob die Bewohnerin nur auf einen Sprung weggegangen wäre…bist sie einen Brief fanden, der in der Tastatur des Computers steckte. Betroffen schauten sich die drei Personen an bis die Mutter mit zitternden Händen den Umschlag öffnete, der auch an sie adressiert war. Kurz überflog sie die Zeilen und schaute dann auf. „Was steht drin?“ fragte der Vater besorgt. Die Mutter schaute verzweifelt zur Ärztin hinüber. „Sie sei wieder nach Japan geflogen um dort jemanden besuchen. Wir sollen uns keine Sorgen machen.“ Sie blickte nochmals auf die Zeilen hinunter, dann wieder zu der Ärztin. „Was hat das zu bedeuten? Ist sie in Gefahr?“ Die angstvollen Blicke der Eltern hingen an der Frau. Diese zuckte verunsichert mit den Schultern. „Ich weiß es leider nicht. Sie wirkte sehr gesund und stabil als ich sie zum letzten Mal sah. Vielleicht machen wir uns völlig umsonst Sorgen und sie hat einfach einen Kurzurlaub gemacht und vergessen, sich bei mir abzumelden. Ihnen hat sie ja auch einen Brief hinterlassen. Aber…“ sie machte eine Pause und schaute nachdenklich zu Boden. Sie wollte die armen Eltern nicht unnötig verrückt machen. Aber sie wusste auch aus ihrer Praxis, dass Patienten mit schizophrenen Schüben erstaunlich clever ihre Krankheit verbergen können und um das Ausleben ihrer Phantasien mit allen Mitteln kämpfen können. Sie hoffte, dass es sich hier nicht um einen solchen Fall handelte.
 

Sarah hatte die oberste Treppenstufe erklommen und hastete zu dem Wohnhaus hinüber, das auf dem großen Platz stand. Dort klingelte sie, aber niemand öffnete ihr. Doch bevor sie sich ärgern wollte, dass sie wohl verladen worden war, vernahm sie ein Geräusch, das aus dem Brunnenhäuschen kam. Schnell schnappte sie sich wieder ihre Tasche und hastete hinüber. Als sie durch den schmalen Eingang schritt, meinte sie noch die Gestalt von Kagome und Kouga zu erkennen, die auf dem Rand des Brunnens saßen und ihr zu winkten, sie solle nachkommen. Klar, warum sollten sie sich noch lange in der realen Welt aufhalten, wo Kouga jederzeit auffliegen konnte. Er trug eine Jeans und immer noch den langen Mantel, der wohl seinen Schwanz verbarg. Und seine wilden, langen Haare versteckten die spitzen Dämonenohren. Sarah kicherte. Ja, sie würde ihnen folgen, und gleich, in wenigen Minuten, würde sie ihn wieder spüren können, von ihm gehalten werden, ihn riechen, küssen, küssen so lange und so viel sie wollte. Sie war wieder bei ihm, war nicht mehr alleine, nicht mehr die einsame Spinnerin abgeschottet in ihrer Wohnung. Sie brauchte diese Welt nicht mehr, in der sie so einsam war, die Außenseiterin, die Verrückte. Sie wollte bei ihm sein, bei ihm leben in seiner Höhle, bei seinem Rudel, die Wolfskönigin sein. Kagome verstand sie, ihr ging es doch genau so.
 

Die Ärztin hatte schon die Flugnummer herausgefunden und telefonierte mit dem Flughafen in Tokio. Das Flugzeug war bereits gelandet, die Passagiere ausgestiegen. Ja, die junge Frau war gesehen worden, aber sie hatte schon den Zoll passiert und war in der Menge verschwunden. Die Ärztin wollte nichts unversucht lassen und auf Nummer sicher gehen. Sie rief die Tokioter Polizei an und gab die Adresse des Schreins durch, wo ihre Patientin damals den Unfall hatte und vom Notarzt aus dem Brunnen geholt werden musste. Es wurde ihr versprochen, dass sofort ein Wagen dorthin geschickt würde um nach dem Mädchen zu suchen.
 

Sarah erhaschte noch den Sprung der beiden. Kagome hielt Kouga umfasst. Klar, sie musste ihn ja mit ihren Kräften durch den Brunnen bringen. Schnell rannte sie die hölzernen Stufen hinunter zum Grunde des kleinen Schuppens. Sie wollte ihnen sofort folgen, damit Kouga nicht mehr lange auf sie warten musste. Von Draußen drang Lärm herein, Alarmsirenen von Polizeiautos, und sie meinte hektische Schreie zu hören, die sich dem Schreingelände näherten. Ach, was sollte das. Sie hatte mit dieser Welt abgeschlossen. Warum sollte sie sich noch dafür interessieren was da los war? Entschlossen erklomm sie den Rand des Brunnens und balancierte auf dem Geländer. Sie blickte kurz auf als oben in der Tür das Gesicht eines Polizeibeamten erschien, der zu ihr herunter blickte. Dann stieß sie sich ab und sprang.



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