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Bereavement

von

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Bereavement
 


 

Denn es spielt ein Orchester in mir

Wenn ich dich nur seh sind da 1000 Melodien

Und ich will es nicht mehr hören ich kann nicht mehr
 

Ich beobachtete dich, betrachtete dein unnatürlich blasses und doch so wunderschönes Gesicht. Die einzige Farbe auf der ungesund hellen Haut waren die dunklen Augenringe. Selbst deine Lippen hatten nicht mehr diesen unglaublichen hellen rot Ton.

Es gab nichts, das ich in diesem Moment mehr wollte, als dich zu berühren um mich davon zu überzeugen, dass du wirklich da warst, dass wirklich du es warst, der ruhig in diesem unbequem wirkenden Bett lag. Zugleich hatte ich vor nichts mehr Angst. Was, wenn sich alles als eine Täuschung herausstellte? Wenn nicht du es warst, der scheinbar friedlich dalag, sondern eine Ausgeburt meiner Träume, meiner Hoffnungen, meiner Wünsche. Wie oft hatte ich meine Hand schon ausgestreckt um dein Gesicht leicht mit meinen Fingern zu streifen - nur kurz, um mich zu überzeugen, dass du keine Täuschung warst, dass es dich wirklich gab und dass deine ungesunde Hautfarbe mich nur zu täuschen versuchte.

Erneut wagte ich einen versuch und wieder hielt ich kurz bevor ich dich berühren konnte inne. Meine Finger zitterten, mein Herz raste. Die Angst fuhr mir durch die Glieder und hinderte mich daran zu atmen. Doch ich wollte sie besiegen, wollte mir selbst beweisen, dass irgendwo in mir noch ein kleiner Rest der Stärke der vergangenen Tage, Wochen zurückgeblieben war. Die Stärke, welche du im Bruchteil von Sekunden zerstört hattest und die ich wohl niemals wieder zurückbekommen würde.

Du wusstest es nicht, das war mir klar und so machte ich dir auch keine Vorwürfe. Wie solltest du auch auf die Idee kommen, dass du der einzige bist und warst, der mir mehr wehtun konnte, als jeder andere Mensch? Wie hättest du jemals auf den Gedanken kommen, dass meine scheinbare Ruhe viel mehr war, dass sie nichts anderes als ein schlechter Schutz gegen dich und all das was du in mir auslöstest warst?
 

Konnte nicht ahnen, dass das Leben mich auf einmal so verwirren kann
 

Ich war nicht dumm genug, mir einzureden, dass es auch nur den geringsten Grund auf Hoffnung gab und so tat ich das einzig Richtige. Das einzige, das es mir erlaubte, in deiner Nähe zu bleiben. Auch wenn ich mir darüber bewusst war, dass unsere einst innige und tiefe Freundschaft darunter leiden würde.

Das war es auch, was mir am meisten wehtat. Es war nur selbstverständlich, dass wir uns mehr und mehr voneinander entfernten - in genau dem Tempo, in dem meine Gefühle zu dir stärker wurden. Die Gefühle, die du nicht mit mir hättest teilen wollen.

Erst versuchtest du noch, gegen diese wachsende Entfernung zu kämpfen, doch schon bald bemerktest du, dass ich nicht genauso viel dafür tat, wie du. Wahrscheinlich hatte dich das unglaublich verletzt - ich konnte das verstehen -, doch hätte es dich noch mehr verletzt die Dinge zu erfahren, von denen du nie wissen solltest.

Deutlich sah ich den Ausdruck in deinen Augen vor mir, als du es aufgabst, endlich einsahst, dass die Freundschaft zwischen uns nie wieder sein würde, wie früher.

All diese Gedanken machten es mir beinahe noch schwerer, die Hand nicht erneut zurück zu ziehen. So lange war ich dir nicht mehr so nah gewesen wie in diesem Augenblick, so lange hatte ich dein Gesicht nicht betrachten können, hatte ich dich nicht mehr in meinen Armen gehalten, wenn dich etwas bedrückte. Es tat weh zu wissen, wie viel von deinem Leben ich so versäumt hatte. Noch mehr tat es weh, dass ich womöglich nicht mehr die Gelegenheit haben würde etwas an diesem Umstand zu ändern.

Wahrscheinlich war es alleine dieser Gedanke, der den Ausschlag gab, mir endlich einen kleinen Teil meiner alten Stärke zurückbrachte und mich endlich diesen letzten, winzigen Abstand zu deiner Wange zurücklegen ließ.

Sobald ich deine samtweiche Hut an meinen Fingerspitzen fühlte, war es vorbei mit all meiner Stärke und Beherrschung. Es dauerte nur noch Sekunden, bis ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten konnte und sobald sie zu fließen begonnen hatten, waren sie auch nicht mehr zu stoppen.

Das war der eine Moment, in dem mir endlich klar wurde, wie wichtig du mir wirklich warst. Der Augenblick, in dem ich einsah, dass ich mich so falsch verhalten hatte, wie es mir nur möglich war.

Ich hätte es dir sagen sollten. Ich hätte es darauf ankommen lassen sollen, darauf vertrauen, dass du mich verstehen und nicht von dir stoßen würdest - denn das hättest du nicht. Das hättest du niemals - das wurde mir mit einem Mal bewusst.

Warum war ich nur so dumm gewesen, dir nicht zu vertrauen, wie ich es Jahre zuvor schon getan hatte?

Ein ersticktes Schluchzen kam über meine Lippen und zugleich hatte ich das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Immer und immer wieder stellte ich mir dieselbe Frage, doch nie wusste ich eine Antwort darauf.

Zum ersten Mal in meinem Leben betete ich, hoffte darauf, dass du deine Augen aufschlagen und mich ansehen würdest - egal wie. Selbst wenn Wut und Hass in deinem Blick lägen - es wäre mir egal, solange du nur diene Augen aufschlagen würdest, deine Wangen von dieser unheimlichen Blässe befreit würden und deine Lippen wieder ihr gewohntes Rot annähmen.

Vielleicht war es eine gerechte Strafe für mein Fehlverhalten der vergangenen Monate, dass meine Gebete nicht erhört wurden und du weiter still, wie tot auf dem weiß bezogenem Bett lagst. Aber solltest du nicht jetzt aufwachen? War das nicht die übliche Stelle für ein unwahrscheinliches, aber umso glücklicheres Happy End? Würde es überhaupt etwas wie dieses klischeehafte „Happy End“ für uns - nein, für mich - geben? Dabei war es gar nicht das, was ich verlangte. Es brauchte nicht zu sein wie in billigen Kitschfilmen. Es würde genügen, würdest du deine Augen aufschlagen, nur für einen kurzen Moment, und uns allen - mir - zu zeigen, dass du nicht aufgeben würdest, dass du weiterleben würdest und nicht vorhattest, vor meinen Augen zu sterben, ohne dass ich auch nur die geringste Möglichkeit gehabt hätte, meine Fehler zu Korrigieren.

Ein leises Geräusch, das nicht in die Umgebung zu passen schien drang an mein Ohr, doch ich ignorierte es, wie ich alles ignorierte, außer dir. Was gab es im Moment auch wichtigeres als dich?

Ein weiteres Schluchzen entwich meiner Kehle, die sich noch immer anfühlte, als würde jemand versuchen mich zu erwürgen. Das Gewicht meines Kopfes wurde mir mit einem Mal zu schwer, sodass ich ihn an die Kante des Bettes legte, während ich sanft deine Hand ergriff, zärtlich darüber stich, soweit der eingestochene Schlauch es zuließ.

„Kai…“ Ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle, konnte meine Gefühle keine Sekunde länger zurückhalten. Irgendwo in meinem Inneren war mir klar, dass es umsonst war, dass du es nicht hören würdest, doch gab mir die Situation zumindest das Gefühl, ein kleines bisschen der Schuld an dem Zerbrechen unserer Freundschaft, an der zunehmenden Entfernung zwischen uns, zu nehmen. Es war dumm das zu denken, vollkommen dumm und sinnlos, doch es erleichterte die Situation für mich.

„Ich liebe dich…“ Mir fiel weder auf, dass ich diese drei Worte wieder und wieder wiederholte - flüsternd, mit zitternder, weinerlicher Stimme -, noch bemerkte ich, dass ich am ganzen Körper zitterte und die Tränen ein wirres Netz aus Linien über meine Wangen zeichneten.

In einem anderen Zustand hätte ich die beruhigende Hand auf meinem Rücken wahrgenommen, oder zumindest die Stimme gehört, die die sanft streichelnde Hand in ihren Beruhigungsversuchen unterstützte. Erst als die ungewöhnlich warme Hand durch meine Haare fuhr bemerkte ich, dass ich nicht länger alleine war - alleine mit dir. Trotzdem hatte ich weder genug Kraft, noch die Motivation dazu, mich aufzurichten und umzudrehen, so blieb ich weiter reglos mit der Stirn an die etwas kratzige Krankenhausmatzratze gelehnt, deine Hand haltend in meiner Position.

Langsam begann die Stimme zu mir durchzudringen und ich erkannte sie, ohne jedoch den Sinn der gesprochenen Worte zu erfassen. Es tat mir unheimlich gut zu wissen, dass ich vielleicht doch nicht ganz alleine war, dass es Menschen gab, die mir helfen würden, mir helfen wollten.

Langsam nahm mein Zittern ab, meine Tränen hörten auf zu fließen und endlich bemerkte ich auch, wie ich diese drei - für mich so wichtigen Worte - wie eine Beschwörungsformel wiederholte.

Ich saß nun vollkommen reglos da, konzentriert mich auf nichts anderes, als die kühle Hand in meiner, Rukis warme Hand an meinem Rücken und seine ebenso warme Stimme. Er blieb für den Rest des Tages an meiner Seite, hielt nie in seinen beruhigenden Berührungen inne und saß auch die gesamte Nacht über an meiner Seite, gab mir das Versprechen auch dann nicht zu gehen, sollte ich einschlafen. Tatsächlich war er auch am Morgen danach noch an meiner Seite und stand mir erneut bei, als mir bewusst wurde, dass meine Befürchtungen wahr geworden waren. Dass meine Gebete nicht erhört worden waren.

Kai würde niemals erfahren, wie sehr ich ihn geliebt habe.

Wie sehr ich ihn immer noch liebe.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Schatten_der_Nacht
2012-03-24T11:13:14+00:00 24.03.2012 12:13
Hey,
mich würde mal interessieren, woher du die Liedzeilen hast?

LG SdN
Von:  Montyliee
2009-08-10T09:47:14+00:00 10.08.2009 11:47
Du bringst mich damit wirklich zm weinen, ein so wunderbar beschriebenes Gefühl und die hintergründig gehaltene Geschichte dazu, einfach wunderschoen!
Viele Dank für etwas so TOlles! ;_;

LG Monty
Von:  Kaylean
2009-03-18T18:31:49+00:00 18.03.2009 19:31
wow.
wie Jiruka schon schrieb unglaublich schön und zugleich unglaublich traurig. Die Sanftheit der Erzählung, die langsam Einblick in Uruhas Gefühlswelt gibt. Die starke Freundschaft der anderen Mitglieder, wie Ruki an Uruhas Seite bleibt.
In dieser einen Nacht, in der Kai geht.

Ein sehr schöner OS. Wirklich, sehr schön.
*auf Favoritenliste setzt*

und jetzt brauch ich ein Tempo.

Grüße
Kai--
Von:  ChoKai
2009-03-14T08:17:30+00:00 14.03.2009 09:17
Boah, das ist so traurig. Q___Q
Wie kannst du nur sowas unheimlich schönes und zugleich trauriges schreiben?
*in Taschentücherhaufen sitz*
Das hat mich so unheimlich berührt, dass ich es mir direkt zweimal durchgelesen habe. ;_;
Klasse. Das hast du wirklich ganz toll gemacht.
*Kekse und Kakao dalass*
Als kleines Dankeschön für diesen One-Shot.
*knuff*

In diesem Sinne,
Kei


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