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Wider Willen und Plan

Pokémon-Geschichte mit eigenen Charakteren.
von

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Feuer im Innern - Tau und Asche - Mikko

Kapitel 15, Teil 1: Feuer im Innern - Tau und Asche


 

Eljas rannte wie er noch nie in seinem Leben gerannt war. Seine Beine fühlten sich so unendlich schwer an, sein Herz schlug so schnell und laut, seine Lungen brannten. Bäume und Büsche schienen sich ihm aus purer Boshaftigkeit in den Weg zu stellen, das Dickicht war ihm noch nie so undurchdringlich dicht vorgekommen. Aber vielleicht lag das auch nur an der Dämmerung und seiner Erschöpfung. Dunkle, angesengte Strähnen seines sonst hellbraunen Haares hingen ihm schweißnass ins Gesicht, alles an ihm roch verbrannt. Er hustete, stolperte, drohte zu fallen – doch der Gedanke war erst halb gedacht, da hörte und spürte er die raschen Schritte Lohgocks hinter sich und zwei unfassbar starke Hände griffen nach ihm und hielten ihn aufrecht. Dabei musste das Pokémon selbst am Ende seiner Kraft sein.

Mit Lohgocks Hilfe schafften sie es bis an die Grenze des Waldes, wo das Blattwerk lichter wurde. Heller war es hier aber auch nicht, denn die Abenddämmerung war ein trügerischer, vergänglicher Moment, der nur allzu schnell der Nacht wich. Die klare, kühle Luft war Balsam für Eljas, dessen Mund zu lange nichts als Asche geschmeckt hatte.

Er ließ sich ins hohe Gras fallen, nicht in der Lage sich nur einen Moment länger auf den Beinen zu halten, so dass er aus der Ferne vollständig von den langen Grashalmen verborgen war. Seine Augen brannten noch vom Rauch und er blinzelte zu Lohgock auf, dem es auch nicht viel besser ging. Wer hätte aber auch ahnen können, dass es mitten in der Wildnis so unglaublich starke Trainer geben könnte! Und so rücksichtslose.

Er hatte es nicht gern eingesehen, aber der andere war ihm mit seinem Glurak haushoch überlegen gewesen. Also hatte er aufgegeben, als absolut klar war, dass Lohgock keine Chance hatte, den Kampf zu gewinnen. Dummerweise hatte den anderen seine Kapitulation nicht ein Stück interessiert. Er hatte sein Glurak hemmungslos weiter angreifen lassen, bis Eljas und Lohgock nur noch die Flucht als einziger Ausweg geblieben war. Wie Eljas es hasste wegzulaufen! Mit zwölf Jahren war er alles andere als unbesiegbar, aber strategische Aufgabe und Flucht waren einfach nicht das gleiche.

Trotzdem, er wusste, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, ein Blick auf Lohgock bestätigte ihm das. Die feuerroten Federn seines Pokémon waren an vielen Stellen schwarz wie Kohle, vor allen an Armen und Beinen, ganz zu schweigen von einer bösen Wunde am Rücken. Er setzt sich auf, woraufhin Lohgock sich neben ihn hockte. Der Trainer sah nur unwesentlich besser aus, manchmal hatte er das Gefühl gehabt, dem Glurak sei es recht egal gewesen, welchen der beiden es mit seinen Attacken traf. Aber Haare würden nachwachsen und er war sich relativ sicher, keine ernsthaften Brandverletzungen davon getragen zu haben, auch wenn ihm im Moment alles weh tat.

Er musste Lohgock in ein Pokémon-Center bringen. Mühsam rappelte er sich auf, bis er schließlich auf schwankenden Beinen stand. „Gott, Lohgock...“, murmelte er. Ihm war noch nie so schwindelig gewesen. Und er war so müde. „Lohgock?“, ihm wurde schwarz vor Augen und dann spürte er einfach nur gar nichts.
 

Er wusste nicht wie lange er geschlafen hatte, als er das nächste Mal aufwachte. Sein Gesicht war feucht und seine Kleidung klamm, aber nicht wirklich nass. Er wischte sich über die Wangen und seine Hände kamen schwärzlich verschmiert zurück. Tau und Asche.

Er musste sich nicht weit umsehen um Lohgock neben sich zu entdecken. Das Pokémon blickte geduldig auf seinen jungen Trainer hinab, ruhig, traurig und... reumütig? Schuldbewusst? Er konnte sich nicht erklären, was diese Gefühle bei Lohgock hätte auslösen können – sicher war es nicht des verlorenen Kampfes wegen, das war schwerlich auf einen Fehler des Pokémons zurück zu führen – aber gleichzeitig war er sich sicher, dass es genau das war.

Und plötzlich wurde ihm auch klar warum. Da war eine Verbindung zwischen ihnen, die vorher nicht da gewesen war, nicht so stark und klar. Doch es war mehr als eine bloße Synthese auf emotionaler Ebene, viel mehr. Lohgocks Feuer hatte sich wie eine Flammenwalze durch diesen Kanal zwischen ihnen gefressen und ihn so weit geöffnet wie nie zuvor. Und wenn sein Pokémon schwach war, dann zehrte es aus seinen, Eljas', Kraftreserven, deswegen fühlte er sich so schlapp und müde.

Es herrschte ein seltsames absolutes Verständnis zwischen ihnen, dass Worte jeder Art gänzlich überflüssig machte. Er wusste, dass ihre Verbindung etwas ungewöhnliches, aber nichts einzigartiges war. Der Trainer des Gluraks verfügte ebenfalls über diese Fähigkeit, die er auch noch weit geschickter zu kontrollieren verstand, was Glurak natürlich umso stärker machte.

Ihm schien es, als wüsste Lohgock, dass es zwischen ihren beiden Gegnern noch einen anderen Faktor gab, und was einer von ihnen wusste, teilte der andere sofort. Eljas hatte sich noch nie einem anderen Wesen so nahe gefühlt. Es war bizarr, aber nicht unangenehm.

Das vom Tau feuchte Gras hatte seine Kleidung durchnässt und die Sonne hatte sie getrocknet. Er hatte den gesamten Morgen und Vormittag nichts weiter getan als da zu liegen, in stillem Gedankenaustausch mit Lohgock. Erst als die Sonne ihren Höchststand erreicht hatte war seine innere Rastlosigkeit so weit gediehen, dass sie ihn unweigerlich weiter trieb. Zunächst in ein Pokémon-Center, dann zum Training und schließlich, unweigerlich und so unvermeidlich wie der Gang der Sonne, zurück zu jenem Gegner, der sie dieses Mal in die Flucht geschlagen hatte.
 

*
 

Manchmal war Eljas sich nicht sicher, ob seine Fähigkeit ihm gegenüber anderen Trainern nicht einen geradezu unfairen Vorteil gab. Denn obwohl seine Verbindung zu Lohgock bei weitem die stärkste war, war sie nicht auf es allein beschränkt. Je mehr er sich darauf konzentrierte und einließ, desto mehr schienen seine Gedanken und die seines Pokémons zeitweise zu verschmelzen, und wenn eines am Ende seiner Kräfte war konnte Eljas es mit mehr als nur Worten unterstützen. Das allerdings hatte seinen Preis, denn sobald das Adrenalin des Kampfes nachließ wurde er unglaublich müde.

Obwohl er in all seinen Gegnern danach suchte begegnete er nie wieder jemandem wie dem Trainer des Gluraks, der seine Fähigkeit teilte. Hätte er nicht diesen Beweis, dass es andere wie ihn gab, er wäre versucht zu glauben, dass er und Lohgock einzigartig waren. Und je stärker seine Verbindung zu den Pokémon wurde, je besser er lernte sie zu nutzen und je mehr Kämpfe sie gewannen, desto einsamer fühlte er sich. Nicht immer – sie waren ihm gute, treue Freunde – aber manchmal.

Und so schätzte er seine Freundschaft mit Jaska umso mehr. Aus irgendeinem Grund war er nie längere Zeit in Gesellschaft anderer Trainer geblieben, aber Jaska war auch kein gewöhnlicher Trainer. Er war talentiert und leidenschaftlich, so dass er Eljas' Training, das vielen zu extrem erschien, achtete und selbst daran wuchs. Er besaß vor allem Psycho-Pokémon, das allein sagte etwas über ihn aus: kaum eine andere Gattung verlangte ihrem Trainer schon für Übungen niedrigen Levels dieses Maß an Konzentration ab.
 

*
 

Eljas war froh, nicht mehr alleine zu reisen, daher irritierte es ihn, als er eines Morgens mit dem sicheren Gefühl erwachte, dass ihm ein Kampf bevorstand, den er alleine bestreiten würde müssen. Nun, nicht ganz alleine – er hatte immer noch seine Pokémon – aber Jaska würde kein Teil davon sein.

Noch vor Sonnenaufgang schlich Eljas aus dem Zimmer und verließ das Pokémon-Center, in dem sie die Nacht verbracht hatten. Er fühlte sich nicht wirklich wohl dabei, Jaska einfach so zurück zu lassen, aber genauso wie es ihn in die Kampfarena zog und wie er mit seinen Pokémon im Kampf verbunden war wusste er, dass es so sein musste.

Die kleine Stadt war im Wald gelegen, doch die ersten Ausleger des Gebirges waren nicht weit und bald erreichte er den Waldrand, wo die gemischten Laubbäume der felsigeren Landschaft und anspruchsloseren Gewächsen Platz machten. Inzwischen war es hell, aber der Himmel war grau und mit Wolken verhangen. Ein kräftiger Wind war aufgekommen und blies den Geruch von Regen und Gewitter vor sich her. Für einen Apriltag war es ungewöhnlich kühl, doch Eljas hatte sich schon lange nicht mehr kalt gefühlt. Die dünne rote Jacke hing locker um seine Schultern, ungeachtet der Temperaturen.
 

Seit seinem Kampf mit dem Trainer des Gluraks waren knapp zwei Jahre vergangen, und er hatte den anderen damals nicht wirklich genau angesehen, aber er hätte ihn trotzdem jederzeit wieder erkannt. Der junge Mann mochte um die sechzehn sein, schätzte Eljas als er ihn nun sah, seelenruhig auf einem der zahllosen Felsen sitzend. Als hätte er auf ihn gewartet.

„Du hast ja ewig gebraucht.“, begrüßte er Eljas spöttisch.

Gut, das beantwortete die Frage. Er hatte schlichtes, braunes Haar in einem militärisch kurzen Schnitt, trug eine Hose in Tarnfarben die ihm zu groß zu sein schien und ein ärmelloses weißes Shirt mit auffälligen schwarzen Rußflecken, die Eljas von seiner eigenen Kleidung kannte. Arbeit mit Feuer-Pokémon hatte ihre Auswirkungen auf Kleidung.

Er hatte einen Haufen Fragen, die der andere Trainer womöglich beantworten konnte, aber es war unwahrscheinlich, dass er Eljas diesen Gefallen tun würde.

„Weißt du, was das hier ist?“, erklang die verächtliche Stimme des anderen erneut, Eljas' Schweigen einfach übergehend. Erst jetzt fiel ihm das etwa Handtellergroße Objekt auf, das der andere in der Hand hielt, aber er konnte es nicht genau erkennen. „Ich nenne es 'Holzkohle', in Ermanglung eines besseren Namens.“, erklärte er, wieder ohne auf eine Antwort zu warten. „Aber es ist nicht annähernd so natürlich entstanden...“, bei diesen Worten stand er auf und griff mit der freien Hand nach einem Pokéball an seinem Gürtel, „...es ist pure Wissenschaft. So wie du und ich.“, und bevor Eljas darauf reagieren konnte hatte er sein Glurak gerufen und der markerschütternde Schrei zerriss die Stille, die bis dahin auf der Ebene geherrscht hatte.
 

Kapitel 15, Teil 2: Feuer im Innern - Mikko


 

Der Zweijährige quiekte vergnügt, als das Enekoro seiner Mutter ihn mit der Nase anstubste und liebevoll seinen Kopf gegen seine Stirn drückte. Er saß auf dem Schoß seines Vaters, der mit der einen Hand seinen Sohn hielt und mit der anderen sein Snobilikat hinter den Ohren kraulte, was das Pokémon mit lautem Schnurren quittierte. Der kleine Oskari liebte Picknicks, vor allem wenn sie dazu seine Großeltern besuchten und zusammen unter den blühenden Kirschbäumen saßen.

Eben öffnete seine Großmutter den mitgebrachten Picknickkorb, der das gemeinsam vorbereitete Essen enthielt. Es war noch früh am Vormittag und die Familie hatte den ganzen Tag Zeit, es zu genießen – wenn denn das Wetter mitspielte. Besorgt sah Oskaris Mutter zum Himmel auf. Es war bewölkt, aber laut Wetterbericht sollte es nachmittags aufklaren.

Ihr Vater, Oskaris Großvater, angelte sich ein Sandwich und sah sich suchend um. „Wo steckt denn Mikko schon wieder...?“, erkundigte er sich streng, woraufhin seine Frau ihn tadelnd ansah. „Wo soll er schon sein? Er wird im Wald spielen.“

„Ich hab ihm gesagt, er soll nicht zu weit gehen.“, warf die Mutter beruhigend ein, „Hier sind doch so viele Leute unterwegs, da wird es kaum aggressive, wilde Pokémon geben.“, erklärte sie und ihr Mann nickte zustimmend.
 

Ganz Unrecht hatte sie nicht. Der lichte Wald um die Stadt herum war ein beliebtes Ausflugsziel und Mikko begegnete keinen Pokémon, außer einigen scheuen Waumpel und rasch flüchtenden Trasla. Trotzdem machte es ihm Spaß den Wald zu erkunden, unter Büschen hindurch zu krabbeln und auf Bäume zu klettern. Picknick mit seinen Großeltern war eine unglaublich langweilige Prozedur, da gab es wirklich interessanteres.

Was genau, das wusste er auch nicht. Aber da war etwas, wie wenn man nach einem spannenden Traum aufwachte und sich nicht an ihn erinnern konnte – nur umgekehrt. Dieses Gefühl trieb ihn an, so dass er nicht einmal merkte wie die Zeit verging und dass er schon mehrere Stunden durch das zunehmend dichte Unterholz wanderte.

Die Bäume standen jetzt weit näher beieinander und einen richtigen Weg gab es schon seit längerem nicht mehr. Die Waumpel waren ihren weiter entwickelten Verwandten gewichen und er war so leise er konnte durch eine Kolonie von Panekon geschlichen. Erst, als er diese hinter sich gelassen hatte und sich mit klopfendem Herzen umsah, bemerkte er das Trasla, dass ihm vom Waldrand aus gefolgt sein musste.

So plötzlich entdeckt schreckte es mit einem wenig eleganten Satz zurück und purzelte geradewegs in ein stachliges Gestrüpp. Es zappelte und fiepte so unglücklich, dass Mikko es unmöglich als Bedrohung ansehen konnte. „Armes Kleines...“, murmelte er und begann, sich dem Pokémon langsam zu nähern, darauf bedacht es nicht noch weiter einzuschüchtern. „Alles okay, ganz ruhig.“, flüsterte er. Erst als das Trasla sich beruhigt hatte ergriff Mikko den kleinen, weißen Körper, um es aus den Dornen zu befreien.

„Trassss!“, erklang die helle Stimme des Pokémons erneut, begleitet von einem rötlichen Leuchten. Mikkos Augen weiteten sich, doch er schien nicht in der Lage zu sein, das Pokémon los zu lassen. Mit einem Mal sah er zwei Dinge gleichzeitig! Eine zweite Szene schien sich transparent über sein Sichtfeld zulegen.

Überall waren Feuer und schwarzer Rauch und ihm war heiß, so unglaublich heiß. Die Luft in seinen Lungen schien zu brennen und seine Hände standen in Flammen, sein Gegner schoss aus der Luft auf ihn nieder...! Nein, er stand daneben, getrennt von seinem Pokémon durch eine Wand aus Feuer! Sie waren nicht stark genug, immer noch nicht, genau wie beim letzten mal!

Ruckartig verschwand die seltsame Vision und er kehrte wieder in die Realität zurück. Es war ruhig um sie herum, es roch nach Gras und Bäumen und feuchter Erde. Er atmete tief ein und aus. Was auch immer das gewesen war, es war nicht real. „Tras...?“

Mikko lächelte auf das kleine Pokémon in seinem Arm hinab und strich beruhigend über seinen grünen Kopf. „Keine Sorge, alles in Ordnung.“

Dann erfasste sie ein Windstoß und von einem Moment auf den anderen war die Luft erfüllt vom Geruch nach Rauch und Asche.

Mikko rannte. Nicht in die Richtung, aus der er gekommen war, sondern gegen den Wind, der das Feuer mit sich brachte. Das kleine Psycho-Pokémon presste sich an ihn, ängstlich aber offenbar entschlossen, ihn zu begleiten. Auch gut, schließlich waren es seine komischen Bilder in Mikkos Kopf gewesen.

Mit jedem Meter schien der Rauchgeruch stärker zu werden und es wurde wärmer, richtig heiß. Er sah immer mehr kleinere Bäume, immer öfter konnte er schon die Berge zwischen ihnen erkennen. Irgendwo in seinem Kopf war der panische Gedanke, dass er sich vollkommen verlaufen hatte, aber er konnte sich nicht bis in Mikkos Bewusstsein vor kämpfen. Dort herrschte ein ganz anderer Kampf.

Es musste jetzt ganz in der Nähe sein–

Und dann waren sie da, erschienen aus Wind und Feuer: mächtige Schwingen trugen ein Glurak durch die Luft, das feurigen Atem auf ein Lohgock nieder spie, das dem Angriff seinen eigenen lodernden Flammenstrahl entgegen warf.

Mikko stand wie erstarrt, konfrontiert mit derartigen Gewalten. Die letzten Bäume lagen hinter ihm und nun war er den beiden Pokémon plötzlich viel zu nah. Er schluckte. Das Feuer war überall. Die dürren Büsche, die auch zwischen den kahlen Felsen noch Halt fanden, waren längst bis auf Stümpfe nieder gebrannt. Das Gestein selbst war an vielen Stellen schwarz wie Kohle, und als wäre das noch nicht genug prallten die zwei Kontrahenten Mal um Mal aufeinander, keiner bereit nachzugeben, obwohl sie beide am Ende ihrer Kraft waren.

Aber woher wusste er das...?

Eine kräftige Hand fiel plötzlich auf seine Schulter und riss ihn herum. Ein kurzer, erschrockener Schrei entwich ihm, bevor er hinter einen schützenden Felsen gezerrt wurde, nur Momente bevor das Inferno auch dort herrschte, wo er eben noch gestanden hatte. Die Hitze drückte wie einen Wand gegen ihn.

Derjenige, der ihn da gerade noch aus dem Weg gezogen hatte, war ein Junge mit hellen, braunen Haaren, die Spitzen angesengt, dessen Körper vor lauter Asche stellenweise rabenschwarz war. Er war älter als Mikko und hielt ihn und das kleine Trasla hinter sich gepresst, seine Aufmerksamkeit allein auf den Kampf der zwei Pokémon gerichtet. Er war Lohgocks Trainer, das wusste Mikko mit Sicherheit, und er war im Begriff zu verlieren. So wie beim letzten Mal.

Sein Kopf tat weh und das Atmen fiel ihm schwer. Seine Hände brannten. Nein, nicht seine, Lohgocks Hände! Es schien alles so verschwommen, als wäre der Unterschied gar nicht so groß. Eljas, der Trainer hieß Eljas! Obwohl Eljas versuchte, ihn von dem Kampf fernzuhalten, schien Lohgock die Verbindung zu Mikko zu suchen. Es brauchte ihn.

Das Trasla zitterte wie trockenes Laub im Wind und krallte sich in Mikkos Jacke als dieser die Hand nach Eljas ausstreckte. Er hörte wie der ältere Junge Lohgock etwas zu rief, doch in dem Moment als er den nackten Unterarm des anderen berührte – er trug lediglich ein T-Shirt – verstummte die Welt um ihn herum. Eljas' Kopf fuhr herum und zum ersten Mal sah er Mikko direkt an, aus fassungslosen, hellgrauen Augen, die erst in diesem Augenblick begriffen, warum Mikko gerade jetzt hier war.

Dann brachte Lohgocks gellender Schrei sie zurück in die Wirklichkeit.

Die Blicke der beiden suchten ihr Pokémon. Glurak hatte es an den Schultern gepackt und die Luft gehoben, wo es Lohgock überlegen war. „Lohgock!“, riefen sie gemeinsam und Eljas ergriff mit Entschlossenheit Mikkos Hand, bevor er den Befehl beendete: „Himmelsfeger!“
 

Mikko meinte später, sich dunkel an den Ausgang des Kampfes zu erinnern. Noch im Flug hatte Lohgock sich aus Gluraks Griff entwunden – die relativ kleinen Arme waren nicht eben seine Stärke – und mit einem letzten, kraftvollen Tritt hatte es seinen Gegner aus der Luft geholt. Glurak war auf den Felsen aufgeschlagen und nicht wieder aufgestanden.

Doch von da an war seine Erinnerung lückenhaft. Da waren Momente, in denen er von jemandem getragen wurde, doch er konnte nicht sagen, ob es sich um Eljas oder Lohgock handelte. Er hatte Schwierigkeiten, die beiden auseinander zu halten, sie waren beide so unglaublich allgegenwärtig in seinem Kopf. Und da war noch ein anderer Junge, dachte Mikko zumindest, aber als er später aufwachte, war niemand außer ihnen zu sehen.

Sie hatten den Kampfplatz verlassen und jemand flößte angenehm kühles Wasser in seinen Mund. Aber er war so müde, dass er kaum die Augen offen halten konnte.

Später meinte er, Regen zu spüren, aber das konnte ja nicht sein. Es war viel zu heiß für Regen, alles Wasser musste verbrennen, meinte er, so heiß war es.

Einmal wachte er auf, und es war einfach nur angenehm warm. Jemand hielt ihn im Arm, dass er sich einfach nur sicher und geborgen fühlen konnte. Schlaf war zu verführerisch um ihm zu widerstehen.
 

Es war dunkel, als er endlich wirklich aufwachte. Er war im Wald, das Blätterdach zu dicht um den Himmel durch das Geäst sehen zu können. Die vollständige Dunkelheit hätte ihm unter anderen Umständen vielleicht Angst gemacht, aber er wusste sofort, dass er nicht allein war. Eljas saß neben ihm, und Lohgock schlief nicht weit von ihnen entfernt. Es hatte sich so sehr verausgabt wie noch nie zuvor, sie mussten es in ein Pokémon-Center bringen.

„Hey Mikko.“, hörte er Eljas' heisere Stimme, „Alles in Ordnung bei dir?“, er klang ausdruckslos, wie leer gebrannt.

Er nickte, auch wenn Eljas das in der Dunkelheit gar nicht sehen konnte. „Geht schon.“, wollte er sagen, brachte es aber nur zu einem müden Flüstern, begleitet von krächzendem Husten.

Ein ebenso erschöpftes Lachen kam aus Eljas' Richtung, dann ein tiefes Seufzen. „Du hast uns gerettet, weißt du das?“, Mikko wusste es nicht und schwieg, geduldig auf eine Erklärung wartend. „Valto hätte uns heute besiegt. Genau wie...“

„So wie beim letzten Mal.“, das Gefühl, das dies nicht der erste Kampf zwischen Lohgock und Glurak gewesen war, stimmte also.

„Ja, genau so.“, Eljas schien einen Moment zu brauchen, um seine Gedanken zu ordnen, bevor er fort fuhr, „Du, ich und Valto – Gluraks Trainer – wir haben diese... Fähigkeit, eine Verbindung mit unseren Pokémon. Das hast du gemerkt, oder?“

Das war es also gewesen, dieses verwirrende Gefühl, bei dem er nicht wusste wo er aufhörte und Lohgock anfing. „Hab ich.“, antwortete er. Sein Hals tat ihm weh, wenn er sprach.

Eljas tastete im Dunkeln nach Mikkos Hand und legte einen flachen, glatten Gegenstand hinein. Es war ein großer Ring oder ein kleines Rad, so viel konnte er mit Sicherheit sagen, und er war warm, als hätte Eljas ihn schon länger fest in der Hand gehalten.

„Valto hat das Teil 'Holzkohle' genannt. Soweit ich das sagen kann, verstärkt es die Verbindung zwischen einem Trainer und seinem Pokémon. Nicht irgendeinem, es funktioniert nur bei Feuer-Pokémon. Valto hatte es, darum war er uns immer überlegen.“

„Und jetzt hast du es?“, Mikko gab Eljas den Ring zurück. Im Augenblick fühlte es sich nach nichts Besonderem an.

„Hm.“, machte Eljas nachdenklich, „Schätze schon. Wüsste nur gern, wer das Ding gemacht hat. Und ob...“, er brach ab. „Egal. Wie geht’s deinem Trasla?“

Erst jetzt fiel Mikko das kleine Pokémon ein, das immer noch bei ihm war, die winzigen Hände in sein Hemd gegraben, das Gesicht von der Welt abgewandt. „Es ist nicht so wirklich mein Pokémon.“, warf Mikko ein, strich Trasla aber nichtsdestotrotz sanft über den Kopf. „T-Tras... la.“, wimmerte es, scheinbar noch immer im Schock nach dem Kampf, den es mit angesehen hatte. „Sssch, hey, ist ja gut...“, wisperte Mikko, über das Pokémon gebeugt.

„Mikko?“, Eljas klang so ernst, dass Mikko für einen Moment von dem Psycho-Pokémon abließ. „Deine Fähigkeit... du hättest sie nicht so früh entdecken sollen. Es ist körperlich anstrengend, und in deinem Alter womöglich eher schädlich als hilfreich...“

„Ich bin schon sieben!“, protestierte Mikko sofort, „Und ich bin richtig gut im Sport! Ich spiel im Baseball-Verein!“, und überhaupt, vielleicht wollte er ja gar kein Trainer werden, dann war das doch eh egal.

„Tras!“, unterbrach das Pokémon das Gespräch der beiden. Die Dämmerung musste bereits angebrochen haben, denn Mikkos an die Dunkelheit gewöhnten Augen begannen langsam, den weißen Körper zu erkennen. Zum ersten Mal seit dem Kampf ließ Trasla ihn los und tapste ein paar Schritte, bevor es einen weißen Gegenstand unter seinem Kleid-artigen Fell hervor zog. Es war eine simple, runde weiße Scheibe.

„Ah.“, Eljas schien zu wissen, worum es sich handelte. „Du musst mir jetzt einfach mal vertrauen, Mikko, okay?“, bat er mit einem Ansatz von Trauer. „Trasla wird auf dich warten, und wenn du soweit bist, finde ich dich. Versprochen.“

„Aber–“

„Vertrau mir.“, sagte er mit mehr Nachdruck. Dann nahm er die weiße Scheibe aus Traslas Hand und legte seine eigene Hand auf den Kopf des Pokémons. „Du weißt, dass es so am besten ist, nicht?“, fragte er das Pokémon, das daraufhin unglücklich aber zustimmend fiepte. „Ja. Es ist nicht für immer, keine Sorge.“

„Wovon redest du!?“, entfuhr es Mikko mit zunehmendem Unverständnis und gleichzeitig wachsender Verzweiflung.

„Du hast dich im Wald verlaufen, Mikko.“, erklärte Eljas und Trasla begann ein weiteres Mal rötlich zu schimmern.

„Was? Nein! Ich...“

„Du hast dich verlaufen“, wiederholte Eljas, „und bist eingeschlafen. Glücklicherweise warst du gar nicht so weit vom Waldrand weg, wie du dachtest.“

Mikko schloss die Augen und schüttelte vehement den Kopf, doch Traslas rotes Licht konnte er immer noch sehen.

„Schlaf, Mikko. Und vergiss alles, was du gesehen hast. Wenn du soweit bist, gebe ich dir deine Erinnerung zurück.“

So sehr Mikko auch dagegen ankämpfte, der Schlaf legte sich wie eine unbarmherzige, schwarze Decke über sein Bewusstsein. Das letzte was er hörte waren Eljas' Worte: „Es tut mir Leid.“, bevor er einschlief, und vergaß.



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