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Nur ein Stückchen Papier...

von

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Wut

Kapitel 9 – WUT
 

Wenn das Pech kam, dann richtig.
 

Meines hatte die Form von schwarzen Haaren mit Kreusellocken. Ticky Mick und die gesamte Parallelklasse hatten heute neben unserem Klassenzimmer Unterricht.

Und da die Räume vor acht Uhr noch verschlossen waren mussten alle draußen warten.

Ticky kam schon ziemlich spät, aber immer noch pünktlich. Er war wie immer gut gelaunt und grinste dämlich durch die Gegend. Da das Normalzustand war, hatte mich das noch nicht weiter gestört.
 

Prüfend fixierte er mich mit seinen goldenen Augen.

„Na, gut geschlafen, Yu?“ seine Stimme triefte vor Ironie.
 

Ich hasste es, wenn jemand Freundschaft vorgaukelte, wo absolut keine vorhanden war.

Und ich hasste es noch mehr, wenn mich jemand beim Vornamen nannte. Und ich war mir ziemlich sicher, Wuschelkopf wusste das alles ganz genau!

Ich belegte ihn mit ein paar bösen Blicken und drehte den Kopf zur Seite.

Ich stehe über solchen Dingen wie Spöttereien. Irgendwann würde ich ihn dafür schon einen Kopf kürzer machen.
 

Ein Kichern ertönte.

Dann mehrere.

Einige Leute deuteten flüstern zu Ticky.

„Cool, nicht?!“, trompetete dieser lautstark, sodass ihn auch alle hören konnten.

Was meinte er?

Wuschelkopf sah meine Verwunderung und drehte sich demonstrativ um.

Mein Mund klappte nach unten.

Dort hing er – mein Zopf!
 

Ticky hatte ihn sorgsam geflochten du ließ ihn wie eine Trophäe an seinem Rucksack baumeln.

Als ich das sah, brodelte eine irrsinnige Wut in mir auf.

„Du…“, mehr brachte ich nicht heraus.

„Dem hat es die Sprache verschlagen“, witzelte Skin und einige fielen in sein bescheuertes Gegacker ein.

„Du!“, meine Selbstbeherrschung zerbröckelte wie eine von Wellen überrollte Sandburg. Lange genug hatte ich mich zurückgehalten!

Rasend vor Wut stürzte ich mich auf Ticky und riss ihn zu Boden.

Verwunderung lag in seinen Augen, als ich mich weit über ihn beugte.

Die meisten Schüler waren vor Schreck zur Seite gesprungen, aber alle starrten uns an, es war auf einmal totenstill.
 

„Oh mein Gott, jetzt fällt er über Ticky her!“, theatralisch schlug Skin die Hände über dem Kopf zusammen.

Gelächter erschallte schlagartig von allen Seiten.

Erst jetzt wurde mir bewusst, wie das hier wirkte musste und mir schoss das Blut ins Gesicht.

Zu allem Übel hatte Ticky seine Fassung wiedergefunden und spöttelnd spitzte er die Lippen.

„Komm schon mein Süßer, zier dich nicht so!“, seine Stimme überschlug sich fast, so hoch setzte er die Tonlage an.

Laut genug, dass es alle hören konnten.

Das Lachen und Grölen schwoll an.
 

Dieser Mistkerl!

Ticky nutzte den Moment in dem ich ihn fassungslos anstarrte aus und riss mir die Kappe vom Kopf.

Ja, ich hatte gestern noch einen Friseur aufgesucht. Und ja, er hatte mir meine Haare geschnitten.

Und nein, ich konnte mich nicht daran gewöhnen. Sie waren nur noch wenige Millimeter kurz. Alle. Sogar die Ponys hatte ich opfern müssen. Und nun konnten beide Klassen diesen Militärschnitt klar und deutlich sehen und ich wünschte ich könnte einfach unsichtbar werden oder sonst irgendetwas, Hauptsache ich würde nicht mehr von allen so blöd angestarrt werden.
 

Ticky jedoch grinste nur und verkündete: „Jetzt wo ich dir doch endlich zu einer sexy Frisur verholfen habe!“ Dabei klimperte er mit den Augen so oft und offensichtlich auf und zu, dass es nur noch lächerlich aussah.

Das Johlen der Horde nahm ich nur noch am Rande war.

Blind vor Wut holte ich aus und schlug zu.

Und traf!

Tickys Nase knirschte unter meiner Faust. Ich hatte all meinen Frust in diesen Schlag gesteckt.

Das Grinsen von Wuschelkopf verflüchtigte sich und er konnte nur noch ein „Verdammt…!“ hervorpressen bevor das Blut über seine Lippen sprudelte.

Ich zog die Hand zurück und erhob mich.

Es war totenstill geworden und alle starrten mich fassungslos an.

Hatte ich das gerade wirklich getan?

Keiner wagte etwas zu sagen oder sich zu regen.

Dieser Moment wirkte so unwirklich, er hätte einem Traum entspringen können.

Erst nach einigen zähen Sekunden erbarmte sich jemand und beute sich über Ticky, der immer noch am Boden lag und benommen beide Hände vor die Nase presste, die ziemlich mitgenommen wirkte.
 

„Er hat ihm die Nase gebrochen!“

Das hatte ich doch gar nicht gewollt…

„Verdammter Mistkerl!“

„Holt nen Lehrer!“

„Nein, einen Krankenwagen!“

Langsam wurde es wieder laut.

„Redet doch nicht lange, holt beide!“
 

Ich hatte mich immer noch nicht bewegt. War das wirklich kein Traum?
 

„Blödmann!“, jemand schubste mich zur Seite und riss mich aus der Trance.

Erst jetzt bemerkte ich die vielen feindseligen Blicke, die auf mir lasteten.
 

Nein, ich hatte nicht viele Freunde..

Aber jetzt hatte ich viele Feinde….
 



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