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Schlaflos

Der Albtraum endet nie...
von

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Sadness

„Shinya, du musst mir helfen.“

„Was ist denn passiert, Kyo?“ Besorgt ließ sich der Drummer in dem großen Sessel in seinem Wohnzimmer nieder. Was war nur wieder geschehen? Schließlich telefonierten sie nicht gerade häufig. Haben sie noch nie.

„Es ist viel passiert. Zu viel. Ich kann jetzt gut etwas von deiner inneren Ruhe gebrauchen.“

„Wegen dem, was gestern war?“

Kaoru, dieses Klatschweib. Mit dem musste Kyo mal ein Wörtchen reden. Er selbst musste das seinen Freunden erzählen. Wenn etwas Großes in seinem Leben passierte, sei es positiv oder negativ, dann sollten die Personen, die ihm etwas bedeuteten, dieses auch von ihm erfahren.

„Auch“, gestand er.

„Auch? Das hört sich aber nicht gut an. Dann erzähl mir mal was dich bedrückt.“

„Wo soll ich da nur anfangen?“

„Wo immer du auch willst.“

Kyo warf einen Blick durch seine Schlafzimmertür, um sicher zu gehen, dass Tomoko noch schlief. Nachdem sie sich ausgeweint hatte, fand er es besser sie hier zu behalten. „Weißt du, im Moment habe ich eher das Gefühl, als würde alles wieder den Bach runter geht. Wegen gestern natürlich, aber...“ Er entfernte sich von der Tür und ließ sich im Wohnzimmer auf einem der Sofas nieder. „Heute war auch wieder so ein Moment. Ich komme von der Arbeit, bin keine zehn Minuten daheim, da klingelt meine Nachbarin bei mir.“ Seufzend wechselte er von einer sitzenden in eine liegende Position, wischte sich über seine Augen. Es machte ihn traurig. Der Grund für ihre Tränen. „Entschuldige, ich...“

„Ganz ruhig Kyo. Lass dir Zeit.“

Kyo musste lächeln. Das war eine Eigenschaft, die er sehr mochte. Dass Shinya einfach nur zuhörte. Ohne Bedingungen zu stellen. Und genau deswegen hatte er ja ihn angerufen. „Ich hab dir doch mal von ihr erzählt, oder? Von meiner Nachbarin.“

„Ein wenig, ja.“

„Hab ich dir auch von ihrer Tochter erzählt?“

„Das hast du. Sae, nicht wahr?“

„Richtig.“

„Und was ist mit Sae-chan?“

„Sie ist weg. Ihr Vater hat sie mitgenommen. Tomoko-san hat mir vorhin erzählt, dass er einfach in die Wohnung gestürmt kam und die Kleine mit sich genommen hat. Und sie konnte nichts dagegen tun, weil...“ Sein Blick wanderte zu der Schlafzimmertür. Ihm tat es schon weh, dass die Kleine einfach weg war. Wie musste es dann erst ihr gehen? „Und das nur wegen mir.“

Shinya runzelte die Stirn. Das war ja mal ein sehr gewagter Gedankensprung. Einer, den er nicht nachvollziehen konnte. Gleichzeitig war es typisch für den Sänger. Jedoch lag es zum Großteil daran, dass der Ältere nicht alles von seinen Gedanken preis gab. „Warum sagst du das denn?“

„Weil er ihr das gesagt hat, Shinya. Er hat ihr gesagt, dass er nicht will, dass seine Tochter in der Nähe eines Mörders aufwächst.“ Ohne etwas dagegen ausrichten zu können, rannen die ersten Tränen über sein Gesicht. Dass die Frau, für die er etwas empfand, durch etwas so grausames durch musste, weil er in ihr Leben getreten war. Dafür hasste er sich gerade schon wieder.

„Machst du dir schon wieder Vorwürfe, Kyo?“ Shinyas Stimme war ganz sanft. Ihm war natürlich nicht entgangen, wie sich die Atmung des Anderen verändert hatte. Ganz zu schweigen davon, dass auch dessen Stimme einen anderen Klang angenommen hatte. „Sie ist trotz allem zu dir gekommen, nicht wahr? Hat dir gesagt, was sie belastet.“ Mit einem Lächeln sah er zu seiner Frau, die ihm, nachdem sie die Kinder ins Bett gebracht hatte, eine Tasse mit Tee brachte. Liebevoll griff er nach der Hand, mit der sie die Tasse auf den Tisch vor ihm abgestellt hatte und hauchte einen Kuss darauf. Wie dankbar er doch war sie zu haben. Sie deutete ihm an, dass sie in die Küche gehen würde, damit er ungestört weiter telefonieren konnte. „Kyo, wenn sie dich verantwortlich machen würde, dann wäre sie nicht zu dir gekommen, sondern hätte sich von dir fern gehalten. Meinst du nicht auch?“

Nachdenklich sah Kyo derweil an die Decke, verinnerlichte die Worte seines Freundes. Wie so oft hatte der Drummer recht. Warum hätte Tomoko zu ihm kommen sollen, wenn sie ihn dafür verantwortlich machen würde?

„Offensichtlich vertraut sie dir. Sie sieht keine Gefahr in dir. Weder für sich, noch für ihr Kind. Und sie vertraut dir sogar so weit, dass sie dich um Hilfe bittet. Dass sie seelischen Beistand bei dir sucht. Gib ihr diese Hilfe, dann wirst auch du nicht mehr das Gefühl haben, dass es deine Schuld ist, sondern stolz darauf sein, ihr geholfen zu haben.“ Da er keine Antwort bekam, nahm der Jüngere an, dass seine Worte gewirkt haben.

„Dômo Shinya.“ Dem Sänger war bereits leichter ums Herz. „Du warst mir wirklich eine große Hilfe.“

„Dafür sind Freunde doch da.“ Vor allem, wenn es darum ging, Kyo davor zu bewahren sich wieder zurück zu ziehen. „Ich danke dir für deinen Anruf. Ich bin froh, wenn ich helfen kann.“
 

Kurz nach dem Telefonat führte Kyos Weg ihn wieder zum Schlafzimmer, wo er sich zu Tomoko ans Bett setzte und ihr vorsichtig übers Gesicht strich. Shinya hatte wieder einmal vollkommen recht gehabt. Dabei hatte er doch gar nicht so viel erzählt. Manchmal war ihr Drummer wie einer dieser weisen Lehrmeister aus Geschichten. Nur eben nicht so alt. Jetzt musste er sich nur noch überlegen, wie er ihr am Besten helfen konnte sobald sie wieder aufgewacht war. Jetzt ließ er sie noch schlafen. Obwohl es vielleicht besser wäre die Polizei jetzt zu verständigen, wo es doch noch nicht so lange zurück lag. Dabei hatte er kein Interesse daran schon wieder mit diesen Leuten konfrontiert zu werden. Aber zum Wohle von Sae musste er da durch. Er wollte das kleine Mädchen nicht mehr bei diesem unsympathischen Drecksack wissen. Sie musste wahnsinnige Angst haben. Genau deswegen mussten sie jetzt etwas tun.

Bestimmend, aber nicht übertrieben fest, rüttelte er an der Schulter der jüngeren Frau, versuchte sie wach zu bekommen. Bereits nach wenigen Momenten öffnete sie ihre Augen und blinzelte sie verwirrt an.

„Entschuldige, dass ich dich wecke. Geht es dir jetzt besser?“

Er erhielt ein verschlafenes Nicken als Antwort.

Sanft strich er ihr durchs Haar. „Wir sollten zur Polizei gehen. Du solltest sie um Hilfe bitten.“ Seine Arme legten sich um sie. „Damit Sae bald nach Hause kommt.“
 

Still saß Kyo auf dem Revier neben Tomoko, hielt ihre Hand und strich mit dem Daumen über ihren Handrücken, während sie der Polizistin schilderte, was wenige Stunden zuvor geschehen war.

„Bitte. Sie müssen sie dort raus holen. Sie ist nicht sicher beim ihm“, flehte sie. Sie konnte das beurteilen. „Ich will meine Tochter zurück.“ Erneut in Tränen ausbrechend, bekam sie ein weiteres Taschentuch von dem Sänger gereicht. „Ich will mein kleines Mädchen zurück.“

„Dafür werde ich sorgen“, versprach die Beamtin und erhob sich. „Ich werde mich sofort darum kümmern, dass sie ihre Tochter bald wieder in den Armen halten können, Iizuka-san.“ Mit einem Handzeichen bat sie einen Kollegen heran und beauftragte diesen damit, sich ein wenig um die Beiden zu kümmern, während sie alles in die Wege leitete. Gemeinsam ging es durch die Flure des Präsidiums zu einem kleinen Raum und man brachte ihnen Tee zur Beruhigung. „Haben sie Vertrauen in uns. Wir werden schon dafür sorgen, dass alles gut wird.“

Tomoko lehnte sich gegen Kyo, suchte Trost und Halt bei ihm, was er ihr gewährte und nur allzu gerne gab. Immerhin war er ja nicht ganz unschuldig an der jetzigen Situation. Wie gerne würde er mehr für sie tun. Aber das hier sollten sie die Polizei machen lassen. Die wussten, wie man das regelte. Ohne Unterlass strich er über ihren Arm, murmelte ihr hin und wieder ins Ohr, dass alles wieder gut werden würde.

„Niimura-san?“

Erschrocken sah der Angesprochene auf. Er hatte sich so auf die Frau neben ihm konzentriert, dass er alles andere ausgeblendet und dementsprechend nicht mitbekommen hatte, wie jemand in den Raum getreten war. „Mori-san.“ Was wollte denn der Kommissar hier?

„Was führt Sie denn hierher?“, fragte der Beamte und ließ sich auf einem Stuhl unweit der Beiden nieder, nachdem er sich kurz vor ihnen verbeugt hatte. Fragend wandte er sich an den anderen Mann. „Ist Ihnen etwas passiert?“

„Nein, mir ist nichts passiert. Ich bin nur wegen Iizuka-san hier“, erklärte Kyo sich und bekam ein zustimmendes Nicken von der Frau neben sich.

„Ich verstehe.“ Interessiert wanderte der Blick des Jüngeren analytisch über das Paar vor ihm, um einschätzen zu können, ob der richtige Zeitpunkt wäre, um mit dem Sänger etwas wichtiges zu bereden. „Ich habe mir ihre Akte durchgelesen.“

Kyo zuckte zusammen, festigte seinen Griff um ihren Arm und ballte die andere Hand zu einer Faust. Er bemerkte nicht einmal das leise, schmerzvolle aufzischen von Tomoko. Sie ergriff die Faust mit beiden Händen und streichelte beruhigend darüber. Aber als auch das keine Wirkung zeigte, legte sie eine Hand an seine Wange, was ihn augenblicklich ins Hier und Jetzt zurück holte. „Ganz ruhig, Kyo-kun.“

Derweil konnte sich der Kommissar ansatzweise denken, worin diese Reaktion begründet war. Die Akte war sehr detailliert gewesen. Und nach dem, was er aus den Protokollen der Gerichtsverhandlung wusste, fühlte er sich in seiner Menschenkenntnis wieder einmal bestätigt. Für ihn war Niimura-san nie und nimmer ein einfacher Mörder. Das damals musste eine Handlung im Affekt gewesen sein. Eine Kurzschlussreaktion, wie er sie schon häufig gesehen hatte. Nur dass es viele gab, die nach ihrer Tat weitaus weniger reumütig gewesen waren. Sich zum Großteil danach noch drüber gefreut haben, dass sie so gehandelt und gleichzeitig das Gefühl gehabt hatten, der Welt noch einen Gefallen getan zu haben. Für ihn musste es ein Graus sein darauf angesprochen, daran erinnert zu werden.

„Mir ist jedenfalls noch eine kleine Unstimmigkeit aufgefallen, während ich die Unterlagen zu Ihrem Fall und der Verhandlung durchgesehen habe.“

„Eine Unstimmigkeit?“ Verwundert sah Kyo zu dem Jüngeren, schluckte hart. Was kam denn jetzt? Horrorszenarien schwirrten mit einem Mal durch seinen Kopf und er wurde blass. Erinnerungen aus der Zeit im Gefängnis kamen hoch. Er hörte Schreie von Mithäftlingen, die in der Nacht von einigen Anderen aufgesucht wurden. Wieder spürte er sein Herz bis zum Hals schlagen. Fühlte erneut die Angst, dass sie ihn als nächstes aufsuchen würden.

„Ganz ruhig. Es ist nur eine Frage, die mir durch den Kopf schoss.“

„Welche Frage?“ Noch immer zitterte der Älteste unter ihnen, umklammerte Tomoko ganz fest. Sie war gerade die einzige Vertraute hier.

„Woher wusste Takeno-san von der Statue? Er erzählte zwar, dass dies die Mordwaffe gewesen ist, aber woher wusste er das, wo sie doch nie gefunden wurde. Seine Schwester hatte sie ein Jahr zuvor mitgenommen. Doch was machte ihn da so sicher, dass sie sich noch in ihrem Besitz befand? Für jemanden, der mit Drogen zu tun hatte, wäre es doch nicht weiter verwunderlich gewesen, wenn sie versucht hätte diesen Gegenstand zu Geld zu machen.“ Selbstbewusst lehnte sich Mori-san in dem Stuhl zurück, legte ein Bein über das andere. „Nach Aussage der Familie wussten sie nicht, wo Takeno Ayaka wohnte. Die Eltern beteuerten, dass sie seit etwa zwei Jahren nahezu keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt hatten. Woher wusste der Bruder des Opfers also, dass diese Figur fehlte? Und warum hatte er nicht erwähnt, dass er noch in Verbindung steht mit ihr? All diese Fragen schwirren mir seit der vergangenen Nacht durch den Kopf. Heute Vormittag habe ich Takeno-san mit einigen dieser Fragen konfrontiert, doch sehr gesprächig war er nicht.“

„Und das erzählen sie mir, weil...?“

„Ich möchte Ihnen ein kleines Experiment vorschlagen. Eines, das so ähnlich ist, wie gestern, im Wartebereich. Nur dieses Mal würden Sie mit ihm allein sein. Nur sie beide, in einem der Verhörräume. Den Spiegel auf Durchsicht, sodass er das Gefühl bekommt, dass nur sie beide anwesend sind. Allerdings werden wir Sie mit einer versteckten Kamera und einem Mikrofon ausstatten. Mein Gefühl sagt mir, dass er Ihnen, in seinem Hass ihnen gegenüber, viel mehr erzählen wird, als gut für ihn ist. Eigentlich wollte ich mir die ganze Planung noch einmal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen und Sie dann kontaktieren, aber wenn Sie bereits ihr sind, würde ich es jetzt gerne in Angriff nehmen. Zumal es besser ist, wenn nicht allzu viel Zeit verstreicht. Was meinen Sie?“

Gute Frage. Was meinte er dazu? Es klang plausibel. Es würde auch ihm helfen das Chaos in seinem Kopf zu beruhigen, zu sortieren. Rat suchend sah er Tomoko in die Augen. Wollte wissen, was sie davon hielt. Sie strich ihm noch mal über die Wange, nickte dann einmal kurz.

„Mach das doch. Ayaka-san hat es verdient, dass die ganze Wahrheit ans Licht kommt. Und die ganze Zeit werdet ihr beobachtet. Da kann dir nichts passieren.“

„Versprich mir, dass du auch in der Nähe bist.“

„Versprochen.“

„Danke“, flüsterte Kyo und küsste ihre Stirn. Dass sie so gerne bei ihm blieb machte ihn glücklich. Ließ es ganz warm werden in seinem Inneren. „Also gut. Ich mach es.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Kein einziges Review? :(
Na ja, dafür habe ich ein paar sehr interessante Neuigkeiten für euch: Das nächste Kapitel ist bereits getippt. Danach folgt dann nur noch das finale 50. Kapitel und diese FF wird ihr Ende finden. :)
Über Rückmeldungen aller Art freue ich mich wie immer sehr. Kann Lob sein, gerne aber auch Kritik, Verbesserungsvorschläge, Fragen etc :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Astrido
2012-11-24T19:52:27+00:00 24.11.2012 20:52
ein interessantes kapitel. bin mal gespannt, was bei dem versuch herauskommt.
lg
yuura
ps. weißt du schon, was du als nächstes schreiben wirst, wenn überhaupt etwas?


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