Zum Inhalt der Seite

Angels, Vampires and a Shinigami

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

„Ich werde immer auf dich aufpassen und darauf achten, dass dir niemand etwas antut.“ Seraphis’ Worte von jenem Tag, vor dreizehn Jahren, hatte Mariah nie vergessen. Normalerweise erinnerte sie sich nur daran, wenn ihr etwas zustoßen sollte, was sie ein bisschen beunruhigte. Sie stand auf und zog sie gedankenverloren an. Kyo kam in ihr Zimmer, um nach dem Rechten zu sehen. Er seufzte nur, als er ihr die Bluse richtig zumachte, denn sie hatte sich vollkommen verknöpft. An schließend lächelte er Mariah an und hielt ihr die Hand hin. Sie nahm diese lachend und händchenhaltend verließen die Beiden das Haus.

Wie jeden Sonntag gingen sie in die Kirche, um Kyos Kraftreserven aufzufüllen. Er bezog daraus seine Kraft, wie Luce und Seraphis aus Blut. Mariah genoss diese Zeit immer, weil dies der einzige Zeitpunkt, neben der Zeit mit Luce, zu sein schien, in dem Kyo vollkommen entspannt war. Sonst hatte er immer eine gewisse Anspannung.

Als sie schließlich auf dem Rückweg waren und beim Bäcker Frühstück geholt hatten, begegneten sie Lorelei. „Na, mal wieder in der Kirche gewesen? Ihr seid ja richtig fromm.“ Mariah hatte den ironischen Unterton gehört und schnippte ihrer besten Freundin an die Stirn. Diese zwinkerte und streckte ihr die Zunge heraus. Um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen, schnippte Kyo ihr ebenfalls an die Stirn. Die protestierenden Worte wurden einfach ignoriert.

Sie sahen erst verwirrt zu ihr, als sie plötzlich telefonierte und meinte: „Ja, Mama, ich bin dann heute Abend wieder zu Hause. Pünktlich zum Abendessen, wie immer.“ Sie klappte das Handy zu und grinste. „Das ist die Strafe! So einfach lasse ich mich nicht loswerden. Lasst uns losgehen.“ Lorelei lief voller Tatendrang los. Kyo und Mariah sahen ihr nur wie versteinert nach.

„Wir müssen sie loswerden, bevor es dunkel wird.“, dachten sie gleichzeitig und in ihren Köpfen arbeiteten sie fieberhaft Pläne aus. Die Ideen gingen von einfachem Rauswurf bis Krankheitsvortäuschungen. Irgendwie würde es schon klappen. Lorelei bekam von diesen Denkvorgängen nichts mit und redete fröhlich über Gott und die Welt.

Sie war schon immer äußerst redselig gewesen. Schon im Kindergarten hatte sie alle unterhalten, wie sie einmal voll stolz erzählt hatte. Lorelei war jemand, der die Aufmerksamkeit auf sich zog du das was leider oft das, was Mariah nicht wollte. Aufgrund ihrer früheren Erfahrungen hielt sie sich lieber im Hintergrund und versuchte nicht aufzufallen.

Als die Drei schließlich an der kleinen Villa angekommen waren, sah Lorelei zu den geschlossen Läden im ersten Stock. Sie schwieg einen Moment, dann fragte sie: „Warum sind diese Läden eigentlich immer geschlossen? Ich habe sie noch nie geöffnet gesehen. Was ist in diesem Raum?“ Kyo und Mariah sahen sich hilflos an und die Blonde antwortete schließlich: „Das ist unser Aufbewahrungsort für… lichtempfindliche Gegenstände! Im Keller ist leider nicht genug Platz, nicht wahr Kyo?“ Sie sah nach Zustimmung suchend zu ihm und er sagte schnell: „Ja… Ja, das ist richtig. Wir wissen gar nicht mehr wohin mit dem Zeug.“

Kurz darauf durchfuhr die Beiden eine Art Stromschlag. Die „Gegenstände“ wurden wohl nicht gerne als solche bezeichnet und zudem waren sie wach, was für sie eher ungewöhnlich war, denn am Himmel brannte hell die Sonne. „Ist alles in Ordnung mit euch? Ihr seid plötzlich so zusammengezuckt.“ Loreleis Stimme riss sie aus ihren Gedanken und Mariah wedelte mit den Händen. „Nein, nein, alles in bester Ordnung. Mich hat es nur plötzlich gefröstelt.“

Ihre Freundin sah sie mit skeptischen Blick an und ging, nach einem letzten Blick auf die geschlossenen Läden, auf den Eingang zu. „Lichtempfindliche Gegenstände? Erzählt mir doch nichts vom Osterhasen.“, dachte sich eben Genannte, während sie darauf wartete, dass Kyo endlich die Tür aufschloss. Ihr war auch aufgefallen, dass sie immer vor Einbruch der Dunkelheit gehen musste. Angeblich war es zu ihrer eigenen Sicherheit, aber Kyo hätte sie auch immer locker nach Hause bringen können oder sie hätte hier übernachtet.

Irgendetwas versteckten ihre Freunde vor ihr und das störte Lorelei gewaltig. Was es auch war, es war definitiv nachtaktiv. Vielleicht würde sie ihren kleinen Blondschopf danach fragen, aber im Moment gab sie sich mit der Erklärung „lichtempfindliche Gegenstände“ zufrieden.

Kyo hatte es schließlich doch noch geschafft die Tür zu öffnen und sie traten ein. Er verabschiedete sich mit der Ausrede sich umziehen zu müssen. Offensichtlich wollte er nach Luce und Seraphis sehen. Mariah wäre ihm am Liebsten gefolgt, aber sie konnte ihre Freundin wohl schlecht hier stehen lassen. „Wenn ich störe, dann kann ich auch gerne wieder gehen.“, sagte Lorelei leicht genervt. Mariah hob abwehrend die Hände und grinste etwas unbeholfen. „Nein, nein, ist schon okay. Ihm war wohl etwas warm.“ Doch sie bemerkte Loreleis skeptischen Blick zur Treppe, als diese fragte: „Und warum kommt er dann zurück, wie er gegangen ist?“ Darauf hatte Mariah keine Antwort, aber Kyo würde sich deswegen definitiv etwas anhören müssen. Als sich eben Jener zu ihnen gesellte, stieß sie ihm den Ellenbogen in die Seite und zischte ein leises, aber deutliches „Vollidiot“. Sein Wehklagen ignorierend führte sie ihre Freundin ins Wohnzimmer.

Nachdem sich Kyo von seinen „Qualen“ erholt hatte, ging er in die Küche, um eine Kleinigkeit zum Mittagessen zu machen. Die Mädchen redeten währenddessen über Dinge, die nichts mit „lichtempfindlichen Gegenständen“ zu tun hatte, die seltsamerweise wach waren. Kyo konnte nicht glauben, dass die immer so neugierige Lorelei so schnell aufgegeben hatte. Normalerweise würde sie solange nachfragen, bis man ihr eine zufrieden stellende Antwort gab oder einen Beweis zeigte. In diesem Moment wünschte sich der Engel, dass sich Mariah eine einfachere Freundin gesucht hätte, aber das stand jetzt nicht mehr zur Debatte.

Kurz nachdem Lorelei das Haus am Abend verlassen hatte, kamen Luce und Seraphis die Treppe hinunter. Doch genauso schnell, wie sie erschienen waren, waren sie auch schon wieder verschwunden. Seraphis hatte sich noch knapp verabschiedet und Luce war im schweigend gefolgt.

Sekunden später fiel die Tür ins Schloss und ließ die beiden Nicht-Vampire wie im Regen stehen. „Was war das denn?“ fragte Kyo, der seine Stimme zuerst wieder gefunden hatte. Das Mädchen hob nur ahnungslos die Schultern. Sie sahen sich besorgt an und schwiegen. Die Beiden vereinbarten stumm das Thema für heute in Ruhe zu lassen.

Der junge Mann ging in die Küche, um einen Snack zuzubereiten, während die weibliche Hälfte nach einem guten Film in der Fernsehzeitung suchte. Das würde ein ruhiger Abend werden. Auch, wenn in ihnen ein Sturm tobte.
 

In einer dunklen Gasse, nahe der Stadtmitte, liefen Luce und Seraphis. „Warum konnten wir es ihnen nicht einfach sagen? Denkst du es ist in Ordnung einfach so ohne Erklärung zu verschwinden?“ Luce sah seinen Freund vorwurfsvoll an, doch Seraphis antwortete nicht, sondern blieb stattdessen stehen und sah zu den Sternen hinauf.

Eine ganze Weile herrschte Stille, bis sie schließlich von Seraphis’ ruhiger Stimme durchbrochen wurde. „Hättest du die Beiden lieber dieser Gefahr ausgesetzt?“ Der Blonde wollte etwas erwidern, aber der Andere sprach weiter. „Wenn Kyo dabei gewesen wäre, dann hättest du nicht ernsthaft gekämpft, sondern eher versucht, ihn mit all deiner Kraft zu beschützen. Ich hätte für Mariah das Gleiche getan. Findest du ich bin im Unrecht?“

Der jüngere Vampir knirschte mit den Zähnen, knurrte leise und schüttelte schließlich den Kopf. „Was für liebliche Worte in der Dunkelheit. Ich entschuldige mich für meine unhöfliche Störung.“ Die beiden Vampire drehten sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.

Sie spannten alle Muskeln an und ließen ein bedrohliches Knurren ertönen. „Oh, haben wir die Hündchen etwa verärgert? Eure Wunden scheinen ja recht gut verheilt zu sein. Aber keine Sorge, ich werde sie alle zurückbringen.“

Daraufhin ertönte ein amüsiertes Lachen und der Besitzer der Stimme trat aus dem Schatten eines Hauses.

Er hatte ungefähr die gleiche Größe, wie Luce und Seraphis und auch einen ungefähr gleichen Körperbau. Sein Haar schimmerte im Licht des Mondes silbern und seine Augen hatten ein deutliches, warmes gelborange. Das einzige, was den Ankömmling deutlich von den Vampiren unterschied, war das Paar großer, strahlend weißer, gefiederter Schwingen, das hinter ihm aufragte.

„Sollte deine Rasse um diese Uhrzeit nicht längst im Bett liegen und träumen?“, fragte Luce in einem verächtlichen und deutlich herausfordernden Ton. Seraphis dagegen schien ruhig und nur ein leises Grollen entsprang seiner Kehle.

Der Silberhaarige zischte verächtlich und schnippte mit den Fingern. Im nächsten Moment standen auf allen Dächern und in allen Gassen um sie herum Engel, die nach einem Kampf lechzten.

Die beiden Freunde stellten sich Rücken an Rücken und der Ältere meinte mit einem kampflustigen Lächeln: „Sieht so aus, als wären wir in der Unterzahl. Kämpfst du an meiner Seite, mein Freund?“ Der Andere grinste und antwortete: „Ich warte auf dein Zeichen.“ Nach diesen Worten richtete der Schwarzhaarige seine rechte Handfläche auf eine Gruppe von Engeln vor ihm.

Im nächsten Moment wurden eben Diese von einer Druckwelle von den Füßen gerissen. Luce beschwor ein Schwert und ging auf einen anderen, bewaffneten Himmelskrieger los. Als er diesen niedergestreckt hatte, grinste er in Seraphis’ Richtung und sagte: „Ich nehme mal an, das war das Startsignal.“

Es war schon fast Sonnenaufgang, als die beiden Kämpfer böse ramponiert in ihr Zuhause traten. Selbstverständlich war es stockdunkel. Was hatten sie denn erwartet? Mariah und Kyo mussten früh aufstehen, da konnten sie nicht erwarten, von ihnen mitten in der Nacht begrüßt zu werden.

„Ich vermisse die Nächte, in denen Kyo mit uns durch die Straßen gezogen ist.“ Der Grünäugige sah seinen Freund an, der mit geschlossenen Augen zur Decke sah. „Ich gebe Mariah auf keinen Fall die Schuld dafür, aber ich wünsche mir dennoch mehr Zeit mit ihm. Es schmerzt, ihn immer nur schlafend anzutreffen oder gleich wieder weg zu müssen. Dass ich unsere nächtlichen Auseinandersetzungen mit seinen Artgenossen vor ihm verstecken soll, macht das Alles auch nicht besser.“

Luce stemmte die Fäuste in die Hüften und seufzte. Seraphis glitt elegant an ihm vorbei in Richtung Treppe und wuschelte ihm im Vorbeigehen durch die Haare. Der Blonde wollte widersprechen, aber dann fielen ihm die Schlafenden ein und er folgte stattdessen schmollend seinem Peiniger.

„Das ist nicht fair! Warum bist du der Dominantere von uns beiden?“, fragte er in einem frustrierten Flüsterton und der Stärkere musste über diese kindliche Geste schmunzeln.

Als sie geräuschlos die Treppe hinauf gestiegen waren, ging Seraphis sofort in ihr gemeinsames Zimmer, während Luce leise die Tür zu Kyos Gemach öffnete und an sein Bett schwebte. Glücklich lächelnd schob er seinem Geliebten sanft eine Strähne aus dem Gesicht, woraufhin dieser ein leises Murren von sich gab.

Mit mehr konnte er sich nicht begnügen. Elegant und lautlos erhob sich der Vampir aus seiner Hockstellung und schwebte zur Tür zurück. Bevor er das Zimmer verließ, drehte er sich noch einmal um und flüsterte: „Bitte vergib mir, dass ich dir nicht die Wahrheit sagen kann.“ Nach diesen Worten fiel die Tür ins Schloss und es herrschte wieder Stille.

Kyo, der die ganze Zeit über wach gewesen war, drehte sich nachdenklich auf den Rücken und streckte beide Arme zur Seite. Die Stelle, an der Luce ihn berührt hatte, brannte wie Feuer und er hatte die ganze Zeit gehofft, dass sein Beobachter nicht das Schlagen seines Herzens vernahm.

Was war es nur, was ihm verschwiegen wurde? Sie hatten sich immer alles anvertraut und nie Geheimnisse voneinander gehabt. Von Anfang an hatten beide mit offenen Karten gespielt, sonst hätte diese Beziehung nicht schon so viele Jahrhunderte überdauert.

Kyo hatte es nie über sich gebracht, Luce als seinen Geliebten zu bezeichnen, aber dieser verstand ihn auch ohne Worte. Der Braunhaarige zog jedes Mal den Kürzeren, wenn es um seinen Freund ging. „Warum kann ich ihn nicht auch ohne Worte verstehen?“, murmelte der Engel in die Dunkelheit, bevor er sein Gesicht in die Decke grub und sich in den Schlaf zwang.

Das Verhalten des Vampirs hatte ihm keine Ruhe gelassen und so verschlief er am nächsten Tag und musste von Mariah geweckt werden. Die Schadenfreude stand ihr ins Gesicht geschrieben. War Kyo für Luce ein ebenso offenes Buch? Gedankenverloren, wie er war, lief er sogar an all den Mädchen vorbei, die sich um ihn scharen wollten. Nun sorgte sich Mariah auch noch um ihn. Als ob die beiden Blutsauger nicht schon Problem genug waren, musste jetzt auch noch der Engel in Depressionen verfallen.

Auf dem Rückweg legte sie ihm die Hand auf den Oberarm und fragte besorgt: „Ist etwas passiert?“ Der junge Mann versuchte aufmunternd zu lächeln, aber es wirkte nur gequält. Er konnte den Blick des Mädchens nicht ertragen und antwortete schließlich: „Luce war gestern Abend noch einmal in meinem Zimmer und hat sich dafür entschuldigt, dass er mich belügen muss. Ob ihm klar war, dass ich nicht geschlafen habe, weiß ich nicht.“ Bei den letzten Worten klang seine Stimme heißer. „Hat er denn gar kein Vertrauen in mich?“

Kyos Stimme brach nun endgültig weg und heiße Tränen liefen ihm über die Wangen. Mariah nahm seinen Arm und führte ihn zu einer Bank in einem Park. Der Braunhaarige ließ all seinen Frust heraus, der sich im Laufe der Zeit angestaut hatte und das Mädchen strich ihm beruhigend über den Rücken.

Sie schienen eine Ewigkeit dort gesessen zu haben, denn ihre Mägen knurrten und es dämmerte bereits. Mariah schwang sich auf die Beine und hielt ihrem nichtmenschlichen Freund grinsend die Hand entgegen, die dieser mit einem ergebenen Lächeln annahm.

Als sie nach Hause kamen, waren die Feldermäuse bereits ausgeflogen und sie seufzten. Doch anstatt wieder Trübsal zu blasen, beschlossen sie das Beste aus diesem Abend zu machen.

Währenddessen saßen Luce und Seraphis schwer verwundet an eine Wand gelehnt und atmeten schwer. Der schon bekannte, silberhaarige Anführer stellte sich breitbeinig vor ihnen auf und blickte zu ihnen herunter. „Wo ist er?“, fragte er mit kalter Stimme. „Wer denn?“, gab der Blonde spöttisch zurück und kassierte einen Fußtritt ins Gesicht dafür. „Du weißt genau, wen ich meine, denn du hast ihn uns genommen. Ich frage dich also noch einmal höflich: Wo ist Kyo? Er hat bei euch nichts verloren. Ihr seid wie Gift für ihn!“ Der Vampir hatte sich wieder erholt und antwortete mit schwacher, aber bestimmter Stimme: „Du bekommst ihn nicht. Kyo gehört mir und das schon seit so vielen Jahren. Du musst ihn schon meiner Asche entreißen, denn so lange ich lebe, werde ich bei ihm bleiben!“

Dem Anführer riss der Geduldsfaden. Er trat und schlug wie wild auf die beiden am Boden liegenden ein und verschwand schließlich mit einem Schwall aus Schimpfworten.

Luce richtete sich mit einer ernormen Kraftanstrengung wieder auf, auch, wenn er nicht aufstehen konnte und fiel mit dem Kopf erschöpft gegen Seraphis’ Schulter. Dieser schien nicht annähernd so angeschlagen, aber der Jüngere wusste, dass er nur gelernt hatte, seine Schwäche zu verstecken.

„Das hast du eben schön gesagt. Kyo hätte sich bestimmt darüber gefreut und um sich geschlagen, damit es niemand merkt.“ Der Blonde lächelte und murmelte ein leises „Danke“.

Sie hatten nicht lange Zeit sich auszuruhen, denn sonst würden sie von der Sonne überrascht werden. Nach eine halben Ewigkeit zwangen sie sich aufzustehen und nach Hause zu schwanken. Wie lange würden sie dieses Spiel noch mitmachen können, bevor ihre Körper sich nicht mehr erholten?

Das Wetter war betrübt und entsprach somit exakt der Stimmung, die zwischen den nacht- und tagaktiven Bewohnern der kleinen Villa herrschte. Seit nun schon fast zwei Wochen verschwanden Luce und Seraphis ohne ein Wort, sobald sie erwacht waren.

Kyo und Mariah hatten es die ganze Zeit stillschweigend hingenommen, aber jetzt hatten sie genug. Egal, wie müde sie waren, heute Abend würden sie auf die Rückkehr der Vampire warten. „Denkst du sie werden böse mit uns sein?“, fragte die Blonde besorgt, aber ihr Freund schnaubte nur: „SIE sollen auf UNS sauer sein? Haben sie überhaupt ein Recht dazu?“ Der Engel zeigte mit dem Kugelschreiber in ihre Richtung, da sie gerade an den Hausaufgaben saßen. Mit einem Seufzen ließ er ihn wieder sinken und zwischen seinen Fingern kreisen.

Mariah sah aus dem großen Fenster hinter dem Braunhaarigen, als die ersten Regentropfen an die Scheibe fielen und daran hinabglitten. Ihre Augen folgten den nassen Spuren und ihr entfuhr ebenfalls ein Seufzen. Die Stunden schienen vorbeizurasen und es konnte nicht mehr lange dauern, bis die fehlenden Hausbewohner an ihnen vorbeigingen- wie jeden Abend.

Ungefähr eine Stunde später trat das Vorausgesagte ein und die Zurückgelassenen verfielen in ihr mittlerweile gewohntes Schweigen. Nur ein Satz hing in ihren Gedanken: „Heute bleiben wir wach!“

Luce und Seraphis waren zu diesem Zeitpunkt wieder in ihrer gewohnten Lage der Verlierer. Der Anblick der orangegelben Augen machte ihnen genauso wenig aus, wie die Tatsache, dass man auf hinabsah.

„Für eure Sturheit habt ihr ja fast schon einen Preis verdient, aber ich habe leider nur eine interessante Nachricht für euch. Wir haben Kyo auch ohne eure Hilfe gefunden.“ Bei diesen Worten zuckte der jüngere Vampir zusammen und gab einen zischenden Laut von sich. „Was aber noch viel interessanter ist“, fuhr der Andere fort, „ist die Person, die bei ihm war.“

Den Vampiren lief ein kalter Schauer über den Rücken, als sie erkannten, worauf er hinaus wollte. Die Reaktion schien dem Überlegenen zu gefallen, denn er sprach mit einem Grinsen weiter: „Was will Kyo mit einem Menschenmädchen? Wohnt sie auch bei euch? Dient sie euch als Mitternachtssnack? Das arme Mädchen… Vielleicht sollten wir ihr helfen und sie bei uns aufnehmen.“ Beim letzten Satz war Seraphis aufgesprungen und knurrte den Engel an.

Zähnefletschend sagte er mit unterdrücktem Zorn: „Wenn ihr Mariah etwas antut, dann bring ich euch alle ohne Gnade um!“ Wäre er nicht so angeschlagen, dann hätte er seinen Gegner längst in Stücke gerissen, aber es kostete ihn schon eine unglaubliche Kraft, auf den Beinen zu bleiben.

Sein Gegenüber grinste zufrieden und verschwand mit den Worten: „Ich freue mich schon darauf!“

Völlig entkräftet fiel der grünäugige Vampir auf die Knie und schlug frustriert, wie verzweifelt, mit der Faust auf den Boden. „Ihr wird schon nichts passieren.“, versuchte Luce ihm Mut zuzusprechen. Doch der Schwarzhaarige war mit den Gedanken bei Mariah und hörte es nicht.

Ihre Kräfte hatten sich so weit erholt, dass sie sich auf den Rückweg machen konnten. Durch heilige Waffen verursachte Wunden, heilten bei Vampiren nur sehr langsam und zu den eben Genannten, zählten auch die Fäuste eines Engels.

Völlig ramponiert öffnete Seraphis die Tür und blieb so abrupt stehen, dass sein Nachfolger in ihn hineinlief. „Autsch! Bleib doch nicht einfach so stehen! Was hast du denn?“ Luce rieb sich die schmerzende Nase, stützte sich anschließend auf die Schulter des Größeren und spähte darüber.

Der Grund seines Erstarrens saß schlafend aneinander gelehnt auf der Treppe. „Warum sind sie noch nicht im Bett?“, fragte der Blonde verwirrt. Leise betraten sie das Haus und gingen auf die Schlafenden zu.

Als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, zuckten die Beiden zusammen und erwachten. Sich den Schlaf aus den Augen reibend murmelte Mariah lächelnd: „Willkommen zurück.“ Als den Erwachten der Zustand der Vampire bewusst wurde, waren sie mit einem Satz auf den Beinen und im Bruchteil einer Sekunde bei ihnen.

„Was ist mit euch passiert?“, fragte das Mädchen entsetzt, während sie die Wunden des Älteren untersuchte. Kyo dagegen sah Luce nur mit zornerfüllten Augen an und zischte das Wort „Engel“.

„Wie seid ihr an Engel geraten? Wie viele waren es, dass sie euch so zurichten konnten?“ Kyos Stimme war immer lauter geworden, bis er schließlich geschrieen hatte. Sein Freund dagegen schwieg und wich seinem Blick aus. „Luce!“ Keine Reaktion. Stattdessen überzog ein trauriger Schleier sein Gesicht.

Der Blonde wand sich ab und ging auf die Tür zu. „Tut mir Leid…“ Die Worte waren fast vom Wind verschluckt worden, als die Tür hinter ihm zufiel. Der braunhaarige Engel fiel auf die Knie. Seine Arme hingen schlaff an seinem Körper hinab und, wie schon so oft in den letzten Tagen, liefen ihm Tränen über das Gesicht.

Warum hatte Luce ihm nichts gesagt? Hatte er wirklich so wenig Vertrauen in ihn? Er ballte seine Hände so sehr zu Fäusten, dass sich die Nägel in die Haut bohrten. Langsam kam das Blut zwischen seinen Fingern hervor und lief an ihnen hinunter.

Mariah sah hilfesuchend zu Seraphis, doch dieser schwieg nur. Enttäuscht von den Vampiren, ging sie zu ihrem Freund, der auf dem Boden kniete und schloss ihn in seine Arme. Nach und nach entspannte sich der Engel und seine Wunden begannen zu heilen.

Sie half ihm auf die Beine und schob ihn sanft in Richtung Treppe. Im Vorbeigehen warf sie dem Schwarzhaarigen einen anklagenden Blick zu, der ihm einen Stich ins Herz versetzte. Das Mädchen musste wirklich wütend sein, wenn es ihre Höflichkeit ihm gegenüber verdrängte.

Nachdem er die Tür zu Kyos Zimmer gehört hatte, ging er ebenfalls nach oben. „Was haben wir da nur angestellt? Hätten wir ihnen doch die Wahrheit sagen sollen?“ Seraphis’ Gedanken brachten immer wieder Vorwürfe hervor, bis er endlich vom Schlaf übermannt wurde.
 

Mariah verließ das Haus mit einem mulmigen Gefühl im Magen. Sie musste alleine in die Schule gehen, da sich ihr Beschützer in seinem Zimmer verschanzt hatte. Sie wollte ihn nicht dazu zwingen, also blieb ihr keine andere Wahl. Luce war in dieser Nacht nicht mehr zurückgekommen, was ihr ebenfalls Bauchschmerzen bereitete.

Am Schultor wartete wie immer Lorelei und sah verwirrt zu ihr, als Kyo nirgends zu entdecken war. „Wo ist denn dein Wachhund? Ist er krank?“ Die Blonde lächelte und antwortete nur: „So etwas in der Art…“

Plötzlich tippte ihr jemand auf die Schulter, woraufhin sie erschrocken herumfuhr. Vor ihr stand ein gut aussehender, junger Mann in einem weißen Anzug mit roter Krawatte. Sein silbernes Haar schien im Licht der Sonne wie weiß.

„Wer ist das, Mariah?“ „Kein Mensch!“, antwortete sie ihrer Freundin in Gedanken. Der Fremde lächelte freundlich, hielt ihnen jeweils eine Handfläche war das Gesicht und im nächsten Moment war alles schwarz um sie herum.

Am Abend überwand sich Kyo endlich dazu sein Zimmer zu verlassen. In der Bibliothek brannte Licht und so betrat er diese. Seraphis sah von seinem Buch auf, als der Engel eintrat. „Guten Morgen…“ Die Stimme des Engels klang unsicher und so lächelte der Vampir ihm aufmunternd zu.

Gerade, als der Braunhaarige etwas sagen wollte, hörten sie die Eingangstür. Ohne auch nur eine Sekunde zu vergeuden, lief der eben noch Zurückhaltende in die Eingangshalle. In seinen schwarzen Umhang gehüllt, stand Luce vor ihm und blickte ihn mit seinen tiefen, dunkelblauen Augen an. Da all seine Wunden wieder verheilt waren, hatte sein Gesicht wieder die sanften, wunderbaren Züge, die Kyo so sehr liebte.

Er wollte stark bleiben, doch seine Füße trugen ihn automatisch in die Richtung seines Freundes. Er krallte seine Hände in den Stoff und vergrub seinen Kopf darin. „Wo bist du gewesen, du Idiot?“

Der Vampir lächelte erleichtert und legte seine Arme um den Körper seines geliebten Engels. Er hatte ursprünglich länger wegbleiben wollen, hatte es aber nicht ertragen Kyo nicht zu sehen. Der Blonde hatte nach so kurzer Zeit vermisst seinem Geliebten durch die Haare zu streichen oder sein rotes Gesicht zu sehen.

Nachdem sich alles wieder beruhigt hatte, sah sich Luce um und fragte verwirrt: „Wo ist den unsere kleine Prinzessin?“ Seraphis und Kyo erstarrten. Er hatte recht! Mariah war den ganzen Tag nicht nachhause gekommen. Leicht panisch rief der grünäugige Vampir bei Lorelei an, nur um zu erfahren, dass diese ebenfalls verschwunden war.

Er legte auf und sah ernst zu seinem Artgenossen, der in diesem Moment knurrte: „Sie haben ihre Drohung also wahr gemacht.“ „Scheint so…“ Der dritte im Bund sah verwirrt zwischen den beiden hin und her. „Wer hat welche Drohung wahr gemacht? Bekomme ich jetzt endlich eine Antwort?“

„Das hat Zeit!“, sagte der jüngere Vampir verärgert, aber der Braunäugige wusste, dass der Zorn nicht ihm galt. Der ältere Vampir konzentrierte und machte die beiden Mädchen am anderen Ende der Stadt ausfindig.

Geradem, als sie losgehen wollten, stellte sich ihnen Kyo in den Weg. „Egal, was ihr sagt, ich komme mit!“ Sein Freund versuchte ihn umzustimmen, aber er blieb stur. Ergeben seufzend nahmen sie ihn mit.

Als sie einige Zeit später in eine große Fabrikhalle traten, wurden sie bereits erwartet. Die Halle war groß und an den Wänden standen große, verrostete Kessel, die schon ewig nicht mehr benutzt worden waren. An der Decke hingen ein paar schwache Glühbirnen und alte Neonröhren. Überall um die kleine Gruppe standen Engel und direkt vor ihnen der Anführer.

Als Kyo ihn ansah, wich er plötzlich einen Schritt zurück. „Ich hatte schon einen Grund dafür, dass ich dich da raushalten wollte.“, sagte Luce ruhig. Kyo zitterte am ganzen Leib und fragte verunsichert: „Kaname? Was hat das alles zu bedeuten, Bruder?“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück