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American Vampire

von

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Procella

Wir segelten langsam, das wäre selbst einem Menschen aufgefallen.

Aber Calogero war ein angenehmer Reisegefährte. Er erzählte viel von fremden Ländern, die er besucht hatte, umschrieb die verschiedensten Eindrücke der Erde so lebendig, dass ich das Gefühl bekam, ich hätte das alles erlebt.

Beeindruckt lauschte ich ihm, als er vom Leben im Mittelalter berichtete, von der Kunst der Renaissance schwärmte und sich an die französische Revolution erinnerte.

"Calogero? Darf ich dich etwas fragen?", begann ich.

Er erwiderte lächelnd: "Du fragtest gerade eben, aber stelle so viele Fragen wie dir beliebt."

"Es ist aber etwas Persönliches."

Calogero lachte: "Du darfst auch solche Dinge erfahren wollen. Nun, wonach drängst du zu wissen?"

Ich lächelte dankbar. "Also, naja ich würde gerne wissen - wie alt bist du?"

Er schwieg und ich befürchtete schon, ich hätte ihn gekränkt.

"Nun genau gesehen bin ich 896 Jahre alt, als Vampir allerdings bin ich erst 852", antwortete er schließlich mit einem Lächeln, "aber das alles ist eine lange Geschichte."

Das glaub ich ihm gern. 852. Das war nicht gerade gestern gewesen. Fassungslos starrte ich ihn an und er lachte über meine entgleisten Gesichtszüge.

"Glaub mir, neben anderen Vampiren bin ich sehr jung, ein Kind."

"Du siehst aber nicht wie ein Kind aus", sagte ich ehrlich und schlug mir erschrocken die Hand auf den Mund, "Es tut mir Leid, das war unhöflich."

Der alte Vampir lachte nur noch lauter: "Du bist doch im Recht, also entschuldige dich nicht. Wenn du magst erzähle ich dir meine Geschichte, sei sie auch noch so lange her. Ich bin gewiss, ich erinnere mich noch."

Verwundert schaute ich ihn an, er wollte mir seine Lebensgeschichte anvertrauen?

"Warum?", fragte ich.

"Es wird dir sicher nützlich sein, dein Leben zu verstehen, dein Wesen zu ergründen. Jeder von uns hat eine eigene Geschichte, aber im Grunde ist es dieselbe. Wir sind alle einzigartig und doch alle gleich. Möchtest du meine Fassung hören? Ich nehme an sie wird sich von anderen unterscheiden, aber auf eine gewisse Art ist es nur eine weitere Vision aller anderen", entgegnete er lächelnd.

Stumm nickte ich und er begann zu erzählen:
 

"Ich wurde in Italien, nun heute nennt man es so, geboren. Das war im Jahre des Herrn 1067. Meine Heimat war Rom, ich habe es zu Lebzeiten nie verlassen und auch heute fühle ich eine enge Bindung zu dieser Stadt.

Meine Familie war recht klein, ich hatte nur meine Eltern und eine Schwester, Sofia. Sie war hübsch, wenn ich mich erinnere, und klug. Zwar war sie nicht des Lesens oder Schreibens mächtig, da ihr als Mädchen jene Bildung von meinem Vater verwährt wurde, doch konnte sie stets gerechte Entscheidungen treffen und wog alles gegeneinander ab. Ein jeder liebte sie, egal ob als Kindchen oder als junge Frau. Sie heiratete den Sohn eines Priesters und ihre Versorgung war gesichert.

Ich dagegen widmete mein Leben dem Studium. Ich lernte wahrlich alles, was es damals zu lernen galt. Doch mein Vater drängte mich zu einer Hochzeit mit einer Freundin der Familie, Katharina. Unsere Ehe blieb kinderlos und ich bin sicher, es lag daran das es keine glückliche war. Ich vergrub mich hinter meinen Schriften und meine liebe Frau in der Hausarbeit.

Die Jahre zogen ins Land und eine schwere Krankheit zog durch die Lande. Sie nahm mir meine alten Eltern, meine Schwester und zum Schluss auch meine gute Gattin.

Der Tod nahm mir alles, nur mein Leben ließ er mir. Und so begann ich auf ihn zu warten. Jahre lebte ich ein teilnahmsloses Leben in Erwartung auf mein Sterben.

Doch ich begann mich zu fragen, was danach sein würde. Würde ich im Tode, all meine Lieben wieder sehen oder wäre da nur Licht oder Dunkelheit? Es war ungewiss, damals wie heute; kein Mensch vermag zu sagen, was auf der anderen Seite wartet. Ich fürchtet mich schon immer vor der Ungewissheit und somit begann ich Angst vor dem Sterben zu entwickeln, eine riesige Furcht.

Ich wollte leben. Heute würde man wohl sagen, ich wollte jeden Tag genießen, als ob es der letzte sei. Ich ging aus, traf mich mit alten Bekannten und ging zu Gesellschaften.

Eines Abends war ich auf dem Weg nach Hause, ich ging die alte Gasse entlang. Die Stille der Nacht lag über mir und ich fuhr erschrocken zusammen, als mich jemand beim Namen rief. Ich erblickte die schönste Frau, die ich jemals sah. Ihre zarte Haut schimmerte silbern im Mondlicht und ihr langes blondes Haar umrahmten ihr Gesicht wie ein Wasserspiel.

Sie musste ein Engel sein, waren wohl meine Gedanken. Lächelnd trat sie an mich heran, umschmeichelte mein Gesicht und hauchte: 'Du hast Angst vor dem Tod? Ich kann dich von ihm befreien. Du wirst niemals sterben. Ist es nicht das was du dir wünscht? Unsterblichkeit?' Ich antwortete nicht und es war ihr keine Antwort nötig, denn sie kannte sie. Natürlich wollte ich lieber die unsterbliche Verdammnis als den Tod. Sie tötete mich und schenkte mir Leben. Sie besiegelte das, was ich heute bin.

Kallisto, das war ihr Name. Ich weiß bis heute nicht woher sie meinen Namen kannte oder dass ich Angst vor dem Tod hatte."
 

Schweigend schaute er auf das Meer hinaus, versunken in Erinnerungen.

"Was wurde aus Kallisto?", wollte ich wissen.

"Sie lehrte mich, was ich wissen musste, über das neue Leben. Zog mich auf wie eine Mutter", sagte er, lächelnd bei dem Wort 'Mutter', "dann ging sie. Ich war alt genug und sie befand es für besser zu gehen. Ich sah sie zuletzt in Italien 1224, bei einer Zusammenkunft mit alten Bekannten."

"Vermisst du sie?"

Er schüttelte den Kopf: "Wir alle wählen unseren Weg, ich gehe meinen und sie den ihren. Wenn es das Schicksal möchte, so treffen wir uns und bestreiten ein Stück gemeinsam. Abschied und Wiedersehen, das ist der Kreislauf unseres Daseins."

Ich nickte stumm und betrachtete mein Spiegelbild im Wasser.

Er hat alles verloren, als Kallisto ihn tötete; ich habe alles verloren, als Casimir mich tötete; wir haben beide das sterbliche Leben losgelassen und sind in die Ewigkeit gegangen.

Ich verstand, was er mir sagen wollte. Im Grunde waren wir alle gleich, jeder Vampir, der auf dieser Erde ging, hat nur das eine Leben gegen das andere getauscht. Wir waren alle vereint in unserem Schicksal.
 

Die Reise dauerte über drei Wochen und ich war froh, als ich von weitem die Küste Britanniens am Horizont auftauchen sah.

Lächelnd wandte ich mich an Calogero: "Wo werden wir hingehen?"

Er seufzte leise. "Abschied und Wiedersehen, Grace, vergiss das nicht."

"Du lässt mich allein? Du gehst ohne mich fort?", fragte ich fassungslos.

Warum? Wir haben uns so gut verstanden.

"Da wo ich hingehe, ist kein Platz für dich. Es ist zu gefährlich und Rachel bat mich, für deine Sicherheit zu sorgen."

"Was meinst du damit? Warum ist es gefährlich für mich? Ich bin ein Vampir, mich kann nichts so leicht verletzten!", sagte ich, fast schon panisch vor Angst, ich würde wieder alleine sein müssen.

Er schüttelte den Kopf: "Es besteht auch keine körperliche Gefahr. Kleine Grace, du bist lebensfroh und von Natur aus freundlich und gut. Dein Wesen steht hier auf dem Spiel. Ich werde also allein nach Italien reisen."

Verwundert schaut ich ihn an: "Italien? Aber wieso verliere ich mich in Italien. Was ist denn dort?"

Calogero seufzte erneut. "Hast du zuvor einmal von der Stadt Volterra gehört? Oder von deren Herren, den Volturi?"

"Nein, wer sind die Volturi? Vampire?"

"Natürlich, sehr alte Vampire sogar. Sie sind mächtig. Es mag keine Stände in unseren Reihen geben, aber wenn doch, sie wären die Könige. Die Volturi machen die Gesetzte und sorgen strengstens für deren Einhaltung. Wer sich ihnen widersetzt, wird ohne Gnade von dieser Welt gerissen."

Entsetzt schaute ich ihn an: "Hab ich den etwas falsches getan? Soll ich mich deswegen fernhalten? Aber Calogero, sie würde mich doch überall finden oder etwa nicht?"

Er lachte und das verwirrte mich, denn ich fand diese ganze Angelegenheit alles andere als komisch.

"Aber nein Grace, ich sagte doch schon, dir droht keine physische Gefahr. Es handelt sich allein um deine Gabe, das ist der Grund warum sie dich verfolgen könnten. Sie wollen dich lebend."

Das überraschte mich jetzt. "Meine Gabe? Was hat das jetzt damit zutun? Bitte Calogero, sprich nicht in solchen Rätseln. Sag mir die Wahrheit!"

Sein Lachen erstarb und er sah mich ernst und besorgt an. "Grace, die Volturi sind so eine Art Sammler, sie scharen Vampire mit außergewöhnlichen Fähigkeiten um sich.

Das ist der Grund ihrer Macht - die Wache, die sie haben."

Ich verstand es noch immer nicht. "Aber dann stellen sie doch keine Gefahr da, für mich", stellte ich fest.

Dann tat Calogero etwas überraschendes - er nahm mich in den Arm.

"Sie sind schlechte Wesen, egoistisch und machtbesessen. Jeder einzelne von ihnen lebt nur für Macht. Du bist nicht so, du darfst so nicht werden, liebe, kleine Grace.

Versprich, das du dich fernhältst von Italien und vor allem versprich, das du stets so bleiben wirst wie du bist. Es war auch der Wunsch von Rachel, der Grund warum sie dich nicht einfach mit Casimir gehen lassen konnten. Du sollst niemals dich selbst verlieren."

Ich erwiderte die Umarmung und nickte. "Ich verspreche es. Ich bleibe ich selbst."

So ein Versprechen kann man schlecht halten, denn mit der Zeit ist Veränderung unausweichlich. Ich würde mich verändern.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2009-04-27T15:57:36+00:00 27.04.2009 17:57
Hey!!
Tolles Kapitel, die Geburtsgeschichte des Reisebegleiters^^ war interessant.
Mir gefällt es sehr gut, dass du seien Aussprache so der Alten Zeiten anpasst, das macht es so viel authentischer.
Ihre Gabe wäre den Volturi sicherlich sehr willkommen. Auf dieses aneinander Treffen freu ich mich schon, also nur wegen der spannenden Geschichte natürlich^^
Grace ist ein außergewöhnlicher Mensch, ähmm Vampir meinte ich^^
Ich freu mich schon auf das nächste Kapitel ;)
lg

Von: abgemeldet
2009-04-20T09:27:49+00:00 20.04.2009 11:27
Es gefällt mir sehr, dein neues Kapitel! Du schweifst schon beinahe ins Poetische ab mit der Erzählweise, die du dem Reiseführer von Grace angedeihen hast lassen! Rechtschreibfehler sind kaum vorhanden, und der Fortgang deiner Geschichte behagt mir außerordentlich ;).
Schreib bitte alsbald weiter!
Von: abgemeldet
2009-04-20T00:54:52+00:00 20.04.2009 02:54
Nettes Kapitel,freu mich schon auf mehr ^^


LG


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