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Christopher und Ich

von

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Mein Schlaf ist tief, aber nicht erholsam. Ich habe schreckliche Alpträume, die keinen Sinn ergeben und bin fast schon ein wenig froh, als Christophers Stimme, gepaart mit seiner Hand, die vorsichtig durch mein Haar streicht, mich aufschreckt und zurück in die Realität befördert. In der allerdings bekomme ich kaum Luft, weil meine Nase dicht ist. Außerdem tut mein Hals schrecklich weh.

 

Mein Freund hilft mir, mich aufzusetzen und ich lehne mich, ähnlich wie es Christopher vor wenigen Tagen getan hat, stöhnend gegen das Kopfteil unseres Bettes und realisiere erst dann, dass auch Kilian im Raum steht. „Na, Krankenschwester Niko“, grüßt er mich scherzhaft und tritt an das Bett heran, von dem mein Freund sich bereits entfernt hat, und setzt sich zu mir auf die Matratze. Kilian drückt die etwas kühle Muschel seines Stethoskops auf meine bereits entblößte Brust.

 

Mir ist so egal, dass ich nackt bin und die Bettdecke meine gefangene Scham nur knapp bedeckt; sie müsste nur rund zwei Zentimeter nach unten rutschen, dann wäre ich entblößt. Aber Kilian ist ja schließlich Arzt, Scham wäre also unangebracht. Selbst mit dem Tresor an meinem Schwanz. Keuschhaltung ist ihm ja schließlich nicht fremd. Ich weiß zwar nicht, ob er seine Professionalität in diesem Moment aufrecht erhalten könnte, oder ihm vielleicht doch ein amüsierter Kommentar über die Lippen huschen würde. Aber: Auch das ist mir egal. Doch die Bettdecke bleibt während Kilians Untersuchung an ihrem Platz.

 

Er klopft meine Nebenhöhlen ab, schaut mir in den Rachen und runzelt dann seufzend die Stirn. „Oje. Deine Mandeln sind rot wie ein Arsch nach einem ordentlichen Spanking, mein lieber Niko“, erklärt er, während er mit dem kleinen hölzernen Stäbchen weiter tief in meinem Mund auf meiner Zunge herumdrückt, bis ich fast würgen muss. Erst dann zieht er das kleine Instrument heraus und befördert es in den Mülleimer und ich frage mich, ob er das mit Absicht getan hat, während Christopher leicht amüsiert den Kopf über Kilians Vergleich schüttelt.

 

„Deine Mandeln sind schon wieder entzündet“, fasst Kilian unzufrieden zusammen. „Wenn du wieder gesund bist, möchte ich, dass du endlich zu einem HNO gehst und mit ihm besprichst, ob eine Mandelentfernung nicht sinnvoll wäre. Okay?“ Er klingt ein bisschen so wie Christopher, denke ich mir, als ich nicke und Kilian mir daraufhin erklärt, dass er mich die ganze Woche krankschreiben wird und ich ein Antibiotikum nehmen muss. Er greift in seine Tasche und holt irgendeinen Papierkrams heraus. Die ausgefüllten Formulare übergibt er Christopher. „Gib ihm bitte Paracetamol gegen das Fieber, ja?“, sagt der Arzt zu meinem Freund.

 

„Klar...“, antwortet dieser und streift mich mit einem nun wieder leicht besorgten Blick. „Ähm... Kilian. Niko und ich haben uns dummerweise gestern geküsst. Mehrmals. Daran... So schnell kann er sich doch nicht angesteckt haben, oder?“

 

Unser Arzt schüttelt leicht amüsiert den Kopf. Eigentlich weiß mein Freund, dass diese Frage dumm ist; dennoch ist es irgendwie süß, dass er auf diese Art und Weise seine Sorgen äußert. „Nein, er muss das schon einige Tage vorher aufgeschnappt haben und nicht einmal zwangsläufig von dir“, entgegnet Kilian ihm ruhig. „Weil seine Mandeln durch die häufigen Entzündungen ziemlich vernarbt sind, sammeln sich da Keime: Ein kleiner Hauch reicht dann und die Entzündung ist erneut entfacht“, erklärt er. „Trotzdem ist es natürlich dumm zu knutschen, wenn einer von euch beiden krank ist...“, fügt er mit einem spitzbübischen Grinsen hinzu und ich meine, dass mein Freund dabei leicht rot wird, als er den Kopf abwendet und murmelt: „...ja... ich weiß....“

 

Erst jetzt realisiere ich, dass Christopher heute doch eigentlich gar nicht zu Hause sein sollte. „Wolltest... du nicht heute zurück zur Arbeit?“, frage ich ihn und klinge furchtbar heiser.

 

Christopher macht den Mund auf, allerdings ist es Kilian, der mich tadelt: „Schon bitte deine Stimme, Niko!“, fährt er mich etwas empört-besorgt an – und mein Freund grinst leicht. Dann antwortet er mir.

 

„Ich arbeite heute von zu Hause aus und fahre morgen wieder in die Kanzlei, das ist alles schon geregelt. Ich wollte dich heute nicht allein lassen.“ Ich nicke stumm, und Kilian tadelt nun Christopher.

 

„Herr Lang, Sie sollten doch eigentlich Ihre Erkältung erst richtig auskurieren, bevor Sie sich wieder in den Anwalts-Wahnsinn stürzen“, zieht er ihn gespielt pikiert auf, „und für meinen Geschmack klingen Sie noch etwas zu verschnupft.“

 

Christopher verdreht genervt die Augen und ich grinse. Eigentlich passt das ja gar nicht zusammen: Zum einen ist mein Freund so super wehleidig die vergangenen Tage gewesen – und auf der anderen Seite will er jetzt so schnell wie möglich wieder zurück ins Büro. Ich seufze innerlich und erinnere mich an den Stress, den er derzeit in der Kanzlei hat; wahrscheinlich zermürbt ihn das schlechte Gewissen, dass er während dieser wichtigen Fusion sein Team hängen lässt. Christopher ist ja so schrecklich pflichtbewusst... Ich wünschte, er würde auf Kilian hören und noch einige Tage zu Hause bleiben. Aber mein Master ist stur.

 

„Ach, Kilian, das ist bis morgen oder übermorgen sicherlich auch vorbei. Das Schlimmste habe ich doch schon längst überstanden“, gibt er zurück und unser Arzt hebt skeptisch die Brauen.

 

„Na gut...“, murmelt er kapitulierend. „Achte darauf, dass Niko seine Medizin nimmt und viel trinkt, ja? Du im übrigen auch.“

 

„Natürlich.“

 

„...und ihr habt bis auf Weiteres Knutsch-Verbot.“

 

Christopher verdreht die Augen, während Kilian mich dämlich angrinst. Dann verabschiedet er sich und ich schließe meine Augen. Nur noch halbwegs bekomme ich mit, wie Christopher mir mitteilt, dass er einkaufen und zur Apotheke fährt, und wie die Haustür dann irgendwann zuschlägt. Dann schon drifte ich zurück in diesen tiefen und erneut nicht gerade erholsamen Schlaf und werde geplagt von Alpträumen, an die ich mich dieses Mal leider Gottes sogar teilweise erinnern kann. Als die Schlafzimmertür nach wer weiß wie langer Zeit aufgeht und ich dadurch aufwache, ist die Erinnerung an den Adrian aus meinen Träumen – Super-Model aus einer Calvin-Klein- oder Hugo-Boss-Werbung mit Adonis-Körper – den Christopher mir als seinen Zweit-Sklaven vorgestellt hat, noch so frisch, dass mein Herz im Takte eines wilden Techno-Liedes klopft. Christopher setzt sich zu mir aufs Bett und ich starre ihn wahrscheinlich wie ein panisches Kaninchen an.

 

„Wie geht es dir?“, erkundigt er sich und klingt besorgt.

 

„Ich hatte einen Alptraum...“

 

„Du solltest jetzt was essen und dann dein Antibiotikum nehmen“, entgegnet er, meinen schlechten Traum gnädigerweise nicht ansprechend. „Fühlst du dich in der Lage, in die Küche zu kommen, oder soll ich dir das Essen ans Bett bringen?“

 

Ich weiß, wie sehr Christopher Krümel im Schlafzimmer eigentlich hasst, also entscheide ich mich für die erste Option, mache nach einer Weile, als mein Freud mich ruft, einen Zwischenstopp im Bad und wasche mir wenigstens das Gesicht. In meinen Bademantel gehüllt schleppe ich mich dann in die Küche, wo auf dem Tisch schon frische Brötchen, Rührei und eine ganze Kanne Tee auf mich warten, und eigentlich habe ich extrem Hunger – aber irgendwie keinen Appetit. Schlucken fällt mir schwer. Vor allem die große Penicillin-Tablette ist grässlich.

 

„Geh wieder ins Bett“, weist Christopher mich an und eskortiert mich bis zu diesem. „Ich werde so leise wie möglich sein, damit du in Ruhe schlafen kannst. Ich wecke dich spätestens, wenn du die nächste Tablette nehmen musst“, verspricht er, stellt sicher, dass die Vorhänge dicht verschlossen sind und zieht dann die Tür hinter sich zu. Wenige Augenblicke später bin ich auch schon wieder eingeschlafen.

 

~~~

 

Im Grunde genommen ist Schlafen in den kommenden Tagen meine Hauptbeschäftigung. Ich verlasse das Schlafzimmer nur, um ins Bad zu gehen und in der Küche bin ich eigentlich immer nur dann, wenn Christopher mir was zu essen macht. Frühstück hinterlässt er mir – und darüber bin ich extrem erstaunt – am Bett, hat das Telefon auf meinem Nachttisch platziert und ruft mich an, um mich daran zu erinnern, meine Tabletten zu nehmen und Wasser zu trinken. Am frühen Nachmittag kommt er sogar kurz nach Hause, kocht mir Tee, bringt mir was zum Mittag mit und fährt danach wieder in die Kanzlei. Abends schaut er nun mir zu, wie ich einem Zombie ähnelnd, kaum bei Bewusstsein, im nach Eukalyptus und Thymian riechenden Badewasser liege und dieses Mal ist er es, der aus unserem Schlafzimmer gezogen ist und die Nächte wahlweise auf dem Sofa und dem Bett in meinem kleinen Horror-Paradies verbringt.

 

Meinen Laptop hat er mir mir ans Bett gebracht, damit ich mir Filme und Serien angucken kann, ohne das Schlafzimmer zu verlassen. Doch das Gerät bleibt fast durchgehend ausgeschaltet, denn der helle Bildschirm ist zu viel für meine Augen und ich kann mich nicht auf den Plot fokussieren, nicke sowieso alle drei Minuten wieder weg, bin eigentlich nur genervt von meinem fertigen Zustand, dem Schmerz, der Müdigkeit, der Trägheit.

 

An Tag vier lässt meine Mandel-Tortur endlich ein bisschen nach. Was wahrscheinlich daran liegt, dass das Antibiotikum angefangen hat zu wirken; mein Fieber ist auch runtergegangen und ich spüre endlich mal wieder das vorsichtige Verlangen, etwas anderes zu tun, als nur zu pennen. Als ich das Schlafzimmer noch auf wackeligen Beinen und mit einem leichten Schleier vor Augen verlasse, um mal mit einem Snack aufs Sofa umzuziehen, und ich zum ersten Mal seit vier Tagen durch den Rest der Wohnung stapfe, bin ich allerdings einfach nur entsetzt – und frage mich, ob ich nicht schon wieder in einem Alptraum gefangen bin.

 

Im Flur ist die Kommode voller Werbeprospekte. Einige sind auf den Boden gefallen und wurden schon von irgendwelchen Schuhen achtlos bedeckt. Das Ganze ist eine kleine Einstimmung auf das Wohnzimmer: Dort hängt die Tischdecke auf dem Esstisch schief und ist mit irgendeiner gelblichen Soße bekleckert, vielleicht Curry? Über den Stuhllehnen hängen irgendwelche Klamotten, ob dreckig oder nicht, vermag ich nicht zu sagen. Auf dem Sofa liegt Christophers zerwühlte Bettwäsche, die Couch-Kissen sind auf dem Boden sowie dem Wohnzimmertisch verteilt, auf dem sich außerdem noch leere Essensverpackungen und Wasserflaschen sowie Krümel jeglicher Art sammeln. Und die Küche....? Die gleicht plötzlich einem Schlachtfeld. Die Spülmaschine ist vollgestellt mit dreckigem Geschirr und mehr davon stapelt sich jetzt im Spülbecken. Der Küchentisch ist ebenfalls prachtvoll bedeckt mit offenen Brötchentüten, irgendwelchen Dosen und Zeitungsresten, seltsam drapiert auf zwei unserer Serviertabletts.

 

Ich habe Hunger, aber ich habe keine Ahnung, wie ich mir in diesem Raum etwas zu Essen zubereiten soll. Wie hat Christopher das heute Morgen hinbekommen?! Und vor allem: Wie hat er es geschafft, die Wohnung so dermaßen schmutzig zu machen? Ich könnte schwören, als ich gestern kurz in der Küche war, um Suppe zu löffeln, die er mir gekocht hat, sah es hier noch nicht so aus. Oder...? Wirklich darauf geachtet habe ich offensichtlich nicht.

 

Oder?

 

Ich lasse mich auf die Sitzbank nieder und starre fassungslos das Chaos an.

 

Klar: Sein persönlicher Putzmann – ich – ist gerade außer Gefecht gesetzt, und es ist auch tatsächlich so, dass ich unsere Wohnung täglich ein kleines wenig putze, damit solch ein Chaos erst gar nicht entstehen kann. Dieses Vorgehen ist aufgrund meines Ausfalls nun also weggefallen.

 

Mein Hirn analysiert plötzlich die ersten Wochen unseres Zusammenlebens und Momentaufnahmen schwappen an die Oberfläche, die mir jetzt zu denken geben.

 

Da wäre zum Beispiel die Tatsache, dass Herr Lang es des Öfteren nicht geschafft hat, die Zahnpastatube nach der Benutzung zuzuschrauben und sie zurück in einen an der Wand angebrachten Becher zu packen, oder die Wasserspritzer von der Duschkabinentür mit dem dafür vorgesehenen Wischer abzuziehen. Mir fallen die achtlos auf den Boden fallengelassenen Kleidungsstücke ein: Socken, Boxershorts, Shirts. Die dreckigen Teller in der Spüle, die man in wenigen Sekunden auch hätte in den Geschirrspüler verfrachten können, die Kaffeedose samt Filterpackung, die ich beinahe täglich zurück in den Schrank direkt über der Maschine packen muss, die achtlos in die Ecke gepfefferten Schuhe.

 

Bisher hatte ich mich mit meiner eigens kreierten Erklärung zufrieden gegeben: Dass Christopher das alles extra macht. Warum? Na, damit ich wirklich täglich etwas zu tun habe und meiner Pflicht des Wohnungsputzes nachkomme. Eine Art alltägliche Strafe, wenn man so will. Und jetzt? Jetzt kann ich mir das ganze so gar nicht erklären. Ich kann mir nämlich nicht so richtig vorstellen, dass mein Master in diesen Tagen die Wohnung absichtlich hat so verkommen lassen, damit ich das Ganze in meinem Zustand aufräumen soll. Christophers Strafen sind zuweilen grausam und werden auch von unseren Stammtischlern als „extrem fies“ beschrieben – aber das hier wäre sogar für meinen Master eine Spur zu... kaltblütig. Sadistisch?

 

...oder täusche ich mich?

 

Nein, das kann nicht sein, tadele ich mich umgehend selbst. Christopher macht sich ernsthafte Sorgen um mich und will, dass ich schnell wieder gesund werde. Warum sollte er also eine Situation herbeiführen, die das genaue Gegenteil bewirken könnte? Wenn ich in meinem jetzigen Zustand anfange durch die Wohnung zu wüten, würde ich alles nur noch schlimmer machen und mir wer weiß noch was einfangen beziehungsweise die Krankheit verschleppen, und ich soll mich doch an die verschriebene Bettruhe halten – darauf besteht ja vor allem Herr Lang.

 

Mir ist schon bewusst, dass mein Freund gerade extrem unter Stress steht: Der Ausbau der Kanzlei, gepaart mit einigen aktuellen Fällen, die er sicherlich noch nebenbei erledigen muss, und das Pflegen seines kranken Subs – all das kostet Nerven und frisst vor allem Zeit. Allerdings weiß ich auch, dass Christopher stressresistent ist und seine vier Wände auch schon in den Zeiten, in denen wir noch nicht zusammengewohnt haben, immer extrem aufgeräumt waren. Eben auch in Zeiten, in denen er in Arbeit unterging und sich um gefühlt tausend Dinge gleichzeitig kümmern musste, inklusive meiner Wenigkeit. Christopher liebt Ordnung und Sauberkeit. Also: Was ist plötzlich geschehen?

 

Hat sich Herr Lang möglicherweise innerhalb dieser wenigen Wochen unseres Zusammenlebens schlichtweg daran gewöhnt, dass ich ihm stets hinterherlaufe und alles aufsammele und seinen Vorlieben nach wieder einordne? Ist der derzeitige Stress anders als alles, was er bisher kannte – und einfach zu viel für ihn? Hat er sich übernommen? Hatte er nicht letztens selbst gesagt, dass ihm das ganze über den Kopf wächst? Und hat er etwa seine Krankheit verschleppt und schlichtweg keine Kraft deswegen, nach der Arbeit hier auch noch sauber zu machen?

 

Die letzteren Annahmen lassen mich unliebsam erschaudern, weil sie nämlich extrem realistisch sind – ich kann trotzdem meine Frustration über den derzeitigen Zustand der Wohnung nicht abschalten; und das beschert mir ein enorm schlechtes Gewissen Christopher gegenüber, der sich wirklich extrem viel Mühe gibt, mich zu umsorgen.

 

In dem Moment, in dem ich mich erhebe, um wenigstens ein bisschen des Drecks wegzuräumen, damit ich mir ein Brot schmieren kann, höre ich, wie die Eingangstür aufgeschlossen wird. Dem folgen gemächliche Schritte durch den Flur, die meinen Freund direkt zu mir in die Küche führen. Als Christopher mich erblickt, bleibt er überrascht stehen. „Oh“, entweicht es seinem Mund und er starrt mich an. „Du bist ja auf den Beinen!“ ...und mir wird schlagartig bewusst, dass er putzmunter, hellwach und vor allem kerngesund ist; was diese eigentlich plausiblen Erklärungen von eben förmlich ausradiert – und das scheint einen Schalter in meinem Hirn umzulegen und die Welt steht plötzlich Kopf.

 

„Christopher“, zische ich seinen Namen mit schneidender, heiserer, dunkler Stimme, „warum sieht die Bude so scheiße aus?!“ Mein Freund presst die Lippen zusammen, sodass ein dünner Strich entsteht und weicht meinem Blick plötzlich aus. „Code Red“, füge ich beinahe überflüssig und grimmig hinzu, was Christopher dazu veranlasst, genervt zu schnauben – was mich wiederum fast auf die Palme bringt.

 

Dafür ist unser kleines Passwort schließlich da: Um Dinge im Alltag außerhalb unseres Master-Slave-Verhältnisses zu klären. Warum schnaubt er also jetzt so blöd, als würde es ihn nerven, dass ich eben jene Relation auflöse, um etwas mit ihm zu besprechen?! Der Alltagscode war schließlich seine Idee!

 

„Ja, ja, Code Red...“, bestätigt mein Freund dann auch noch leicht säuerlich und deponiert die mitgebrachte Plastiktüte mit zwei mittelgroßen Pappboxen auf dem Tisch, direkt auf einem Stapel Zeitungen. Der Geruch vom Chinesischen Essen steigt mir in die Nase. „Ich hab uns was zum Mittag besorgt“, erklärt er, ohne mich dabei anzusehen.

 

„Das ist mir scheißegal!“, schreie ich und meine Stimme überschlägt sich dabei und ich beende den Satz mit einem wütenden Krächzen. Wahrscheinlich auch, weil ich seine letzte Aussage als Ablenkungsmanöver auffasse. Was denkt er sich denn auch? Dass er mich mit Essen, das er nicht einmal selbst zubereitet hat, schnell wieder um den Finger wickelt, und ich direkt wieder als sein Sub angesprochen werden möchte?

 

Ich bin derjenige, der diese Bude derzeit nicht verlassen kann. Bin an Bett und Sofa gefesselt. Krank zu sein ist eh schon mega ätzend, aber dann noch in so einem Saustall zu lungern?! Das geht einfach nicht, hallt es unentwegt durch meine Kopf.

 

Christophers Augen legen sich endlich wieder auf mich, halb besorgt, halb verärgert. „Niko, schrei nicht so“, sagt er ruhig, aber auch mit einem gewissen dunklen Unterton. „Du musst deine Stimme schonen. Bitte.“

 

Diesmal bin ich es, der genervt schnaubt. „Okay“, presse ich leiser hervor. Auch, weil mein Hals tatsächlich durch mein Schreien gereizt worden ist und ich wütend bin, dass mein Freund mit seiner Aussage irgendwo recht hat, und mal wieder ach so erwachsen ist. „Ich will trotzdem wissen, ob du dieses Chaos extra hinterlassen hast“, entweicht es dann schon meinem Mund, ehe ich über mein weiteres Vorgehen überhaupt nachdenken kann; und ein Stimmchen in meinem Innern fragt sich im selben Moment, was diese Frage eigentlich soll, weil ich sie mir doch schon mehr oder weniger selbst beantwortet habe.

 

Christopher blinzelt. „Extra?“

 

„Ja, damit deinem kranken Sklaven nicht langweilig wird und er sich endlich wieder nützlich machen kann“, sprudelt es gehässig aus mir heraus. Das Stimmchen in meinem Innern zieht schockiert die Luft ein und weiß nun gar nicht mehr, was es dazu sagen soll.

 

Einige Sekunden verstreichen, in denen Christopher nichts sagt. Dann schaut mich erbost an und stemmt die Hände gegen die Hüften. „Du suggerierst, dass ich dieses Chaos – denn ja, es ist Chaos, das ist mir bewusst – dass ich... dass ich diese Unordnung absichtlich verursacht habe, damit du während deiner Krankschreibung hier was zum Aufräumen hast? Spinnst du?! Das wäre grob fahrlässig! Christophers Stimme klingt eisig. Spitz – aber auch irgendwie ungläubig und... verletzt; und mir wird unmittelbar mulmig zumute. Doch anstatt ruhig darauf zu antworten und ihm meine Sicht der Dinge sachlich zu schildern, mir seine Erklärungen anzuhören, reagiere ich, wie von einer Tarantel gestochen. Weiß der verdammte Teufel, warum. Das Stimmchen in meinem Innern seufzt und ich bereue schon im nächsten Augenblick, was ich meinem Freund an den Kopf schmettere.

 

„Ob ich spinne?“, zische ich nämlich giftig. „Bin ich hier durchgewütet wie ein Kleinkind auf Speed? Alter, Chris, die Wohnung sieht aus, als würden die Flodders hier leben! Wie zur Hölle soll ich mir nen Tee kochen, wenn hier überall irgendwelche Scheiße rumliegt?! Alles ist zugemüllt, wie soll ich mich hier entspannt aufs Sofa legen und ausruhen, das ist doch kein menschenwürdiger Zustand, wie kriegt man so was überhaupt hin? Seit wir uns kennen liegst du mir ständig in den Ohren, dass ich gefälligst ordentlicher sein soll und meckerst über meine Putzresultate, und jetzt lässt du Arsch mich in diesem Müllhalde hier sitzen, was zur Hölle soll das?!

 

Es ist raus. Als ich diese Worte ausspeie, bin ich einfach nur geschockt über meine Aussage. Ich wünschte, ich könnte sie zurücknehmen. Doch das geht nicht. Und ich frage mich: Was zum Teufel hat mich da geritten? Warum beschimpfe ich ihn? Warum bin ich überhaupt so wütend? Ich kann mir nach seiner Reaktion nun wirklich gar nicht mehr vorstellen, dass er das mit Absicht getan hat. Also was zur Hölle mache ich hier?!

 

Es ist ein bisschen so, als wäre ich aus meiner eigenen Haut gefahren und würde meinem von einer fremden Macht gesteuerten Körper beim Agieren zusehen.

 

Unangenehme Stille umhüllt uns. Christophers Augen weiten sich. Sein Mund öffnet sich leicht, doch es kommt kein Ton heraus. Er nimmt den Blick von mir, lässt ihn schweigend über die Arbeitsfläche zum chinesischen Take-Away auf dem Küchentisch wandern, über den Boden gleiten, und es dauert eine Weile, bis er mich wieder anschaut. In meiner Brust zieht es sich schmerzhaft zusammen.

 

Christophers Blick ist nicht voller Zorn oder Spott oder Kälte. Mein Freund betrachtet mich einfach nur ungläubig, schüttelt in selbiger Manier den Kopf und entlässt dann laut die Luft aus seinen Lungen. „Wow...“, murmelt er betrübt und ich beiße mir auf die Lippe und frage mich, warum ich nicht im Stande bin, mich umgehend bei ihm für meinen seltsamen Wutausbruch zu entschuldigen. Dann wird seine Stimme plötzlich hart und kalt. „Weißt du was, Niko? Das ist mir jetzt zu blöd. Komm, iss dein Hähnchen süß-sauer, wirf alles was auf dem Sofa ist einfach auf den Boden und ignorier den Rest – ich mach heute schon noch alles sauber, keine Sorge... Hatte ich ehrlich gesagt genau jetzt vor, weil ich tatsächlich früher Feierabend machen konnte, weil ich um 6 Uhr schon im Büro war, eben um heute endlich richtig aufzuräumen. Aber weißt du was? Jetzt verschwinde ich erst mal, weil ich mir deinen Scheiß echt nicht geben muss.“ Ich schlucke und mein Freund macht auf dem Absatz kehrt und stampft regelrecht durch den Flur. Die Haustür fliegt so laut ins Schloss, dass ich zusammenzucke.

 

Mein Herz klopft verräterisch laut in meiner Brust und ich brauche einige Zeit, bis sich mein Atem beruhigt hat.

 

...was ist hier gerade passiert...?

 

Ich bin so frustriert und sauer und angefressen und... schäme mich, fühle mich schuldig und bin irgendwie entsetzt über... über eigentlich alles gerade.

 

Der Penistresor fühlt sich plötzlich so extrem deplatziert und falsch an, und das... das erschreckt mich.

 

Unweigerlich denke ich an die mahnende Worte meiner Freunde vor unserem Zusammenzug, an Franks Erzählung von seinem Cousin und dessen Krieg mit seiner nunmehr Ex-Frau verursacht durchs geteilte Heim. Ich mag diese Gedanken nicht und vor allem nicht dieses flaue Gefühl in meinem Magen, die sie auslösen.

 

Wir wohnen erst seit einigen Wochen zusammen, und dennoch haben Christopher und ich uns öfter angezickt, als während des gesamten letzten Halbjahres. Ich muss an den allerersten Abend in diesen gemeinsamen vier Wänden denken, als wir uns wegen meines Vaters in die Haare gekriegt haben, zu was für einem beschissenen Familienbesuch das alles geführt hat, und wie auch noch ausgerechnet dieser verschissene Adrian hier an jenem Tag angerufen hat. An Christophers patzige Reaktion während der Woche, in der ich ich mich nicht getraut habe, den Brief meiner Mutter zu lesen, an weitere bedeutungslose Zickereien, deren Grund ich nicht einmal mehr zusammen bekomme.

 

Ich muss schlucken und dieses Ziehen in meinem Hals wird immer heftiger. Ich presse die Lippen hart aufeinander und drücke meine Fingernägel fest ins Fleisch meiner Handflächen, um diesem plötzlichen Brennen hinter meinen Augenlidern entgegen zu wirken.

 

Das China-Essen ist schon kalt, als ich es mir irgendwann reinwürge und letztendlich bin ich extrem froh, als ich nach der Einnahme meines Antibiotikums tatsächlich wieder müde werde, mich ins Bett schleppe, die Decke über meinen Kopf ziehe und frustriert über die Gesamtsituation einschlafe.

 

~~~

 

Es ist draußen schon stockfinster, als ich wieder aufwache und ich brauche auch einige Zeit, um das brummende Geräusch, das sich bereits in meine Träume eingeschlichen und nun auch zu meinem Wachsein geführt hat, seiner Quelle zuzuordnen: Es ist der Staubsauger. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass unsere Nachbarn sicherlich nicht begeistert über seine Benutzung sind: Es ist 20.30 Uhr.

 

Unmittelbar wird es in meinem Magen wieder flau. Ich habe irgendwie echt Schiss, aufzustehen und Christopher gegenüberzutreten. Ganze zehn Minuten lausche ich dem Staubsauger deswegen und erhoffe mir dadurch wohl irgendwie Mut oder Erleuchtung. Dann wird es plötzlich ganz still in der Wohnung; und wenige Augenblicke später betritt mein Freund unangekündigt das Schlafzimmer.

 

Ich drehe mich schleunigst auf die Seite, sodass ich Christopher meinen Rücken zuwende. Ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll und bin mir nicht sicher, ob ich seinem Blick jetzt standhalten könnte. Dann spüre ich plötzlich, wie die Matratze ein Stück weit nachgibt, und im nächsten Moment legt mein Freund schon behutsam seine Hand auf meine Schulter. Ich halte die Luft an. Nichts geschieht. Außer, dass sich mein schlechtes Gewissen zu so einem riesigen Klumpen in meinem Innern geformt habe, dass ich es nicht doch nicht länger aushalte, mir alles egal ist und mit zusammengepressten Augen, kläglich keuche: „Es tut mir leid...!“

 

Christopher seufzt, aber es ist kein genervtes oder kaltes Seufzen; eher sanft. „Mir auch, Niko...“, entgegnet er leise, und ich gebe mir einen Ruck und drehe mich doch zu ihm um.

 

„Ich weiß nicht, warum ich dich so angefahren habe...! Das habe ich alles nicht so gemeint!“, rede ich weiter und meine Stimme klingt kläglich.

 

„...du bist krank, Niko“, entgegnet Christopher mit einem mildem Lächeln auf seinen Lippen und einer ebenso sanften Stimme. „Wenn man krank ist, ist man schlecht drauf, leicht gereizt und... du hast die letzten Tage schon so viel Energie verbraucht, als du dich um mich gekümmert hast – das ist auch Stress, von dem du dich jetzt nicht einmal erholen konntest. Das spielt da auch mit rein. Ich bin dir nicht mehr böse, okay?“

 

„...okay“, entgegne ich schwach und schaffe es nun ebenfalls zu lächeln. Wahrscheinlich hat Christopher recht mit allem, was er sagt. Das war nicht wirklich ich, der da vorhin gesprochen hat.

 

„Die Wohnung ist jetzt übrigens wieder sauber“, merkt mein Freund an und lächelt leicht. Dann schweigen wir eine ganze Weile. Denn meine unschön geäußerte Frage nach der Unordnung in unseren vier Wänden ist weiterhin unbeantwortet und ich finde keine richtigen Worte, um mich erneut danach zu erkundigen. Denn auch wenn ich definitiv überreagiert habe, ist jene Erkundigung immer noch irgendwie gerecht und aktuell.

 

Christopher scheint das zu wittern und mir wird wieder mulmig zumute, als das Lächeln meines Freundes plötzlich unsicher wird. Er seufzt ein weiteres Mal und ich kann hören, wie er danach schluckt. „Um dir das Chaos in unserer Wohnung zu erklären, muss ich dir was beichten“, sagt er dann schließlich und lässt den Kopf hängen. Ich richte mich ächzend im Bett auf und betrachte meinen Freund aufmerksam, der nun so ausschaut, als hätte man ein kleines Kind beim Stehlen von verbotenen Süßigkeiten erwischt. Es dauert eine ganze Weile, bis er mir endlich wieder in die Augen sieht und weiterspricht. „Ich liebe Ordnung, das weißt du. Aber.... ich bin einfach scheiße im Aufräumen. Ich krieg's manchmal einfach nicht hin, meine Wohnung sauber zu halten, gerade wenn ich gestresst bin. Ich produziere dann schieres Chaos und dann weiß ich nicht, wo ich anfangen soll, um es zu beseitigen und schiebe es – bis es halt gar nicht mehr geht – vor mir her, und dann...“

 

Er seufzt tief.

 

„Die letzten Tage habe ich die ganzen liegengebliebenen Sachen einfach von Raum zu Raum geschoben: Wenn ich dir zum Beispiel was zu Essen gemacht habe, habe ich das Chaos aus der Küche kurzerhand ins Wohnzimmer verfrachtet, um erstens Raum zu schaffen und zweitens, damit du's nicht siehst, ich meine... Du hast bis jetzt praktisch nur im Schlafzimmer gelebt und ich... Ich hatte gehofft, dass ich es heute noch pünktlich schaffe, komplett aufzuräumen, bevor du wieder richtig aufstehst und dich im Rest der Bude umsiehst. Die letzten Tage hatte ich erst keine Lust, dann keine Kraft, dann wurde es immer mehr und wuchs mir vollständig über den Kopf und ich hab's ignoriert und, wie gesagt – eben auf heute verschoben, und... Ach!“, erklärt Christopher und wirft frustriert die Hände in die Luft. „Ich habe es jedenfalls nicht absichtlich verursacht, damit du es aufräumst. Ich bin einfach nur furchtbar unordentlich. Okay?“

 

Auch wenn ich durch Christophers Ausführung jetzt verstehe, warum ich die vorigen Tage nichts von dem Dreck mitbekommen habe, liefern seine Worte dennoch keine richtige Erklärung für das große Ganze, deswegen entweicht automatisch ein verwirrtes „Hä?!“ meinen Mund. Denn ich kenne diese Wohnung seit mehr als zwei Jahren nur in einem Zustand: „Deine Bude ist, seitdem ich dich kenne, immer penibel aufgeräumt. Also... Was erzählst du mir hier plötzlich, dass du unordentlich bist...? Wie... Was... Hä?!“

 

Christopher räuspert sich und ein Blinder mit einem Krückstock könnte erkennen, wie unangenehm ihm dieses Gespräch gerade ist und dass... er sich schämt.

 

„Ja, also...“, kommt es unsicher und langgezogen von Christopher und er fängt an, das Muster der Bettwäsche mit seinem rechten Zeigefinger nachzuzeichnen und auf seiner Unterlippe zu kauen. Fasziniert und irgendwie auch ein wenig fassungslos betrachte ich meinen Master, der gerade wie keiner wirkt. „Meine Wohnung war immer so sauber, weil... ich eine Putzfrau hatte“, rückt er dann endlich mit der Sprache raus.

 

Ich brauche einige Sekunden, um diese Information aufzunehmen.

 

„...ähm... okay...“, entgegne ich dann langgezogen und weiß im ersten Moment nicht so richtig, was ich mit dieser Beichte anfangen soll, und was sie eigentlich gerade in mir auslöst. Momentan kann ich eigentlich nur einen klaren Gedanken richtig zu fassen kriegen, der dann ungehalten meinen Mund verlässt: „Ich ersetze eine richtige Putzfrau?!“

 

„Du ersetzt überhaupt nichts!“, antwortet Christopher barsch. „Hör auf mit dem Schwachsinn!“

 

„Wer war sie?“, höre ich mich unmittelbar fragen, seine letzte Äußerung ignorierend.

 

Christopher seufzt. „Brigitte.“

 

Die Rädchen in meinem Hirn fangen an zu Arbeiten. „Brigitte? Die Brigitte? Kanzlei-Brigitte? Die nette pummelige Mutti mit grauenhafter Dauerwelle, die dein Büro putzt?“

 

„Ja.“

 

„Okay... Und... Scheiße, hast du sie auch das Spielzimmer putzen lassen?!“

 

„Quatsch, natürlich nicht! Der Raum war immer abgeschlossen, sie hat keine Fragen gestellt und den Rest der Wohnung immer gewissenhaft geputzt. Zwei Mal in der Woche.“

 

„...und wie kann das sein, dass ich sie über zwei Jahre lang nicht ein einziges Mal in deiner Bude gesehen habe?!“

 

„...ich habe die Termine immer so mit ihr gelegt, dass ihr euch nicht über den Weg lauft...“

 

„...und damit du dann so tun kannst, als hättest du selbst die Wohnung geputzt, um mich dann was Sauberkeit angeht zu belehren, ja?“, beende ich etwas überspitzt seinen Satz und Christopher errötet, während ich mich abermals frage, woher diese ganzen Worte überhaupt kommen.

 

„...ja...“, gibt mein Freund dann in leicht genervtem Ton zu.

 

Mein Herz macht einen unschönen Sprung in meiner Brust. Ich erwidere knapp mit einem „aha“ und weiß dann wieder nicht mehr, was ich dazu sagen soll.

 

„Ich hab sie eingestellt, als das mit uns beiden losging“, fährt Christopher mit seiner Beichte fort.

 

„...und sie hat hier gearbeitet bis wir zusammengezogen sind?“

 

„Ja.“

 

„Aha. Okay... Und warum hast du sie überhaupt gefeuert?“

 

Christopher mustert mich und scheint abzuwägen, mit welchen Worten er es mir wohl am besten erklären kann, ohne dass es so klingt, als würde ich seine Reinigungskraft tatsächlich nüchtern ersetzen.

 

„Zum einen natürlich, weil ich nicht zugeben wollte, dass ich eine Putzfrau habe. Mit dir hier fest in der Wohnung wäre es zu kompliziert geworden, Termine zu finden, sodass ihr zwei euch nicht über den Weg lauft“, gibt er reumütig zu und seufzt dann tief. „Zum anderen, weil, damit verbunden... ich einfach nicht will, dass hier eine fremde Person putzt, weil. Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber... Seitdem du mit mir zusammenwohnst ist das nochmal eine ganz andere Privat- beziehungsweise Intimsphäre für mich geworden. Noch intensiver, weißt du? Das ist halt... unser Nest. Und...“, er zuckt mit den Schultern und ich frage mich, ob er seine Plädoyers auch in diesem Stil hält. Denn wenn ja, ist er ein furchtbarer Anwalt. „Ich will, dass diese Wohnung unser geschlossener Bereich ist, wo niemand seine Nase reinzustecken hat, verstehst du? Eine Art geschützter Raum, wo es nur uns beide gibt.“ Ich nicke und warte immer noch auf eine weitere Erklärung, und als er sie mir nicht gibt, lege ich ihm die Worte halt wieder selbst in seinen Mund.

 

„Und weil ich jetzt kostenlos Brigittes Arbeiten übernehme.“

 

Christopher schnaubt und schüttelt erneut etwas genervt mit dem Kopf. „Wenn du das so formulierst, hört sich das natürlich scheiße an“, meckert er, „aber Niko: Wir hatten einen Deal. Du zahlst keine Miete, dafür putzt du die Wohnung – als mein Sklave, nicht als meine Reinigungskraft!“ Er macht eine kurze Pause, in der er mich intensiv mustert und ich mein emotionales Chaos gar nicht mehr ordnen kann. „Weißt du eigentlich, wie sehr mich das anmacht, dir beim Putzen zuzusehen?“, fragt er mich dann mit milder Stimme, die mir sofort unter die Haut geht. „Ich liebe deinen Gesichtsausdruck, wenn ich deine Arbeit kritisiere und du nochmal von vorne anfangen musst. Ich liebe es, dich auf diese Weise im eigentlich super langweiligen Alltag zu dominieren und gewissermaßen zu bestrafen. Und es ist doch mein gutes Recht als Herr, meinen Sklaven auf jede erdenkliche Weise auszunutzen. Oder nicht? Und du hast doch selbst schon so oft gesagt, dass du diesen Teil deines Sklavenlebens genießt.“

 

Ich nicke automatisch. Denn: Mein Master hat ja wieder recht mit dem, was er da sagt.

 

„Ob du jetzt meine Fußbank bist, mein Hündchen, das ich stolz auf Partys an der Leine vorführe, oder eben meine Putze – du machst das alles nicht als anonymer Dienstleister, sondern als mein Sub. Oder nicht?“

 

Ich nicke abermals, auch wenn seine jetzigen Erklärungen diesen seltsamen Zorn nicht gänzlich hinfort fegen.

 

„Dich als meinen festen Freund würde ich niemals ausnutzen. Nie“, beteuert er und ich muss schlucken und kann nichts darauf antworten. „Niko...“, setzt Christopher mit durchdringender Stimme wieder an. „Ich will in allererster Linie mit dir zusammenwohnen, weil ich dich liebe. Ist dir das denn plötzlich überhaupt nicht mehr bewusst?“

 

Ich beiße mir auf die Zunge und fühle mich für einen kurzen Moment selbst wie ein Kind. Ein anstrengendes, das ohne wahren Grund rumschreit und nörgelt und meckert und mit allem unzufrieden ist und dann nicht weiß, wie es aus dieser Situation wieder rauskommt. „Doch...“, nuschel ich, und kann ihm dabei trotzdem nur kurz in die Augen sehen.

 

„Und ich kann dir nicht oft genug sagen, wie glücklich ich bin, dass ich mit dir diese ganz besondere Art der Beziehung führen kann“, fährt er besonnen fort.

 

Ein Teil von mir möchte lächeln und ihm antworten, dass es mir genauso geht und diese dämliche Auseinandersetzung endlich beenden. Es gibt da nur ein Problem: Diesen emotionalen Zwist.

 

Da wäre zum einen der amüsante Aspekt: Dass dieser ach so feine Herr, der seine Nase rümpft, wenn er nach meinen Haushaltspflichten irgendwo noch ein Körnchen Staub findet, in Wirklichkeit ein kleiner Drecksspatz ist. Dem gegenüber steht allerdings der nicht ganz so wohlschmeckende Teil: Die Erkenntnis, dass Christopher mir gewissermaßen etwas vorgemacht hat, indem er etwas verschwiegen hat; und damit verbunden noch ein Gedanke, den ich fieberhaft versuche, in den Hintergrund zu drängen. Doch dieser Bastard will nicht weichen, kämpft sich immer wieder in den Vordergrund. Bis er sich dort festsetzt.

 

Das Bild meines harten und süffisanten Masters hat einen kleinen Riss erlitten.

 

Herr und Dreckspatz – das passt doch nicht, flüstert eine kryptische Stimme in meinem Innern und macht mich darauf aufmerksam, dass das hier ist eine ganz andere Sache ist als Christophers schwachen und unschönen Momente während seines Krankseins. Eben weil sein Dasein als Dreckspatz nichts mit einer Ausnahmesituation zu tun hat, sondern alltäglich und fest verankert in seinem Charakter ist.

Und das gefällt mir nicht.

 

Außerdem hat Christophers Erzählung weitere Fragen mit sich gebracht, und obschon ich weiß, dass jetzt eigentlich der beste Zeitpunkt wäre, dieses Gespräch erst einmal zu unterbrechen und mir selbst Zeit zu geben, das alles zu verdauen, und vor allem gesund zu werden, öffne ich meinen Mund.

 

„...warum hast du Brigitte erst eingestellt, als das mit uns beiden losging?“

 

Christopher holt Luft und starrt den Nachttisch an, während er mir mit angestrengter Stimme antwortet. „Mir ist das unheimlich peinlich, dass ich so unordentlich bin und es... passt halt nicht so wirklich ins Bild, das ich dich habe von mir von Anfang an zeichnen lassen. Ich meine... Ich wollte keine Schwäche zeigen... und... Weißt du, ich sehe doch gerade, wie du mich jetzt plötzlich ansiehst...“, sagt er bitter und lässt dabei kurz seinen Blick zu mir huschen; seine betrübten Augen versetzen mir einen Stich ins Herz. Ich fühle mich ertappt; mir war gar nicht bewusst, wie sehr mir meine Emotionen ins Gesicht geschrieben stehen.

 

Im Grund genommen weiß ich, wie dämlich das mit dem „Riss“ in seinem herrischen Bild ist. Ich betone doch immer selbst, dass Christopher zwar ein harter Master ist – aber eben auch nur ein Mensch; mit guten, aber eben auch schlechten Seiten. Er ist mein Dom, aber eben auch mein Partner. Und vor wenigen Tagen habe ich ihm selbst mehr oder minder vom geteilten Alltag ohne jegliche Masken gepredigt und mich drüber gefreut, die ungeschminkte Wahrheit zu erblicken. Warum kann ich meiner eigenen Vernunft nicht heute Platz machen und sie die Kontrolle übernehmen lassen? Warum nur bricht die Wut heute so dermaßen durch mit mir? Ich verstehe es nicht, agiere einfach instinktiv.

 

„Davor“, unterbreche ich und bin selbst ein wenig überrascht, wie frostig ich eigentlich klinge. „Hast du einfach in einem Saustall gelebt – oder wie soll ich mir das vorstellen?“

 

Wie war es, als du mit Adrian zusammengewohnt hast? War er auch deine Putze?

 

Ich schlucke und Christopher seufzt tief, fährt sich mit beiden Händen durch sein Gesicht.

 

„Niko... Ich glaube, das ist genug Gerede für heute, wir sollten...“

 

„Sag es mir!“, schreie ich ihn an und unterbreche ihn.

 

Mein Freund sieht mich leicht erschrocken an. Dann wendet er schon wieder den Blick von mir ab und starrt dieses Mal einfach in die Ferne. „...ich weiß nicht, ob du das hören willst...“, bringt er schließlich über die Lippen und das Blut rauscht in meinen Ohren.

 

„...sag es mir...“, wiederhole ich meine Worte, dieses mal etwas leiser und mit heiserer Stimme; obschon ich mir jetzt wirklich nicht mehr so sicher bin, ob ich das wirklich hören will.

 

Mein Freund seufzt und sieht mich auch nicht an. „Ich hatte Putzsklaven.“

 

Es vergehen einige Sekunden, in denen niemand von uns etwas sagt. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und meine Gefühle fahren jetzt in einer überdimensional großen Achterbahn mit Dauerlooping und null Sicherheitsvorkehrungen.

 

Was zur Hölle, Niko Klaas – schimpfe ich innerlich mit mir selbst.

 

Mir ist doch eigentlich klar, dass Christopher ein Leben vor mir hatte. Eines, das BDSM involvierte. Für mich sind die Tore dieser Welt erst durch ihn geöffnet worden. Aber er hat dort schon jahrelang vor mir verweilt und Dinge ausprobiert, ausgelebt; mit anderen Männern.

 

Mit Adrian zum Beispiel.

 

Warum bin ich plötzlich so schockiert?

Ich merke gar nicht, dass ich kalt auflache.

 

„Da lief nichts, Niko. Ich habe sie nicht einmal richtig angerührt, wir hatten keinen Sex, geschweige denn eine Beziehung“, wirft Christopher umgehend im aufgewühlten Ton ein und ich frage mich, warum ich zulasse, dass mein Freund sich plötzlich beginnt für Dinge zu rechtfertigen, für die er sich gar nicht rechtfertigen muss, da sie in der Vergangenheit liegen, in der er noch nicht einmal einen blassen Schimmer von meiner Existenz hatte; warum ich das Gespräch nicht abbreche, sondern ihm weitere Fragen stelle. Warum mich das alles plötzlich doch so brennend interessiert, obschon ich vor wenigen Tagen noch das Gegenteil behauptet hatte.

 

Sie? Wie viele waren es denn?“, hake ich mit gepresster Stimme nach und stiere unsere Kommode an.

 

„Zuletzt zwei“, antwortet Christopher sachte, „haben jeweils ein Mal die Woche hier sauber gemacht.“

 

„...nackt?“

 

Mein Freund seufzt. „...manchmal... Oft auch in Lack- und Latexoutfits... Sicher, dass du das alles hören willst?“ Christopher klingt besorgt und ich frage mich, ob ich gerade so eine Art Selbsttortur betreibe. Denn eigentlich will ich doch genau nichts davon hören – und gleichzeitig einfach alles erfahren. Woher kommt das nur plötzlich?!

 

„...und die sind also nur hierher gekommen, um zu putzen, oder was?“, hake ich nach.

 

„Ja. Es ging wirklich nur darum.“

 

„...das heißt, du hast sie dabei beobachtet?“

 

„Ja.“

 

„Und dann wie bei mir eine Endabnahme gemacht?“

 

„...ja...“

 

Ich schlucke.

 

„Und was genau meinst du mit nicht einmal richtig angerührt?“, höre ich mich schon als nächstes fragen und weise mein Herz an, endlich mit diesem nervigen Radau aufzuhören. Schade nur, dass ich so wenig Durchsetzungsvermögen besitze: Es hört nämlich nicht auf mich.

 

„...ich habe sie natürlich bestraft, wenn ich nicht zufrieden mit dem Resultat war...“

 

„...im Zimmer...?“, hake ich nach und meine Stimme ist kaum mehr als ein angestrengtes Hauchen, weil sich meine Kehle zuschnürt.

 

„Nein“, antwortet Christopher bestimmt und mir fällt ein kleiner Stein vom Herzen, weil der Gedanke daran, dass mein Freund sich dort mit seinen Putzsklaven amüsiert hat, die ihm offenbar nichts bedeuteten, mir einen ganz schön heftigen Stich versetzt hat. „Ich hab's dir ja schon öfter gesagt: Dieser Raum hat eigentlich nur auf dich gewartet...“

 

Seine Worte klingen ehrlich und ich weiß, dass er es auch so meint. Dennoch stimmen sie mich im Augenblick nicht wirklich zufrieden.

 

„Und wie hast du sie bestraft, ohne sie wirklich anzufassen?“

 

„...ich habe nie meine blanke Hand benutzt, sondern stets ein Schlaginstrument, wenn es überhaupt so weit gekommen ist. Einer von ihnen wollte fast nur verbal bestraft werden oder hat Freude daraus gezogen, wenn er als Strafe beispielsweise eine ganze Stunde nackt im Raum auf dem kalten Boden knien musste. Ein anderer wollte tatsächlich nur Putzen, in gewissen Outfits, und von mir dabei betrachtet sowie angewiesen werden, nichts weiteres. Zu... sexuellen Handlungen ist es mit keinem einzigen gekommen. Auch zu keiner weiteren persönlichen Beziehung: Es ging wirklich nur um das Putzen.“

 

„...und es hat dich angemacht?“

 

Christopher schluckt. Dann bringt er ein leises und leicht heiseres „ja“ zustande und ich würde am liebsten etwas zerstören.

 

Ich kann diese Bilder von fremden nackten Männern, die mein Bad, mein Wohnzimmer, mein kleines Horror-Paradies, meine Küche putzen nicht aufhalten: Sie durchfluten mein Hirn und machen mich... furchtbar wütend; obschon ein großer Teil meiner weiß, dass das Schwachsinn ist.

 

Warum zur Hölle bin ich plötzlich so scheiße eifersüchtig?

 

Ein eiskalter Schauer läuft meinen Rücken hinab, als meine Gedanken zurück zu Brigitte kehren.

 

„...du sagtest, du hast Brigitte eingestellt, als das mit uns beiden losging... Welchen Zeitpunkt genau... meinst du damit? Als wir uns kennengelernt haben, oder erst... als wir zusammengekommen sind?“

 

Christopher seufzt und alles zieht sich in mir zusammen. „Ich habe diese Relationen an dem Abend beendet, als du mich wegen dieses... Scheiße, wie hieß der nochmal... Ach ja: Georg. Als du mich wegen Georg versucht hattest abzuservieren beziehungsweise zu provozieren, und ich dein kleines Date unterbrochen habe. Erinnerst du dich...?“ Natürlich erinnere ich mich. „Ich hatte dich an jenem Abend gefragt, ob du mehr wolltest; und mit deinem Ja war für mich absolut klar, dass es nur noch dich für mich geben würde.“

 

Eigentlich sollte diese Bemerkung Wärme in meinem Innern auslösen. Doch da ist nur Frost.

 

Mir hatte Christopher damals quasi einen Vorwurf aus der Sache mit Georg gemacht. „Ich dulde keine Nebenbuhler“, hatte er gesagt – während er selbst zu diesem Zeitpunkt zwei Putzsklaven unter seinem Kommando hatte. Und auch wenn diese Männer nicht seine Partner waren, sind sie ja doch irgendwie Teil seines Lebens gewesen, während ich mich tatsächlich nur auf ihn fokussiert hatte. Georg war nichts anderes als eine Provokation gewesen, wie Christopher es ja schon selbst formuliert hat.

 

Mir wird irgendwie furchtbar schlecht, als ich an die allerersten Zusammentreffen mit Christopher bis zu jenem Abend denke und mir vor Augen halten muss, dass während all dieser Events diese zwei Putzsklaven Teil seines Umfelds waren. Und mit der Übelkeit steigt auch meine Wut, die wiederum meinen Willen zur Selbstzerstörung zu befeuern scheint.

 

„War Adrian auch dein Putzsklave?“, spucke ich meinem Freund regelrecht giftig ins Gesicht, das dieser nun verzieht.

 

„....du willst jetzt nicht ernsthaft mit mir über Adrian sprechen...“, entgegnet mein Freund viel zu patzig; und genau das löst bei mir einen Vulkanausbruch aus.

 

„Ich will über nichts von dieser Scheiße sprechen!“, brülle ich ihn an und ignoriere dieses fürchterliche Ziehen in Hals und Brust. „Du hast doch mit diesem ganzen Mist angefangen, was beschwerst du dich jetzt?!“

 

Christopher presst die Kiefer aufeinander und starrt mich finster an.

 

„Was?“, zische ich nach einer Weile. „Sagst du jetzt gar nichts mehr, oder was?!“

 

Christopher sagt wirklich nichts mehr. Kopfschüttelnd steht er auf und hebt dazu auch noch die Arme in einer kapitulierenden Geste in die Höhe, als würde er mir sagen wollen: An dir ist Hopfen und Malz verloren. Dann verlässt er tatsächlich das Schlafzimmer und ich kann mich nicht daran hindern, ihm hinterher zu schreie: „Dann hau doch ab!“

 

In dem Moment, in dem er die Schlafzimmertür zuknallt, kann ich meine dämlichen Tränen nicht mehr zurück halten. Ich zittere am ganzen Leib und bin unheimlich wütend – aber vor allem verwirrt, komplett durcheinander, irgendwie verloren, kann meine Gedanken und Gefühle nicht ordnen.

 

Der Penistresor fühlt sich erneut so unfassbar deplatziert an und eine erneute Welle der Wut spült über mich. Ich springe auf, reiße die Schublade auf und greife nach dem Notfallschlüssel für den Käfig, will das Ding abreißen und Christopher am liebsten ins Gesicht schleudern; dann stocke ich und schlucke, und Tränen sammeln sich erneut in meinen Augen. Ich starre den mittlerweile verschwommenen Schlüssel in meiner Hand an und es zieht sich schmerzhaft in meiner Brust zusammen.

 

Ich kann das nicht tun.

Ich werde das nicht tun.

Denn ich habe plötzlich das Gefühl, dass ich mit diesem Schritt dieses besondere Band zwischen Christopher und mir vollkommen zerstöre würde – und ich kann mir im Moment ja nicht einmal erklären, warum ich eben so explodiert bin und warum ich mich fühle, wie ich mich derzeit nunmal fühle.

 

Ich lege den Schlüssel zurück in die Schublade und die Tränen fließen unkontrolliert meine Wangen hinab und ich erschrecke wegen meines eigenen lauten Schluchzens.

 

~~~

 

Ich habe keine Ahnung, wie lange ich heule, wie viel Zeit vergangen ist, bis meine Augen endlich wieder trocken sind und sich mein Organismus beruhigt, weil ihm schlichtweg die Kraft fehlt, weitere Tränen zu produzieren, mein Hals von dem ganzen Geheule schmerzt und die Müdigkeit aufgrund meiner wirren Gedanken mich übermannt; irgendwann drifte ich einfach ab und leide Höllenqualen in einer ganzen Reihe von Alpträumen, in denen irgendwelchen fremden Männer auftauchen und Christopher mir erklärt, das seien seine neuen Partner, und in denen Kilian und Martin und Holger und der ganze Rest des Stammtisches mich plötzlich hassen und mir den Rücken zukehren. Grässliche fiktive Realitäten, in denen ich komplett allein zurückgelassen werde.

 

Als ich am nächsten Tag mit dröhnenden Kopfschmerzen erwache und die Reste dieser nicht realen Szenarien sich noch in meinen Gedanken abspielen, wie die Erinnerungen an einen Film, den man erst kürzlich im Kino oder Fernsehen gesehen hat, ergibt das in der Nacht durchlebte langsam einen Sinn. Ebenso wie meine dämlichen Reaktionen, meine Vorwürfe, meine wüsten Beschimpfungen, meine Eifersucht.

 

Nach einer Dusche, einem Frühstück in einer wirklich extrem sauberen Küche und einem großen Becher Kaffee sieht die Welt ganz anders aus. Und ich schäme mich.

 

Dass ich so wütend auf Christopher geworden bin – das war ein dämliches Resultat meiner Krankheit. Mein Freund hatte absolut recht mit seiner gestrigen Aussage: Ich war ausgelaugt und deswegen unheimlich gereizt, wütend, und habe das einfach an ihm ausgelassen. Die Details über die Männer in seiner Vergangenheit gepaart mit seiner Beichte haben mich nur noch wütender werden lassen – und erst jetzt wird mir bewusst, warum eigentlich.

 

Weil ich noch nie einen Mann so sehr geliebt habe wie Christopher.

Nein, falsch.

Weil Christopher der erste Mann ist, den ich liebe.

 

Die Beziehungen davor waren oberflächlich und die spärlich ausgetauschten Liebesbekundungen nicht wirklich ernst gemeint; ich hatte das obligatorische „ich liebe dich auch“ nur gemurmelt, weil ich es eben als Verpflichtung empfunden hatte und ich keine Kompliktionen wollte. Wie zum Beispiel mit Marcel, den ich nach dem Aufeinandertreffen mit Christopher weggeworfen hatte wie ein benutztes Taschentuch. So viel zur vermeintlichen Liebe zu diesem Mann.

 

Bei Christopher ist es ganz anders. Wenn ich ihm diese Worte sage, dann meine ich es absolut ernst. Jede Faser meiners Körper sehnt sich nach ihm. Ein Leben ohne ihn kann und möchte ich mir nicht vorstellen – und genau das ist der Knackpunkt. Mit unserem Zusammenziehen sind wir einen so wichtigen Schritt Richtung gemeinsamer Zukunft gegangen und ich glaube, dass ich das erst jetzt so wirklich kapiere, was das bedeutet, und was das auch für Risiken birgt. Christophers Verflossene machen mir deutlich, dass die Beziehung zu ihm ein Ende haben könnte – eben weil Beziehugen zu ihm in der Vergangenheit gescheitert sind. Vor allem die Partnerschaft mit diesem Adrian, mit dem Christopher auch zusammengewohnt hatte.

 

Vor unserem Zusammenzug habe ich unsere Beziehung zwar auch als extrem intensiv empfunden, aber im Vergleich zum gemeinsamen Heim ist sie in meinem Kopf irgendwie... harmloser gewesen. Ich habe nicht einen einzigen Gedanken an die Ex-Freunde und Ex-Sklaven von Christopher verschwendet, doch jetzt ist das plötzlich anders. Weil mir erst jetzt bewusst geworden ist, wie emotional und in gewisser Weise auch finanziell ich abhängig von ihm bin. Einfach ausgedrückt: Seit dem wir zusammenwohnen und diesen durchaus ab und an grauen und von Zickereien gespickten Alltag teilen, ist die Angst, ihn irgendwann zu verlieren, größer geworden. Und natürlich auch der Drang, alles über sein Leben zu erfahren; wozu nunmal auch die verflossenen Liebschaften gehören. Und das beides zusammen, plus die Gereizheit wegen des Krankseins, ist – wie von mir kläglich bewiesen – eine explosive Mischung.

 

Ich frage mich, was all die Beziehungen davor hat scheitern lassen – weil ich nicht denselben Fehler machen will. Weil ich unter anderem nicht möchte, dass er sich irgendwann gelangweilt von mir fühlt. Noch ist alles neu: Schließlich bin ich der erste Mann, mit dem er eine 24/7-Beziehung führt, noch dazu in einer gemeinsamen Wohnung. Aber wenn ich der erste bin... bin ich dann einfach nur Nummer 1 in einer Reihe von Versuchen, die noch kommen werden? So wie Adrian die Nummer 1 in der Reihe „Zusammenwohnen“ gewesen ist?

 

Ich seufze laut und streiche die wenigen Tränen weg, die sich wieder in meinen Augen gesammelt haben. Um mich kurz von diesen Gedanken abzulenken, greife ich zu meinem Handy und möchte es am liebsten gegen die Wand schleudern. Christopher hat mir keine einzige Nachricht zukommen lassen und es ist schon Nachmittag. Eigentlich sollte die Tatsache, dass mein Freund mich nach meinem Verhalten ignoriert, nicht wundern. Doch es schmerzt trotzdem. Nicht einmal nach der Einname meiner Tabletten hat er sich erkundigt.

 

Ungefähr vier Mal beginne ich, eine Nachricht an ihn zu verfassen, doch alles, was ich schreibe, hört sich irgendwie lächerlich an und im Grunde genommen weiß ich gar nicht, womit ich anfangen soll und frage mich, ob es nicht eh klüger wäre, mit ihm persönlich zu sprechen.

 

So vergehen Stunden, in denen ich Tee trinke und mich immer wieder in meinen Gedanken verliere, die ich versuche, in meinem Sklavenbuch irgendwie festzuhalten. Ich erschrecke richtig, als ich plötzlich unsere Haustür ins Schloss fallen und Christopher durch den Flur in die Küche gehen höre.

 

Ich erhebe mich und will direkt zu ihm eilen, doch meine Glieder gefrieren in ihren Bewegungen und mir fällt auf, wie sehr mein Herz klopft, wie nervös und ängstlich ich plötzlich bin; wie mein Organismus alles blockiert. Ich schlucke und lasse mich langsam wieder aufs Sofa nieder, lausche, warte, höre die Uhr ticken, Christopher in der Besteckschublade wühlen. Minuten fühlen sich an wie Stunden und meine Kehle wird ganz trocken.

 

Ich halte die Luft an, als Christopher nach dieser gefühlten Ewigkeit mit unserem größten Serviertablett bewaffnet das Wohnzimmer betritt. Der Duft der mitgebrachten Pizza steigt mir sofort in die Nase.

 

„Salami für dich, Pepperoni für mich“, lautet Christophers nüchternes Hallo, als er das Tablett auf dem Wohnzimmertisch abstellt und mir dann den Teller mit meiner italienischen Köstlichkeit vor die Nase schiebt, die heute tatsächlich nicht verlockend auf mich wirkt. Mein Freund schaut mich nicht einmal direkt an, knipst den Fernseher an und nimmt einen großen Schluck Rotwein.

 

Das Schweigen zwischen uns erdrückt mich fast nach einer Weile und ich kriege keinen einzigen Bissen runter, während mein Freund seine Pizza beinahe im Rekordtempo vertilgt. Der Film, ein deutscher Thriller der mich zu sehr an eine schlechte Tatort-Folge erinnert, ist grässlich.

 

Christopher schenkt sich das zweite Glas Wein ein und wir haben immer noch kein einziges Wort gewechselt und mir wird bewusst, dass ich hier eigentlich die ganze Zeit nur darauf warte, dass er die Konversation beginnt. Denn das tut er meistens und ich reagiere nur. Doch heute muss es wohl anders laufen; nur weiß ich immer noch nicht, wie ich das anstellen soll, was ich sagen soll, um dieses frostige Eis zwischen uns endlich wieder zu brechen. Also greife ich nach dem Sklaventagebuch, das noch immer neben mir liegt und reiche es Christopher. Das ist auch der erste Moment dieses Abends, in dem mein Freund mir in die Augen sieht. Sein Blick wandert zum Buch in meiner Hand und er hebt fragend die Augenbraue.

 

„Ich weiß, es ist noch nicht Sonntag, aber...“, sage ich und finde keine Kraft, den Satz zu beenden.

 

Christopher reagiert nicht. Jedenfalls nicht verbal. Mein Freund stellt sein Weinglas beiseite, wischt sich die Hände mit einer Serviette ab und nimmt das Buch entgegen, lehnt sich zurück, schlägt es auf und beginnt zu lesen.

 

In den ersten Zeilen teile ich ihm mit, wie sehr ich mich für mein Verhalten ihm gegenüber schäme, und wie leid es mir tut, dass ich eine Grenze überschritten habe, die ich nicht hätte überschreiten sollen. Dass ich mir nicht erklären kann, wie ich ihn beschimpfen konnte. Ich offenbare ihm all diese Gedanken bezüglich seiner Ex-Partner und Ex-Subs, unseres Zusammenzugs, meiner damit verbundenen Ängste, und je länger Christopher liest, desto weicher werden seine Gesichtszüge. Als er das Buch zuklappt ist seine Miene fast schon etwas traurig. Er lächelt milde, als er mir seinen Kopf zuwendet.

 

„Darf ich dich in den Arm nehmen?“, fragt er mich dann mit zärtlicher Stimme und ich nicke. Einige Sekunden später finde ich mich in seiner starken Umarmung wieder und klammere mich regelrecht an ihn.

 

„...es tut mir leid...“, wispere ich heiser und genieße die Wärme seines Körpers an meinem.

 

Christopher haucht mir einen Kuss auf die Stirn und wischt die Minitränen, die schon wieder über meinen Augenrand getreten sind mit seinem Daumen weg. „Niko...“, raunt er dann und ein Teil von mir hat ein wenig Angst vor dem, was gleich kommt. Denn in meinem Eintrag habe ich ihm eine simple, aber für mich doch so wichtige Frage gestellt, die mich nach all der Grübelei nicht mehr verlassen wollte. Ich möchte wissen, warum er mich liebt.

 

Ich habe stets mein devotes Ich in den Mittelpunkt gestellt, wenn es darum ging, dass ich mir seiner Liebe sicher bin; die Tatsache, dass er mit mir diese extreme Form von BDSM ausleben kann. Und auch wenn das ein sehr großer Teil unseres Lebens ist, so ist meine Dasein als williger Sklave nicht alles – kann nicht alles sein, denn sonst... wäre ich austauschbar; und das wäre eine fürchterliche Erkenntnis, mit der ich nicht umzugehen wüsste. Genau das habe ich auch ins Buch geschrieben.

 

Ich spiele kein Schach, ich mag seine Musik nicht, ich kann mit Christophers Lieblingsbüchern nichts anfangen und ein wirklich intellektuelles Gespräch, so wie er sie oft mit Kilian oder Holger führt, haben wir eigentlich auch noch nie richtig gehabt... Also: Was sieht Christopher wirklich in mir? Seit unserem Zusammenzug hat diese Frage schon in meinem Unterbewusstsein Chaos gestiftet, in mir gebrodelt und ist letztendlich an die Oberfläche gedrungen.

 

„Warum machst du dir nur solche bescheuerten Gedanken?“, fragt mein Freund jetzt und lächelt leicht. „Hm?“ Ich presse die Lippen aufeinander und Christopher seufzt. „Es ist schwierig für mich, dir zu sagen, warum ich dich liebe. Es ist einfach so, weißt du?“, erklärt er dann und eine kleine Pause entsteht, in der er den mittlerweile ausgeschalteten Fernseher anstarrt und weit weg mit seinen Gedanken zu sein scheint. „Was mir von Anfang an imponiert hat, ist die Tatsache, dass du dein Ding durchziehst, egal was andere sagen oder machen; du schwimmst nicht mit dem Strom, auch nicht unbedingt dagegen – manchmal suchst du dir einfach andere Gewässer, oder du gehst über eine Brücke, völlig unberührt von den Massen“, sagt Christopher dann und sieht mir in die Augen. „Das kann nicht jeder, weißt du? Viele sagen, es sei ihnen egal, was andere Leute über sie denken, aber in vielen Fällen ist das einfach nur gelogen. Dir ist es wirklich egal. Und das ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die viel Kraft erfordert.“

 

Christophers legt seine Hand auf meinen Oberschenkel und er beginnt mich behutsam dort zu streicheln. „Ich mag es, dass du keine falschen Freundschaften schließt und keinen Wert auf einen breiten Bekanntenkreis legst, sondern wahre Freunde als wichtig erachtest, auch wenn es nur ein paar sind. Ich finde dein Faible für Horrorfilme niedlich und dass du niemals zugeben würdest, dass du nach den Streifen Angst allein im Dunkeln hast.“ Christopher kichert und ich laufe rot an, weil ich mir sicher war, das auch vor ihm ganz gut versteckt zu haben. Offenbar lag ich falsch. „Du bist eine ehrliche Haut und nimmst kein Blatt vor den Mund, du sorgst dich um mich, und natürlich siehst du verdammt gut aus“, fügt mein Freund amüsiert hinzu. „Ich liebe dich einfach, Niko. Wenn ich dich nicht lieben würde, denkst du das ganze 24/7-Konzept würde dann überhaupt funktionieren? Ich nicht.“

 

Diesen Gedankengang habe ich erst vor wenigen Tagen selbst ausgeführt. Seine Worte, eine Art der Bestätigung, bescheren mir deshalb eine angenehme Gänsehaut und lösen auch eine schöne Art von Herzklopfen aus. Eines, das nichts mit Nervosität oder Angst zu tun hat, sondern wie ein bekanntes und beruhigendes Lied auf mich wirkt; mir wird ganz warm und ich bin überzeugt, dass ich dümmlich lächele. Ich will Christopher gerade sagen, dass ich ihn auch liebe, aber mein Freund ist offensichtlich noch nicht fertig mit seiner Antwort.

 

„Falls es dich irgendwie beruhigt...“, fährt er vorsichtig fort und lächelt mich dabei sachte an, „der Gedanke daran, dass du in er Vergangenheit mit anderen Männern geschlafen, gekuschelt und sonst was gemacht hast, bringt mich auch dann und wann um – und wie du weiß auch ich, dass das vollkommen absurd ist.“ Christophers Hand verlässt meinen Oberschenkel und er verschränkt seine Arme vor der Brust, starrt wieder den Fernseher an und seine Miene verfinstert sich kurz. „Diesem Max aus der Bar würde ich am liebsten auch reinhauen.“

 

Mir gelingt es nicht, ein Glucksen zu unterdrücken und auch Christopher grinst mich kurz an, seine Gesichtszüge etwas entspannter. Doch dann seufzt er wieder und starrt nunmehr nachdenklich die langsam kalt werdende Pizza auf dem Tisch an. „Weißt du Niko...“, meint er, ohne mich anzusehen und klingt dabei irgendwie leicht gequält. „Die Wahrheit ist: Ich mache mir dann und wann auch ähnliche bescheuerte Gedanken wie du. Ich meine... Ich bin der allererste Mensch, mit dem du BDSM praktizierst, dein allererster Master: Du kennst nichts anderes. Ich frage mich, ob dir das nicht irgendwann langweilig wird mit mir, oder du dich einfach fragst, ob es auch anders geht, und du einen Drang wegen fehlender Vergleichsmöglichkeiten nach Abwechslung verspürst. So wie Leute, die schon mit Anfang 20 oder so geheiratet haben und sich nicht austoben konnten und das irgendwann nachholen wollen, weißt du...“ Christopher sieht mir wieder in die Augen. „Deine Reaktion auf Dominik war so ein Moment, in dem ich mich das gefragt habe.“

 

„Das war nur wegen der Uniform, Christopher!“, schießt es aus mir wie aus einer Pistole, weil es die Wahrheit ist und auch, weil ich irgendwie total überrascht bin von seinen gedanklichen Offenbarungen, seinen Sorgen, und dass er tatsächlich mit Dominik irgendwelch komischen Ängste verbindet.

 

„Und was, wenn es das nächste Mal anders ist?“, entgegnet Christopher ruhig. Ich kann nichts darauf antworten und mein Freund fügt dem hinzu: „Vielleicht auch, weil du mich plötzlich als zu schwach erachtest, aufgrund so einer Sache wie mit meiner Unordentlichkeit...?“

 

Ich beiße mir auf die Zunge und weiß nicht, was zu antworten ist. Auch meine Gedanken bezüglich des Risses habe ich ins Sklaventagebuch geschrieben, auf die mein Freund hier nun offenkundig Bezug nimmt.

 

„Ich bin zwar vorrangig dein Herr, aber das ganze ist eben eines: Ein Spiel“, fährt er ernst fort. „Das ist meine Rolle, die ich als Mensch spiele. Mir gefällt das auch nicht, wenn du meine Schwächen siehst, weil ich zum einen diese Rolle konsisten spielen möchte und zum anderen schon länger die Befürchtung hatte, dass einiges viellecht nicht gut bei dir ankommt. Eben weil ich dich, wie schon gestern erwähnt, ein explizit strenges, ja fast perfektes Bild von mir als Master habe zeichnen lassen. Nur bringt das Zusammenziehen eben mit sich – wie du ja vor ein paar Tagen eigentlich selbst gesagt hattest – dass du mich in Situationen erlebst, die mit meiner herrischen Rolle so gar nicht zusammen passen. Weil ich eben nicht perfekt bin und eben nicht nur dein Master. Aber gerade deshalb möchte ich ja, dass wir uns weiter entwickeln und unsere Beziehung auf die nächste Stufe bringen, die eben das Zusammenwohnen darstellt.“

 

Christopher macht eine Pause und Stille ümhüllt uns für diesen Moment. Ich weiß, dass er recht hat, sehe es doch eigentlich genauso. Ich wusste schon gestern, dass das ganze mit dem Riss ein großer Haufen Bullshit ist. Dennoch nagt es immer noch ein kleines bisschen an mir und ich hasse mich dafür.

 

„Erlaube mir, deine Frage jetzt an dich zu richten“, sagt er und schaut mir dabei tief in die Augen. „Was liebst du eigentlich an mir? Neben der Tatsache, dass ich dich dominiere?“

 

Ich blinzele und merke, wie schwer es tatsächlich ist, so eine simple Frage zu beantworten. Denn es ist wie Christopher schon zuvor gesagt hat: Es ist einfach so. Ich liebe ihn. Gefühle existieren oder sie existieren nicht. Dennoch bin ich ihm eine Antwort schuldig, denn auch er hat es schließlich geschafft, eine zu formulieren.

 

Meine Stille verunsichert ihn offenbar. Ich betrachte, wie er die Lippen zusammenpresst und seinen Blick dann von mir abwendet. „Unser Altersunterschied macht mir manchmal auch mehr Sorgen, als ich eigentlich zugeben will“, murmelt er plötzlich. „Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich nicht immer ganz mit dir mithalten kann. Wenn ich dich beispielsweise mit Frank oder Chiyo zusammen sehe oder du von Treffen mit ihr erzählst und eurer geteilten Passion für diese ganzen Horrorfilme und Games, die ich nicht verstehe, frage ich mich manchmal schon, ob ich mit einem Kerl mithalten könnte, der eben diese Hobbys auch teilt und ein Dom ist... Weißt du...“

 

Christophers Äußerungen hauen mich regelrecht um, und gleichzeitig erfüllt mich die eigentlich eher traurige Erkenntnis, dass auch er Ängste hat, mich zu verlieren, mit unheimlicher Freude. Weil das alles mir zusätzlich offenbart, dass ihm viel mir an liegt und dass es ihm ähnlich geht wie mir. Dass wir zwei verliebte Trottel sind, die sich bescheuerte Gedanken machen. Mein Freund sieht mich durcheinander an, als ich laut auflache, weil mich diese Erkenntnis trifft.

 

„Entschuldige“, meine ich und schenke ihm ein herzliches Lächeln. „Ich, ähm... Ich finde es nur irgendwie ein bisschen witzig, dass wir beide uns so sehr lieben und trotzdem irgendwie Angst haben, den anderen zu verlieren...“ Christopher erwidert mein Lächeln daraufhin vorsichtig und ich beuge mich vor und drücke ihm einen zarten Kuss auf seine Wange. „Ich liebe dich, weil...“, hole ich dann aus und baue mir meine Antwort aus dem zusammen, was einfach spontan Einzug in mein Hirn erhält. „Du einer der liebevollsten Menschen bist, die mir jemals begegnet sind. Du setzt dich für diejenigen, die dir nahe stehen, vor allem mich, mit allem ein, was du hast. Du... bist super zärtlich und aufmerksam. Du bist intelligent, einfühlsam und hast einen tollen Humor. Du denkst, du könntest nicht mit mir mithalten – aber ich glaube, dass du der einzige Mensch auf diesem Planeten bist, der mich eigentlich wirklich versteht. Faible für Horrorfilme hin oder her: Bei dir kann ich sein, wer ich wirklich bin, ohne dafür verächtliche Blicke zu ernten, und das bedeutet mir viel.“

 

Christopher lächelt mich mittlerweile versonnen an und dieser Anblick erfüllt mich mit purer Freude. „Ich glaube auch nicht, dass irgendwann so nen Andrang von 'ich hab voll was verpasst' haben werde, nur weil ich vor dir noch keinen anderen Master hatte, ehrlich nicht. Weil ich nämlich nicht daran glaube, dass jemand so abgefahren ist wie du. Und selbst wenn: Das werde ich eh nicht mitbekommen, weil ich sowieso nur dir meine Aufmerksamkeit schenke. Und das mit Dominik... Das war wirklich nur die Uniform. Klar sieht der Typ toll aus und so, aber... Niemand kommt an dich ran. Und egal was ich da so alles auf Partys oder im Netz sehe, ich denke eh immer nur daran, wie du das mit mir machst, oder wie du in solchen Klamotten aussehen würdest, verstehst du?“

 

Mein Freund nickt. „Mir geht es da genauso wie dir, Niko“, bestätigt er. „Ich glaube übrigens auch nicht, dass du mir langweilig wirst. Nein, ich bin sogar fest davon überzeugt, dass es nicht so sein wird. Ich war noch nie so fasziniert von jemanden, wie ich es von dir bin.“

 

Ich lächele, kann mich aber nicht davon abhalten, eine existenzielle Frage zu stellen: „...auch nicht von Adrian?“

 

Christopher seufzt, aber er lächelt dabei milde. „Ich war damals fasziniert von Adrian, ja, aber nicht ansatzweise so sehr wie von dir, okay?“ Ich nicke und mein Freund blickt mir lange in die Augen. „Wenn dich die Sache mit Adrian so sehr beschäftigt, kann ich dir alles über ihn erzählen...“

 

Nach diese Aussage bin ich nun wieder an der Reihe mit dem Seufzen und ein nervöses Kribbeln erfasst mich. „Das wäre wahrscheinlich besser“, teile ich meinem Freund mit und kann mir immer noch nicht so recht die Frage beantworten, ob ich das wirklich hören will.

 

„...weil du immer noch krank bist kriegst du heute von mir nur die kurze Version und du kannst später, wenn du wieder gesund bist, entscheiden, ob du die lange hören möchtest, okay?“ Ich nicke und muss schlucken, will Christopher nicht in die Augen blicken, wenn er von seinem Ex-Freund spricht, starre stattdessen sein Rotweinglas an. „Adrian war der erste Mann, mit dem ich BDSM praktiziert habe. Ich habe ihn kennengelernt, als ich gerade 18 geworden und noch ein dummer Teenager war, gegen meinen Vater rebelliert und mich ständig heftigst mit meiner Schwester und der Frau Mutter gestritten hab. Adrian hat mir geholfen, runterzukommen und viele Dinge zu verarbeiten. Wir waren zunächst nur Freunde. Dann irgendwann haben wir uns verliebt, er hat mir diese neue Welt gezeigt und wir sind letztendlich direkt zusammengezogen, als ich mit der Uni angefangen hab. Er hat mir geholfen, diesem toxischen Familienleben zu entfliehen - und das war verdammt gut und wichtig damals. Und warum das dann doch alls schief gegangen ist... Nun... Vor allem, weil unsere BDSM-Vorlieben irgendwann nicht mehr... kompatibel waren.“

 

„...was heißt das?“, hake ich heiser nach.

 

„Naja, Niko... 24/7...?“

 

„Oh...“, entgegne ich und muss ein wenig grinsen; weil ich mich Adrian überlegen fühle. Was natürlich wieder so ein dämlicher Schwachsinn ist, aber hey: Was soll's! Ich kann Christopher das geben, was er ihm nicht geben konnte, ha!

 

„Wir haben uns aber im Guten getrennt. Weißt du... Wir haben besonders in der Anfangszeit viel zusammen erlebt und das hat uns zusammengeschweißt. Deswegen haben wir immer noch Kontakt. Wir ticken ähnlich, weißt du...“, erzählt er mir und bestätigt damit meine zuvor geäußerten Annahmen über die Bindung zu Adrian.

 

„Ist Adrian... so alt wie du?“

 

„Er ist drei Jahr älter.“

 

„Er wohnt aber nicht in unserer Stadt, oder?“

 

„Nein.“

 

„Ah...“, mache ich etwas erleichtert und weiß dann erstmal wieder nicht, was ich dazu sagen soll.

 

„Ich hoffe...“, setzt Christopher dann wieder an und räuspert sich. „Ich hoffe, du denkst nicht irgendwie, dass da noch was zwischen Adrian und mir läuft oder laufen könnte. Wir sind wirklich nur Freunde. Unsere Beziehung liegt so lang zurück, dass er sich nicht einmal mehr wie ein Ex-Freund anfühlt. Okay? Ich will nur dich.“

 

Ich nicke und riskiere einen Blick in das Gesicht meines Freundes, der mich ganz zärtlich lächelt.

 

„...und was die Putzsklaven angeht... Es tut mir leid, dass ich dir das nicht vorher erzählt habe. Ich kann irgendwo verstehen, dass du dich betrogen fühlst. Aber zu meiner Verteidigung wiederhole ich nochmal: Sobald du mir versichert hattest, dass du mehr von mir wolltest, war ich dir gegenüber absolut loyal und habe andere Kerle nicht einmal angesehen, und das wird auch so bleiben.“

 

„Ach, Christopher!“, winke ich ab. „Ich hab's schon ins Buch geschrieben: Ich... Ich will nicht, dass du dich für etwas rechtfertigst, was vor meiner Zeit lag und... Da waren halt noch nicht zusammen. Ist schon irgendw okay. Blöd, aber okay. Ich kann dir keinen Vorwurf machen. Aber... Aber eine Sache ist da doch noch.“

 

„Was denn?“

 

...kenne ich diese Kerle?“

 

Mein Freund schüttelt den Kopf. „Nein.“
 

„...und die sind mir auch noch nie bei den Partys oder in der Gerte über den Weg gelaufen?“

 

Christopher zögert und mein Herz fängt wieder an wild in meiner Brust zu klopfen. „Naja... Über den Weg gelaufen ist der falsche Begriff. Einer von ihnen taucht ab und zu auf den Partys auf. Aber wir grüßen uns mit einem netten Kopfnicken und das war's.“

 

„...okay...“, sage ich und bin nicht gerade glücklich über die Tatsache. Ich weiß auch noch nicht so wirklich, ob mir Christophers im Grunde nur spärlich skizzierte Erzählung über seine Vergangenheit mit Adrian reicht.

 

„Redet ihr viel über damals?“, frage ich meinen Freund.

 

„Äh, ich rede nicht mit meinem Ex-Putzsklaven, wir nicken uns wirklich nur zu, und...“

 

„Nein, ich meine Adrian“, unterbreche ich den etwas verdutzt klingenden Christopher.

 

„Oh. Achso. Nein. Eigentlich nicht. Wir halten uns über das Leben des anderen auf dem Laufenden und führen eher so was wie Grundsatzdiskussionen oder halt Smalltalk. Ich erzähle ihm halt natürlich auch, was bei Stella und Co so los ist.“

 

„Die Leute vom Stammtisch kennen Adrian.“

 

„Ja. Ich kenne die Truppe auch schon sehr lang und ich habe ihnen mal, als wir uns über unsere Anfänge in der Szene gesprochen haben, die Geschichte von Adrian und mir erzählt. Und...“, Christopher stockt kurz. „Sie haben ihn auch kennengelernt.“

 

Ich blinzele. „Hat er dich besucht?“ Mein Freund nickt und mir wird wieder ein bisschen schlecht. „Besucht... ihr euch öfter?“, hake ich nach.

 

„Ähm. Nein. Nicht so oft.“

 

Diese unpräzise Antwort gefällt mir nicht und eine neue Angst wird in mir geboren. „Wie oft..“, fange ich an und meine Stimme bricht mir weg, ich muss mich räuspern und noch einmal neu ansetzen. „Wie oft... Nein, wann habt ihr euch das letzte Mal gesehen?“

 

Christopher zögert und ich spüre abermals ein Brodeln in mir, das mich zu sehr an das gestrigen erinnert. Aber meine Neugier ist zu riesig: Ich kann sie nicht bändigen. „Vor so... eineinhalbe Jahren.“

 

„Was?!“, japse ich. „Ihr... Ihr habt euch... hinter meinem Rücken getroffen?!“

 

„Ja... Und das tut mir leid, ich hätte es dir sagen sollen!“, entgegnet Christopher hastig. „Adrian hatte einen Geschäftstermin und wir haben uns auf einen Kaffee getroffen.“ Ich fühle mich unheimlich hintergangen. „Ich wollte nicht, dass du dir irgendwelche Gedanken machst, wir waren da ja gerade mal in halbes Jahr zusammen und alles war noch so zerbrechlich und... Adrian... Adrian war bis dahin nie ein Thema zwischen uns gewesen. Ich... Ich hatte ja ein paar mal Äußerungen in die Richtung von Ex-Beziehungen gemacht, aber du hast immer so abweisend reagiert, dass ich mir sicher war, du willst das nicht hören oder, dass... es dich einfach nicht interessiert.“ Ich presse die Lippen aufeinander und fluche innerlich. Denn: Mein Freund hat ja auch damit recht. „Also habe ich geschwiegen“, fährt Christopher fort. „Ich meine: Ich weiß ja, wie das rüberkommen muss. Hättest du einen Ex, mit dem du noch befreundet wärst, und hättest mir das am Anfang unserer Beziehung erzählt mit dem netten Vermerk 'ich treffe mich übrigens nächste Woche mit ihm', ich... ich wäre wahrscheinlich ausgetickt, und hätte dem nicht hundertprozentig Vertrauen schenken können; und ich wollte mir das nicht mit dir versauen, verstehst du?“

 

Ich seufze, schlucke erfolgreich meine Wut hinunter und nicke. Denn es ist die Wahrheit: Ich verstehe das echt. „Begeistert bin ich aber nicht davon“, füge ich hinzu und Christopher fährt sich unsicher durch sein blondes Haar.

 

„Verstehe ich ja“, meint er. „Tut mir wirklich leid.“

 

„...wenn er das nächste Mal in der Stadt sein sollte...“

 

„Werde ich es dir sagen“, beteuert Christopher eilig.

 

„Und ich werde mitkommen“, meine ich spitz und mein Freund nickt.

 

„Kein Problem“, meint er und irgendwie... beruhigt mich das. Obschon ich mir ehrlicherweise wünsche, dass es nicht zu dieser Situation kommt. Als ich sie mir gerade vorstelle, fällt mir auf, dass Adrian für mich immer noch ein Mann ohne Gesicht ist. Ich weiß gar nicht, wie er aussieht; und wieder fragt mich eine Stimme in meinem Innern, ob ich das wirklich wissen will. Offenbar schon, denn ich höre mich im nächsten Moment schon Christopher fragen:

 

„Hast du ein Foto von Adrian?“ Mein Freund greift nach seinem Handy und in mir steigt die Wut schon wieder explosionsartig hoch, sodass ein erneuter Vulkanausbruch droht. „Du hast nicht ernsthaft ein Foto von deinem Ex-Freund auf deinem Telefon...?!“, zische ich und Chrsistopher verdreht seufzend die Augen.

 

„Nein, habe ich nicht. Aber ich habe so eine App, die sich Facebook nennt, und auf diesem Facebook hat Adrian ein Profil. Und weißt du, was er da hat? Bilder von sich“, antwortet er etwas finster und ich fühle mich unheimlich blöd für einen Moment. Im nächsten, als mein Freund mir das Display vor die Nase hält, bin ich einfach nur baff. Und fühle mich richtig, richtig mies.

 

Adrian sieht tatsächlich so etwas aus wie unser Stammtisch-Neuzugang Andreas. Nur ist er natürlich älter und zu meinem Entsetzen deutlich... gutaussehender. Christophers Ex-Freund besitzt eine leicht schokoladigfarbene Haut, die einen vielleicht auch an Cappuccino denken lassen könnte. Seine braunen Augen erinnern an süßen Kakao und sein dichtes, leicht lockiges Haar ist beinahe schwarz. Kurzum: Ein heißer, maskuliner Italiener in einem sehr schicken Anzug Mitte 30. Ich möchte kotzen.

 

„Alles okay?“, fragte Christopher mich mit unsicherer Stimme und ich winke ungläubig den Kopf schüttelnd ab.

 

„Ich hasse Adrian“, entweicht es mir und mein Freund lacht kurz milde auf.

 

„Niko...“, raunt er dann.

 

„Du stehst auf Italiener?!“, schleudere ich ihm entsetzt ins Gesicht und mein Freund legt das Handy beiseite.

 

„Ich stehe auf dich“, sagt er dann lächelnd und mir in die Augen blicken.

 

„Adrian ist voll der eklige Prollo!“, lamentiere ich und Christopher lacht und schüttelt den Kopf.

 

„Wie gut, dass ich nicht mehr mit ihm zusammen bin, oder?“, kontert mein Freund und zieht mich im nächsten Augenblick wieder in seine Arme. Ich lasse das geschehen und lehne meinen Kopf gegen seine Schultern und klammere mich abermals an ihm fest. Christophers Hände streicheln mich behutsam. Seine Finger fahren zärtlich über meinen Nacken und haucht mir einen Kuss auf mein Haupt. Ich schließe die Augen.

 

„Das mit Adrian ist sehr lange her, Niko“, wiederholt er. „Du hast wirklich keinen Grund, eifersüchtig zu sein, okay? Ich liebe dich, wie ich auch noch nie jemanden zuvor geliebt habe. Wirklich.“

 

„...ich weiß...“, nuschele ich gegen seinen Hals und seufze.

 

Irgendwie bin ich ein wenig erleichert, dass ich jetzt mehr über diesen Adrian weiß. Auch wenn mir die Tatsache, dass ich jetzt dieses leider Gottes hübsche Gesicht – für das ich ihn abgrundtief verabscheue – vor Augen habe nicht unbedingt gefällt. Ich bin auch jetzt um ein weitere Erkenntnis reichen: Wie Christophers Putzsklaven hießen und wie sie aussehen will ich wirklich nicht wissen.

 

Mein Freund seufzt und drückt mich fest an seinen Körper.

 

„Weißt du...“, setzt er dann wieder an. „Der Weg zu unserem heutigen Gespräch war wirklich kein schöner. Aber offenbar war das mal bitter nötig, dass wir über unsere Gefühle und Ängste sprechen, findest du nicht?“ Ich nicke und hauche ihm einen kurzen Kuss auf seinen Kieferknochen. Christopher hält kurz inne. „Du bereust hoffentlich nicht, dass wir zusammengezogen sind... Oder?“, kommt es dann von ihm, als hätte dieses eben noch von ihm gepriesene Gespräch gar nicht stattgefunden, und ich möchte im ersten Moment laut auflachen. Doch als ich mich aufrichte und in Christophers Gesicht blicke, merke ich, wie zerbrechlich er eigentlich gerade aussieht und das bringt sein Herz fast zum Zerspringen und verwandelt meine Beine gleichzeitig zu Pudding, weil ich mich in diesem Moment einfach so geliebt und geborgen fühle.

 

Im selben Moment wird mir auch bewusst, dass dieser bescheuerte und vor allem vermeintliche Riss in Christophers herrischem Bild sich wieder fast gänzlich geschlossen hat. Denn mir wird klar, wie dämlich dieser Gedankengang eigentlich ist: Ich habe es Christopher ja eben selbst gesagt: Ich schätze es so sehr, dass mein Freund so zärtlich ist – und das ist auch im Dasein als mein Master ein so wichtiges Attribut. Dass er sich nach dem Spiel so hingebungsvoll um mich kümmert, mich wieder runterholt, mich auffängt. Ohne diese sanfte Seite, ohne seine Fürsorge, seinen weichen Kern, wäre er einfach nur ein kalter Sadist. Und das wäre grauenvoll.

 

„Ich bereue nichts“, antworte ich ihm deswegen. „Naja, außer all dem, was sich gestern abgespielt hat...“

 

„Naja, das haben wir ja jetzt geklärt, hm?“ Ich nicke und wir lächeln einander an. „Vielleicht sollten wir das öfter tun.“

 

„Was?“

 

„Reden. Über uns. Ich meine... Wir führen wirklich eine komplizierte Beziehung, Niko, und vielleicht sollten wir uns nicht nur so auf den Spielbereich konzentrieren. Du schreibst in dein Sklaventagebuch zwar auch zwagsläufig Triviales auf, aber wir haben uns lange nicht mehr hingesetzt und im Code Red halt über das gesprochen, was uns auf der emotionalen Schiene belastet.“

 

„Stimmt.“

 

„Dann reden wir jetzt mal öfter?“

 

„Gern.“

 

„Okay. Freut mich. Ich will, dass es dir gut geht.“

 

„Dito.“

 

„...was macht denn überhaupt deine Gesundheit?“

 

Ich seufze. „Ich fühle mich immer noch ziemlich schlapp.“

 

„Erkältungsbad?“, schlägt Christopher vor und ich nicke.

 

Mein Freund und ich reden nicht mehr viel an diesem Abend. Christopher hilft mir, mich bettfertig zu machen, lüftet unser Schlafzimmer und zieht in eben jenes für die Nacht wieder ein. Wir kuscheln lang und seine Umarmungen sind überdurschnittlich stark. Er streichelt meinen Nacken, meine Schultern, fährt mit seinen Händen meinen nackten Rücken entlang. Wispert in mein Ohr, wie sehr er mich liebt – und ich genieße jede Sekunde seiner Berührungen und keuschen Liebkosungen.

 

Ich habe eigentlich kaum noch Kraft und mein Bewusstsein ist auch schon mehrere Male halbwegs ins Traumland abgedriftet, aber eine einzige Sache liegt mir noch auf dem Herzen.

 

„Christopher...“, wispere ich, die Augen bleischwer und längst geschlossen.

 

„...hm...?“, kommt es ebenso leise von ihm.

 

„Code Green...?“

 

Er drückt sein Lippen auf meine Stirn und flüstert seine Bestätigung gegen diese. „Code Green.“

 

Dann schlafe ich ein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  G-Saite
2018-11-06T16:41:32+00:00 06.11.2018 17:41
Bin hin- und hergerissen, da ich diesen Streit zum Teil brutal kindisch fand, aber sie haben sich gefangen.
Von:  FSWriter
2018-07-23T10:03:02+00:00 23.07.2018 12:03
Ich habe die gesamte Story (also alle Kapitel) gerade innerhalb weniger Tage durchgelesen und dafür mein Privatleben sträflich vernachlässigt. Normalerweise gehöre ich nicht zu Leuten, die gerne Geschichten kommentieren oder Bewertungen abgeben, aber es war mir ein Bedürfnis, dir wirklich aus vollem Herzen zu danken! Was du mit Christopher und Niko geschaffen hast ist nicht einfach nur eine porn-story, sondern auch ein sehr bildhaftes Portrait einer Beziehung, deren Besonderheiten du ausgesprochen liebevoll eingefangen hast. Deine Erzählperspektive ist anspruchsvoll, wirkt aber immer natürlich und
Antwort von:  FSWriter
23.07.2018 12:13
lebhaft. Das bekommen nur wenige Autoren hin. Deine Spannungsbögen innerhalb der Kapitel, aber auch im Gesamttext sind sehr elegant und deine sprachlichen Mittel weißt du stilsicher einzusetzen. Die erotischen Szenen beschreibst du bildhaft, ohne je ins Obszöne abzugleiten. Alles in Allem hast du entweder eine unheimlich stark ausgeprägte Sprach-Intuition, oder bist professionell ausgebildet. In jedem Fall kann ich dir nur den (zugegebenermaßen ungebetenen) Rat geben, dem Schreiben treu zu bleiben. Die erotische Prosa braucht dringend mehr Autoren wie dich! Also nochmal: danke, dass du mir so viele fesselnde Lesestunden und prickelnde Fantasien geschenkt hast! Alles Gute für deine Zukunft!
Von:  CharlieBlade1901
2018-03-19T17:32:53+00:00 19.03.2018 18:32
Als ich gesehen habe du hast gepostet, hab ich sofort drauf gedrückt. Kaum wollte ich das Kapitel starten, seh ich nur kein Adult.
Von:  jyorie
2018-02-28T05:19:36+00:00 28.02.2018 06:19
Hallo (◕‿◕✿)

auf Mexx habe ich mich gewundert - das erste Kapitel ohne Adult? ... Okay, ich bin gespannt. Das war ein sehr langes Kapitel, aber auch eins, das mir echt gut gefallen hat.

Teilweise hatte ich ja echt Angst um Niko, so wie er sich da reingesteigert hat, weil Christorph nicht aufgeräumt hat und die Wohnung in so einem Schlimmen Zustand war. Und ich muss mal wieder meinen Hut vor Chris ziehen, das er so reagieren konnte und Niko nicht zusammengestaucht hat. Kranke Männer sind einfach anstrengend! Gut das er das auch umgedreht eingesehen hat. Und ich fand es war auch von ihm echte Größe, das er obwohl Niko ihm einiges an den Kopf geworfen hat dann am nächsten Tag tatsächlich sauber gemacht hat, ich glaub an seiner Stelle hätte ich mich zu sehr geärgert, als das ich mich dazu herabgelassen hätte nach so einem Anfall noch sauber zu machen, vielleicht hat Kilian ihm ja auch gut zugeredet. Wer weiß?!

Die Aussprache der beiden war gut, ich kann immer nur wieder stauen, wie scheinbar einfach es doch sein kann offen zu sein und das was man fühlt auch in Worte zu kleiden. Schreiben geht ja noch eher, aber aussprechen. Haben die beiden echt gut hinbekommen. Solche fragen ehrlich und aus dem tiefsten inneren zu beantworten ist gar nicht so einfach.

Ich bin gespannt wie es mit den beiden weiter geht, und ob Niko für seine Ausraster noch einen weiteren Denkzettel bekommt, oder ob es diesmal unter Überreizung abgebucht wird.

Viele Grüße, Jyorie

Von:  Tesla
2018-02-26T07:26:22+00:00 26.02.2018 08:26
Ich freu mich total über das neue kapitel. Ich finde diese Aussprache war lange überfällig. Eine berg und tal fahrt auch fur die leser, aber wirklich schön alles in allem. Man hat das gefühl das sie jetzt wieder etwas unbeschwertheit haben um weiter machen zu können. Ich freu mich übrigens auch das die Kapitel jetzt wieder öfter als einmal im jahr kommen. Das macht mic echt glücklich und ich bleibe gespannt und freu mich auf das nächste.
Von:  Pyrgus
2018-02-24T19:19:48+00:00 24.02.2018 20:19
Hallo,
endlich mal ein neues Kapitel. Und eines, wo die Beiden endlich mal die ganzen Mißverständnise, die sich so angesammelt haben abgearbeitet haben. Dadurch könnte die Beziehung auch ein wenig anders werden, denn jeder hat ja eine Vergangenheit und eine Persönlichkeit, die der andere kennen sollte, um Reaktionen im "Spiel" besser beurteilen zu können.
Durch dieses Kapitel habe ich, als Leser auch mehr Informationen von Christopher bekommen. Und das er doch nichtso rational ist wie er immer tut.

Liebe Grüße
von
Elea
Von:  KleineBine
2018-02-24T18:36:57+00:00 24.02.2018 19:36
Die zwei sind einfach pures Zucker.
Schon irgendwie niedlich das Christopher seine Bude nicht sauber halten kann XD.

LG Bine


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