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Stumme Tränen

Darfst du mich denn lieben, Inuyasha?!
von

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Verehrer und Diebe

„Ich werd noch wahnsinnig! Nimm mir die Dinger von den Füßen!“

Anjaani amüsierte sich prächtig über Inuyashas Gehversuche in Schuhen. So wie er sich anstellte, hatte er anscheinend noch nie welche getragen. Bis jetzt war er ja auch barfuß gewesen. Ein Glück, dass ihm Rajs schwarze Adidas- Schuhe wie angegossen passten. So viele Gemeinsamkeiten...

„So schwer ist das doch nicht. Reiß dich mal zusammen.“

„Das sagt sich so leicht“, murrte er. „Warum kann ich sie nicht ausziehen?“

Langsam ging er ihr auf die Nerven. Wie oft hatte sie ihm das schon erklärt! „Weil ich dir tausend Mal gesagt habe, dass kein normaler, unauffälliger Mensch barfüßig herumrennt!“

Augenrollend deutete er auf eine Gruppe bunter Lolitas auf der anderen Straßenseite. „Die sind unauffällig?! Und schau erst mal dich an. So ein Kostüm habe ich noch nie gesehen.“

Sie blickte an sich herab auf ihren zartgelben Sari, der mit weißen Schmetterlingen verziert war. „Das ist ein traditionelles, indisches Wickelgewand und kein Kostüm“, erwiderte sie leicht patzig. „In Indien trägt man das und ich liebe es.“ Ihre Augen blitzten plötzlich herausfordernd. „Oder sehe ich nicht gut aus?“

„Doch“, wehrte er schnell ab. „Du siehst gut aus. Es betont deine Figur.“

„Oh, findest du? Danke!“ Ihr Strahlen war voller Herzlichkeit.

Inuyasha hatte zwar kein Gedächtnis, aber seinen Verstand hatte er nicht eingebüßt. Und das Erscheinungsbild von Frauen darf man nie, NIE kritisieren! In keiner Epoche dieser Welt. „Es betont deine Figur“ war ein Standartsatz, der immer richtig war, wie er mit einem Blick auf Anjaanis zufriedenes Gesicht bemerkte.

Und sie sah gut aus... So ein Schwachsinn! Sie sah nicht einfach nur „gut“ aus. Sie sah wunderschön aus! Vor allem wenn der Wind durch ihr langes Lockenhaar wehte und das Stoffstück, das über ihrer linken Schulter hing, wie einen Schleier flattern ließ. Diese Farbe stand ihr gut. Jede Farbe stand ihr gut. Der Sari rückte ihren Körper ins richtige Licht. Ausnahmslos jeder Mann auf der Straße starrte ihr hinterher. Der Sari war ein besonders feminines Kleidungsstück. Ihr weißes, sehr knappes Top schimmerte durch den zarten Stoff, auch ihr kleiner Bauchnabel war sichtbar.

War ihr Bauch wirklich so flach und straff, wie es der dünne Stoff vermuten ließ? Die Brüste so rund uns prall? Er spürte, wie seine Wangen sich erhitzten. War ihr Körper so perfekt wie ihr Gesicht? Dieses schöne, so wunderschöne Gesicht... Er musste sich sogar eingestehen, dass er noch nie ein schöneres Gesicht gesehen hatte. Erinnerung hin oder her, er war sich sicher, dass es keine schönere Frau auf dieser Welt gab. Neben sich sah er ein Wesen, dass die Schönheit persönlich verblassen ließ. Deswegen hatte er auch nicht länger widerstehen können... ihre bebenden Lippen an seinen...

Der Dämon zuckte zusammen, als er merkte, dass er von diesem Menschenmädchen zu schwärmen begann. Hatte er sich, bevor er sein Gedächtnis verloren hatte, immer so dämlich benommen? Das glaubte er nicht. Er hielt sich für einen stolzen, furchtlosen und gefürchteten Youkai, der niedere Gefühle wie Liebe nicht kannte.

Aber warum wurde er so schwach in ihrer Nähe? Er hatte sie an seinen Ohren rumspielen lassen. Noch schlimmer, er hatte es auch noch genossen! Fast hätte er sich dabei vor lauter Wonne in ihren Schoß gekuschelt und geschnurrt, wenn das so weiter gegangen wäre.

„Bin ich überhaupt noch normal?! Was treibt diese Hexe mit mir?" Warum machte sie ihn zahm wie ein Schoßhündchen? Er verstand das nicht. Gut sie war schön, übernatürlich schön... Jeden Mann brachte sie um den Verstand, wie er mit einem Blick auf die Männer in ihrem Umfeld bemerkte. Er verstand, dass ihr niemand widerstehen konnte. Noch dazu war sie liebevoll und freundlich. „Und ich mag sie, aber das darf sie nie erfahren!!!"

Damit sie von seinem Gefühlschaos ja nichts mitbekam, fragte er mürrisch: „Warum muss ich Schuhe tragen, wenn andere wie die dümmsten Trottel rumlaufen dürfen?“ Er knurrten einem jungen Mann mit langer, grellgrüner Irokesenfrisur an, der Anjaani mit offenem Mund hinterher starrte.

„Weil es nicht normal ist, keine zu tragen“, lächelte sie. „Ein Mensch ohne Schuhe ist wie ein Krieger ohne Schwert... einfach peinlich.“

Ein Grollen erklang aus den Tiefen seiner Kehle. Sie beachtete seine tödlichen Blicke nicht. Es hatte vorhin einen großen Streit gegeben, weil Anjaani drauf bestanden hatte, sein altes, verwahrlostes Schwert in der Wohnung zu lassen.

„Dieses Schwert gehört zu mir, wie ein Säugling zu Mutter!“, hatte er zum Schluss geschrieen.

„Ach, hat es etwa einen Namen?“, hatte Anjaani gespielt überrascht gefragt.

„Ja!“

„Nenne ihn mir und du darfst das Ding mitschleppen. Ansonsten bleibt es hier!“

So hatte er am Ende nachgeben müssen. Dieses Weibsbild war nicht normal! Ihre Laune konnte im Sekundentakt wechseln. Jetzt zum Beispiel tänzelte sie fröhlich summend an seiner Seite. Wie ein Sonnenstrahl sah sie aus und zog jeden in ihren Bann.

„Sie ist ein guter Mensch“, gestand er sich ein. Sie hatte keine Angst vor ihm und sie nahm ihn bei sich auf, ohne etwas von ihm zu erwarten. Selbst, wenn er es nie zugeben würde, er war ihr unendlich dankbar. Ihre Nähe entspannte ihn und er genoss es mit ihr im warmen Sonnenschein des Frühlings zu spazieren. Würden seine Ohren nur nicht unter dieser vermaledeiten Kopfbedeckung so jucken!

„Nein, Inuyasha!“ Er starrte sie überrascht an. „Du gewöhnst dich noch an das Jucken“, erklärte sie schmunzelnd.

„Woher weißt du das schon wieder?“, grummelte er gereizt.

„Ich bin feinfühlig“, sagte sie. „Ich spüre deine Energie und sehe es in deinen Augen. Meine weibliche Intuition ist ziemlich ausgeprägt.“

„Aber es nervt so“, jammerte er. Sie lachte in aufmunternd an. „Daheim darfst du alles tragen oder ausziehen was du willst. Von mir aus darfst du sogar nackig rumrennen.“

Wie schön sie war, wenn sie lachte! „Pöh“, machte er nur und errötete sanft. Er konnte sich ganz genau vorstellen, wie sie reagieren würde, wenn er nackt durch ihre Wohnung rennen würde. Sie konnte ihn ja nicht mal ohne Oberbekleidung ansehen!

Man sah ihr deutlich an, wie unschuldig sie war. Ihre unschuldige Ausstrahlung betonte ihre Schönheit nur noch mehr und ließ sie vor Liebreiz regelrecht übersprudeln. Doch ein gewaltiges Feuer konnte in ihr brennen, wenn man es entfachte. Ihr Kuss war voller Leidenschaft gewesen und ihr Körper so heiß und begehrenswert, der lockte, verführte und nach mehr verlangte...

Schlagartig wurde ihm bewusst in welche Richtung seine Gedanken gingen, als sein Körper dementsprechend auf die heraufbeschworenen Bilder reagierte. Zum Glück rettete ihn das Knurren seines Magens, denn sie hatte ihn neugierig beobachtet. Mit dem stärker werdenden Hunger verflog seine Erregung glücklicherweise sofort.

„Wir sind gleich da, Inuyasha. Nur noch über die Straße und- uaaah!“

Blitzschnell hatte er sie an sich gerissen. Anjaanis Herz klopfte wie verrückt. Sie hatte den Fahrradfahrer nicht gesehen. Er hätte sie umgefahren, hätte Inuyasha nicht reagiert. Seine Reflexe waren der Wahnsinn!

„Geht es dir gut?“ Seine Hände hielten ihre Oberarme umklammert, ohne sie mit den Krallen zu verletzen und sein Atem streichelte warm ihre Wange. Mehr als ein kurzes Nicken brachte sie nicht zustande.

„Dann pass gefälligst besser auf“, grollte er los und stieß sie leicht von sich. „Kann man dich denn nirgends alleine lassen, du bist doch unmmh-“

Schnell hatte sie ihm einen Kuss auf die Lippen gehaucht, der ihn abrupt verstummen ließ. Seine Augen wurden groß.

„Danke“, lächelte sie zuckersüß. „Ich danke dir von Herzen. Und es tut mir leid, Inuyasha.“

„Schon gut“, murmelte er genervt und errötete leicht.

Gemeinsam überquerten sie die Kreuzung.

„Es war kein Kuss, es war nur ein kleines Küsschen“, redete sich Anjaani ein. „Es war harmlos und bedeutet nichts. Ich hab ihn ja kaum berührt. Außerdem hat das einen großen Streit verhindert. Es war nur eine kleine liebevolle Geste des Dankes, mehr nicht!“ Trotzdem brannten ihre Lippen und ihr Herz raste.

Inuyasha machte sich derweil seine eigenen Gedanken. Es war beleidigt. Mit so einem miesen Trick hatte sie ihn überwältigt! Oder war es nur der Wunsch, ihre vollen, roten Lippen richtig zu spüren?

„Inuyasha, wir sind da.“

„Na endlich! Ich sterbe vor Hunger!“

„Was willst du denn essen?“

„Was für eine blöde Frage!“ Er war sofort wieder verärgert. „Was soll ich denn essen, wenn ich-“ „Wuff!“ „Nein, du dummes Viech!“

Anjaani prustete laut los. Ein kleines, schneeweißes Hündchen hatte sich auf Inuyasha gestürzt und versuchte fröhlich bellend an seinem Bein hochzukommen. Inuyasha wiederum versuchte seinen fanatischen, kleinen Verehrer abzuschütteln. Anjaani kriegte sich nicht ein vor Lachen. Das sah so süß aus! Inuyasha, der panisch versuchte, ein kleines Hündchen von seinem Bein abzuschütteln. Wo ist die Fotokamera, wenn man eine braucht!

„Hör auf zu lachen und nimm dieses nervige Ding von mir!“

„Es scheint dich zu mögen“, japste sie unter Tränen. „Vermutlich kommst du ihm bekannt vor.“

„Das ist nicht witzig“, knurrte Inuyasha, immer noch verzweifelt versuchend, das weiße Fellbündel von seinem Bein zu schütteln. Doch Anjaani, sich immer noch kaputtlachend, machte keinerlei Anstalten, ihm zu helfen. Und Inuyasha schimpfte und fluchte wie ein Irrer.

„Mary, aus! Du meine Güte, aus!“ Eine mollige kleine Frau kam auf die beiden zugewackelt und packte das schwanzwedelnde, überglückliche Tier. „Es tut mir wirklich leid, hat sie euch was getan?“

„Nein, hat sie nicht“, kicherte Anjaani, bevor Inuyasha zu einer grimmigen Antwort ausholen konnte.

„Verzeiht bitte die Belästigung.“

„Nein, nein“, wehrte Anjaani ab. „Wir haben uns gefreut. Ihre Mary scheint meinen Freund hier sehr zu mögen.“

„Ui, meine Kleine“, sprach die Frau ihren Hund an und wippte ihn leicht auf ihren Armen auf und ab. „Hast du einen neuen Freund gefunden? Na, na!“, rief sie, als Mary versuchte, ihr aus dem Arm zu springen.

„Nun, junger Mann, sie haben wohl eine kleine Verehrerin.“

Alle, außer Inuyasha, lachten. Der hörte dem Gespräch von Anjaani und der nervigen Frau mit ihrem nervigen Köter gar nicht zu. Er ignorierte auch das jammervolle Winseln des Hündchens, als es weggetragen wurde.

„Der hast du jetzt das Herz gebrochen“, schmunzelte Anjaani. „Arme, kleine Mary. Tja, jeder hat einen Verehrer.“

Inuyasha begann zu zittern. „Ich bin kein Hund“, presste er zwischen den Zähnen hervor.

„Oh“, stieß Anjaani überrascht aus und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn näher zu betrachten.

„Was ist denn jetzt schon wieder?“ Sie war ihm so nah, dass ihr Haar seine Nase kitzelte. Sie roch berauschend!

„Du hast ja Fangzähne. Das habe ich ganz vergessen. Zeig mal.“

„Nein, ich mache jetzt nicht den Mund auf, damit du an mir wie an einem Spielzeug rumfingern kannst.“

„Ich will sie sehen!“, rief sie empört aus.

„Warum, zum Teufel?!“

Weil sie sie nicht gespürt hatte, als er sie geküsst hatte. Sie waren beim Kuss nicht im Weg gewesen... „Warum darf ich nicht!“, regte sie sich auf.

„Weil es sein kann, dass ich aus einem Reflex heraus zubeiße“, grinste er böse.

Sofort zuckte sie von ihm weg. „Aber wenn du schläfst“, murmelte sie leise.

Das überhörte er. Stattdessen meckerte er sie an, weil sein Magen immer leerer wurde. Also ging Anjaani den Einkaufswagen holen. Sie befanden sich hinter dem Gebäude unter einer Art Pavillon. Hier war sie vor den Passanten versteckt. Kaum betrat sie den Pavillon, lief es ihr plötzlich eiskalt den Rücken runter.

„Da ist ja unsere hübsche, indische Prinzessin, Jungs“, ertönte es hinter ihr.

Große, schwere Steine bildeten sich in ihren Magen. Trotz aller Warnungen ihres Verstandes, drehte sie sich um.

Da standen sie, drei japanische Jungs aus der Nachbarschule. Sie waren ungefähr in ihrem Alter. Jeden Freitag lauerten sie ihr am Supermarkt auf, aber da die Drillinge, die den schwarzen Gürtel in Karate besaßen, Anjaani beim Einkaufen immer begleiteten, kamen die Typen ihr nie zu nahe. Außer Pfiffen und obszönen Bemerkungen hatten sie nie viel gemacht. Jetzt war Anjaani allein. Wo war nur Inuyasha?

„Wo warst du gestern, meine Kleine?“, fragte der Größte. Alle drei kamen auf sie zu.

Sie schwieg stur und versuchte an den drei vorbeizukommen. Doch der Große versperrte ihr den Weg. „Na, na. Es ist unhöflich, nicht zu antworten, wenn man etwas gefragt wird.“

Sie kreisten das verängstigte Mädchen ein.

„Scheinst dich wohl für was Besseres zu halten“, sagte er hämisch. Er riss sie an sich und hätte sie den Kopf nicht vor lauter Überraschung gedreht, hätten seine Lippen ihren Mund und nicht ihre Wange getroffen. „So weiche Haut... wahnsinn!“

Mit einem wütenden Aufschrei verpasste sie ihm eine deftige Backpfeife. Er starrte sie nur mit einem sadistischen Grinsen an und flüsterte ihre folgende Worte ins Ohr, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließen: „Das war dein Fehler... Jin, was machen wir mit so bösen Mädchen?“, fragte er seinen Kumpel.

„Bestrafen“, antwortete Jin in ihrem Rücken. Anjaani wirbelte erschrocken zu ihm herum.

„Was wollt ihr von mir?“ Vor lauter Angst klang ihre Stimme aggressiv statt selbstsicher.

„Oho, eine kleine Wildkatze“, höhnte der dritte im Bund. Er schnappte sich ihren Arm und zog sie zu sich. Ihr Herz setzte vor Furcht aus.

„Wir wollen doch nur mit dir reden. Du bist zu schön, dass wir dir auch nur einen Tag länger widerstehen können!“ Als die anderen sie auch noch packten, bekam sie Panik und wehrte sich. Ihr Kreischen wurde von einer Hand gedämpft. Alle waren so nah an sie ran gerückt, dass sie sich nicht rühren konnte.

„Was machen wir jetzt mit ihr?“

Sie sah dem Sprecher direkt in die fiesen, dunklen Augen. Den gleichen Ausdruck hatte Raj auch in seinen Augen gehabt, kurz bevor er sie vergewaltigt hatte.

„Bestrafen wir sie gleich hier, oder genießen wir es in aller Ruhe an einem privateren Ort?“

„Sie ist so wunderschön. Ich will sie schon so lange, ich halts nicht länger aus... Ob sie noch unschuldig ist?“, wisperte ein anderer bedrohlich. Anjaani begann zu weinen.

„Warten wir's ab.“ Er riss den Sari von ihrer Schulter. „Wir werden es gleich herausfinden.“

„Den Teufel werdet ihr tun!“

Anjaani, vor Angst einer Ohnmacht nahe, spürte, wie ihr Herz wieder zu schlagen begann, als sie Inuyashas Stimme hörte. Inuyasha riss die Typen von ihr weg und schleuderte sie davon. Dann schlug er sie nieder.

„Töte sie nicht“, flehte Anjaani leise. Inuyasha, der über einem der Dreien kniete und ausgeholt hatte, um mit seinen Krallen zuzuschlagen, hielt, wie aus einer Trance erwacht, inne. Er sah sie an. Blanke Wut zeichnete sein Gesicht, dieses dämonische Gesicht. Sein Körper zitterte. Er sah aus, als wäre er zum Töten bereit gewesen.

Langsam kam er auf sie zu. Sie zuckte nicht von ihm weg, obwohl ihr ihre Frage deutlich in den Augen stand: „Bist du so ein Monster, dass du sie getötet hättest?“

Er senke den Kopf. „Ich hätte sie nicht getötet“, wisperte er leise und sah sie dabei nicht an, damit sie die Lüge in seinen Augen nicht sehen konnte. Doch wenn es nach ihm gegangen wäre, wären alle Drei jetzt tot, zerrissen, zerstückelt. Ohne zu zögern, hätte er alle drei mit seinen Klauen zerfetzt. Anjaani so bedrängt zu sehen, hatte ihn rasend gemacht, dass er nur eines wollte: Diese Kerle vernichten, die es gewagt hatten, Hand an sie zu legen. Er wusste, es war Eifersucht, die ihn zum Mörder werden ließ. Kalte, schneidende Eifersucht, die den Verstand lähmte und nur Platz für Rache ließ.

Ohne den Blick zu heben, nahm er das Ende ihres Saris und legte es ihr züchtig über die Schulter. Die Kerle hatten sie angefasst! Sie wollten sie ausziehen! Ihr wehtun!

Er konnte es nicht ertragen, wenn jemand anderes sie anfasste. Keiner durfte sie anfassen, keiner! Außer ihm! „Außer mir?“

Anjaani schnaubte bitter, doch sie sah ihn nicht an. „Tja, wie ich gesagt habe, jeder hat einen Verehrer.“ Die Ironie der Doppeldeutigkeit dieses Satzes hatten beide gerade erlebt.

„Ja“, knurrte Inuyasha sarkastisch. „Jeder Verehrer kann auch ein Dieb sein. Wenn ich mir ausmale, was sie dir hätten antun können, was sie dir hätten nehmen können. Schlimmstenfalls dein Leben.“

„Ich möchte nicht noch mehr Dieben begegnen... nicht heute“, murmelte sie. „Na, die können sich dann warm anziehen. Ich bin jetzt schließlich vorgewarnt.“

Ein leises Kichern entschwand ihr, denn er sprach so süß. Und dieses Kichern ließ seinen Zorn abklingen, so fragte er nun beruhigter: „Wie geht es dir?“

Ihr Gesicht verdunkelte sich wieder und ihre dunkelbraunen Augen blickten so verloren, dass ihm schwer ums Herz wurde.

„Warum?“ Ihre Stimme klang verwirrt. „Warum können Männer mich nicht in Ruhe lassen? Selbst, wenn Raj in meinem Leben nicht mehr existiert, selbst dann...“ Sie konnte es nicht aussprechen. „Es gibt nichts abstoßenderes als körperliche Vereinigung“, spie sie leise aus. Das Wort „Sex“ konnte sie nicht aussprechen.

Statt Wut verspürte Inuyasha plötzlich Schmerz. Wortlos nahm er sie in die Arme. Er wusste genau, was er da tat, doch das war ihm egal. Alles würde er tun, um diese Qual nicht mehr in ihren Augen zu sehen.

Für Anjaani hörte die Welt auf zu existieren. Sein Duft benebelte ihre Sinne und die Hitze seines Körpers ließ ihre Knie zittern. Doch er deutete ihre wackeligen Beine falsch. Er dachte, sie zittere vor Angst und drückte sie noch fester an sich.

Sie wusste nicht, was um sie herum geschah. Sein harter Körper an ihren gedrückt, seine Hände an ihrem Rücken, ihr Gesicht an der unendlich zarten Haut seines Halses. Völlig verzaubert von seiner Nähe hob sie den Kopf und begegnete seinem Blick. Seine Augen fesselten sie und zogen sie in seine goldenen Tiefen. Sein heißer, süßer Atem in ihrem Gesicht raubte ihr den letzten Rest ihres Verstandes. Sie sah nur noch, wie seine Lippen näher kamen, als sie ihre Augen schloss.

„Wuff!“

„Verflucht! Nicht schon wieder so ein Viech!“

Anjaani stand da, als wäre sie mit eiskaltem Wasser begossen worden, während Inuyasha sich wieder eines kleinen Hundes entledigen musste.

Wütend schleuderte er das Tier von sich, packte ihre Hand und zerrte sie eilig in den Supermarkt.

Inuyasha fluchte und schimpfte, doch plötzlich hielt er inne, um sie überrascht anzustarren. „Was ist los mit dir, Anjaani? Du siehst wütend aus.“

„Lass uns einkaufen“, sagte sie nur leise und senkte den Blick. Sie war so enttäuscht. Beinahe hätte er sie geküsst. Jetzt war sie am Boden zerstört. Inuyasha schaute ihr mit schmerzlichem Blick nach. Diese Idioten! Er hätte sie töten sollen, nicht laufen lassen. Wie kann er ihr nur helfen?

Ihr spitzer Schrei ließ ihn vor Schreck zusammenzucken. Mit rasendem Herzen und einem schnellen Sprung war er bei ihr.

„Was ist passiert? Was-“

„Guck mal, Erdbeeren!“, kreischte sie.

„Was zu Teufel-!!!“

„Ich fass es nicht, das Kilo Erdbeeren kostet nur 65 Yen!“

Sie war völlig aus dem Häuschen und schien vor Freude zu platzen, während Inuyasha sie mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.

„Ist das nicht toll“, strahlte sie ihn an.

„Sag mal, geht es dir noch gut!“, schrie er wütend.

„Häh? Warum?“

„Warum? Darum! Weil mir fast das Herz stehen geblieben ist! Ich dachte, dir wäre was passiert!“

Anjaani beachtete ihn nicht und ging zum Gemüsestand.

„Hey, ich rede mit dir!“

„Magst du eigentlich Karotten?“

„Wie bitte?“

„Ich wollte heute ein ganz leckeres Curry kochen, du magst doch Hähnchen?“ Fröhlich summend schob sie den Einkaufswagen weiter.

Er blieb an Ort und Stelle fassungslos stehen. „Ich glaub’s einfach nicht! Die ignoriert mich komplett. Ich dreh ihr noch den Hals um, ich schwöre es!“

Inuyasha kämpfte gegen seine Wut an. Er vermutete, dass sie gerade dabei war, ihr traumatisches Erlebnis von vorhin zu verarbeiten und eigentlich sollte er nett zu ihr sein. Er würde aufhören zu schmollen. Doch das war im Nu vergessen.

„Oh, da bist du ja“, lächelte sie, als er neben sie trat. Sein Blick war vernichtend.

„Hör mal, Inuyasha, ich rede nicht mit dir, wenn du mich so anschreist. Ich kaufe jetzt für dein Abendessen ein und du sollst aufhören mich so grob zu behandeln.“

Er schwieg sie an und drehte beleidigt den Kopf weg. Sie hatte ja recht, aber ihr ständiger Launenwechsel schlug ihm aufs Gemüt. Und sein Magen knurrte immer lauter.

Anjaani legte ihm versöhnlich die Hand auf die Schulter. Er warf ihr einen kurzen Blick zu, dann betrachtete er weiterhin die Decke. „Komm, sei bitte nicht so.“

„Pff“, zischte er nur.

„Inuyasha, ich schlage dir etwas vor.“

Er drehte sich weg.

Sie packte ihn und schleuderte ihn zu sich rum. Am Haar zog sie ihn auf Augenhöhe runter. „Ich rede mit dir, du undankbarer, störrischer Egoist!“

„Ist ja gut“, wehrte er erschrocken ab. „Beruhige dich.“ „Großer Gott, diese Frau spinnt! Oh, nein! Panisch bemerkte Inuyasha, wie es in seiner Lendengegend zu ziehen begann. In ihrer Wut wirkte sie so anziehend auf ihn. Wie ihre Augen blitzen und ihre vollen Lippen bebten. Er wollte sie spüren, hier und jetzt! Aber ihre Masche konnte er auch.

„Beruhigen, du benimmst dich wie ein Kind. Du-“

Seine Augen ließen sie schlagartig verstummen. Mit zärtlichem, verzehrendem Blick rückte er näher an sie heran, ohne sie anzufassen.

Sie zuckte weg. Doch ihre Augen waren fest an seine geheftet und färbten sich golden. „Ich will dich“, schien sein Blick zu sagen. Er nahm ihre Hand. „Lass uns einkaufen.“

Im Inneren lachte er sich hämisch ins Fäustchen. „Was sie kann, kann ich auch!“

Der weitere Einkauf verlief ruhig und entspannt. Als sie den Supermarkt verlassen hatten, fiel Anjaani ein, dass sie Schokolade vergessen hatte. So schleppte sie ihn schnell zur nächsten Tankstelle. Natürlich trug er die vollgestopften Einkaufstüten und sie hatte ihre saftigen, roten Erdbeeren im Arm. Die beiden waren momentan die einzigen in der Tankstelle und gerade wollte Anjaani zahlen, als...

„Hände hoch, dann passiert keinem etwas!“

Inuyasha musterte genervt den schwarz Maskierten- dem Geruch nach ein Mann- der ein seltsames, längliches Metallteil in der Hand hielt.

Da bemerkte er Anjaanis Angst, sie hob ihre zitternden Hände in die Höhe.

„Mach was er sagt und rühre dich nicht.“ Ihre leise, verzweifelte Stimme bebte. „Er tötet uns sonst auf der Stelle. Bitte. Bitte tu, was ich sage, wir haben sonst keine Chance.“

Wortlos gehorchte er. Der Typ wollte nur das Geld des Mannes hinter dem hohen Tisch. Er brüllte rum wie ein Irrer, beachtete die beiden Kunden kaum.

„Wir sind nicht taub“, brummte Inuyasha schließlich säuerlich.

„Wie bitte!“ Der Dieb fuhr zu ihm herum und richtete die Waffe auf ihn. Anjaani entfuhr ein Schrei und der Dieb wandte sich ihr zu. Zum wiederholten Mal erlebte Inuyasha Anjaanis Wirkung auf einen Mann, der sie zum ersten Mal erblickte. Für einen Moment war der Kerl völlig neben sich, sprachlos und verzaubert starrte er sie an, von oben bis unten und seine plötzlich verlangenden Augen blieben an ihrem Gesicht hängen.

„Vergesst das Geld, ich nehme einfach dich mit!“

„Du hast sie doch nicht mehr alle!“, entrüstete sich Inuyasha.

„So redet man nicht mit mir!“, schrie der Mann schrill. „Pass auf, oder ich puste dich um! Ich will diese Frau! Kleine, komm her!“

Grob riss er Anjaani an sich und die Tüten mit den Erdbeeren flogen ihr aus den Händen. Der Dieb trat achtlos drauf, während er mit ausgestreckter Waffe auf den zornbebenden Inuyasha zuschritt.

Entsetzt starrte Anjaani die zermatschten Früchte an, schien sich ihrer gefährlichen Situation nicht mehr bewusst zu sein.

„Du hast ein ziemlich großes Mundwerk, Freundchen“, bedrohte der Fremde dem Dämon, der keinen Funken Angst zeigte, eher schien er rasende Wut zurückzuhalten.

„Ich glaub, ich muss dich töt-“ „BIST DU NOCH GANZ BEI TROST, DU VERDAMMTES ARSCHLOCH!!!“

Anjaanis Gebrüll ließ die Fenster zittern.

Der Verbrecher ließ sie augenblicklich los, um sich die Ohren zuzuhalten, im selben Moment traf ihre Faust sein Gesicht. Mit einem überraschten Stöhnen ging er zu Boden.

„Ich habe das Zeug bezahlt!“ Sie hockte sich auf den Dieb, der sich zusammengekauert hatte und drosch mit ihren Fäusten auf ihn ein.

„Was fällt dir eigentlich ein, Eigentum fremder Leute kaputt zu machen?! Du spinnst wohl total! Die haben nur 65 Yen gekostet! 65 Yen!!! Weißt du überhaupt, was für ein Schnäppchen das ist?! Mir wächst das Geld nicht in den Hosentaschen! Ich will diese Erdbeeren, die ersetzt du mir, du mieser, verlogener,-“

„Polizei! Was geht hier vor?“

Jetzt erst hielt Anjaani in ihrer Raserei inne. Inuyasha und der Kassierer waren vor Überraschung ganz gelähmt.

„Dieser Mann wollte mich überfallen“, sagte der Kassierer, zu den vier Polizisten, während Inuyasha die zornige junge Frau auf die Beine hob.

„Geht es ihnen allen gut? Ist jemand verletzt worden?“ Drei der Polizisten kreisten den Verbrecher ein, mühsam darauf konzentriert, die wutschnaubende Anjaani nicht anzuschauen.

„Nein“, beteuerte der Kassierer. „Er wollte diesen jungen Mann hier erschießen, aber diese junge Frau hier hat ihn aufgehalten.“

Einer der Männer schenkte Anjaani einen bewundernden Blick, senkte die AUgen aber sofort wieder. „Den haben Sie aber zugerichtet, alle Achtung. Hoffentlich lebt er noch.“

„Das hat er verdient“, zischte Anjaani und zeigte auf den roten Matsch auf dem Boden. „Er hat meine Erdbeeren zermatscht!“

„Und er hat dich angefasst“, bemerkte Inuyasha.

„Wer würde das nicht tun?“, ging allen anwesenden Männern durch den Kopf.

„Alle Achtung, Sie können sich aber wehren. Ich bin Inspektor Fuma. Ich möchte Sie beide bitten, mich auf die Wache zu begleiten.“

Während der bewusstlose Verbrecher in den Wagen verfrachtet wurde, rückten weitere Streifenwagen an. Inuyasha und Anjaani begleiteten Inspektor Fuma aufs Polizeirevier.

Anjaanis Wut legte sich nicht, sie war nun gereizt, doch sie beantwortete Inuyashas geflüsterte Fragen mit Geduld. Sie erzählte ihm über das Polizeisystem, dass sie jetzt auf dem Revier aussagen mussten und dass der Verkäufer die Polizei heimlich alarmiert hatte, als der Ganoven abgelenkt war. Zugegeben, Anjaani hatte ein weniger harmloses Wort, als „Ganove“, benutzt.

Inuyasha glaubte vor Hunger sterben zu müssen, als die beiden endlich aus dem ungemütlichen Büro vom äußerst charmanten Inspektor Fuma entlassen wurden. Inuyasha war sich sicher, wäre der Inspektor nicht so fasziniert von Anjaani gewesen, währen sie schon früher entlassen worden.

„Das passiert mir auch nicht alle Tage“, gestand Anjaani. „Sowas sieht man nur im Fernsehen.“

„Fernsehen?“, wunderte sich Inuyasha.

„Die große, schwarze Kiste im Schrank“, antwortete sie schleppend. „Ich zeig dir nachher, was es damit auf sich hat.“

„Fräulein, Fräulein!“ Anjaani blieb verwundert stehen. Sie hatte nicht gemerkt, dass sie an der Tankstelle vorbeigelaufen waren. Der Kassierer winkte sie eifrig zu sich. Er verbeugte und bedankte sich bestimmt tausend Mal, doch Anjaani wollte keinen Dank annehmen.

„Auch nicht das hier“, schmunzelte der Mann und reichte ihr zwei kleine Schachteln mit Erdbeeren. Anjaanis Gesicht begann zu strahlen.

„Bist du ernsthaft wegen den paar Beeren so glücklich?“, wunderte sich Inuyasha auf dem Heimweg.

„Ja, aber auch, weil der Mann extra wegen mir in den Supermarkt gelaufen ist.“

„Du hast ihm eine ganze Menge Geld gerettet. Sein Dank ist ja lächerlich“, schnaubte er.

„Inuyasha“, lächelte sie zufrieden. „Du verstehst das einfach nicht.“

Als sie zurück in der Wohnung waren, war es bereits sechs Uhr abends. Das erste, was Inuyasha tat, war, sich die Mütze von Kopf zu reißen. Anjaani ging geradewegs in die Küche. Er beobachtete, wie sie die Lebensmittel einräumte und staunte über die Vielfalt der Nahrungsmittel. Dann sah er ihr beim Kochen zu.

„In ihr steckt mehr als man denkt“, dachte er, während er sie betrachtete. Summend, mit anmutig schwingenden Hüften schnippelte sie Karotten. Ihn verblüffte es immer noch, wie sie den Dieb zugerichtet hatte. Und mit was für einer Kraft! Man durfte sie nicht unterschätzen.

Seine Achtung und sein Respekt waren heute deutlich gewachsen.

„Gibt es viele solcher Diebe?“, wollte er wissen. „Mit so seltsamen Waffen?“

„Diese seltsamen Waffen sind sehr gefährlich“, antwortete sie, den Rücken ihm zugewandt. „Sie schleudern eine kleine Bleikugel, die so schnell ist, dass es deinen Körper durchdringen kann. Für den seltenen Fall, dass sie nicht tötet, richtet sie großen Schaden und Schmerzen an. Jeder benutzt solche Waffen, denn den Kugeln kann man nicht so leicht ausweichen, wie Schwerthieben. Solche Ladendiebe gibt es viele. Und ab heute hasse ich sie alle!“

„Aha. Wer hat mein Schwert gestohlen?“

„Ich habe es nicht gestohlen.“ Sie gluckste amüsiert.

„Doch, du hast es mir weggenommen. Du bist ein Dieb.“ Er lächelte. „Wir haben einen ganz gemeinen Dieb in unserer Wohnung und der bist du.“

Sie drehte sich um, um ihn anzustrahlen. Hatte er nicht bemerkt, dass er „wir“ und „unser“ gesagt hatte? Hatte er nicht gemerkt, dass er Anjaanis Wohnung gerade als ihre gemeinsame Behausung bezeichnet hatte? „Du hast es ja wieder. Und ich bin hier nicht der Dieb.“

„Wer dann?“

Sie antwortete nicht, sondern bearbeitete die Hähnchenkeulen. „Oh, Inuyasha!“, dachte sie. „Der wahre Dieb bist du. Denn du hast mein Herz gestohlen."

„Nein, hat er nicht“, widersprach ihr Herz. „Du hast mich ihm freiwillig und voller Freude geschenkt.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-02-03T18:40:58+00:00 03.02.2010 19:40
Huhu ^.^
Also, ich find deine FF super :) Ich bin die ganze Zeit nur am grinsen und freue mich wie sonst was :D

ABER wenn bei dem Ladendiebstahl alle die Hände hoch nehmen müssen, und es auch alle tun, wie halten denn dann die Erdbeeren unter dem Arm?
Also, ich mein Anjaanis Erdbeeren? Aber genial wie sie den Typen verkloppt hat, vorallem, da sie vorher Inuyascha ermahnt hat, nichts zu tun XD

LG
Jazz

PS: Ich kann das nächste Kapitel nicht lesen *schnief* bin noch zu jung -.-'


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