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Fremd

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Kapitel 24

24. Kapitel

Als Ray erwachte, brauchte er ein paar Minuten, um sich zu orientieren.

Der Raum, in dem er war, kam ihm bekannt vor, da war er sich sicher.

Das Bett, auf dem er lag, der Schrank da in der Ecke, der Spiegel an der Wand. All das hatte einen Hauch von Heimat, was wohl der einzige Grund war, dass er nicht in Panik ausbrach.

Vorsichtig setzte er sich auf.

Die dünne weiße Decke rutschte ihm bis zu den Hüften, enthüllte den blassen Oberkörper. Stirnrunzelnd bemerkte er seine Nacktheit und war für den Moment froh, alleine zu sein.

Was war passiert?

Neben ihm auf dem Boden lag das lange weiße Band, welches er zum Zusammenhalten seiner Haare verwendete.

Und dann fiel es ihm wieder ein.

Tala!

Er hatte mit Tala geschlafen!

Er schüttelte den Kopf. Das konnte doch nicht sein, oder? Oder war es nur ein schlimmer Traum?

Aber es war schön gewesen…. Irgendwie.

Sicher wäre es besser gewesen, hätte er mit Kai geschlafen….

Kai….

Kai war der Grund, weshalb er mit Tala geschlafen hatte. Kai und Bryan. Und er selbst natürlich.

Etwas bitter lächelte Ray.

Sein Leben entwickelte sich nicht wirklich einfach. Warum musste es nur so kompliziert sein?

Seufzend erhob er sich, die Decke um seinen Körper geschlungen, und begab sich auf die Suche nach seiner Kleidung. Sicher lag sie hier irgendwo…?

Ein Geräusch im Bad ließ ihn aufhorchen. Tala schien zu duschen. Auch Ray hatte das Gefühl, eine Dusche gebrauchen zu können. Ein Blick nach draußen verriet ihm, dass der Abend gerade hereingebrochen war. Die letzten Sonnenstrahlen verschwanden gerade hinter dem Horizont.

Noch einmal wanderte Rays Blick zu der Badezimmertür.

Nein, er würde nicht warten bis Tala fertig war, sondern in sein eigenes Zimmer gehen und dort duschen. Ray wollte dem Rothaarigen jetzt nicht unbedingt begegnen. Nicht, weil er es bereute, mit ihm geschlafen zu haben. Nein, bereuen tat er es nicht, aber er wusste, dass er Tala benutzt hatte. Benutzt, um seinen Schmerz über den Verlust von Kai zu betäuben.

Und das war nicht in Ordnung.

Damit kam er nicht klar.

Er wollte andere nicht auf eine solche Art und Weise für seine eigenen Zwecke missbrauchen.

Ray seufzte und zog sich vollständig an.

Er sollte jetzt gehen, denn er war sich nicht sicher, ob er, sollte er Tala jetzt sehen, ihn nicht wieder benutzen würde, um seinen eigenen Schmerz, seinen Verlust, zu betäuben.

Obwohl… Ray dachte nach. Eigentlich fühlte er sich schon unnormal taub. In seinem Herzen war nichts, keine Trauer, kein Schmerz, nicht diese Qual, die er noch vor einigen Stunden gespürt hatte, die Verzweiflung, die ihn in den Wahnsinn treiben wollte.

Er fühlte nichts.

Oder er ignorierte seine Gefühle, betäubte und überspielte sie, vergrub sie tief in sich, um sich auf seine jetzigen Aufgaben konzentrieren zu können.

Denn Tala hatte Recht: Kai war hier und sie waren hier, eine bessere Möglichkeit zur Flucht würden sie kaum bekommen.

Schnell schlüpfte er aus Talas Wohnung und ging durch die Korridore zu seinem eigenen Zimmer.

Duschen und neu einkleiden war schnell erledigt. Erschöpft ließ er sich in sein Bett fallen.

Die Szenen des Tages schossen Ray wieder durch den Kopf.

Die Diskussion mit Boris über Talas Gefangenschaft.

Das Treffen auf Kai und die Anschuldigungen gepaart mit dem Angriff.

Und der Sex mit Tala.

War das alles wirklich an nur einem Tag geschehen?

Ray konnte es kaum fassen.

Er war erschöpft. So verdammt erschöpft. Der Schwarzhaarige rollte sich auf die Seite, zog die Decke bis dicht unters Kinn und versuchte zu schlafen.
 

Er rannte.

Schnell.

Immer schneller.

Da vorne war er.

Er musste ihn einholen, ihn schnappen!

Rays Atem ging schnell, seine Beine schmerzten, doch er durfte ihn nicht verlieren.

„Mariah und Kevin versuchen eine Abkürzung zu nehmen und ihm den Weg abzuschneiden! Wir müssen ihn weiter nach rechts in das alte Industrie-Viertel jagen Rei!“

Er drehte den Kopf, sah Lee.

Lee?

Verwirrt wandte Ray den Blick erneut nach vorne. Die Umgebung kam ihm vage bekannt vor.

Die Häuser, die Straßen… alles erinnerte ihn an Moskau. Moskau! Natürlich! Sie waren in Moskau!

Die Umgebung verschwamm vor seinen Augen, nur um wenige Augenblicke später wieder klar zu werden

Sie standen alle.

Lee links von ihm, der andere große Junge – Gary - rechts von ihm, vor ihm ein junger Mann, dahinter Mariah und Kevin. Sie hatten den Fremden eingekreist, doch Ray konnte sein Gesicht nicht sehen, nur seinen breiten Rücken und die silbern glänzenden, kurzen Haare.

Doch er sah die zu Fäusten geballten Hände.

„Ihr bekommt mich nicht!“, hörte er die tiefe Stimme des Fremden. Aufgebracht. Wütend. Voller Hass.

Ray schauderte.

„Mariah, pass auf!“, rief da Lee neben ihm und hob seine Hände.

Gerade noch rechtzeitig blickte der Schwarzhaarige wieder nach vorne um zu sehen, wie die Pinkhaarige einem heftigen Windstoß auswich und dabei ins Stolpern kam. Der Silberhaarige dagegen fiel seinerseits nach vorne, was er eindeutig Lee zu verdanken hatte.

Was tue ich hier, fragte Ray sich.

Fassungslos starrte er auf den großen braunen Falken – oder war es ein Adler? -, welcher plötzlich über dem jungen Mann in ihrer Mitte erschien und beschützend seine Flügel über ihn hielt.

Er ist ein Zero, schoss es Ray durch den Kopf, und das ist sein BitBeast!

Plötzlich kam Bewegung in die vier Jäger Mariah, Lee, Gary und Kevin. Lee attackierte wieder mit seinen Esper-Fähigkeiten, genauso wie Kevin. Mariah dagegen zog eine Pistole und richtete sie auf den Fremden und Gary zückte einen ziemlich großen Dolch.

Unbewusst fuhr Rays Hand zu seinem Gürtel. Seine Finger schlossen sich um kühles Metall.

Der Griff eines Messers, realisierte er. Oder war es ein Dolch? Warum trug er ihn bei sich? Sich war Drigger doch Schutz genug, oder?

Wieder schien alles zu verschwimmen.

Er wollte nicht hier sein.

Er wollte weg.

Unwillig schüttelte er den Kopf, machte einen Schritt zurück.

Unsicherheit und Angst krochen in ihm hoch.

Die Gefühle kamen so unerwartet und wuchsen so schnell, dass er am liebsten wegrennen wollte.

Weit wegrennen.

Doch er konnte Lee und die Anderen nicht im Stich lassen, oder?

Verwirrt runzelte Ray die Stirn. Warum sollte er ihnen überhaupt helfen? Waren sie Freunde? Kollegen? Und der Fremde? Warum sollte er ihn angreifen? Kannten sie sich?

Es war alles verwirrend!

Ray wusste weder ein noch aus, seine Gedanken drehten sich im Kreis, wirbelten umher, heftige Kopfschmerzen setzten ein.

Er fasste sich mit der linken Hand an die Stirn, blinzelte leicht. Seine Augen tränten.

„REI!!! PASS AUF!!!“

Der plötzliche Schrei riss ihn so unterwartet in die Realität – war das hier die Realität? - zurück, dass er erschrocken einen weiteren Schritt zurück stolperte und wieder zum Geschehen blickte.

Haarscharf zischte etwas an ihm vorbei, schlug vor ihm auf dem Boden auf. Doch man konnte nichts außer der zentimetertiefen Spalte im Beton erkennen.

Wieder zischte etwas an ihm vorbei, dieses Mal traf es ihn, riss seinen Ärmel auf und schnitt in seinen Arm. Erschrocken schnappte Ray nach Luft, starrte auf den großen Falken.

Das BitBeast griff mit Luft an! Druckwellen oder etwas Derartiges schien es zu verwenden; praktisch kleine, rasiermesserscharfe und nahezu unsichtbare Luftdruckwellen zu erzeugen.

„Du bist der Anführer? Dann wirst du zuerst sterben, Bluthund!“, rief der Fremde, halb verdeckt von seinem BitBeast, „Los, Falborg!“

Wieder griff der Falke an, Ray wich aus, so gut es ging, dennoch hing ihm seine weiße Kleidung bald nur noch in Fetzen vom Körper, Schnittwunden zierten seine gesamte Haut, selbst sein Haarband hatte sich inzwischen gelöst und ließ die schwarze Pracht wild durcheinander wirbeln, verschlechterte Rays Sicht enorm.

Er musste sich wehren!

Dieser Gedanke jagte durch seinen Kopf.

Drigger…

Nein, er durfte Drigger nicht einsetzen. Nicht jetzt und nicht hier. Nicht, wenn alle zusahen!

Wieder wusste er nicht, woher dieser Gedanke kam, doch sein Körper reagierte darauf, auch wenn sein Verstand etwas anderes schrie. Sein Verstand schrie, diesen Zero in Ruhe zu lassen und abzuhauen. Aber sein Körper schien das anders zu sehen.

Die andren Jäger griffen nicht ein, wahrscheinlich aus Angst, sein Leben dadurch zu gefährden. Dabei könnte Ray wirklich Hilfe gebrauchen, denn sein Leben schien gerade nicht mehr lange zu sein. Dieser Zero legte es wirklich darauf an, ihn zu töten!

Wieder eine Druckwelle, dieses Mal traf es seine linke Schulter, Ray duckte sich weitestgehend darunter weg, schoss unerwartet nach vorne, nur von einem einzigen Gedanken beherrscht: Er musste das hier schnellst möglich beenden!

In drei großen Schritten war er an dem BitBeast – Falborg – vorbei und zog, ohne dass er es wirklich registrierte, seine Waffe. Es war wie ein jahrelang eingeübtes Kunststück. Etwas, das man tut, ohne dabei noch denken zu müssen, etwas, das nicht mehr als ein simpler Reflex geworden ist, etwas, das man immer unbewusst tut, wenn man es braucht – oder auch nicht braucht.

In dem Moment, in dem Ray zum ersten Mal richtig klar das Gesicht seines Gegners erkannte, in diesem Moment war es bereits zu spät.

Er hatte die kalte Klinge des Dolches tief in die Eingeweide des Anderen gerammt, bis nur noch der Griff aus dem Körper hervorstach. Mitten ins Herz.

Und Ray blieb nicht mehr zu tun, als in die überrascht weit aufgerissenen Augen Bryan Hiwataris zu sehen, aus denen langsam jegliches Leben wich.

Eiskalte Furcht erfasste ihn, bittere Erkenntnis, Selbsthass.

Ein einziges Wort kam noch über die blassen Lippen des Sterbenden.

„Verräter.“
 

Panisch schoss er hoch, klammerte sich an die Bettdecke, rang verzweifelt nach Atem.

Sekunden, Minuten, Stunden schienen zu vergehen, in denen Ray sich einzig und allein darauf konzentrierte, ein- und auszuatmen.

Schweiß lief über seine Stirn, vermischte sich mit den Tränen, die unbeachtet, langsam aber stetig, aus seinen Augen rannen, und hinterließ feuchte Flecken auf der Bettwäsche.

Kurz darauf begann Ray zu zittern. Erst schwach, dann immer heftiger, bis er schließlich seine Arme um seinen Oberkörper schlag in dem hoffnungslosen Versuch, die Zuckungen unter Kontrolle zu bringen.

Und während sein Körper verrückt zu spielen schien, versuchte sein Verstand zu verarbeiten, was er soeben erlebt hatte.

Nein, nicht erlebt, korrigierte Ray sich, sondern geträumt.

Aber hatte er das, was er geträumt hatte, nicht vielleicht auch an irgendeinem Punkt seines jämmerlichen Lebens einmal erlebt?

Verarbeitete man in Träumen nicht sein Leben?

Er schauderte.

Wenn das wirklich wahr war, was er geträumt hatte, wenn es wirklich so passiert war – und daran gab es nur wenig Zweifel, bedachte man die Eindeutigkeit und Genauigkeit seines detailgetreuen Traumes –, dann hatte Kai Recht gehabt.

Dann war er, Ray, nichts weiter, als ein kleiner, mieser, hinterhältiger Mörder.

Der Gedanke zerriss ihn innerlich, bohrte sich wie ein giftdurchtränkter Widerhaken in sein bereits blutendes Herz und schlug seinen Verstand nur noch weiter in Stücke.

Wütend und frustriert über seine eigene Schwäche schlug er die Bettdecke zurück und kletterte aus dem Bett, kippte fast um, als ihm kurz schwarz vor Augen wurde und stolperte in die Dusche. Ohne einen zweiten Gedanken drehte er den kalten Wasserhahn auf. Sofort sog sich sein Nachtzeug voll mit dem eisigen Nass, das Zittern seines Körpers verstärkte sich, doch dieses Mal wusste Ray, woher es kam, seine Zähne klapperten und sein Verstand klärte sich etwas.

Erleichtert atmete er auf.
 

Etwas ziellos streunte er durch die Gänge des Biovolt-Gebäudes. Die Menschen, die ihm begegneten beachteten ihn ebenso wenig, wie er sie beachtete.

Seine Gedanken hingen noch immer bei seinem Traum – oder war es eine Erinnerung? -, als zwei Wissenschaftler an ihm vorbeieilten.

„…wirklich schade um ihn. Er hält sich großartig, aber er ist noch immer zu gefährlich…“

Warum Ray gerade bei dem Gespräch dieser Beiden, der vielen an ihm vorbeieilenden Personen, aufhorchte, konnte er im Nachhinein nicht sagen. Das gehörte wohl zu den wenigen wundersamen, kleinen Zufällen, die immer wieder im Laufe der Erdgeschichte passiert sind und nichts besseres zu tun hatten, als das Leben hunderter zu verändern.

Doch Ray wusste das in diesem Moment noch nicht. Er blieb nur kurz stehen, unentschlossen, und folgte dann den zwei, in weiß gekleideten, Männern. Da der Schwarzhaarige im Moment eh nur in seinen düsteren Gedanken schwelgte, könnte er sich ja auch etwas Klatsch und Tratsch des Biovoltquartiers erlauschen, beschloss er. Man wusste nie, ob es nicht einmal nützlich sein würde.

Neugierig musterte der Chinese seine Opfer. Der schweigsame Zuhörer hatte kurze braune Haare, war untersetzt und wohl bereits mittleren Alters. Er nickte zu jedem Satz, den sein Begleiter sagte und es sah fast so aus, als ob er zu einer ihm unbekannten Melodie den Kopf wiegen, oder dauernd in einen Sekundenschlaf fallen würde.

Der andere Mann war vielleicht so in den Dreißigern, hatte aber bereits erstaunlich lichtes, schwarzes Haar, dessen wilde Locken in alle Richtungen abstanden und trug, wie Ray kurz beim Vorbeigehen erhascht hatte, eine dicke, runde Brille. Sicher so eine dämliche Hornbrille, denn diese Modelle schienen gerade ziemlich in Mode zu sein. Mit den Händen in den Taschen seines weißen Kittels redete er unaufhörlich auf den Anderen ein.

„Aber wenn der Chef es will, kann man ja nix machen, ne? Ich meine, wirklich, als ob unsere Testobjekte auf Bäumen wachsen würden!“, aufgebracht warf er die Hände in die Höhe, „Gut, angeblich bekomm ich ein neues, trotzdem, der Junge hat echt gut durchgehalten, ist irgendwie schade um ihn. Hoffe nur, der Neue taugt genauso viel. Ich bin schon so aufgeregt! Was es wohl dieses Mal sein wird? Aber gut, zuerst muss der Alte eliminiert werden. Die Hinrichtung ist wohl auf nächsten Samstag angesetzt, also übermorgen. Ich hoffe nur, ich muss da nicht hin, war noch nie Fan solcher Veranstaltungen…“

Fast hätte Ray erschrocken aufgekeucht, doch er konnte sich gerade noch beherrschen. Sich jetzt zu verraten wäre sehr ungeschickt. Hinrichtung? Wen wollten sie hinrichten? Einen Zero?

Er stopfte seine geballten Fäuste in seine Jackentaschen, damit man sie nicht sah und spitze die Ohren, um auch ja kein Wort des Gespräches zu verpassen.

„Außerdem kriege ich den Neuen heute Nachmittag, da hab ich besseres zu tun. Trotzdem, der Andere war echt gut, schön starkes BitBeast. Nur war der Junge so unkooperativ! Warum verstehen diese dummen Zeros nicht, dass wir ihnen nur helfen wollen? Vielleicht ist es wirklich am Besten, wenn er stirbt, ich meine, selbst ohne sein BitBeast war er mir unheimlich. Wie er mich immer mit diesen blutroten Augen angesehen hat! Brrr… Gruselig! Aber gut, Familie hat er wohl auch nicht mehr, die ihn vermissen würde, aber vielleicht kriegt er noch nen Grabstein, auf dem …. äh… wie war noch mal sein Name? Ah, ja, auf dem Kai Hiwatari steht. Aber ich glaub‘s nicht…. Ich meine….“

Weiter hörte Ray nicht zu.

Weiter konnte er nicht zuhören.

Sein Herz pochte laut in seiner Brust, Blut rauschte in seinen Ohren. Stocksteif stand er da im Gang. Für einige Sekunden schien die Welt still zu stehen…

…nur um sich danach mit der zehnfachen Geschwindigkeit weiterzudrehen.

Erst, als der Schwarzhaarige, nach Luft schnappend, vor Talas Wohnung zum Stehen kam, realisierte er, dass er durch das gesamte Gebäude hier hin gerannt war. Nur ein einziger Gedanke kreiste in seinem Kopf:

Kai wird übermorgen hingerichtet. Kai wird übermorgen hingerichtet. Kai wird übermorgen hingerichtet. Kai wird übermorgen hingerichtet. Kai wird übermorgen hingerichtet. Kai wird übermorgen …

Wie betäubt öffnete er die Tür, trat in die Wohnung des Rothaarigen, denn er musste dringend mit Tala reden.

Vergessen war ihr kleines spontanes Intermezzo, vergessen die Schuldgefühle.

Jetzt zählte nur Kai.

Doch Tala war nicht da.

Verwirrt durchsuchte Ray die gesamte Wohnung, schaute sogar unter dem Bett nach, doch nirgends war eine Spur von dem Russen zu finden.

Aber er durfte diese Räume doch nicht verlassen, oder?

Verzweifelt kniete Ray neben dem Bett, schlug mit der Faust auf den Boden, doch das dumpfe Geräusch machte ihn nur noch wütender, ließ ihn sich nur noch einsamer und verlassener fühlen.

Verzweifelt unterdrückte er die Tränen.

Kai sollte in zwei Tagen sterben.

Tala war spurlos verschwunden.

Das alles wuchs langsam aber sicher über Rays Kopf.

Der Druck, die ständige Anspannung und emotionale Belastung forderten ihren Tribut. Heulend brach er zusammen, rollte sich ein und blieb dann regungslos auf dem kalten Boden liegen.

Nur die unregelmäßigen Schluchzer schüttelten seinen zierlichen Körper, brachten die Schultern zum Beben und die Hände zum Zucken.

Erst das Geräusch der zufallenden Wohnungstür brachte Ray wieder in die Realität zurück.

Hastig wischte er sich die feuchten Wangen ab und brachte sich in eine aufrechte Position, blieb jedoch an das Bett gelehnt sitzen.

Im Moment kam er eh nicht hoch und da er mit seinem verheulten, roten Gesicht wahrscheinlich schon jämmerlich genug aussah, kam es auf solche Details auch nicht mehr an.

Schwere Schritte näherten sich; anscheinend kam Tala ins Schlafzimmer. Gut, dann konnte Ray gleich mit ihm reden.

Erwartungsvoll blickte er zur Tür. Doch es war nicht der Rothaarige, der eintrat, sondern einer der vielen namenlosen Soldaten Biovolts.

Überrascht sprang Ray auf. Der Soldat schien nicht weniger verblüfft.

„Wo ist Tala“, schoss es sofort aus dem Chinesen.

Der Soldat zögerte, wusste anscheinend nicht, was er mit dem Langhaarigen anfangen sollte.

„Ich bin Jäger, ich habe das Recht, es zu erfahren“, spielte Ray den Triumph seiner weißen Uniform aus, da der Andere nicht zu wissen schien, wen er vor sich hatte.

„Der Zero wurde heute früh in das Labor gebracht“, stotterte der Soldat.

„Warum?“ Rays Augen verengten sich zu Schlitzen.

„Weil… weil sein BitBeast entfernt werden soll. So, wie es bereits bei einigen Anderen getestet wurde, um ihn endgültig unschädlich zu machen, Sir. Ich soll nur noch ein paar Kleidungsstücke von ihm holen…“

„Sein BitBeast entfernen…“, hauchte Ray geschockt.

Es würde Sinn ergeben, bedachte er das Gespräch, dass er vor einiger Zeit belauscht hatte.

„Wo genau ist Ta … der Zero?“

„Das ist geheim, Sir, darf ich leider nicht sagen.“

Hastig griff der Soldat ein paar Klamotten und verschwand wieder.

Noch immer von der plötzlichen Wende der Ereignisse benommen konnte Ray nicht mehr tun, als ihm nur regungslos hinterher zu starren.
 

Bis zum nächsten Mal,

eure achat



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