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Heldenlied

Legenden leben ewig [NejiTen][NaruHina][KibaIno][PeinKonan]
von
Koautoren:  moonlight_005 Arianrhod-

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Chapter 7 ~ And tell us what we’ve found

Ino hatte sich selten so zerschlagen gefühlt. Ihr Hintern schmerzte. Ihre Oberschenkel schmerzten. Ihr Rücken schmerzte. Ihre Finger fühlten sich verkrampft an, aber das war wohl eher ihre Einbildung.
 

So fühlte es sich also an, wenn man tagelang zu Pferde unterwegs war und nur anhielt, um kurz zu essen oder ein paar Stunden zu schlafen. Als kleines Mädchen war sie sehr romantisch gewesen – sie hatte von großen Abenteuern auf dem Pferderücken geträumt und strahlenden Rittern, von weiten Ritten auf edlen Rössern. Im Moment wünschte sie sich, dass sie nie wieder ein Pferd sehen musste. Sie hatte viel zu viel gelesen und viel zu oft den Geschichtenerzählern zugehört. Aber nie hatten diese Sagen und Erzählungen erwähnt, dass es so anstrengend und schmerzhaft war, über längere Zeit auf einem Pferd zu sitzen. Aber sie wusste, dass sie ihr Reittier am nächsten Morgen aufzäumen und sich dann wieder in den Sattel schwingen würde, um noch einen weiteren qualvollen Tag nach Westen zu reiten.
 

Konan war es, die die Geschwindigkeit vorgab, auch wenn sie es Hinata überließ, die Richtung zu bestimmen. Die ersten beiden Tage nach ihrem Einbruch in die Uchihafestung (und des darauf folgenden Ausbruchs) hatte sie ein mörderisches Tempo vorgelegt, das Lee im wahrsten Sinne des Wortes beinahe umgebracht hatte. Aber anscheinend hatte sie ziemlich genau gewusst, was sie ihm zumuten konnte, denn Lee lebte trotz allem noch und hatte noch nicht einmal Fieber bekommen. Es ging ihm noch immer schlecht und er hing mehr hinter Deidara, als dass er saß, aber mit jedem Tag schien es ihm ein bisschen besser zu gehen.
 

In den ersten Stunden ihrer Flucht hatten sie nur kurz Halt gemacht, um ein weiteres Pferd zu stehlen, auf das sie kurzerhand verfrachtet wurde. Keiner der Rebellen hatte gefragt, wo das kräftige Tier plötzlich herkam, als Konan damit aus dem Unterholz gekommen war. Zu müde waren sie gewesen, um sich mit der Frau anzulegen. Hinata, die so sanft und freundlich wirkte, hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt.
 

Ino fragte sich, weswegen die beiden fremden Frauen im Kerker der Uchiha gelandet und wer sie überhaupt waren. Sie hatte eine Weile angenommen, dass man ihnen Ähnliches vorwarf wie Lee – Kollaboration mit Rebellen, mit welcher Gruppe auch immer. Dass es mehr gab als nur ihre um die rechtmäßige Königsfamilie, war Ino schon lange bekannt. Darum hatte sie sich auch nicht über diese fremden Leute gewundert. Außerdem gab es immer noch die Chance, dass die beiden völlig unschuldig waren, denn die Uchiha wurden in letzter Zeit paranoid und verhafteten einfache Bauern, die noch nie im Leben einen echten Rebellen gesehen hatten, geschweige denn überhaupt auf die Idee kamen, sich ihnen anzuschließen.
 

Jetzt war sie sich nicht mehr so sicher, ob eine der beiden Annahmen zutraf. Was, wenn die beiden Frauen wirkliche Verbrecher waren? So gefährlich, dass man sie nicht in einem normalen Kerker lassen konnte? Hatten sie sich hier Dämonen ins Bett geholt? Wirkliche Monster wieder auf freien Fuß gesetzt, noch schlimmer als die Uchiha es je sein könnten?
 

Allerdings hatten beide die Chancen gehabt, ihre unerwarteten Retter im Schlaf umzubringen oder sich schlichtweg aus dem Staub zu machen, und beides war noch nicht gesehen. Im Gegenteil: Sie verhielten sich beide zivilisiert. Konan sprach zwar nicht viel, drückte sich jedoch immer gewählt und höflich aus. Hinata insbesondere war eine sanfte, freundliche Seele, trotz der Macht, über die sie gebot. Also war diese Verbrecher-Theorie vielleicht doch ein wenig zu extrem.
 

Vielleicht gab es ganz andere Erklärungen hinter ihren Fähigkeiten. Warum Konan stahl und mordete, als würde sie es jeden Tag tun, und wie Hinata … Tja, darin lag der Hund begraben. Die beiden Frauen waren nicht normal und Ino, die weltgewandt und bewandert in vielen Themen war, konnte keine Erklärungen finden. Denn Konan war schrecklich und fürchterlich, doch Hinata … Hinata hatte wirkliche Kraft. Was sie mit der Explosion des Tores demonstriert hatte – das war wahre Macht.
 

Ino war schon einigen Magiepraktizierenden begegnet, angefangen von der freundlichen, alten Kräuterhexe, die in derselben Straße wie ihre Eltern wohnte, über diversen Gildenzauberern von durchschnittlicher Macht bis hin zu dem einen oder anderen Meistermagier. Aber keiner, da war Ino sich sicher, hatte über solche Macht geboten wie Hinata, die innerhalb kürzester Zeit in magischer Hinsicht anscheinend von völlig ausgelaugt bis hin zu stark genug, um einen gesamten Mauerabschnitt durch die Luft zu schleudern die ganze Palette durchgemacht hatte. Ino hatte den argwöhnischen Verdacht, dass sie vorher schon Lee ein wenig verzaubert hatte, denn seine Wunden waren schwerer, als sie zuerst gedacht hatte. Erst nach der Flucht hatte sie erkannt, dass es eigentlich an ein Ding der Unmöglichkeit grenzte, dass er die ganze Sache anscheinend so gut weggesteckt hatte – es sei denn, es wäre Magie im Spiel. Wer konnte schon wissen, was Hinata vollbringen konnte, wenn sie auf voller Höhe, ausgeschlafen und vorbereitet war? Ino schauderte bei diesem Gedanken. Sie wollte jedenfalls nicht auf der falschen Seite von Hinatas Macht stehen.
 

„Alles in Ordnung?“, wollte Naruto plötzlich hinter ihr wissen und Ino zuckte heftig zusammen. Ihr Pferd warf unruhig den Kopf und schnaubte, ließ sich aber schnell wieder beruhigen. „Ja.“, fauchte sie. „Mir tut nur alles weh und-“ sie warf einen kurzen Blick zu den beiden Fremden hinüber, die zusammen am anderen Ende der Lichtung standen und sich flüsternd unterhielten „-ich traue ihnen nicht, Lee ist nicht gerade auf der Höhe und die Uchiha sind vermutlich immer noch hinter uns her. Aber sonst ist alles gut und wie steht es so bei dir?“

Naruto verzog verletzt das Gesicht. „Ich stecke ziemlich in der gleichen Situation wie du, also hör auf, mich so anzufahren.“, entgegnete er patzig. „Das schlechteste Ergebnis für mich ist schlimmer als für dich, also tu nicht so, als ob du das größte Risiko trägst.“ Auf der einen Seite stimmte das. Auf der anderen spielte es keine Rolle, ob sie einen Tod durch Folter oder einen Tod durch noch etwas längere Folter erleiden würden, wenn man sie erwischte. Sie waren beide schon lange viel zu tief drin. Also holte Ino tief Luft und versuchte, sich wieder unter Kontrolle zu bringen. Es brachte nichts, wenn sie Naruto anmaulte und heruntermachte. Sie musste sich zusammenreißen, einen klaren Kopf behalten, denn außer ihr war hier anscheinend sonst niemand dazu geeignet. Außer Konan vielleicht, aber sie traute Konan nun einmal nicht.

Aber manchmal war es verdammt schwer, die Vernünftige zu sein, wenn sie lieber schreien und beißen wollte – beides, im wortwörtlichen und im übertragenen Sinne. Sie wünschte, Sakura wäre hier. Ihre beste Freundin hatte in jeder Situation noch die besten Worte gefunden, die passenden Gesten, den richtigen Weg. Hinter dieser großen Stirn musste ja Intelligenz stecken! Aber Sakura hatte einen anderen Auftrag, einen, der noch so viel gefährlicher war. Ein Fehler ihrerseits und die Folgen würden viel weitreichender sein als der bloße Tod.
 

Ino holte einmal tief Luft und antwortete: „Tut mir leid. Ich bin nur so überreizt und müde.“ Naruto verzog das Gesicht. „Darum musst du mich trotzdem nicht so anschnauzen.“ „Ich sagte doch, es tut mir leid!“, raunzte Ino zurück und wechselte dann schnell das Thema, wobei sie die Stimme wieder senkte, so dass nur Naruto und ihr Pferd sie hören konnten. „Um wieder auf den Punkt zu kommen: Was stellen wir mit denen da an?“ Mit einer subtilen Kopfbewegung deutete sie auf Hinata und Konan, noch immer vertieft in ihr leises Gespräch.
 

Naruto folgte ihrer Geste und starrte zu den beiden hinüber und Ino hätte sich fast an den Kopf geklatscht. Hier war sie und versuchte, unauffällig zu sein, und Naruto … war einfach Naruto und ganz und gar nicht dezent. „Starr nicht so!“, zischte sie ihn an. Er zuckte schuldbewusst zusammen und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf sie.
 

„Und?“ „Was und?“ Jetzt klang er verwirrt und sie war kurz davor, sich die Haare zu raufen. „Was sagst du? Wir können sie nicht mit uns kommen lassen!“ „Warum nicht?“ „Weil sie Fremde sind. Weil wir nichts über sie wissen. Weil sie gefährlich sind. Weil sie sonst was vorhaben könnten.“ Sie verschnaufte einen Moment. „Weil ich ihnen nicht traue.“ Und sie nicht durschaute. Ino mochte nicht Sakuras Intelligenz haben, aber sie hatte Menschenkenntnis. Und die versagte hier, weil sie so viele widersprüchliche Botschaften bekam.
 

Einerseits wirkten Konan und vor allem Hinata nicht feindlich. Im Gegenteil: Sie waren freundlich und hilfsbereit und hatten alles getan, um ihren unerwarteten Verbündeten unter die Arme zu greifen. Andererseits hatte Ino gesehen, was die beiden vollbringen konnten und zwar mit einer Nonchalance, als würden sie es jeden Tag tun oder zumindest einmal die Woche. Außerdem sagte ihr Gefühl ihr, dass da noch etwas anderes war, etwas viel Größeres, das sie noch nicht gänzlich sehen, geschweige denn voll begreifen konnte. Sie fragte sich, ob Konan und Hinata selbst wussten, was es war.
 

„Und? Soll ich ihnen sagen, dass sie sich verziehen sollen? Tut uns leid, aber Ino vertraut euch nicht?“, wollte Naruto wissen. Er sah jedoch auch nicht sonderlich glücklich mit der Situation aus. Ino seufzte. „Nein, das geht auch nicht. Und … ich weiß auch nicht!“ Sie warf die Arme in die Luft. „Darum rede ich mit dir!“ Mit einer heftigen Bewegung wandte sie sich zu ihrem Pferd um und widmete sich den Gurten ihres Sattels, nur um etwas tun zu können.

Naruto schwieg. Manchmal war es unheimlich, wie still der eigentlich so lebhafte, aufgeweckte Junge sein konnte. Manchmal vergaß sie, was er in seinem noch nicht sonderlich langen Leben schon alles hatte durchmachen müssen. Dass der Goldene Kaiser von Oto ein hohes Kopfgeld auf ihn ausgesetzt hatte, war kein Witz. Als er endlich etwas sagte, war seine Stimme so ruhig und bestimmt, dass sie den zukünftigen König schon in ihm sehen konnte.
 

„Ich glaube nicht, dass die zwei eine Gefahr für uns darstellen. Auch wenn wir noch nicht alles über sie wissen. Aber … sie saßen in der gleichen Falle wie Lee. Das muss doch für irgendetwas zählen.“ Sie warf ihm einen Blick über die Schulter zu, drehte sich aber wieder um und löste endlich den Sattel, während sie sagte: „Ich hoffe, du hast recht, denn da ich keine besser Idee habe, werde ich jetzt nichts Gegenteiliges sagen.“ Ihr Pferd schnaubte erleichtert, als sie endlich den Sattel von seinem Rücken wuchtete, und schüttelte sich. „Aber ich behalte mir vor, meine Meinung zu ändern.“ „Tust du das nicht eh ständig?“, neckte Naruto sie und Ino stieß ein leises, belustigtes Schnauben aus, das eher einem Grunzen ähnelte und ihr den verhassten Spitznamen eingebracht hatte.
 

„Willst du ihnen sagen, was unser Ziel ist? Dann können sie entscheiden, ob sie wirklich mit uns kommen wollen. Vielleicht sind wir sie so oder so gleich los und ich mache mir ganz umsonst Sorgen.“ „Hm.“, antwortete Naruto, dann kratzte er sich am Kopf und fragte: „Wohin geht die Reise nochmal?“ Ino schnellte herum und starrte ihn ungläubig an. Dann schüttelte sie belustigt den Kopf. Wenn sie sich jedes Mal darüber aufregen würde, dass er etwas vergaß, dann würde sie bald an Blutverlust sterben, weil ihr die Zornesadern platzten. Denn eine solche Bemerkung war wieder einmal kennzeichnend für ihn. „Etris. Das Dorf heißt Etris. Wir sollen dort Shikamaru und seine Gruppe treffen und ihnen helfen.“ „Es kann ja nicht schaden, oder? Das Dorf ist sowieso in Gefahr. Schlimmer kann’s ja nicht werden.“ Er zuckte kleinlaut die Schultern und warf einen Blick zu Lee und Deidara hinüber, die damit begonnen hatten, das Lager zu errichten. Zumindest Deidara tat das, Lee half, wo er konnte, aber seine Bewegungsfreiheit und körperlichen Kräfte waren noch immer eingeschränkt.
 

„Wenigstens ist Lee wieder auf dem Weg der Besserung.“, bemerkte Naruto leise, aber die Blondine konnte in seiner Stimme die Erleichterung mitschwingen hören, die auch sie verspürte, wenn sie daran dachte, wie knapp ihr gemeinsamer Freund am Tod vorbeigeschrammt war. Lee hatte etwas Besseres verdient als durch die Hand eines widerlichen Uchiha zu sterben oder an seinen Verletzungen zu erliegen. Aber Lee war stark. In ihm steckte viel mehr, als man vermutete. Sie hätte niemals an ihm zweifeln dürfen.
 

„Weißt du“, begann Naruto plötzlich. „Hinata hat mir versprochen, mich über ihre Magie aufzuklären, wenn wir die Burg verlassen haben. Vielleicht sollte ich sie bald mal daran erinnern. Dann wissen wir vielleicht mehr?“ Ino starrte ihn ungläubig an. „Und das sagst du erst jetzt?! Ja, verdammt! Frag sie!“
 


 

~ [ ♣ ] ~
 

Naruto fand Hinata bei Lee, als sie gerade dabei war, sich um dessen Verletzungen zu kümmern. Mittlerweile ging es Lee etwas besser, doch die Gefangenschaft hatte sichtbare Spuren hinterlassen. Noch immer blieb er tagsüber nur wenige Stunden wach, ehe er abends und manchmal sogar schon während des Ritts vor Erschöpfung einschlief. Auch jetzt war er, kaum, dass Deidara ihm geholfen hatte vom Pferd abzusitzen, eingeschlafen. Für den heutigen Tag war seine Bereitschaft dem Freund zu helfen, offenbar doch zu groß gewesen, sodass er nicht lange durchgehalten hatte.
 

Narutos Blick wanderte wieder zu der jungen Magierin. Ihm war aufgefallen, dass sie sich häufig vergewisserte, ob mit dem Verletzten auch alles in Ordnung war. Oder war es etwa noch etwas anderes? Verzauberte sie ihn am Ende noch, um ihm die Situation erträglicher zu machen? Im Gegensatz zu Ino war er Hinata und Konan gegenüber nicht gänzlich skeptisch eingestellt. Besonders Hinata gegenüber hatte er eher Vertrauen denn Argwohn entwickelt. Immerhin hatte sie ihm das Leben gerettet – mehr als einmal.
 

Über Hinatas Schulter hinweg beobachtete er, wie das Mädchen die Verbände seines Freundes wechselte. Unter den Bandagen kamen grauenhafte Wunden zum Vorschein. Die eisernen Fuß- und Handfesseln, die Lee ständig während seiner Gefangenschaft getragen haben musste, hatten tief in sein Fleisch geschnitten und würden höchstwahrscheinlich scheußliche Narben hinterlassen. Die Foltermale an seinem übrigen Körper hatte Naruto sich nicht mal angesehen. Einzig Ino hatte sich genau mit Lees Verletzungen auseinander gesetzt. Als sie sie das erste Mal gesehen hatte, war allerdings auch sie merklich blasser geworden.
 

Mittlerweile heilten Lees Verletzungen zwar, doch der Prozess kam Naruto noch immer zu langsam vor. Es war beinahe befremdlich ausgerechnet Lee, der sonst so munter und enthusiastisch war, so abgeschlagen und am Ende seiner Kraft zu sehen. Doch sein Körper, dessen Kraft und Beweglichkeit in der Gefangenschaft immer weiter abgenommen hatten, musste sich erst einmal wieder von den Strapazen erholen, die ihm seine Peiniger zugefügt hatten.
 

„Wie geht es ihm?“, fragte er in die Ruhe hinein. Hinata zuckte so heftig zusammen, dass sie die Salbe fallen ließ, mit der sie gerade Lees Handgelenke behandelte. Sie drehte sich um und sah ihn erschrocken an. „Oh, Entschuldigung! Ich wollte dich nicht erschrecken.“, verteidigte sich Naruto, nachdem ihm aufgegangen war, dass er sich vielleicht nicht so hätte anschleichen sollen. Doch anscheinend war es nur eine Schrecksekunde seitens Hinata gewesen. „Schon gut“, antwortete sie, „wir sind alle angespannt, oder?“ Sie schenkte ihm ein schüchternes Lächeln und hob die kleine Holzdose mit der Salbe auf, die im Gras lag.
 

„Was ist das?“, fragte er und deutete auf die Medizin, nachdem er sich neben sie gekauert hatte. Hinata folgte seinem Blick und reichte ihm die Dose. „Konan hat sie gemacht“, erklärte sie, „sie hat gestern Rosmarin gefunden. Zusammen mit einer Beinwellwurzel, Olivenöl und etwas Bienenwachs erhält man eine recht einfache Wundsalbe. Riech mal.“ Naruto folgte dem Vorschlag. Beinahe augenblicklich stach ihn der scharfe Geruch der beschriebenen Kräuter in die Nase. Er verzog das Gesicht. „Das Zeug muss wirken“, stellte er missmutig fest, „das riecht ja schon gesund.“
 

Hinata kicherte leise, errötete prompt und nahm ihm dann wieder die Dose aus der Hand. Verlegen wandte sie sich ein wenig ab und widmete sich wieder Lees Verletzung. Ein paar Augenblicke herrschte Schweigen. „Kann ich dir irgendwie helfen?“, erkundigte sich Naruto unsicher, um die Stille zu überbrücken. Hinata hielt einen Moment in ihrem Tun inne und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, die ihr ins Gesicht gefallen war, als sie sich über Lee gebeugt hatte.

Unsicher sah sie ihn an. „W-wenn du möchtest, … also, wenn es dir nichts ausmacht–“, begann sie, „ich meine-“ Sie verhaspelte sich. Naruto legte fragend den Kopf schief. Hinata wandte sich mit rotem Kopf um und murmelte: „Du könntest du mir schon mal die neuen Verbände holen.“ Sie deutete nach rechts und ein paar Meter entfernt, konnte Naruto ein paar weiße Stofffetzen erkennen, die auf einer dünnen Schnur hingen, die Hinata zwischen zwei Bäume gespannt hatte. „Ich habe sie vorhin in kochendem Wasser erhitzt und abgekocht.“, erklärte Hinata, „jetzt müssten sie eigentlich trocken sein.“ „Na, klar!“, grinste Naruto und machte sich auf den Weg.
 

Am Waldrand nahm er die Mullbinden ab und war insgeheim froh, dass in gewisser Weise niemand mitbekam, wie er sich mit Hinata unterhielt. Ino hatte sich wohlweißlich vorher zurückgezogen und war auffällig konzentriert mit dem Sattelzeug beschäftigt. Deidara hatte sich aufgemacht um Feuerholz zu sammeln. Konan schien zwar nie weit von Hinata entfernt zu sein, doch auch sie hatte verkündet die Umgebung erkunden zu wollen, um sicher zu gehen, dass sie nicht verfolgt wurden.
 

Obwohl es ihm ein wenig peinlich war sich dies einzugestehen, hatte er einen ziemlichen Respekt vor der älteren Frau. Wie sie in der Burg einfach so den Soldaten ermordet hatte… Sie war auf eine ruhige Art zutiefst bedrohlich und ständig hatte er das Gefühl, dass sie ihn musterte, wenn er auch nur in Hinatas Richtung linste. So war er zutiefst dankbar für die Möglichkeit sich endlich einmal alleine mit Hinata zu unterhalten, ohne dass ständig jeder alles mitbekam.

„Hier.“ Er kniete sich Hinata gegenüber auf Lees andere Seite und reichte ihr die Verbände. „Vie…vielen Dank.“, sagte sie. „Kannst du vielleicht mal seinen Arm etwas anheben, dann kann ich ihn besser verbinden.“ Naruto folgte der Aufforderung und die Magierin legte mit gekonnten Handgriffen den Verband um. Dasselbe wiederholten sie bei Lees anderem Arm und den Fußknöcheln. Schließlich wickelte Hinata die Decke noch einmal fester um Lees Körper und legte dann eine Hand auf seine Stirn. Bevor Naruto fragen konnte, was sie vorhatte, spürte er die Veränderung bereits. Die Luft schien zu vibrieren und plötzlich umgab Hinata eine seltsame Aura. Ihr Flüstern brachte etwas zum Klingen, dessen Ursprung Naruto nicht ausmachen konnte.

„Ageoph serata ineor daned stia.“
 

So schnell wie das Gefühl aufgekommen war, verschwand es auch wieder. Doch plötzlich sah Lees Gesichtsfarbe weniger blass aus. Naruto starrte Hinata an. „War das ein Zauber?“ Sie löste die Hand von Lees Stirn und seufzte. „Ich war noch nie gut in Heilzaubern oder zumindest nie so gut, wie ich sein wollte und es nötig gewesen wäre.“ Sie sah auf. „Aber zumindest kann ich seine Heilung ein bisschen beschleunigen. Vielleicht ist er dann schon bald wieder auf den Beinen und-“
 

„Was wird das?“ Naruto zuckte instinktiv zusammen, als er Inos durchdringende Stimme hinter sich hörte. Hinata hielt mitten im Satz inne und zog blitzschnell die Hand weg. „Äh“, machte er, „ich habe ihr geholfen, Lee zu behandeln?“ „Mit dieser Salbe?“ Ino wedelte mit der Medizin vor Narutos Nase herum, die sie aufgehoben haben musste. „Nichts für ungut“, wandte sie sich scharf an Hinata, „aber das ist meine Aufgabe.“ Die blickte schuldbewusst zu Ino auf. „Es … es tut mir leid … ich wollte dich nicht verärgern, Ino-san.“ Aber Ino beachtete sie nicht, sondern drückte ihr lediglich die Salbe in die Hand.
 

„Und du!“ Er wich unwillkürlich ein Stück zurück. „Was denkst du dir eigentlich dabei? Hast du überhaupt irgendeine Ahnung von Lees Zustand? Du kannst nicht einfach mal eben was ausprobieren und dann gucken, ob es funktioniert hat! Falls es dir nicht aufgefallen ist: Lee ist schwer verletzt!“ „Glaubst du, das hätte ich nicht bemerkt?!“, fauchte Naruto zurück, „gerade deshalb wollten wir ihm doch helfen!“ „Du brichst Lee eher noch ein paar Knochen, als dass du ihm hilfst!“, knurrte Ino. „Außerdem –“ Sie packte ihn am Kragen und zog ihn außer Hinatas Hörweite. „Außerdem habe ich gesagt: Du sollst sie nach ihrer Magie fragen, nicht sie dir an Lee demonstrieren lassen!“ Ino funkelte ihn an und Naruto wurde klar, wieso sie so sauer war: Sie hatte mitbekommen, wie Hinata den Zauber gewirkt hatte. „Ich bin mir sicher, dass sie nichts Böses im Sinn hatte, Ino und –“ „Das ist mir egal!“, fachte Ino zurück, „Fakt ist: Sie hätte sonst was mit ihm anstellen können! Naruto, wir wissen einfach nicht, wozu sie fähig ist. Bei Konan ist es dasselbe. Also sei nicht so naiv und vertrauensselig.“ Ihre Miene wurde weicher und Naruto erkannte, dass Ino erschöpfter war, als sie zugeben wollte. Sie war zwar sonst auch recht extrovertiert, aber unter der ständigen Anspannung schien auch sie langsam ihre Grenzen zu erreichen. Ino ließ seinen Kragen los. „Und jetzt sieh zu, dass du sie hier weg bringst, ehe noch was passieren kann!“
 

Sie versetzte ihm einen Stoß gegen den Oberkörper, der ihn zurück stolpern ließ. „Mensch, reg‘ dich ab, Ino!“, rief Naruto, „wir gehen ja schon.“ Damit hielt er Hinata, die immer noch vor Lee kniete und dem Wortwechsel mit aufgerissenen Augen beobachtet hatte, seine Hand hin, die diese zögernd ergriff. Ein wenig zu enthusiastisch zog er sie auf die Beine. Vollkommen überrumpelt stolperte Hinata gegen ihn und erst Naruto konnte sie davon abhalten zu stürzen. Kaum hatte sie wieder sicheren Stand und löste sie sich von ihm. „Hoppla!“, kommentierte Naruto trocken und grinste verschmitzt.
 

Er spürte Inos Blick im Nacken und machte sich mit der jungen Magierin im Schlepptau schleunigst aus dem Staub. „Tut mir leid“, entschuldigte er sich bei Hinata, „Ino ist normalerweise nicht so … ungerecht.“ Er kratzte sich am Hinterkopf. „Obwohl … manchmal kann sie ganz schön kratzbürstig sein.“ Er zwinkerte Hinata zu und endlich wich ihre zuvor erschrockene Miene einem amüsierten Lächeln. „Ich verstehe es und es ist in Ordnung“, erwiderte Hinata, „sie ist sehr um euren Freund besorgt.“ Naruto zögerte. „Ich glaube, es ist nicht nur das. Ich glaube sie hat ein bisschen Angst vor dir und deiner Magie.“ Hinata hörte ihm schweigend zu und er fuhr hastig fort: „Du hast mir auf dem Dach gesagt, dass du mir etwas über Magie erzählst. Damals habe ich keine Fragen gestellt, aber jetzt …Versteh‘ mich nicht falsch: Ich vertraue dir, aber ich weiß so gut wie nichts über Magie.“
 

Das Mädchen blieb stehen. Ohne, dass er es bemerkt hatte, waren sie am Waldrand angekommen. Mittlerweile war es sehr viel dunkler geworden. Sogar der Mond stand schon am grauen Abendhimmel. Hinata sah sich um und Naruto folgte ihrem Blick. Das silberne Mondlicht fiel zwischen den Bäumen des Waldes hindurch und hüllte Pflanzen und Gräser, die sich leicht im Abendwind wiegten, in einen unwirklichen Schein.
 

In Hinatas Augen trat ein sehnsüchtiger Ausdruck und Naruto fragte sich, an was sie wohl denken mochte. Einmal mehr fiel ihm auf, wie schön sie war. Die mitternachtsschwarzen Haare flossen an ihrem schlanken Körper herunter und standen im totalen Kontrast zu ihrer alabasterfarbenen Haut. Sie war so anders als alle Mädchen, die er bis jetzt getroffen hatte. Alles an ihr war ihm fremd. Angefangen bei ihrer merkwürdigen Kleidung, ihrer Art zu sprechen, ja sogar, wie sie sich bewegte … aber … noch nie hatte er jemanden getroffen, der ihn so sehr in seinen Bann zog.

„Magie ist …“, riss ihn ihre leise Stimme aus den Gedanken, „der Atem der Welt.“ Sie drehte sich halb im Kreis und wirkte dabei fast wie eine Tänzerin. „Sie ist im Leben und im Tod. Sie ist ein Teil eines jeden Magiers, so wie … so wie es auch die Sinne bei normalen Menschen sind. Bei manchen ist sie stärker ausgeprägt, bei anderen weniger. Es gibt auch Menschen, die nur latent magiebegabt sind: sie können keine Magie wirken, aber zum Beispiel spüren, wenn ein Zauber gewirkt wird.“ Ihr Blick verlor sich in weiter Ferne, als würde sie intensiv an jemanden denken.
 

„Genauso wie man seine fünf Sinne trainieren kann, muss auch die Fähigkeit zu zaubern stetig geschult werden.“, fuhr sie dann fort. „Manche Magier studieren ihr Leben lang Magie, andere wenden sie unbewusst an. Magie unterscheidet nicht zwischen Standesunterschieden. Ich habe Hohepriester getroffen, die ihre Magie und ihr ganzes Leben den Göttern gewidmet hatten, aber auch ganz gewöhnlichere Menschen, die Magie im Alltag einsetzen. In einer Gaststätte, die ich kenne, arbeitet eine Wirtin, die ihre Magie zum Kochen verwendet.“ „Wo ist das?“, unterbrach Naruto sofort, „haben die da auch Nudelsuppe?“
 

Hinata musste unwillkürlich lachen. Es war ein glockenheller Klang und Naruto war sich nicht sicher, ob nicht schon wieder irgendein Zauber im Spiel war. „Ich glaube, das liegt zu weit weg“, riss sie ihn aus den Gedanken.
 

„Magie kann auch verstärkt werden. Es gibt verschiedene Artefakte, die die Kraft eines Magiers steigern können, aber sie sind sehr selten und noch schwerer zu beherrschen. In erster Linie schult ein Magier stetig seinen Geist. Die Stärke eines Magiers ist zum einen in seinem Wissen über Zauber und Beschwörungsformeln begründet und zum anderen in seiner geistigen Standhaftigkeit. Meine Kindheit habe ich quasi damit verbracht die Theorie zu lernen-“ Sie hielt inne und wirkte so ertappt, als hätte sie gerade zu viel preisgeben.
 

Das verschaffte ihm gerade so viel Zeit das soeben Erfahrene zu verdauen. Wie sich die ganze Sache anhörte, war Magie furchtbar kompliziert und mit Unmengen Lernerei verbunden – und selbst dann kam es noch darauf an, ob das Schicksal einem eine größere oder kleinere Affinität gegeben hatte. Was ihn interessierte, war in erster Linie, was eigentlich in der Burg passiert war, nachdem alles so gründlich aus dem Ruder gelaufen war.
 

„Und in der Burg?“, hakte er darum nach. „Hast du da irgendeinen Heilzauber bei Lee angewandt?“ Er war ehrlich gespannt auf die Antwort. „Nein“, antwortete Hinata zu seiner Überraschung. „Das war keine Heilmagie, eher eine Notfallmaßnahme. In erster Linie war es in diesem Moment wichtig, dass er die Flucht übersteht und wir schnell wegkommen. Ich habe lediglich seine Schmerzen unterdrückt.“ „Und auf dem Dach?“, fragte er weiter nach, an die plötzlich erstarrten Soldaten denkend. „Das war ein Lähmungszauber“, erklärte sie. „Und bei diesen Skelettdingern?“ Er ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen. Als was er diese Wesen sonst bezeichnen sollte wusste er wirklich nicht. Er wehrte sich mit aller Macht gegen das andere Wort, denn die Implikationen dahinter waren zu groß, als das er sie in ihrer jetzigen Situation verstehen konnte – und wollte. „Untote sterben nur auf drei verschiedene Weisen“, klärte das Mädchen ihn auf und er überging großzügig ihre nebensächlich klingende Verwendung des anderen Wortes, „ich habe die effektivste gewählt: Feuer. Da es sehr viele waren, hatte ich wirklich Glück, dass es Vollmond war.“ „Wieso das denn?“, erkundigte er sich. Hinata warf einen Blick zum Himmel, wo der wieder abnehmende Mond und Sterne auf einem dunklen Himmel prangten.
 

„Magie ist auch von den Mondphasen abhängig“, sagte sie. „Vollmond ist die Nacht, in der ein Magier am stärksten ist.“ Naruto legte den Kopf schief. „Das verstehe ich nicht.“ „Stell es dir wie die Gezeiten vor“, ermutigte ihn Hinata, „Magie wird vom Mond angezogen, wie Ebbe und Flut. Gibt es einen Vollmond, dann kann es zu einer Springflut kommen.“ Sie unterbrach sich. „Das kann bei den echten Gezeiten zwar auch bei Neumond passieren, aber Magie-“ „Hä?“, machte Naruto. Die Magierin, die völlig in ihre Ausführungen vertieft gewesen war, blickte ihn verdattert an. Er zuckte mit den Schultern. „Tut mir leid, aber das ist mir ein bisschen zu hoch. Kannst du das nicht einfacher erklären?“ Verunsichert erwiderte Hinata seinen hoffnungsvollen Blick. „A-aber das war doch schon recht allgemein.“ Naruto schenkte ihr ein entschuldigendes Grinsen. „Also dieser ganze Theoriekram ist wirklich nicht meine Stärke.“

Die Magierin seufzte ergeben. „Sieh auf den Mond“, forderte sie ihn dann auf. Naruto folgte der Anweisung. So weit er feststellen konnte, hatte sich rein gar nichts verändert, außer, dass es langsam wirklich dunkel wurde. Hoffentlich schleppte Deidara wenigstens so viel Brennholz an, dass sie es wenigstens warm hatten. In der letzten Nacht hatte er erbärmlich gefroren… „Der Mond ist das Kraftzentrum eines jeden Magiers. Wie ein Herz“, sagte Hinata in die Stille hinein und dann schien sich etwas zu verwandeln. Die Nacht war plötzlich rabenschwarz geworden und der Mond strahlte wie eine silberne, angeknabberte Sonne, die Mittelpunkt von allem war. Hinata streckte die Hand aus, als wolle sie einen Stern vom Himmel pflücken.
 

„Lunaris nyel syven.“, flüsterte sie und die Welt kippte zurück in die Balance. Verblüfft öffnete Naruto den Mund und schloss ihn dann wieder. Hinata öffnete die Hand und in dieser hatte sich eine Lichtkugel manifestiert. Ab und an faserte sie auf wie ein Faden und gab winzige Funken an die Umgebung ab, doch der Großteil schwebte sanft über Hinatas Finger. So unglaublich es klingen mochte, Hinata hatte es irgendwie geschafft – keinen Stern, aber einen Mondstrahl hatte sie vom Himmel geholt.
 

„Was hast du gemacht?“ „Pssst“, machte Hinata, hob die Hand und pustete das Licht sanft an, so dass es in unzählige Lichtpartikel zersprang und wie Sternenstaub in der Luft glitzerte. Sobald die einzelnen Funken Gräser oder die Blätter der Bäume berührten, erstrahlten diese kurz im Glanz der Funken und wirkten in der nächsten Sekunde deutlich kräftiger. Beinahe die gesamte Umgebung glitzerte wie in einem Meer von Glühwürmchen. Die Pflanzen streckten sich dem Licht entgegen und schienen in Windeseile ein paar Zentimeter zu wachsen. Selbst einige Blüten öffneten sich, als das Mondlicht sie berührte. In seinem ganzen Leben hatte Naruto noch nie so etwas derart Schönes, etwas so Atemberaubendes gesehen. Langsam begann er zu verstehen, was Hinata mit dem Atem der Welt gemeint hatte.
 

Er sah von ihr zum Mond und wieder zurück. Ein Magier war an Vollmond am stärksten? Das erklärte, warum sie mal eben einen ganzen Mauerabschnitt in die Luft gejagt hatte, scheinbar mühelos diese Skelettdinger – das andere Wort konnte er noch immer nicht einmal denken – erledigt und so nebenbei einen ganzen Soldatentrupp gelähmt hatte. So wie er die Sache einschätzte, hatte sie der Zauber, den sie soeben gewirkt hatte, nicht mehr Kraft gekostet, als ihren kleinen Finger zu bewegen. Die Tiefen ihrer Magie schienen unergründlich zu sein.

„Erinnere mich daran, dass ich mich ja nie mit dir bei Vollmond anlege.“ Er drehte sich einmal im Kreis, um noch einmal das volle Ausmaß des Zaubers in Augenschein zu nehmen. „Danke, dass du mir das erklärt hast. Scheint, als wären Magier ziemlich anständige Leute.“ Hinatas Lächeln erlosch. „Nicht alle“, murmelte sie, „es kommt immer auf den einzelnen Menschen an. Aus allem, das gut ist, kann man auch eine Waffe machen. Nekromantie ist-“
 

Ein wütender Ausruf unterbrach Hinata. Für einen Moment sahen sie sich an. Der Tumult war von ihrem Lager gekommen, das sie etwas hinter sich gelassen hatten. Jemand anderes antwortete dem ersten Sprecher – ruhig, aber bestimmt. Naruto spannte sich an, als er Konan erkannte – und Ino.
 


 

~ [ ♣ ] ~
 

Kopfschüttelnd blickte Ino ihrem besten Freund nach, wie er zu Hinata hinüber dackelte. Dann wandte sie sich ab, weil Naruto zwar sehr gut mit Publikum arbeitete, aber die junge Magierin sicher nichts verraten würde, wenn sie befürchtete, dass jemand sie belauschte. Ino beschäftigte sich eine Weile mit den Pferden und überprüfte Sättel und Zaumzeug, obwohl sie davon eher wenig Ahnung hatte. Am Ende gab sie auf und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Lee. Es ging ihm immer noch schlecht, aber er war auf dem Weg der Besserung. Sein Gesicht war noch blass und er selbst noch schwach, doch er hielt durch. Er war stark. Diese Tatsache und seine Dickköpfigkeit würden ihn schon über diese missliche Lage hinweghelfen. Bald war er wieder der Alte, immer gut aufgelegt, immer laut und lebhaft, immer optimistisch.
 

Ino runzelte die Stirn, als ihr Blick auf Hinata und Naruto fiel. Sie kauerten rechts und links neben Lee, leise redend, während das fremde Mädchen gerade den Verband neu wickelte. Was bei allen guten Geistern machte Naruto da?! Er sollte sie ausfragen und nicht hingehen und es … sich zeigen lassen…! Ino schnappte einen Moment empört nach Luft, als sie realisierte, was genau da gerade vor sich ging. Sie hatte selbst ihm ein wenig mehr Verstand zugetraut. Sie hatten alle wenig Ahnung von Magie, wer wusste schon, was die Fremde da tat?! Und wie konnte er an Informationen kommen, wenn sie sich nur um Lee kümmerten? Außerdem wollte sie Hinata nicht an den hilflosen, schlafenden Verwundeten lassen. So sehr vertraute sie dem Mädchen nicht.

Vielleicht hatte sie nicht die richtigen Worte gefunden, als sie die beiden von ihrem Platz vertrieb, aber sie konnte sich nicht helfen. Sie machte sich eine Gedankennotiz, sich bei Gelegenheit bei Hinata zu entschuldigen. Vor allem, als sie bemerkte, wie fachmännisch die Schwarzhaarige sich um die Wunden gekümmert hatte. Aber das half jetzt nichts. Hoffentlich hatte sie wenigstens Naruto genug eingeschüchtert, dass er jetzt endlich ihren Anweisungen nachkam und seine Fragen stellte.
 

Frustriert mit sich selbst ließ sie sich neben Lee in die Hocke sinken und starrte ihn einen Moment ausdruckslos an. Sie fragte sich, was sie tun sollten, wenn er starb. Hatten sie dann die Uchiha ganz umsonst auf sich aufmerksam gemacht und sich diese beiden seltsamen Frauen aufgehalst? Für einen Moment schwebte der Gedanke in ihrem Kopf, dann sackte sie schwer zurück auf ihren Hintern und holte tief Luft. Wie konnte sie nur so denken?! War sie etwa schon so … so abgebrüht, dass sie nur nach den Vorteilen in ihren Handlungen und Taten Ausschau hielt? Nach dem Gewinn, den sie daraus ziehen konnten? Selbst wenn Lee jetzt noch starb – wovon sie nicht ausging, bei Taikai-hime! – dann wäre er doch zumindest nicht alleine gestorben, in Feindeshand. Sondern im Kreise von Freunden, Familie sogar. Denn seit dem Tod seiner Mutter hatte er keine eigene mehr und sie wusste, dass er die Gruppe um Naruto als seine neue Familie betrachtete. Um das zu sehen, brauchte es nicht viel und Ino hatte kein Problem damit, in Menschen zu lesen.
 

Vorsichtig streckte sie die Hand aus und fühlte nach seiner Stirn. Sie war kühl und trocken und Ino atmete erleichtert auf. Kein Fieber. Das hieß, keine Infektion, keine Entzündung, keine Verschlechterung seines Zustandes. Im Gegenteil, eigentlich war es ein gutes Zeichen, denn so konnte sich sein Körper darauf konzentrieren, die eigentlichen Wunden zu heilen. Vielleicht sollte sie Hinata doch das eine oder andere Zugeständnis machen… So viel Glück, sich bei ihrer wilden Flucht und diesen schlechten Bedingungen keine Infektion zuziehen, konnte nicht einmal Lee haben. Zumindest nicht, wenn er keine Hilfe hatte und Hinata schien sie ihm gegeben zu haben. Ino seufzte.
 

Anscheinend schuldete sie dem anderen Mädchen wirklich eine Entschuldigung. Andererseits war Ino noch nie gut darin gewesen, ihre Schulden zu bezahlen, selbst nicht, wenn sie es sich fest vorgenommen hatte. Ein Stöhnen riss sie aus den düsteren Gedanken und sie fuhr auf. Lee hatte das Gesicht verzogen und seine Hände zuckten leicht, als wolle er nach etwas greifen … oder abwehren. Für einen Moment fragte die Blondine sich panisch, was sie tun sollte, dann fing sie eine der Hände ein und umschloss sie mit den eigenen.
 

„Lee.“, sagte sie ruhig, aber bestimmt. Als er nicht reagierte, sondern nur den Kopf wegdrehte, wiederholte sie noch einmal lauter: „Lee. Lee!“ Reflexartig schlossen sich seine kräftigen Finger um ihre und er schlug die Augen auf. Es dauerte einen Moment, dann fokussierte er sie auf Ino und murmelte: „Was… Wer… Ino…?“ Sie schenkte ihm ein unsicheres Lächeln. „Ich bin’s nur. Ich glaube, du hattest einen Albtraum. Jetzt ist alles wieder gut.“ Natürlich war nicht alles wieder gut, aber sie wusste nichts Besseres zu sagen und Lee lächelte ihr beruhigend zu, als ob sie den Trost bräuchte und nicht er. Ohne weiter darauf einzugehen, half sie ihm sich aufzusetzen. „Willst du etwas trinken? Essen? Ich befürchte, wir haben nicht gerade das, was du bräuchtest, aber es wäre besser als gar nichts. Und…“
 

„Wo ist Hinata?“ Konans dunkle, gleichmäßige Stimme unterbrach sie. Ino fuhr heftig zusammen und sprang auf, ihre Hand griff ein wenig verspätet zu dem Dolch, den sie am Gürtel trug. Die gefährliche Frau stand hinter ihr, keine zwei Meter entfernt, mit ausdruckslosem Gesicht und einem toten Hasen in der Hand. Blut tropfte von dem Kadaver auf den Boden und Ino fragte sich, wie Konan es geschafft hatte, so nahe an sie und Lee heranzutreten, ohne dass einer von ihnen sie bemerkt hatte. Zumindest Lee, der nur leicht den Kopf wenden musste, um sie direkt anzusehen, hätte sie entdecken müssen. Aber Lee war geschwächt, müde und Konan…
 

„Was soll das!“, fauchte Ino ohne den Gedanken zu beenden, der ihr auch so einen Schauer über den Rücken jagte. „Tritt nicht plötzlich hinter uns und erschrecke uns zu Tode!“ Konan neigte den Kopf und hob leicht eine Schulter, was eine Entschuldigung, eine Zustimmung oder einfach nur Belustigung bedeuten konnte. „Hinata?“, wiederholte sie dann. „Mit Naruto irgendwohin gegangen.“, antwortete Ino kurz angebunden und drehte sich weg, um anzudeuten, dass sie das Thema als beendet betrachtete. Doch Konan öffnete den Mund um noch etwas zu sagen, also murrte sie dazwischen: „Keine Sorge, er wird schon auf sie aufpassen.“
 

Konans Augen verengten sich, aber Ino wurde vor ihren scharfen Worten gerettet, als Deidara schimpfend und fluchend aus dem Unterholz auftauchte. Er trug ein großes Bündel Feuerholz unter dem Arm und sein rechter Ärmel wurde von einem langen Riss geziert, was anscheinend der Grund für seinen lautstarken Ärger war. „Willst du unbedingt alle Leute im Umkreis von zehn Meilen auf uns aufmerksam machen?“, fauchte Konan stattdessen ihn an. Deidara blickte erschrocken auf, als hätte er nicht mit einer solchen Zurechtweisung gerechnet, und öffnete den Mund, nur um ihn einen Moment später wieder zu schließen.
 

Ino konnte es ihm nicht verübeln und sprang ihm zur Seite: „Nur, weil Ihr eine solch schlechte Laune habt, müsst Ihr sie nicht an uns auslassen!“ Konan drehte sich wieder ihr zu, ihr Gesicht ausdruckslos und hart. „Ich bin hier nicht die einzige mit schlechter Laue, kleines Mädchen.“, erklärte sie spröde. „Und ich bin mir ziemlich sicher, öfter in einer solch prekären Lage gewesen zu sein als ihr, also tut ihr alle gut daran, auf mich zu hören.“ Ino schnaubte, die arrogante Selbstsicherheit dieser Frau war ja nicht auszuhalten! „Jaja, ich bin ja schon still, hm.“, murrte Deidara und ließ das Holz neben der Feuerstelle auf den Boden fallen. Anscheinend befand zumindest er sich, ausnahmsweise, nicht in Streitlaune. Vielleicht hatten der Stress und die Anstrengung auf ihn die gegenteilige Wirkung, als auf Ino.
 

„Außerdem ist außer uns sowieso niemand in der Nähe.“, murrte Ino und Konans jadegrüne Augen richteten sich scharf auf sie. „Nimm solche Dinge nicht an, wenn du dein Leben nicht darauf verwetten willst.“, erklärte sie kühl. „Wer außer uns sollte in dieser gottverlassenen Gegend schon sein?“, keifte Ino zurück, weit lauter als sie beabsichtigt hatte. „Holzfäller, Jäger, Räuber oder vielleicht sogar noch Schlimmeres. Und wir wissen nicht, wie nahe uns unsere Verfolger sind.“ Die Stimme der Kämpferin war unheimlich ruhig. Mit einer ausholenden Geste schloss sie das gesamte Lager ein und erklärte: „Ich will es mit deinem Haufen von halbtrainierten Kindern nicht mit Soldaten aufnehmen, die wissen, was sie tun, und nicht von Untoten abgelenkt werden.“
 

Ihre Augen verengten sich wieder, aber die Neigung ihres Kopfes hatte etwas Herausforderndes. Als wollte sie Ino provozieren, etwas Gegenteiliges zu sagen, obwohl sie beide sehr wohl wussten, dass das eine komplette Lüge wäre. Denn Ino musste zugeben, dass der Gedanke wie viel Glück sie gehabt hatten, um alle heil aus der Burg zu fliehen, ihr auch nicht sonderlich angenehm vorkam. Glück und Hinata und Konan und natürlich die Untoten, die so unvermittelt – konnte sie wagen, dies überhaupt zu denken? – zu ihren Gunsten eingegriffen hatten. Die kleine Gruppe von Rebellen mochte in der Lage gewesen sein, heimlich in die fremde Festung einzudringen, sich an den Soldaten vorbei zu schleichen und unbemerkt Gefangene zu befreien. Aber ein offener Kampf, selbst mit der zusätzlichen Hilfe von Hinata und Konan war eine ganz andere Sache.
 

Doch Ino war zu wütend, jetzt klein beizugeben und Konan den Sieg zu überlassen, so kleinlich sie sich dabei auch fühlte. Sie öffnete den Mund um eine unglaubliche Dummheit zurück zu fauchen. Naruto und Hinata, die unvermittelt aus dem Unterholz auftauchten, retteten sie. „Was ist denn hier los?“, wollte der blonde Prinz wissen und Ino warf den Kopf zurück. „Unsere neue Freundin hier denkt, sie wüsste alles besser.“, murrte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. „Weil es auch so ist.“, bemerkte Konan und der bissige Unterton in ihrer Stimme zeigte Ino sehr plötzlich und mehr als alles andere, dass auch diese gefasste, erfahrene Frau unter ihrer ruhigen Fassade angespannt, nervös und gestresst war. Hinata warf ihrer Freundin einen besorgten Blick zu, was diesen Eindruck noch einmal verstärkte, sagte aber nichts.
 

„Können wir…“, begann Naruto unentschieden und seine Blicke wanderten von Ino zu Konan und dann zu den beiden anderen Männern, die nebeneinander an der Feuerstelle kauerten. „Können wir alle mal Luft holen und … und, naja, uns wieder beruhigen?“ Ino schnaubte und wandte sich ab. Naruto war ja wohl der letzte, der das Recht hatte, irgendwen zu beschwichtigen. War er nicht immer der erste, der für jeden Spaß und jede Torheit zu haben war? Sakura war es gewesen, die ihn stets von dem schlimmsten Leichtsinn bewahrte und ein oder zweimal hatte sogar Ino diese Rolle übernommen. Die Unsicherheit und der Zweifel in seiner Stimme taten das übrige, dass niemand seinen Vorschlag ernst nahm. Er war eindeutig nicht bereit, die Person zu sein, die einen kühlen Kopf bewahrte. Noch nicht bereit dazu, die Rolle des Anführers zu übernehmen, obwohl sie ihm zustand. Dieser plötzliche Gedanke ließ sie innehalten und ihre abweisende Haltung lockerte sich etwas.
 

„Und was schlägst du stattdessen vor?“, wollte Lee wissen, der sich wohlweislich aus allem herausgehalten hatte. Vermutlich wollte er mit seiner Frage nur helfen, um von dem Thema abzulenken. Oder einfach nur Naruto einen Knochen zuwerfen, damit er die aufgewühlten Gemüter beruhigte und sie alle von dem verfahrenen Gespräch loskamen, ohne dass jemand dabei sein Gesicht verlor. Naruto aber schien nicht zu wissen, was er damit anfangen sollte, und verstummte verunsichert.
 

Es war Hinata, die ihm beisprang, und etwas zu laut einwarf: „Unsere Route! Jetzt, wo wir aus dem un…unmittelbaren Wirkungskreis der U…Uchiha hinaus si…sind…“ Sie wurde immer leiser, je länger sie sprach und je mehr Aufmerksamkeit sich auf sie richtete, und verstummte schließlich ganz. Konan seufzte. Anscheinend kannte dieses besondere Problem ihrer Begleiterin gut. „Sie hat recht.“, erklärte sie und zwang ihren Körper dazu, sich zu entspannen. „Wir sollten uns jetzt wirklich langsam Gedanken machen, wo wir eigentlich hinwollen.“ Sie machte eine Bewegung in Richtung Wald. „Ich habe keine Spuren von Verfolgern oder sonst jemandem entdecken können.“ Sie warf der Blondine einen dunklen Blick zu. „Was nicht heißt, dass niemand da ist.“

Naruto sprach schnell los, bevor Ino zurückfauchen konnte. „Wohin wollt ihr überhaupt? Wir wollen uns mit ein paar Freunden in einem Dorf treffen, das eine ganze Strecke von hier entfernt liegt, Etris.“ Ino fragte sich, ob es wirklich so klug war, den beiden ihr Ziel zu verraten, aber der Gedanke war jetzt sowieso müßig, da Naruto es schon ausgeplaudert hatte. Außerdem mussten sie den beiden Fremden vielleicht ein paar Brotkrumen zuwerfen, um selbst Antworten zu bekommen.
 

„Wir müssen in diese Richtung.“ Hinata deutete in den Wald. Was sie dazu veranlasste, gerade dorthin zu zeigen und nicht zum Weg hinüber oder irgendwo anders hin, erklärte sie nicht. Für Ino schien es, als hätte sie einfach willkürlich eine Richtung ausgewählt, aber die Magierin schien sich ganz sicher zu sein, dass das, was sie suchte, genau dort lag. Konan widersprach nicht; sie verließ sich wohl gänzlich auf ihre Begleiterin. „Oh toll!“, rief Lee aus. „Wir müssen auch dorthin, nicht wahr? Etris liegt doch in etwa dort?“ Deidara schnaubte. „Wenn man ein Vogel ist und fliegen kann, dann ja. Aber ich glaube, keiner von uns kann sich spontan Schwingen wachsen lassen, hm.“ Lee zog ein verletztes Gesicht. Er unter ihnen allen hatte Spott am wenigsten verdient. „Halt die Klappe.“, fuhr Ino den Blonden darum an. Warum war sie es, die hier die Verantwortliche spielen musste?! Wo war Sakura, wenn man sie einmal brauchte? Oder der pflichtbewusste Naruto, der eben unter der sonst eher unbedachten, leichtfertigen Oberfläche des Kronprinzen hervor geblitzt war?
 

„Dein Sarkasmus ist nicht gerade hilfreich.“ Deidara verschränkte die Arme vor der Brust und schmollte. Ino kümmerte sich nicht weiter um ihn. „Und was führt Euch genau in diese Richtung? Oder ist das eine willkürliche Richtung, die Ihr gerade interessant fandet?“ Ihr Tonfall war noch immer schroff, auch wenn die junge Magierin ihr nun wirklich nichts getan hatte. Aber sie konnte sich einfach nicht beherrschen. „Du … du musst nicht gl…gleich so un…unhöflich werden!“, empörte sich Hinata, rot im Gesicht. „Lass sie, Hinata.“ Konan hatte ihre Hand leicht auf die Schulter ihrer Freundin gelegt und ihre Stimme war nüchtern und neutral. „Sie hat nur Angst.“
 

Ino fühlte, wie sich ihr Gesicht vor Wut verzerrte. Was bildete sich diese Frau eigentlich ein?! Diese Frau hatte kein Recht, ein Urteil über sie zu fällen! Was wusste sie schon von Ino und ihren Freunden und ihren Problemen?! Und warum konnte sie so gut in Menschen lesen, selbst wenn sie diese Menschen überhaupt nicht kannte?! Denn das Schlimmste war, dass Konan Recht hatte. Ino hatte tatsächlich Angst. Sie wollte nicht sterben. Sie wollte nicht, dass ihre Freunde sterben. Sie wollte nicht einmal, dass Konan und Hinata starben. Sie wollte nicht in die Hände der Uchiha fallen und auch nicht die Menschen, die ihr wichtig waren, diesen Weg gehen sehen. Das war der Grund, warum sie sich für diese Mission gemeldet hatte, so gefährlich und anstrengend sie auch war. Ihre Befürchtungen waren nur bestätigt worden, als sie Lee gefunden hatten, eingesperrt in einer winzigen Zelle, verletzt und so schwach… Ihre Angst war nur noch gewachsen. Sie hatte gesehen, was diese Leute, ihre Feinde, Lee angetan hatten – und sie hatten erst damit begonnen. Ino wollte ihre Freunde nicht verraten, gebrochen unter Klingen und Folter und Hass. Sie war nicht so unerschütterlich wie Lee, der für seine Freunde und Familie alles geben würde. Ino war nicht so stark.
 

Hinatas mitleidiger, sanfter Blick, den diese ihr auf Konans Worte hin schenkte, schien tief in ihre Seele zu dringen und Ino schauderte. Es war beinahe, als könne Hinata jeden ihrer Gedanken lesen. Sie hoffte, dass es nicht wirklich so war – immerhin war die andere eine Magierin und es gab einige, die genau dies konnten. Doch bevor sie dieses Misstrauen äußern konnte, antwortete Hinata auf ihre Frage: „Mein Cousin befindet sich in dieser Richtung. Und wer weiß, vielleicht sind die anderen beiden bei ihm.“ „Du hast einen Cousin?“, wollte Naruto verdutzt wissen. Das war das erste Mal, dass einer von ihnen von anderen Begleitern der beiden Frauen gehört hatte. Die Aussage kam auch für Ino überraschend. Keiner von ihnen hatte sich über den weiteren Hintergrund der beiden nachgedacht als darüber, wie gefährlich sie waren.
 

„Meine Sippe ist sogar sehr groß.“, erklärte Hinata mit einem nachsichtigen Lächeln. „Wir wollen jetzt aber nicht über Familien reden“, warf Konan ein, „sondern über Wegrouten. Also?“ „Neji kommt uns bereits entgegen, obwohl es scheint, das auch er einige Umwege machen muss.“, bemerkte Hinata. Ino runzelte misstrauisch die Stirn, aber Lee kam ihr mit der Frage zuvor und auch noch weit freundlicher: „Woher wisst Ihr das?“ „Wi…wir haben eine Ver…Verbindung.“ Die gestotterten Worte klangen seltsam verschlossen, als wollte sie nicht mehr darüber sagen. Wieder war es Konan, die von dem unmittelbaren Thema ablenkte. „Es scheint, als müssten wir noch eine Weile in die gleiche Richtung.“ Sie ließ ihren Blick über die versammelten Leute wandern. „Die Frage ist also, ob wir einander genug vertrauen, den Weg miteinander zurückzulegen – oder ob wir uns an dieser Stelle trennen sollten.“
 

Und fasste sie mit diesen Worten nicht genau das zusammen, was Ino auch fühlte? Als hätte Konan sich die ganze Zeit über dieselben Dinge den Kopf zerbrochen wie sie selbst. Das war ein seltsamer Gedanke, einer, der ihr die andere Frau auf eine seltsame Weise näher brachte. „Natürlich reisen wir zusammen!“, entfuhr es Lee, der über das Gerede von Verlässlichkeit liebenswert verwirrt wirkte. „Wären wir alle so nicht sicherer?“ Deidara verschränkte die Arme vor der Brust, sagte aber gar nichts. Anscheinend schien er gewillt, den Anweisungen der anderen zu folgen ohne seine eigene Meinung zu bilden.
 

„Konan…“ Hinata sah ihre Freundin mit schiefgelegtem Kopf an. Es war ziemlich klar, welche Möglichkeit ihr lieber wäre. Die antwortete mit einem kühlen Blick und zusammengezogenen Augenbrauen, als ob sie noch zögern würde. Ino kannte dieses Gefühl. Einerseits hatte Lee Recht – sie wären sicherer zusammen. Hinata und Konan wären auf dem Weg sicher nicht zu verachten mit all ihrem Können und ihren Fähigkeiten. Auf der anderen Seite war genau das das Problem. Am Ende lief es wieder einmal darauf hinaus, ob sie sich genug vertrauen konnten. „Ich finde auch, dass wir zusammenblieben sollten.“, warf Naruto ein. „Wir wollen einander nichts Böses. Wenn, hätten wir das nicht schon längst getan?“ Er schaute in die Runde und warf dann die Arme in die Luft. „Die Uchiha sind weit genug hinter uns, dass das möglich gewesen wäre.“, betonte er. Ino seufzte schwer. Natürlich hatte er Recht. Aber trotzdem… Dieser Zweifel war noch immer da. Sie wechselte einen Blick mit Konan, las die eigenen Gedanken in den Augen der anderen Frau. Und das war es, was schließlich den Ausschlag machte. Niemand, den die gleichen Sorgen plagten wie sie selbst – nämlich vorrangig die, um die Sicherheit ihrer Freunde – konnte schlecht sein. „Also gut.“, sagte sie und ihre Worte klangen seltsam endgültig. Und auch Konan nickte zustimmend.
 


 

~ [ ♣ ] ~
 

Kibas Laune war auf den Tiefpunkt gesunken. Er war von Natur aus kein geduldiger Mensch und würde es auch nie sein – dafür steckte einfach zu viel von seinem Vater in ihm – und er konnte diesen Teil seiner Persönlichkeit nun mal genauso wenig ablegen, wie Akamaru sich seines Felles entledigen konnte.
 

Nicht nur, dass einfach nur alles schief gelaufen war, seitdem die anderen verschwunden waren – er selbst hatte den ihm so vertrauten Wald verloren. Zumindest kam es ihm so vor. Normalerweise war der Wald sein Gebiet, sein Reich. Keiner seiner Gefährten konnte diese Verbindung auch nur im Entferntesten nachempfinden, aber die wilde Natur war immer schon sein Verbündeter gewesen. Wenn er sich im Wald aufhielt, war er beinahe unbesiegbar. Er konnte hören, wie der Wind im Blätterdach zu ihm flüsterte, er sah die unsichtbaren Pfade, die durch das Dickicht führten, und er wusste instinktiv, wo er Wasser finden konnte. Dieses Gefilde war ein Teil von ihm – ebenso wie es Akamaru war, dessen Präsenz er ständig spüren konnte wie ein leises Summen im Hinterkopf. Schließlich hatte man ihn nicht ohne Grund Sohn des Waldes genannt, Kiba-aus-dem-Wald.
 

Aber jetzt war er ihm fremd geworden. Wo er vorher seinen Instinkten trauen konnte und seine Freunde ohne nachzudenken durch das grüne Meer navigiert hatte, war nun etwas Fremdes getreten, etwas Anderes, Verändertes. Das Vertraute war verschwunden und auf einmal war er der Eindringling, der seinen Weg verloren hatte.
 

Einzig seine Verbindung zu Akamaru war unverändert geblieben. Das, was zwischen ihnen war, war tiefer als alles, das er sonst kannte. Es war nicht wie bei Neji und Hinata, die durch Magie aneinander gebunden, aber noch immer eigenständig waren. Bis er Akamaru gefunden hatte, war er nicht ganz und komplett gewesen, denn Akamaru war der Teil von ihm, der ihm bis dahin gefehlt hatte. Kiba wusste, dass es ihn innerlich zerrissen hätte, wenn er neben dem ihm sonst so vertrauten Wald auch noch seinen besten Freund verloren hätte. Doch zu seiner grenzenlosen Erleichterung waren die Bande zwischen ihnen stärker als das, das was ihm den Wald geraubt hatte.
 

Die uralte Magie seines Volkes, die sogar noch weiter zurück reichte als die des Hyuuga-Clans, war stark. Sie verband Mensch und Tier auf eine Weise, die beide miteinander verschmolz und jegliche Individualität trennte. Kiba war ein Teil von Akamaru und Akamaru war ein Teil von ihm. Ihre Verbindung ließ den Jäger durch die Augen des Hundes sehen, riechen, was er roch, fühlen, was er fühlte, und wahrnehmen, was ihm sonst entging. Akamaru war im Gegenzug hochgradig auf ihn sensibilisiert, seine körperlichen Fähigkeiten weit über das gesteigert, was Inuzuka-Hunde sonst leisten konnten, was sowieso schon mehr war als bei einem normalen Tier. Sein treuer Gefährte wusste immer, was er fühlte, ja, fast was er dachte. Schon vor der Zeremonie war Akamaru sehr intelligent gewesen, doch danach … es gab keinen Vergleich, der dem gerecht wurde, was danach mit ihm geschehen war. Klug genug, grundlegende menschliche Gedanken zu verstehen, war jeder Inuzuka-Hund, doch die Verbindung befähigte ihn zu weit mehr.
 

Doch auch das konnte ihn nicht darüber hinweg täuschen, dass sie nicht wussten, wo sie sich befanden und ihn auch nicht die Katastrophe vergessen ließ, in die sie völlig ahnungslos geschlittert waren. Was bei der Mutter des Waldes wurde hier für ein Spiel gespielt!? Kiba biss die Zähne zusammen, versuchte sich nicht auf das Verlorene, das Fremde zu konzentrieren und richtete seine Aufmerksamkeit stattdessen auf seinen Gefährten, der ihm in kurzen Abständen immer wieder einen genaueren Eindruck seiner Umgebung verschaffte. Er musste positiv denken und die Ruhe bewahren. Irgendwo musste schließlich wieder das ihm bekannte Gebiet anfangen! Und wenn dies nicht geschah, so würde er dieses Fremde eben kennenlernen und sich zu eigen machen! Mit seiner altvertrauten Verbindung zum Wald war er schließlich auch nicht geboren worden.

Nur, dass es das zu seinem Verdruss nicht tat. Zuerst hatte er geglaubt, dass es nicht lange dauern würde, bis sich ihre Lage wieder normalisiert hatte, doch nachdem sie drei Tage herumgeirrt waren, hatte auch er verstanden, dass die Sache weit komplizierter war.
 

Neji hatte Recht behalten, als er ihm eröffnet hatte, dass sich Hinata weite Tagesreisen entfernt befand. Wenigstens das war positiv: Der Zauber der Hyuuga hatte nichts von seiner Kraft eingebüßt. Trotzdem ging es ihm gegen den Strich, dass in seinem Wald notgedrungen Neji die Führung übernehmen musste, wobei dieser einfach nur der Richtung folgte, in der Hinata sich befand. Hinata und hoffentlich auch Konan und Pein.
 

Und dann waren sie auch noch in diese Truppe Möchtegern-Spitzel hinein gestolpert, die ihnen auch noch so respektlos entgegen getreten waren. Natürlich konnte er nachvollziehen, dass Neji versuchte Informationen zu erhalten, aber leider erwiesen sich diese Reisenden als genauso auskunftsfreudig wie der Wald um ihn herum. Wieso waren sie überhaupt dort gewesen? Wer latschte schon durch den Wald, wenn es bessere Straßen gab, so geheim die Mission auch war? Allerdings hatte er keine Zeit mehr gehabt, sich weiter darüber aufzuregen, da sie kurz darauf in einen Untotenangriff hinein geraten waren. Wenigstens hatte sich seine Laune ein wenig verbessert, nachdem er und Akamaru einen ordentlichen Kampf bekommen hatten.
 

Doch die wilde Freude, die ihm dieser kurzfristig verschafft hatte, war schnell wieder verpufft. Kaum, dass die Sache erledigt gewesen war, waren Neji und er gezwungen zu verschwinden, um den Fremden keine Gelegenheit zu geben, ihnen weitere Fragen zu stellen.

Dabei wäre es durchaus nicht verkehrt gewesen einen Führer zu haben. Kiba hatte keine Ahnung, wo genau sie sich im Wald befanden, ja, er kannte ja nicht einmal den Wald, in dem sie sich befanden, und so war es nur schwer abzuschätzen, wo sie ihn wieder verlassen würden. Unter Nejis Führung konnten sie blindlings in jede Falle laufen, die ihnen Orochimaru vielleicht gestellt hatte. Einfach, weil es keine andere Option gab, was sie als nächstes tun konnten.
 

Neji, Akamaru und er waren in höchster Alarmbereitschaft und rechneten jederzeit mit einem Angriff. Wer konnte schon sagen, was dieser Nekromant als nächstes für sie bereithielt? Wenn er es nicht besser gewusst hätte, wäre Kiba sogar der Verdacht gekommen, dass er durch irgendeinen Zauber die Landschaft um sie herum verändert hatte. Nach der Position der Sterne waren sie ein ganzes Stück von ihrem Ausgangspunkt entfernt und auch das Zwielichtgebirge hatte sich verändert. Erhebungen der Ebene schienen geschrumpft zu sein, es gab Pflanzen und Gewächse, die er noch nie zuvor gesehen hatte und selbst die Jahreszeit schien plötzlich eine andere zu sein. Sie waren im Herbst aufgebrochen und in kürzester Zeit sollte es plötzlich Frühling geworden sein? Nein, das war nicht möglich. Nicht mal Orochimaru könnte das vollbringen. Aber auf eine gewisse Art und Weise machte es die Situation nur noch surrealer. Es gab zu viele Faktoren, die einfach unerklärbar waren.
 

So war Kiba zum ersten Mal in seinem Leben froh einen Wald zu verlassen, nachdem sie diesen in einem tagelangen Gewaltmarsch durchquert hatten. Neji mochte es nicht zugeben, aber Kiba konnte seine Körperhaltung ohne weiteres lesen. Sein Gefährte war beinahe krank vor Sorge um Hinata, deren Schutz seine Aufgabe war. Auf einen Außenstehenden musste Neji wie die Ruhe selbst wirken, doch in ihm tobte es, das wusste Kiba. Auch er selbst war höchst unruhig, sodass sich sogar Akamaru ständig dicht bei ihm aufhielt. Sonst tobte der riesige Hund meist in einiger Entfernung von ihm durchs Dickicht, aber jetzt schien der Drang seinen Herren zu schützen übermächtig geworden zu sein.
 

Als sie schließlich den Waldrand erreichten und zu ihrem noch größeren Erstaunen eine gepflasterte Straße vorfanden, die in ein Dorf führte, waren Kibas Sinne aufs höchste geschärft. Das, was sich da vor ihren Augen ausbreitete, konnte es einfach nicht geben. Im Krieg war keine Zeit Straßen zu pflastern, es wurden Wehranlagen, Mauern und Verteidigungsgräben errichtet, für die es dringendere Verwendung gab. Wer würde sich in diesen Zeiten schon auf die Straße wagen und dem Feind auch noch den roten Teppich auszurollen? Nein, es war einfach nicht möglich. Und doch … Und doch war es da.
 

Der kleine Ort war geradezu friedlich. Die Häuser waren in einem beeindruckend guten Zustand und malerisch aneinander gereiht. Sie waren mit Reet abgedeckt und oft entdeckte Kiba im Fachwerk kunstvolle Verzierungen, die von Alter, Bewohnern oder Göttern kündeten. Die Häuser waren kreisförmig um den Dorfplatz gruppiert, die Straßen gepflegt und von Kindergeschrei erfüllt. Auch die Menschen waren wohlgenährt und schienen nicht in Furcht vor den Totenkriegen zu leben – im Gegenteil. Kiba konnte die Lebensfreude dieser Leute beinahe riechen, als sie höflich grüßend an ihm und Neji vorbei gingen, nachdem sie beschlossen hatten das Dorf zu betreten. Das war ein Kinderspiel. Es gab nicht einmal einen Graben, geschweige denn eine Mauer oder ein sonstige Verteidigungsanlagen! Es war ein Anblick, bei dem sich jeder Angreifer freudig die Hände gerieben hätte, und Kiba dazu veranlasste ständig nach dem Dolch an seinem Gürtel zu greifen, wann immer er eine zu schnelle Bewegung hinter sich wahrnahm. Irgendetwas stimmte hier nicht. Oder lag es an ihnen? Denn niemand anderes schien etwas hier seltsam zu finden. Stattdessen stellte er wachsendem Unmut fest, dass er, Neji und Akamaru einige neugierige Blicke auf sich zogen und sich ihr Auftreten ganz entscheidend von den Dorfbewohnern unterschied.
 

Wo Neji und er bis an die Zähne bewaffnet waren, trug von den Dorfbewohnern kein einziger eine Waffe – etwas, das für Kiba und jeden, den er kannte, völlig undenkbar war. Musste man doch ständig damit rechnen jederzeit angegriffen zu werden! Doch statt vorsichtig und misstrauisch zu sein, spielte sich vor seinen Augen ein buntes Treiben ab. Selbst die Stoffe der Kleidung vieler Menschen, die ihnen entgegenkamen, waren von besserer Qualität, als sich mancher Lord leisten konnte. Kiba war damit aufgewachsen, dass Gegenden, in denen Orochimaru seine Untoten hatte wüten lassen, trostlos und verdorrt waren und die Überlebenden vor sich hinvegetierten und in Lumpen gekleidet waren. Doch hier – ausgerechnet in der Nähe der Schlangenfeste! – sah er das genaue Gegenteil! Nur waren sie nicht mehr dort, wo sie sich befinden sollten, nicht mehr in der Nähe der so gefürchteten Feste…
 

Und über allem erhob sich eine gewaltige Burganlage. Es war eine alte Anlage, soweit er das beurteilen konnte. Die Mauern waren zwar dick, aber an einer Seite halb eingestürzt und nicht mehr repariert worden. Der Bergfried – eigentlich das letzte Bollwerk der Verteidiger – sah mitgenommen und baufällig aus. Es gab keine Patrouillen auf den Wehrgängen und auch das Banner – eine goldene Ähre auf grünem Feld – war ihm völlig unbekannt. Dabei kannte er sich in der Heraldik der vielen Fürstentümern sonst recht gut aus. Die Burg mochte einmal eine ernst zu nehmende Verteidigungsanlage gewesen sein, aber jetzt zeugte kaum noch etwas von ihrer einstigen Erhabenheit. Dabei war sie günstig auf einer Anhöhe einige hundert Meter entfernt errichtet worden, sodass ein möglicher Feind keine Gelegenheit hatte, aus dem Verborgenen anzugreifen. Diese offensichtliche, halbe Ruine beunruhigte und faszinierte ihn zugleich. Ihr Verfall war in seinen Augen zwar eine Schande, aber es bedeutete auch, dass der Burgherr jahrelang keine Notwendigkeit gesehen hatte sie wieder in Schuss zu bringen oder … dass es einfach keine Feinde gab, die angreifen konnten. War der Krieg hier einfach vorbei gezogen? Aber das konnte doch nicht sein… das Zwielichgebirge war von hier zu sehen und so weit war die Feste nicht weg und die Untoten, denen sie begegnet waren, und…
 

Doch jetzt hatte Kiba Wichtigeres zu tun, als sich über solcherlei Dinge Gedanken zu machen. Neji und er brauchten dringend Vorräte und sie mussten unbedingt einen Schmied aufsuchen, da seine Stute Tausendschön im Wald ein Hufeisen verloren hatte.
 

Sie kamen an einer Bäckerei vorbei, aus der es herrlich duftete, betraten sie aber nicht, weil bereits eine ganze Menschenabsammlung davor wartete. Neji und er verschmolzen mit der Menge, die sich durch die Straßen schob, und näherten sich dem Marktplatz, auf dem allerlei Händler ihre Waren feilboten. Akamaru hatte mittlerweile die Ohren angelegt und beobachtete aufmerksam alles um sie herum und auch Neji war höchst konzentriert. Sie hielten bei einem Stand, an dem es geräuchertes Fleisch zu kaufen gab.
 

„Ich nehme drei Stück Schinken“, erklärte Kiba dem Händler, einem grobschlächtigen Mann, der noch die Metzgerschürze trug, bestimmt. „Zwei für uns und einen für meinen Gefährten.“ „Das macht dann drei Ari und zwölf Rasu“, knurrte der Händler mit einer tiefen Bassstimme. Ari? Rasu? Er verstand die Welt nicht mehr, von einer solchen Währung hatte er noch nie gehört. Irritiert kramte er zwei Goldmünzen aus seiner Tasche und reichte sie dem Händler, der nun wiederum ihn verwirrt beäugte. Doch dann nahm der Mann die Münze in Augenschein, betrachtete sie von allen Seiten und biss zur Vorsicht sogar darauf, um ihren Wert zu prüfen. Schließlich hellte sich seine Miene auf und er legte noch drei weitere Schinken und zwei geräucherte Forellen auf den Tisch vor ihm, ehe er sie einschlug und Kiba reichte. „Sind zwar keine Tiari, aber Gold ist Gold“, brummte der Metzger. Tiari? Nun war der Jäger ernsthaft verwirrt. Waren sie im Ausland gelandet, oder hatten die Menschen in diesem Dorf ihre eigene Währung? Möglich wäre es, da die Fürsten oft ihre eigenen Münzen prägten. Doch von Tiari, Ari oder Rasu hatte Kiba noch nie gehört.
 

Neji schien einen ähnlichen Gedanken gehabt zu haben, denn er beugte sich vor und fragte höflich: „Entschuldige, Herr, aber wo sind wir hier überhaupt?“ Der Metzger, der, seitdem er ihre Münzen eingesteckt hatte, deutlich freundlicher wirkte, runzelte die Stirn. „Ihr seid wohl nicht von hier, was?“ „Wir sind auf der Durchreise“, beeilte sich Neji zu sagen. „Nun, ihr seid in Etris. Unser Dorf ist nicht besonders groß, aber wir sind wohlhabender als die meisten und wir halten einmal die Woche Markt. Darum sind heute so viele Leute da.“ Mit einer groben Handbewegung schloss er das Treiben um sie herum ein. „Es kommen Händler aus dem Umland und manche pilgern zu der alten Burganlage. Kann beim besten Willen nicht verstehen, was daran so interessant sein soll.“ Er warf besagtem Gebäude einen skeptischen Blick zu. „Sie ist ganz schön verfallen“, stimmte Kiba ihm zu. „Ach, das ist schon seit Jahrzehnten so und ich glaube auch nicht, dass Graf Darui sie demnächst ausbessern wird.“ „Dann sehe ich keinen Grund mich mit ihrer Geschichte aufzuhalten“, erwiderte Kiba. Der Metzger lachte dröhnend. „Ein Mann nach meinem Geschmack! Ich sage es ja immer wieder: Seit es die Universitäten gibt, vergessen die Leute, was gute Handarbeit ausmacht!“
 

Universitäten? Was bei allen Göttern waren Universitäten? Kaum hatten sie das Problem mit der Währung umschifft, konfrontierte der Metzger sie mit dem nächsten Rätsel. Kiba knurrte ungehalten. Irgendetwas stimmte hier vorne und hinten nicht!
 

„Könntet Ihr uns vielleicht sagen, wo wir einen Schmied finden?“, warf Neji ein, ehe der Mann in seinem Monolog fortfahren konnte und noch mehr Aufmerksamkeit auf sie lenkte. „Gleich die nächste Straße hinunter. Orith ist der Beste!“ Sie bedankten sich höflich, schnürten die Lebensmittel auf den Packesel, und machten sich auf den Weg.
 

Der Schmied hatte seine Werkstatt ein wenig abseits des Trubels. Den Eingang bildete ein gusseiserner verschnörkelter Bogen, der in einen niedrigen Raum mit drei gewaltigen Brennöfen führte und gleichzeitig das handwerkliche Geschick des Besitzers präsentierte. Kaum, dass sie eingetreten waren, spürte Kiba, wie die Hitze ihm die feinen Härchen auf den Unterarmen versengte. Akamaru winselte und wartete am Eingang.
 

In der Schmiede waren drei Männer bei der Arbeit, die rhythmisch auf das Metall einschlugen. Der ganze Raum war von Lärm und einem steckenden Geruch nach Rauch und Feuer erfüllt Bei den Arbeitenden handelte es sich um zwei junge Burschen und einen Mann mit dichtem, schwarzen Bart, muskelbepackten Oberarmen und einem beachtlichen Schmerbauch. Er bemerkte sie als Erster, als er gerade mit dem Hammer zu einem Schlag auf noch unförmiges Metall ansetzen wollte.
 

„Wir suchen den Schmied Orith“, erklärte Neji höflich, als er sich seiner Aufmerksamkeit sicher war. „Wir möchten ihn um eine seiner Arbeiten bitten.“ „Ihr habt ihn gefunden“, sagte der Mann, der eben noch das Eisen in Form geschlagen hatte und nun den Hammer sinken ließ. „Womit kann ich dienen?“ „Mein Pferd hat auf unserer Reise ein Hufeisen verloren“, ergriff Kiba das Wort. „Ich möchte, dass du dir die Sache einmal ansiehst, Orith-san.“ Orith runzelte kurz die Stirn, warf dann aber seinen Hammer in einen Eimer, der mit Wasser gefüllt war, wo er zischend unterging, so dass nur noch der hölzerne Stiel zu sehen war.
 

„Von mir aus“, erklärte Orith, „zeigt mir das Tier.“ Dann wandte er sich an seine Gehilfen: „Und ihr sorgt dafür, dass ihr diesmal vernünftige Pfeilspitzen zustande bringt. Ich will Graf Darui nicht erklären müssen, dass nicht seine Männer aus der Übung gekommen sind, sondern, dass es sich um schlampige Arbeit handelt.“ „Jawohl, Meister“, antwortete einer der beiden reumütig. Als sie gefolgt von Orith auf die Straße getreten waren, schüttelte dieser den Kopf. „Nicht einfach heutzutage vernünftige Gesellen zu finden. Zu meiner Zeit haben die jungen Burschen sich noch drum gerissen, aber jetzt muss ich schon froh sein, wenigstens solche Stümper zu bekommen – und genug Arbeit gibt es auch nicht.“ Kiba runzelte die Stirn. Das war merkwürdig. Im Krieg wurden immer Schmiede gebraucht, da konnte sich ein Schmiedemeister eigentlich nicht über mangelnde Bewerber beschweren, die bei ihm in die Lehre gehen wollten, geschweige denn über mangelnde Aufträge. Die Schmiedekunst war hoch angesehen und überlebensnotwendig, doch anscheinend mussten sie auch das hier in Frage stellen.
 

Ihre Pferde hatten sie einige Meter entfernt an der Hauswand angebunden. Akamaru war zu ihnen zurück getrottet und hatte sich auf dem Boden nieder gelassen. Als sie näher kamen, spitzte er die Ohren und als er seinen Herrn entdeckte, stieß er ein freudiges Bellen aus. Kiba tätschelte ihm die Seite, als sein treuer Gefährte ihm spielerhaft den Kopf gegen das Bein stieß. Im Gegensatz zu den meisten Menschen ließ sich Orith von Akamarus Größe nicht einschüchtern. Fachmännisch betrachtete er bereits die Pferde und hatte nach wenigen Augenblicken bereits gemerkt, an welchem Huf Tausendschön ein Hufeisen verloren hatte.
 

Die braunweiß gescheckte Stute scharrte nervös mit dem Vorderhuf und verrenkte sich den Hals, um den Schmied im Auge zu behalten, der bereits ihren rechten Hinterhuf inspizierte. Nachdem er damit fertig war, untersuchte er auch noch ihre anderen Hufe. Zu Kibas Überraschung waren auch die anderen Hufeisen schon recht abgenutzt. Sanft tätschelte er Tausendschön die Flanke und flüsterte ihr eine Entschuldigung zu. Die Scheckstute stupste ihn daraufhin mit ihren weichen Nüstern an.
 

„Es hilft nichts“, sagte Orith, der sich gerade wieder aufgerichtet hatte. „Ich muss alle Hufe neu beschlagen. Diese Eisen sind nicht für unsere Straßen geeignet. Hat diese da die gleichen Hufeisen?“ Er deutete auf Nejis Schimmelstute Winterwind. Neji bestätigte es. „Beschlagt beide“, forderte Kiba ihn auf. „Wie lange wird es dauern?“ Orith zuckte mit den Schultern. „Bis zum Nachmittag vielleicht. Die Pferde könnt ihr bis dahin im Stall bei mir nebenan unterstellen.“ Kiba warf ihm eine Münze zu. „Wir kommen in zwei Stunden wieder. Bis dahin sollte die Arbeit erledigt sein.“ Orith fing das Gold geschickt aus der Luft und seine Augen weiteten sich vor Überraschung, als er dessen Echtheit erkannte. „Zwei Stunden, sehr wohl mein Herr.“
 

Die Zwischenzeit nutzten Neji und er dazu, sich weitere Vorräte zu beschaffen. Bei jedem Geschäft wiederholte sich das Schauspiel mit den Münzen und langsam machte es Kiba nervös. Doch andere Zahlungsmittel besaßen sie nicht und so wurde jede Alternative bereits im Keim erstickt. Die Hauptsache war, dass sie überhaupt Lebensmittel kaufen konnten. Bald schon ächzte der Packesel, den sie zu diesem Zweck mitgenommen hatten, unter dem stetig ansteigenden Gewicht. Neben Brot, das sie in der gleichen Bäckerei erstanden, an der sie auf dem Hinweg vorbei gekommen waren, kauften sie Obst, Gewürze, Tinkturen, Salben und neues Verbandszeug. Unter den vielen Läden und Ständen, an denen sie vorbei kamen, befand sich auch ein Stand, an dem eine Alte Amulette und Schutzzauber verkaufte. Neji, der sich mit solcherlei Dingen, besser auskannte, trat interessiert näher. Doch nichts erweckte seine Aufmerksamkeit und er entschuldigte sich höflich bei der Frau, die bereits versuchte hatte, ihm jedes zweite Ausstellungsstück anzudrehen.
 

„Das war nichts weiter als fauler Zauber“, erklärte Neji ihm, als sie außer Hörweite waren, „nicht eins von den Dinger ist auch nur im Entferntesten magisch.“ „Merkwürdig“, erwiderte Kiba, „man sollte meinen, dass wenigstens ein Fünkchen Macht drin steckt.“ Neji schnaubte verächtlich. „Das sind nichts weiter als Glücksbringer und ein paar nette Souvenirs.“

Eine Viertelstunde später standen sie erneut vor Oriths Schmiede. Orith selbst schien sie bereits zu erwarten. „Willkommen zurück!“, begrüßte er sie, „ich bin gerade fertig geworden.“ Er führte sie zu einem Unterstand, an dem Tausendschön und Winterwind angebunden waren und sich am Hafer gütlich taten. „Schöne Pferde habt Ihr da“, bemerkte Orith, „ vielleicht etwas klein, aber sehr gutmütig. Wenn meine Frau es erlauben würde, würde ich sie Euch glatt abkaufen und auf Pferdezucht umsatteln.“ Er lachte über seinen eigenen Scherz und hob dann einen Hinterhuf von Tausendschön an, sodass seine Kunden die Arbeit betrachten konnten. Orith hatte den Huf sorgfältig gesäubert und gekonnt die Hufe beschlagen. Es lag noch der Geruch von verbranntem Horn in der Luft, aber es war eine gute Arbeit.
 

„Wie viel bekommst du für die Arbeit, Orith-san?“, erkundigte sich Kiba. Der Schmied wischte sich die verrußten Hände an seiner Lederschürze ab und leckte sich dann über die Unterlippe. „Fünf Tiari für jedes Pferd“, verlangte er. Neji, der Winterwinds Vorderhuf betastete, ließ es sinken und Kiba konnte sein Misstrauen beinahe spüren. Auch er selbst hatte so seine Zweifel aufgrund des Preises. Dummerweise hatten sie auch in den vergangenen zwei Stunden noch nicht herausgefunden, in welchem Verhältnis die Währung zu ihren eigenen Münzen stand. Trotzdem war hier ganz eindeutig etwas faul.
 

„Wollt Ihr sie ausnehmen, Meister Schmied?“, mischte sich da plötzlich eine weitere Stimme ein. „Das ganze Eisen ist nicht mal zwei Ari wert.“ Orith fuhr herum und raunzte den Neuankömmling wütend an: „Haltet Euch aus anderer Leute Geschäfte heraus, Strauchdieb!“ Kiba entdeckte denjenigen, der sich eingemischt hatte, am Eingang, wo er mit verschränkten Armen am schmiedeeisernen Tor lehnte. „Mir ist das egal, aber ich wollte die beiden wenigstens vor absolutem Wucher bewahren, das bin ich ihnen schuldig.“ Über Shikamarus Gesicht huschte ein leichtes Grinsen, als er den Blick auf Neji und Kiba richtete. „So schnell trifft man sich wieder.“
 

Nachdem sie sich mit Orith auf einen annehmbaren Preis geeinigt hatten – sieben ihrer Silbermünzen, was ein hervorragender Preis war – schlossen sie sich Shikamaru an, der auf sie gewartet hatte. „Nun sind wir dir wahrlich einen Krug Wein schuldig“, gab Kiba zu, „ich hatte schon die ganze Zeit das Gefühl, dass hier der Kurs nicht stimmt.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und erklärte dann: „Eine Tiargoldmünze sind zehn Ari.“ Zur Erklärung kramte er ein paar Münzen aus der Tasche und zeigte ihnen eine Silbermünze, die Kiba noch nie gesehen hatte. „Die bronzenen sind Rasu“, informierte sie Shikamaru weiter. „Zehn Rasi ergeben eine Arosilbermünze.“ Auch die Bronzemünzen hatte Kiba noch nie gesehen und reichte nun seinerseits Shikamaru zum Vergleich eine ihrer Goldmünzen, mit denen sie bisher bezahlt hatten. Shikamaru inspizierte sie, hielt sie gegen das Licht und gab sie ihm dann zurück. „Sagt mir nicht, dass Ihr damit bezahlt habt. So eine ist zehnmal so viel wert wie ein Tiar. Tiari sind nur noch mit Gold überzogen und Eure ist massiv und damit ein halbes Vermögen wert. Für Antiquitätensammler sogar weit mehr, wenn ich mich nicht täusche.“
 

Das befremdliche Gefühl in seinem Magen verstärkte sich. Sie waren die ganze Zeit über den Tisch gezogen worden! Deswegen waren die Händler auch so überrascht gewesen, als Neji und er mit purem Gold bezahlt hatten! Deswegen hatte der Metzger noch ein paar mehr Schinken eingepackt und trotzdem noch ein hervorragendes Geschäft gemacht. Orith musste Lunte gerochen haben, nachdem er ihm eine Goldmünze als Vorschuss gegeben hatte! Kiba knurrte wütend. So etwas zu bemerken war seine Aufgabe. Neji mochte zwar ein Genie sein und hervorragend mit seiner Blindheit umgehen, aber er war nun mal nicht in der Lage zu sehen, um was für eine Art Münzen es sich handelte! Sein Gefährte hätte höchstens bei deren Gewicht misstrauisch werden können.

„Was machst du eigentlich hier, Shikamaru-san?“, wechselte Neji das Thema. „Ich habe nicht angenommen, dass das Schicksal uns so schnell wieder zusammen führt.“ „Reiner Zufall“, erwiderte Shikamaru. „Um ehrlich zu sein, bin ich ganz froh euch begegnet zu sein. Suigetsu und Kankuro treiben mich in den Wahnsinn.“ Er seufzte tief. Mittlerweile waren sie ein ganzes Stück vorangekommen und befanden sie beinahe wieder am Marktplatz. Das Gedränge hatte ein wenig abgenommen und machte das Durchkommen leichter.
 

„Shikamaru!“ Eine Frauenstimme erregte ihre Aufmerksamkeit. Als Kiba sich umdrehte, sah er, wie Tenten ihnen zuwinkte und dann verdutzt inne hielt. Offenbar steckten ihr die Schrecken des Untotenangriffs noch immer in den Knochen und seit Neji sie gerettet hatte, betrachtete sie ihn und seinen Gefährten mit einer Art neu erwachtem Respekt. Sie wirkte eigenartig nervös und schien geradezu erleichtert Shikamaru wiederzusehen. Wenn er nicht gewusst hätte, dass sie die junge Frau vor sich hatten, der sie im Wald begegnet waren, hätte Kiba sie glatt nicht wieder erkannt. Tenten hatte ihre Hose gegen ein kastanienbraunes Leinenkleid getauscht und trug ihre Haare offen. Es war ein Unterschied wie Tag und Nacht. Amüsiert beobachtete er, dass sie sich in ihrer neuen Kleidung offenbar nicht halb so wohl fühlte, wie in Bluse und Leinenhose.
 

„Hallo, Tenten-san“, begrüßte sie Neji höflich, während Kiba ihr nur grüßend zunickte. „Wir haben Shikamaru-san zufällig getroffen und sind ihm nun einen Krug Wein schuldig. Ich denke, das Angebot schließt auch dich und eure anderen Gefährten ein.“ Tenten sah Shikamaru fragend an, aber der gähnte nur und blickte sich gelangweilt um. „Das ist sehr freundlich“, erklärte die junge Frau verdutzt, „aber zuerst müssen wir etwas Wichtiges erledigen.“ „Wo sind Kankuro und Suigetsu?“, warf Shikamaru unerwartet dazwischen. „Sie wollten sich den Stand da drüben mit dem Pfeifenkraut ansehen“, sagte Tenten. „Und ich muss auf das Gepäck aufpassen.“ Sie klang wütend und warf einen zornigen Blick zu besagten Stand. Dort beugten sich Suigetsu, dessen Gürtel mittlerweile wieder mit einem Sammelsurium an Messern gefüllt war, und der stämmige Kankuro über einen Sack mit Kräutern und schienen heftig am Debattieren zu sein. Doch Kiba konnte nichts verstehen, da am Stand nebenan ein Händler lautstark seine eher minderwertigen Töpferwaren zu verkaufen versuchte.
 

Tenten beugte sich zu Shikamaru vor und flüsterte ihm ins Ohr: „Hast du eine Audienz bei Graf Darui bekommen?“ Dieser nickte kaum merklich. Tenten hatte sich sichtbar bemüht leise zu sprechen, aber Kibas übermenschlich scharfen Ohren entging es dennoch nicht und er war ebenso sicher, dass auch Neji der Unterhaltung mühelos folgen konnte. Graf Darui? Das war doch der Burgherr, wenn ihn nicht alles täuschte. Er warf einen Blick Richtung Burgruine und betrachtete misstrauisch ihre unerwarteten Reisegefährten. Reisende … so, so. Nur, dass normale Reisende todsicher keine Audienz bei einem Burgherren bekamen. Die Sache wurde immer mysteriöser.

„Wir könnten euch zum Abendessen treffen“, schlug Tenten unsicher vor, nachdem sie einen Blick mit Shikamaru getauscht hatte. „In Ordnung“, sagte Neji, „ihr wisst nicht zufällig, wo man hier eine vernünftige Herberge findet, die nicht überteuert-“ Er hielt mitten im Satz inne, erstarrte und fuhr herum. In höchster Konzentration verharrte er und hatte eine Hand schon am Schwertgriff seiner eleganten Klinge. „Neji?“, hakte Kiba nach, griff seinerseits nach seinem Bogen und einem Pfeil und machte sich bereit zum Kampf oder zur Flucht – was auch immer sich anbieten würde.
 

„Verdammt!“, fluchte Neji, „ich habe sie nicht bemerkt! Hier sind einfach zu viele Menschen!“ „Was ist los!“, rief Tenten panisch, während sich bereits eine Ahnung auf ihrem Gesicht abzeichnete. „Wir werden angriffen!“, rief Neji überflüssiger Weise, da in diesem Moment eine gewaltige Anzahl Soldaten aus dem Wald strömte, die mit wilden Schlachtrufen auf das Dorf zu rannten. Von einem auf den anderen Moment brach auf den Straßen Panik aus. Keiner der Dorfbewohner schien zu wissen, was zu tun war. „Suigetsu! Kankuro!“ Kiba hörte, wie Shikamaru nach seinen Gefährten rief. In der Zwischenzeit hatte er sich auf Tausendschöns Rücken geschwungen und auch Neji war aufgesessen. „Wir müssen hier weg, Kiba!“, brüllte Neji über den Lärm hinweg. „Das sind mehrere Hundert!“
 

Der rettende Gedanke kam ihm binnen eines Augenblicks. „In die Burg!“ Kiba wendete sein Pferd und fixierte die Ruine. Es war eine törichte Hoffnung, schließlich konnten sie nicht hoffen, in dieser Ruine den Ansturm zu überstehen, der ihnen mit Sicherheit bevorstand. Aber fürs Erste würde es genügen. Außerdem hatten sie kaum eine Wahl. „In die Burg!“, brüllte er erneut und diesmal schien sein Ruf irgendwie die Menschen zu erreichen. Da sie nahe am Marktplatz waren, auf dem sich noch immer viele Menschen aufhielten, hatten manche ihn aufgeschnappt und wiederholten ihn, als klammerten auch sie sich an diese vage Hoffnung. Um sie herum begannen die Menschen zu rennen und fixierten einzig und allein die Burg.
 

Bevor er Tausendschön die Sporen gab, entdeckte Kiba, dass Shikamaru und Tenten sich zu ihren Gefährten durchzukämpfen versuchten, was ein so sinnloses Unterfangen war, das sie lediglich riskierten von der panischen Menge überrannt zu werden. Kiba packte Shikamaru am Arm, zog ihn vor sich aufs Pferd und galoppierte dann durch die Straßen, während Akamaru neben ihnen hersprang und die Leute laut bellend vor sich her trieb. In der einen Hand hielt er die Zügel, in der anderen führte er den Packesel, der all ihre Waffen und Vorräte trug. Aus den Augenwinkeln erkannte er, dass Neji die gleiche Idee gehabt hatte und ihm mit Tenten, die vor ihm auf dem Pferderücken saß und sogar noch ein Gepäckstück gerettet hatte, dichtauf folgte.

„Kankuro und Suigetsu“, keuchte Shikamaru, der sich mühsam festhielt. „Die nehmen eine andere Route!“, rief Neji ihm zu, „sie sind auf zwei anderen Pferden über den Marktplatz geritten!“ Das war gut. Es bedeutete, dass die beiden den leichteren Weg hatten und vermutlich vor ihnen bei der Burg ankommen würden. Denn dummerweise verhinderten die vielen Leute um sie herum, dass sie wirklich schnell vorankamen. Selbst wenn er sie einfach niedergeritten hätte, hätte ihm das nicht viel Vorteil gebracht. Außerdem war auch der Esel nicht sonderlich schnell.
 

Geschickt lenkte Kiba Tausendschön durch die engen Gassen und endlich kamen sie am Dorfrand an, was bedeutete, dass nur noch freies Feld zwischen ihnen und der Rettung lag. Doch im Nacken spürte er bereits, wie die Angreifer den Abstand verkürzten. Längst hatten sie die Häuser erreicht und mähten nun mit Leichtigkeit die Leute nieder, die versuchten, sich ihnen entgegenzustellen. Da der Großteil der Dorfbewohner durch die Straßen aus der Stadt und dann auf die Burg zu floh, waren es jedoch nicht viele und die Angreifer nahmen die Verfolgung rasch wieder auf. Shikamaru hatte es auch bemerkt und war aschfahl geworden. „Sieh nach vorne!“, fauchte Kiba ihn an. Hinter ihnen schoss eine blaue Flammenfontäne in die Höhe, steckte die angrenzenden Häuser in Brand, die aufgrund des trockenen Reetdaches sofort lichterloh in Flammen aufgingen, und verschaffte ihnen genug Zeit die ersten fünfhundert Meter hinter sich und ihre Verfolger zu bringen. Kiba konnte nur erahnen, dass Neji einen von Hinatas praktischen Feuerzweigen eingesetzt hatte.
 

Er biss die Zähne zusammen und spornte Tausendschön noch weiter an. Sie waren nur noch etwa eine Meile von der Burg entfernt, aber erst jetzt begannen die Schwierigkeiten. Die Anhöhe, auf der die Burg errichtet war, kostete sie wertvolle Zeit, in der ihre Verfolger gefährlich näher kamen. Wenn sie eingeholt wurden, hatten sie schlechte Karten, denn weder Neji noch er konnten gleichzeitig reiten, Tenten und Shikamaru vor einem Sturz bewahren – und kämpfen. Vor ihnen strömten die Dorfbewohner in die Burg und zu seiner grenzenlosen Erleichterung schien der Graf ein Einsehen gehabt zu haben, denn die alten Tore standen offen, um die Flüchtenden aufzunehmen. Kiba wollte Neji etwas zurufen, aber es ging im Lärm unter. Das Schlachtengebrüll, vermischt mit den panischen Schreien der Dorfbewohner, die nicht schnell genug waren, und dem Klang der Alarmglocken oben in der Burg, machte jede Verständigung unmöglich.
 

Plötzlich begann Akamaru wie verrückt zu bellen und schlug einen Haken nach rechts. Ohne nachzudenken folgte Kiba ihm und keine Sekunde später riss der Boden in einer gewaltigen Druckwelle auf und Erdklumpen durch die Luft geschleudert. Einen Dorfbewohner zerriss es noch im Laufen. Und nicht nur das: die feindliche Armee hatte das Dorf fürs erste hinter sich gelassen und hatte nun die Langsamen, Kranken und Alten eingeholt, die brutal niedergemetzelt wurden. „Bei allen Göttern“, hörte er Shikamaru hinter sich murmeln. Er selbst folgte fluchend Akamaru. Dessen Instinkt hatte ihm wie hunderte Male davor das Leben gerettet und er wusste nur allzu genau wovor. Die Luft knisterte vor Magie. Der Feind hatte einen verfluchten Magier! Und offensichtlich verstand der sein Handwerk!
 

Kiba fixierte das Tor, das nur noch zweihundert Meter entfernt war. Um ihn herum ließ der Magier ein ganzes Feuerwerk an Explosionszaubern los, denen er nur durch Tausendschöns Wendigkeit und Akamarus Instinkte ausweichen konnte. Einhundert Meter. Kiba fletschte die Zähne, als er das letzte Stück hinter sich brachte. Fünfzig Meter. Zehn. Er galoppierte durch das Tor in den Burghof, in dem sich schon eine große Menschenmenge versammelt hatte. Obwohl er etwas außer Atem war, brachte er Tausendschön in einer eleganten Kurve zum Stehen. Der Esel schnaubte nervös. Shikamaru sah so aus, als müsse er sich gleich übergeben, doch darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen. Sein erster Gedanke galt Akamaru, den er zu seiner Erleichterung nur fünf Meter entfernt entdeckte. Als nächstes suchte er nach Neji, doch der war nicht zu sehen.
 

„Shikamaru!“ Kankuro kämpfte sich durch die Menge und half seinem Freund vom Rücken der Stute, wobei sich dieser eher unbeholfen fallen ließ. „Wo ist Tenten?“ Die Angst in seiner Stimme war beinahe greifbar, doch Kiba hatte gerade andere Sorgen. Akamarus Bellen lenkte seine Aufmerksamkeit auf genau das, was er suchte. Blitzartig durchzuckte ihn ein Gefühl, das kaum mehr als ein Sinneseindruck war. Dann sah er Neji, der in vollem Galopp fast am Tor war, jedoch von drei Angreifern zu Pferde verfolgt wurde. Was hatte ihn aufgehalten, dass er so weit hinten war?! Tenten, die einer Panik nahe war, klammerte sich hilfesuchend an ihn. Neji selbst hatte eine harte Miene aufgesetzt und trieb sein Pferd zu Höchstleistungen an. Er wusste, dass seine einzige Rettung die Burg war, da selbst er nicht in der Lage war in einer solchen Position zu kämpfen. Aber seine Verfolger waren ebenso schnell und drohten ihm den Weg abzuschneiden. Doch das war nicht das Hauptproblem: da sich fast alle Flüchtlinge innerhalb der sicheren Mauern befanden, wurde das Tor bereits wieder geschossen. Falls Neji es nicht schaffte rechtzeitig herein zu kommen, würde er sich allein einer Übermacht entgegen sehen, gegen die er auch unter besten Bedingungen nichts ausrichten könnte.
 

Ohne zu zögern löste Kiba den kurzen, geschwungenen Bogen, den er auf dem Rücken trug, und legte einen Pfeil ein. Neji war mittlerweile der Schweiß ausgebrochen und auch Tenten stand die nackte Angst im Gesicht. „Neji!“, brüllte er seinem Gefährten zu. Dieser reagierte instinktiv und duckte sich unter seinem Pfeil hinweg, der einen der feindlichen Soldaten traf und ihn vom Pferd stürzen ließ. Kiba schoss einen zweiten Pfeil ab und erwischte den Verfolger, der Neji am nächsten war. Endlich hatte dieser freie Bahn, hängte den letzten Verfolger ab und die Schimmelstute preschte in einer letzten Anstrengung durch den kleinen Spalt des Tores in die Burg. Das Tor schloss sich dröhnend hinter ihr.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt. Bzw. das Kapitel ist etwa einen Monat zu spät, aber besser spät als nie, eh?
Eigentlich hatten wir ein kurzes Zwischenkapitel geplant, aber irgendwie hat das auch nicht so richtig funktioniert. :/ Aber wir sind ziemlich zufrieden damit. :) Ich hoffe, es hat euch auch gefallen.
moony hat den größten Teil des Kapitels geschrieben, btw.

Tja, die Lage spitzt sich jetzt langsam zu und ich hoffe, ihr bleibt bei der Stange. :) Das nächste Kapitel wird auf jeden Fall aufregend!

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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Kerstin-san
2015-09-04T15:57:55+00:00 04.09.2015 17:57
Hallo,

Inos zweifelnden Gedankengänge sind ganz hervorragend geschrieben, auch dass sie etwas rumzickt ist durchaus verständlich. Auch Sakuras Erwähnung macht Lust auf mehr. Was für einen Auftrag sie wohl verfolgt?
Haha, Narutos Schusseligkeit und Naivität ist wirklich göttlich. Göttlich! xD

Die Szenen mit ihm und Hinata sind wirklich toll. Ich sehen schon Herzchen durch die Gegend fliegen.
Ich finde ihre Erklärungen über Magie und wie sie wirkt echt anschaulich und super interessant. Und dann dieser Glitzerzauber. Wow, ich hab diese Schönheit praktisch vor mir gesehen und bin jetzt voll neidisch. Wie kommt ihr bloß auf so tolle Ideen?

Das die Nerven momentan bei allen blank liegen und jeder gestresst und auch zickiger reagiert, finde ich gut. Inos gesundes Misstrauen tut da bestimmt auch was dazu, aber so Konflikte sind ja dann generell vorprogrammiert.
Immerhin ist ja auf beiden Seite der gute Wille da, es zu versuchen, miteinander auszukommen.

Hm, scheint als wäre Hinata nicht die einzige, die Probleme mit ihren Fähigkeiten hat. Das auch Kiba sein gutes Gespür veroren hat, ist bedenklich. Liegt es an der selben Kraft, die auch die Untoten immer zum Vorschein bringt, daran dass sie kanpp 800 Jahre in die Zukunft gereist sind oder an etwas ganz anderem?

Also diese Kulturschocks, die unsere fünf Helden erleiden, wenn sie ein Dorf erreichen, ist jedes Mal wieder herrlich zu lesen. xD
Wie es aussieht ziehen alle instinktiv nach Etris.
So schnell sehen sie sich also wieder. Das Ende ist natürlich klasse. *schnell zum nächsten Kapitel flitzt*

Liebe Grüße
Kerstin (Helferlein der KomMission)

PS: Mein Lieblingssatz: „Wo ist das?“, unterbrach Naruto sofort, „haben die da auch Nudelsuppe?“
Haha, ich kann nicht mehr xD
Von:  kimje
2014-05-03T22:36:34+00:00 04.05.2014 00:36
Hallo,

schön ein neues kapitel.
was ich besonders mag, ist dass die kapitel so lang sind
und auch ausführlich bzw. ihr euch zeit lasst und nicht
alles so schnell geschieht.
Als leser kann es ja nicht schnell genug gehen ein neues
kapitel zu lesen.
ich freu mich auf das nächste und hoffe es kommt bald.
viel spaß beim schteiben :-)
Von:  L-San
2014-04-14T10:03:01+00:00 14.04.2014 12:03


Yo, ihr beiden! ;D


Endlich ein neues Kapitel. @.@
Und auch schön lang, wobei es nicht geschadet hätte, noch mehr zu schreiben. ;DD
Um anzufangen - Inos Misstrauen gegenüber den Fremden kann man gut nachvollziehen, ist sogar vernünftig.
Was ich lustig fand, war, wie Naruto zu Ino meinte, sie sollte ihn nicht so harsch anfahren, den Stress an ihn auslassen.
Ironie - dasselbe sagt Ino nun zu Konan.
Was Konan angeht, sie ist in diesem Kapitel mal etwas anders dargestellt.
Ihr habt da mehr von ihrer Persönlichkeit gezeigt.
Pragmatisch veranlagt, gnadenlos.
Besonders schön fand ich den Vergleich zwischen Ino und Konan - die Wortgefechte sowieso.
Man sieht, dass die beiden doch mehr verbindet, als sie sich zutrauen.
Da wäre ihr Misstrauen, da wären ihre selben Gedanken, usw.

Dann kommen Kiba und Neji, und es war interessant, mal aus ihrer Sicht zu lesen.
Wie die Welt, die sie einst kannten, ihnen entgleitet, insbesondere Kiba, der doch eigentlich im Wald heimisch fühlen sollte.
Ich fand die Hintergrundinformationen über ihn sehr interessant - vielleicht dürfen wir Leser ja noch mehr darüber erfahren, wie die Rituale aussehen, usw.
Und als sie nun ein Dorf erreichten und sich über den Luxus wundern, musste ich unwillkürlich an jenes Dorf denken, wo Pein war.
Aber da das Dorf eben unbeschadet ist, kann das wohl nicht das Dorf sein, wo Pein war.
Das mit der Geldwährung fand ich ganz amüsant, auch dass sie über den Tisch gezogen wurden.
Und - sie begegnen wieder Shikamaru und seinen Leuten.
Und - sie werden angegriffen.
Wieder die Uchihas?
Und darunter soll noch ein Magier sein?
Ich bin gespannt, was passieren wird, deswegen beeilt euch! ;D
Wieder einmal ein sehr gutes Kapitel.


LG
L-San
Von:  funnymarie
2014-04-11T11:33:14+00:00 11.04.2014 13:33
huhu^^
wieder ein super kapitel
und langsam spitzt sich die lage wirklich zu
ich bin gespannt, wie es weiter geht
lg funnymarie
Von:  fahnm
2014-04-10T22:42:50+00:00 11.04.2014 00:42
Hammer Kapi^^
Von:  fayt_leingod-
2014-04-10T11:46:55+00:00 10.04.2014 13:46
Endlich ein neues Kapitel! *__* Und wie stets sehr gut gelungen. :D

In angespannter Erwartung des nächsten Kapitels,

Gruß, Fayt^^

Von:  lunaris-von-aquanta
2014-04-09T14:37:10+00:00 09.04.2014 16:37
*luft hol* boa grade der Schluss war atemberaubend und zwar wortwörtlich oxo

Ich bin gespannt wie es weiter geht (hoffentlich bald *.*)

chiriomiep


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