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Großstadtengel

von

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Großstadtengel
 

Mit einem lauten Knall fiel das Fenster zu. Der junge Mann, der direkt daneben an einem kleinen Tisch saß zuckte merklich zusammen.Er hatte gar nicht bewußt wahrgenommen, dass das Fenster gekippt gewesen war. In diesem Moment ging der Kellner direkt an ihm vorbei um das Fenster, nun da es eh schon zu war, ordnungsgemäß zu verriegeln.

"Nanu, Thorsten, so schreckhaft geworden auf deine alten Tage?" er grinste frech als er seinem Stammkunden - und mittlerweile besten Freund- diese Frage stellte. Alt war der junge Mann bei weitem nicht. Gerade mal 28 Jahre alt und das war ja wohl noch kein Alter.

Normalerweise sah man ihm auch seine 28 Jahre nicht so recht an. Aber er kam gerade von einem wichtigen Geschäftstermin auf einen Sprung in sein Lieblingscafe und trug immer nich Hemd und Krawatte, auch wenn er diese bereits beim Ablegen der Jacke gelockert hatte. Er strich sich eine Strähne seiner langen, dunkelblonden Haare aus der Stirn und sah den Kellner an. "Auf meine alten Tage? Nur weil ich heute wieder ein Jahr gealtert bin? Schreckhaft? Wie kommst du darauf, Oliver? Es kommt bloß kein normaler Mensch auf den Gedanken, dass du bei diesem Schmuddelwetter mitten im Winter noch die Fenster auf hast." Aber er musste auch lächeln als er das sagte.

"Machst du mir noch einen Tee?" fragte er und schob sein leeres Teeglas ein Stück von sich weg. "Wie immer?" fragte Oliver nur und war schon mit dem Glas verschwundenehe Thorsten antworten konnte.Doch das war auch gar nicht nötig.

Schließlich kam er fast jeden Tag in seiner Pause in "Ollis Cafe". Im laufe der Zeit waren er und Oliver richtig gute Freunde geworden und gingen einmal die Woche gemeinsam ins Kino oder auf Kneipentour.Jeder war für den anderen da, wenn dieser Hilfe brauchte.

"Ja, wenn ich Oliver nicht gehabt hätte im letzten halben Jahr..." überlegte er und blickte wehmütig durch die großen Glasscheiben auf die belebte Einkaufsstraße. Doch er schob den Gedanken schnell beiseite. Dieser führte doch unweigerlich zu Julia. Seiner Julia. Na ja, nicht mehr. Sie hatte schließlich einen Neuen.Doch er wollte nicht weiter darüber nachdenken. Es war immer noch schwer und schmerzhaft darüber nachzudenken. 3 gemeinsame Jahre konnte man doch nicht einfach wegwischen und weitermachen als sei nichts gewesen. Oder zumindest er konnte das nicht. Für Julia schien das zu funktionieren. schnell schob er die Gedanken beiseite.

Er sah, wie die Leute schnell und gegen den Wind gebeugt am Fenster vorbeihasteten. Viele waren mit Tüten beladen, die richtig schwer aussahen. Aber wen wunderte das? Es war schließlich der letzte Sonnabend vor Heiligabend. Da mussten doch schnell noch Geschenke für Oma, Opa, Tante, Neffe, Schwester und wen sonst noch alles besorgt werden. Auch wenn man das ganze Jahr kwein einziges Wort mit ihnen wechselte. Zu Weihnachten musste man doch den Schein wahren.

Thorsten atmete tief durch und lächelte.Wenigstens diesen Stress hatte er sich dieses Jahr sparen können. Seinen Eltern schnekte er schon seit Jahren nichts mehr und zu seiner Verwandtschaft hatte er keinen Kontakt mehr. Warum also Geschenke schicken? Die würden ohnehin nur im Müll landen oder nach Weihnachten zurück zum Laden gebracht. Einzig für Julia war er jedes Jahr aufs Neue losgezogen und hatte sich in das Getümmel aus bunten Lichterkettchen, Kitsch und zu lauter Kaufhausmusik gestürzt. Jedes mal war er aufs Neue entsetzt gewesen, wie die Leute rücksichtslos durch die Gegend hasteten und nichts mehr um sich herum wahrnahmen. Keiner achtete auf den Anderen. Einsam in der Menge.

Aber er hatte sich daran gewöhnt. Es akzeptiert. Seit er sich von Julia getrennt hatte, war es ihm sogar gleichgültig. So, wie ihm fast alles gleichgültig geworden war. Ihn interessierte außer seiner Arbeit und den Abenden mit Oliver eigentlich gar nichts mehr. Jeden Kuppelversuch seines Freundes erstickte er im Keim.

"Ich bin noch nicht bereit dafür. Wenn die Richtige kommt, werde ich es merken." sagte er jedes Mal und seufzte.

Aber daran glauben konnte er eigentlich auch nicht so recht.

Als er mit seinen Gedanken an diesem Punkt angelangt war, stellte Oliver gerade den neuen Tee vor ohn hin und wollte einen kleinen Plausch anfangen. Schließlich war es heute nicht so voll im Cafe. Doch just in dem Moment rief ein Gast im hinteren Teil des Raumes nach der Bedienung.

Olivers braune Augen bekamen einen leicht genervten Blick. " Diese Ziegen." murmelte er bevor er zu seinen zwei Stammgästen eilte. Zwei sehr gute Kundinnen. Sie kamen oft aber leider sehr etepetete und von sich überzeugt.

Thorsten nickte mitfühlend und sah seinem Kumpel kurz nach. Dann faltete er die Hände um sein Teeglas. Tief atmete er den Geruch von Äpfeln, Zimt und Honig ein. Von der Winterkarte gefiel ihm dieser Bratapfelpunsch am besten. Der Duft beruhigte ihn. Er konzentrierte sich darauf und auf die Wärme, die von dem Glas ausging.Tief und bewußt atmete er durch. Erst jetzt realisierte er wie sehr ihn der Termin beschäftigte, ihm nicht aus dem Kopf ging. Er war mit einem künftigen Auftraggeber verabredet gewesen.Doch war es nicht wie üblich um Illustrationen für Kinderbücher, Comicstrips für Zeitschriften oder Prospektentwürfe gegangen, die er sonst mit seinem Kollegen Ralf anfertigte.

Es hatte ihn überrascht, als sein Kunde in spe ihm dies eröffnete.Gespannt hatte er den Mann von der Bahngesellschaft angesehen. "Worum geht es denn dann? Illustrationen sind alles, was mein Partner und ich anfertigen." Er hatte fragend geguckt doch sein Gegenüber hatte siegessicher und überheblich gelächelt. "Das sieht aber in diesem Modekatalog ein weing anders aus..." Thorsten verstand nicht gleich. "Sie sind bei der Jugend sehr beliebt geworden seit sie für Underground fashion diese Comicfiguren entworfen haben." Erst jetzt erinnerte er sich an die Figuren, die er gezeichnet hatte und die Ralf so gut gefallen hatten. Ralf hatte sie daraufhin einer angesagten Modefirma aus der Sprayerszene als Logos angeboten und diese hatten zugeschlagen. Mittlerweile waren seine Zeichnungen nicht nur Logos sondern auch Design auf mehreren Accesoirs und Kleidungsstücken des Labels. Dass er allerdings bei der gesamten Jugend nun beliebt sein sollte, konnte er nicht glauben.

"Dieser Katalog richtet sich nicht an die komplette Jugend. Es ist ein Szenemagazin. Nur eine bestimmte, eng begrenzte, Zielgruppe kennt folglich meine Figuren und ich bezweifle..." "Aber WIR zweifeln keineswegs." wurde er von diesem Bahnfritzen strahlend unterbrochen. Noch ehe Thorsten sich ärgern konnte, dass er in seinen Gedankengängen so jäh unterbrochen worden war, fuhr der Andere auch schon fort. "Sehen sie- Herr Rash- es ist so, das wir aus Erfahrung wissen, dass jene Jugendlichen welche an besagtem Bahnhof herumlungern alles beschmieren, was ihnen unter die Finger kommt..." Thorsten zog irritiert die Augenbrauen hoch was Herrn Wegener von der Bahngesellschaft den Faden verlieren ließ.

" Wo war ich gerade?" fragte er daher etwas hilflos und blinzelte durch seine Goldrandbrille.

"Sie wollten mir scheinbar vorschlagen meine Comicfiguren auf eine Wanf zu zeichnen nur um sie kurze Zeit später völlig verschmiert und verunziert zu sehen." Er klang verärgert und fragte sich erneut, ob er seine Zeit nicht mit Herrn Wegener verschwendete.

"Mitnichten, Teuerster." lachte dieser gerade dröhnend und aufgesetzt. " Wie schon gesagt, sind sie bei der Jugend beliebt. Tja und Sachen, welche sie schätzen, werden -unseren Erfahrungen nach- nicht verunstaltet oder übersprayt. Wenn wir nun also, oder vielmehr sie, die Wand am Bahnhof künstlerisch gestalten haben diese Schmierereien ein Ende und das freut alle Besucher des Bahnhofs. Vom Genuss ihrer Künstlerischen Leistung einmal abgesehen." " Und an was genau hatten sie gedacht?" Thorsten wollte zwar nicht so recht aber er war Profi genug, sich ersteinmal alle Optionen offenzuhalten. "Da würden wir ihnen freie Hand lassen. Einzige Vorgabe wäre das Thema. Großstadtengel hatte die Geschäftsführung sich überlegt. Wissen sie, wir verstehen und in dieser Großstadt als Dienstleister, als Mobilitätshelfer, als Engel der Kunden sozusagen. Es ist so dass..."

Thorsten erinnerte sich, wie Herr Wegener ihm all die strategischen Überlegungen zur Themenwahl auseinandergesetzt hatte und er nur mit halbem Ohr zugehört hatte. Wenn sie dachten, er würde in dieser Werbestrategie mitspielen, hatten sie sich den Falschen ausgesucht. Falls er den Auftrag annehmen würde, und dessen war er sich nicht so sicher, würden sie sich schon noch wundern.Ziemlich schnell hatte er sich auch verabschiedet und war ins Cafe geflüchtet, wo er nun den strömenden Regen, der gerade eingesetzt hatte,betrachtete.

Bunte Blätter schwemmten im Rinnstein vorbei, verstopften den nächsten Abfluss und bildeten große Pfützen. Gedankenverloren rührte Thorsten in seinem Tee. er wandte den Blick kurz ab um sich ein Päckchen Zucker hineinzukippen. Als er wieder hinausschaute, stockte ihm der Atem. Dort stand SIE. Thorsten vergaß schlagartig, worüber er nachgedacht hatte. Alles was er tat war, diese Frau anzustarren wie einen Engel, eine Erscheinung. Mit seinem geschulten Blick erfasste er rasch selbst die geringste Kleinigkeit am Äußeren dieser Frau. Und das war bemerkenswert da ihre Erscheinung ein wenig aus der Rolle zu fallen schien.

Sie trug einen etwa knielangen, roten Mantel und enge grüne Jeans in Dreiviertellänge. Ihre Füße steckten in knallgelben Gummistiefeln. Von ihrem Gesicht erkannte Thorsten durch die große, rote Kapuze zunächst wenig. Er sah, dass sie Sommersprossen hatte. Nur ein paar. Nicht zu viele, genau richtig fand er.Ind einen kleinen Kussmund. Lnage Wimpern und die wohl strahlendsten blauen Augen die er je gesehen hatte. Diese Augen schienen ihn unverwandt anzusehen. Nachdem Thorsten einmal kurz geblinzelt hatte um sicherzugehen, dass sie nicht sofort verschwand wenn er wegsah, erkannte er, dass sie tatsächlich dort vor dem Fenster stand und ihn ansah. Und sich lächelte. Es war ein strahlendes, ehrliches, direktes Lächeln. Schüchtern lächelte er zurück. Sein Herz machte einen kleinen Hüpfer. Als sie sich jedoch umwandte und ein paar Schritte weiterging krampfte sich sein Magen zusammen. Er wollte nicht, dass sie ging. Umso erstaunter war er als sie nun, vom leisen Klingeln der Türglocke begleitet, das Cafe betrat.

Prompt wandten sich ihr alle Blicke zu. Das war normal, wenn die Türglocke einen Neuankömmling verkündete. Doch normalerweise wandten sich die Gäste ebensoschnell wieder ihren Getränken oder Gesprächspartnern zu. Nicht so in diesem Fall. Genau wie Thorsten starrten auch die Anderen die Frau ersteinmal an. Was nicht etwa daran lag, dass sie zu groß oder ungewöhnlich häßlich war oder eine schiefe Nase gehabt hätte. Die Leute waren es nur schlicht nicht gewöhnt, dass jemand so buntes, ja beinahe schrilles, dieses Lokal betrat. Es war immerhin ein elegantes Cafe. Mit roten Plüschsofas, schwarz-weißen Bodenfließen, viel Metall, viel Spiegel. Kühl, elegant, zeitlos. Nicht quietschig, schrill und bunt. Auch Thorsten hatte sich zu Anfang gefragt, was Julia an diesem Laden so schätzte. Doch die wohl beste Pfefferminzmilch der Stadt und eine enorme Teekarte sowei Olivers Freundschaft hatten ihmdas Cafe schnell zur zweiten Heimat werden lassen. Auch wenn er viele der anderen Gäste für eingebildet hielt und diese ihn meist auch unpassend für diesen Laden hielten.

Doch hatten sich die Leute bereits tuschelnd über die Neue unterhalten als sie reingekommen war, war dies nichts zum Vergleich als sie nun quer durch den Raum ging und ihre Jacke zur Garderobe brachte. Zuerst sah Thorsten als sie die Jacke geößffnet hatte eien weiten Orangen Strickpullover. Doch als sie nun die Kapuze zurückschlug hielt er unwillkürlich den Atem an. Sie hatte kurze, strubbelige Haare. Doch damit nicht genug. Sie waren grün. Strahlend dunkelgrün. Während sie langsam durch das Cafe zurück ging und sich an einen Fenstertisch schräg gegenüber von Thorsten setzte, war ein Gewisper ringsum nicht zu überhören. Soetwas, nein Sojemand, hatte man hier noch nie gesehen. Ob die überhaupt die Preise zahlen konnte?

Hatte Thorsten sie die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen so blickte er nun scheu weg, als sie sich genau mit Blick in seine Richtung gesetzt hatte. So bekam er ihr strahlendes Lächeln, ehe sie die Karte zur Hand nahm, nicht mit. Aber dafür merktze Oliver, dass offenbar etwas in der Luft lag.

Nachdem Oliver noch zwei Cappuccino zubereitet und serviert hatte, ging er zu seiner neuen Kundin. " Hi, was darfs denn sein?" erkundigte Oliver sich fröhlich. Dieses Mädel hatte so eine offene und direkte Art, dass er sie auf Anhieb mochte.

"Ich kann mich nicht so recht entscheiden." gestand sie offen." Der Pfefferminz-Cranberry-Punsch klingt lecker. Aber der Bratapfelpunsch sieht auch gut aus.Was würdest fu mir raten?" Oliver sah seine Chance gekommen dem Schicksal ein wenig zu helfen.

" Hmmmm.... Mit Tee kenn ich mich nicht so aus. Ich mag lieber Kaffee. Aber da drüben," er nickte mit dem Kopf zu Thorsten, " mein Kumpel ist ein echter Teeprofi." Wie Oliver erwartet hatte, griff sie den Faden auf. "Hallo. Du Teeprofi da drüben." sprach sie Thorsten mit heller Stimme an. Dieser schüttelte kurz den Kopf, war sich nicht sicher ob er sich angesprochen fühlen sollte. Doch als er hinüberblcikte sah er wieder diese strahlenden blauen Augen auf ihn gerichtet. Fragend sah er sie an. " Dein Kumpel hier hat behauptet, dass du Teeprofi bist. Was würdest du mir aus der Karte empfehlen? Ich kann mich nicht so recht entscheiden. Klingt alles lecker." Er musterte sie kurz. " Ist auch alles lecker Aber vielleicht solltest du mit dem Pfefferminz-Cranberry-Punsch anfangen." Er trank einen kleinen Schluck von seinem Tee.

"Alles klar. Den nehme ich." Als Oliver sich davonmachte, um ihren Punsch zuzubereiten erhob sie sich ebenfalls und ging zu Thorstens Tisch. Er war mehr als überrascht als sie nun vor ihm stand. " Hey, ich heiße Annabell." hörte er ihre Stimme klar und deutlich. " Ich bin Thorsten." hörte er sich selbst erwidern. " Möchtest du dich zu mir setzen?" fügte er noch hinzu. "Gern aber bedenke, die Leute werden dich genauso komischangucken wie mich, als ich reingekommen bin." sie grinste ihr Gegenüber entwaffnend an."Das ist es mir wert." gab er nur zur Antwort und blickte ihr tief in die Augen. Seine Schüchternheit war mit einem Mal wie weggeblasen. " Das war damals bei Julia auch so." schoß es ihm durch den Kopf und zum ersten Mal dachte er an sie und es tat nicht mehr im Geringsten weh. Annabell setzte sich ihm gegenüber und streckte ihre Füße aus." Ich weiß, dass sie mich mustern. ich sollte daran gewöhnt sein. Aber nur, weil ich ein wenig anders aussehe? ich meine es können ja nicht alle menschen im kostüm oder Anzug rumlaufen..." in dem Moment brach sie ab, weil sie Thorstens Krawatte sah. "Sorry.." murmelte sie und wurde ein wenig rot. " Schon ok. ich mag die Klamotten auch nicht. es ist nur wegen des Jobs..." eine rege Unterhaltung begann.

Als Oliver wenig später mit dem Tee vor ihrem Tisch stand zuckten beide wie ertappt zusammen. Darüber mussten sie herzlich lachen. Nach einer halben Stunde fühlte Thorsten sich, als kenne er Annabell schon ewig. Sie hatten sich über so viele Themen unterhalten und noch viel mehr Gemeinsamkeiten entdeckt. Ihre Gesellschaft tat Thorsten so gut, dass er glatt die Zeit vergessen hatte, was ihm sonst nie passierte. Sie waren gerade in einer angeregten Diskussion über die unterschiedlichen Charaktere ihres gemeinsamen Lieblingsbuchs vertieft, als Thorstens Handy vibrierte. Genervt über die Unterbrechung zog er das Teil aus der Tasche und warf einen Blick aufs Display. Es war Ralf. Das konnte nur bedeuten, dass im Büro etwas wichtiges passiert war. Er guckte bedfauernd zu Annabell doch sie sah ihn aufmunternd an. "Geh schon ran." Als Thorsten auf den grünen Hörer drückte hörte er direkt Ralfs Stimme. Dieser hielt sich gar nicht erst mit einer Begrüßung auf." Du musst sofort kommen. Hier ist die Hölle los." Während sein Kollege noch ausführte was genau passiert war fuhr Thorsten sich mit der Hand durchs Gesicht. Gedankenverloren fummelte er an seiner Krawatte.Als er aufgelegt hatte, sah er Annabell bedauernd an. " Es tut mir so leid aber ich muss ganz dringend zurück zur Arbeit. Fühl dich eingeladen." Er legte Geld für die Getränke auf den Tisch und warf sich seine Jacke über. Er machte Oliver ein Zeichen, dass er gehen musste und Annabells Getränk auch übernahm. Dann stand er auf. In Gedanken war er schon im Büro. Sie konnten es sich nicht leisten, dieses Kaufhaus als Kunden zu verlieren und nun gab es Probleme da Britta, ihre Assistentin, ein wichtiges Schreiben nicht weitergeleitet hatte. Jetzt musste er das dringend geradebiegen. Laut Ralf saß Britta nun heulend an ihrem Schreibtisch worum er sich nun wahrscheinlich auch noch kümmern musste. Er seufzte tief. Er warf Annabell noch einen letzten Blick zu und gab ihr die Hand. " Tschüss." Schon war er aus der Tür.

Die Türglocke weckte Annabell aus ihrer Trance. Als Thorstenso plötzlich aufgebrochen war, hatte sie gar nicht richtig reagieren können. Sie war wie erstarrt gewesen. Erst jetzt realisierte sie, dass er weg war und sie noch nichteinmal seine Nummer hatte.

Sie strubbelte sich durch die Haare und zog die Nase kraus dann trank sie ihren Punsch aus und erhob sich. Als sie ihre Jacke von der Garderobe holte kam sie wieder an dem Tisch mit den zwei zickigen Stammkundinnen vorbei. Diese musterten sie argwöhnisch. " Wetten sie versucht zu verschwinden ohne zu bezahlen?" flüsterte die Eine etwas zu laut zu ihrer Kollegin. "Entschuldigung?" Annabell ging näher auf den Tisch zu. Sie strich sich nervös durch die Haare und kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. "Solch eine unverschämte Unterstellung habe ich ja noch nie gehört. Außerdem muss ich nicht bezahlen, da ich eingeladen worden bin." " Ja klar. darauf hatte sie es wohl abgesehen." meinte die Brünette ungerührt zu ihrer Freundin so als wäre Annabell gar nicht da. "Das ist ja wohl die Höhe. Wie können sie nur solch einen Mist verzapfen? Nur weil ich nicht aussehe wie sie es erwarten?!" Damit drehte sie sich um und verließ das Cafe. Als sie zu Oliver blickte sah sie seinen geschockten Blick. Doch auch das konnte sie nicht beruhigen. "Endlich ist sie gegangen." stichelte die Klatschbase weiter. "Und du gehst jetzt auch besser. Ihrwollt zahlen." Oliver stand an ihrem Tisch und seine Augen funkelten beinahe schwarz vor lauter Wut.
 

Obwohl Thorsten sich beeilt hatte und nur fünf Minuten zurück zum Büro gebraucht hatte, war er aufgeweicht vom Regen. Wieder einmal verfluchte er sich selbst, da er den Schirm im Flur hatte stehen lassen. Er zog seine Jacke schon vor der Tür aus und wischte sich mit dem Ärmel durchs Gesicht ehe er aufschloss. Als er nun den Vorraum betrat wunderte er sich über die Stille. Aber wahrscheinlich tröstete Ralf Britta immer noch und so dachte er sich nichts weiter dabei. Auch nicht dabei, dass es um diese Uhrzeit verführerisch im ganzen Büro nach seinem Lieblingstee roch. Er ging auf Ralfs Bürotüre zu hinter der er leises Gemurmel hörte. Bereit für alle anstehenden Probleme straffte er die Schultern, atmete ein letztes Mal tief durch , klopfte kurz an und betrat den Raum. " Überraschung!" Bei diesem beinahe gebrüllten Wort wäre Thorsten am liebsten rückwärts wieder aus dem Raum getreten. Keine wütenden Kunden, keine verheulte Britta zu sehen. Nur die strahlenden Gesichter seiner Kollegen, eine große Kanne Tee und eine Kuchenplatte. " Alles Gute zum Geburtstag." Brittakam auf ihn zu und umarmte ihn. Auch Ralf klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. " Alles Gute, Kumpel." " Na toll." Thorsten sank ersteinmal auf den Schreibtischstuhl und wusste nicht, ob er sich freuen oder ärgern sollte. Als er die verwirrten Gesichter seiner Freunde sah, erzählte er von seiner Pause mitr Annabell. Da fiel ihm plötzlich auf, dass er gar nicht wusste, wie er sie erreichen könnte. Er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. " Ich Esel. Da treffe ich meine Traumfrau, meinen Engel und lasse sie einfach wieder verschwinden..." Britta und Ralf waren beide total perplex über diese Aussage. Das es so ernst war, hatten sie nicht gedacht und sie hatten bei schlechtes Gewissen ihn dort weggelotst zu haben. Britta fand ihre Stimme zuerst wieder. " Du wirst sie wiedersehen. Das Schicksal hat euch einmal zusammengeführt dann hilft es auch ein zweites Mal." Thorsten lächelte schief. Schicksal. ja, auf dieser Welle ritt Britta schon eine ganze Weile. Dabei sah ihr das gar nicht ähnlich. Das musste an ihrem neuen Freund liegen. " Also wenn ich dir da irgendwie helfen kann, Kumpel, dann tue ichs." die zwei Männer wussten zwar beide nicht, wie das gehen sollte aber Thorsten freute sich über das Angebot. Es war rührend, wie sehr die zwei Anteil nahmen. " Danke. Ihr seid echt Spitze. Aber jetzt wird erstmal gefeiert."
 

Das war nun schon eine Woche her.
 

" Ach Aynur! Ich glaube einfach nicht, dass ich ihn einfach habe gehen lassen.So eine Chnace kriege ich bestimmt nie wieder." sagte Annabell wohl gerade zum hundertsten Malzu ihrer Cheffin und Freundin während sie Packungen mit roten Linsen in ein Regal räumte. Sie arbeitete gern in diesem kleinen Bioladen. Gesunde Ernährung war ihr wichtig. Doch im Moment, oder besser seit einer Woche, konnte Annabell sich nicht recht konzentrieren. Sie war nachdenklich und still so das Aynur nachgefragt hatte und ganz besorgt geklungen hatte. Als sie den Grund erfuhr, war sie mehr als überrascht gewesen. Das Annabell sich so Hals über Kopf verlieben würde hätte sie nie im Leben gedacht. Bisher hatte sie sich aus der Männerwelt herzlich wenig gemacht und dabei war sie schon 26 Jahre alt. Aynur schüttelte lächelnd den Kopf. "Du wirst ihn schon wiedersehen."sagte sich zuversichtlich und drückte Annabells Schulter. " Aber wann?" fragte diese eher zweifelnd. Doch darauf antwortete Aynur nicht mehr und ging ins Lager um die neue Lieferung zu sichten.
 

Jede Mittagspause hatte Thorsten nun wie gebannt im Cafe gesessen und aus dem Fenster geschaut. Einmal hatte er sogar vergessen seinen Tee zu trinken.Oliver hattes es leid getan die Hoffnung seines Freundes zu zerstören aber er hatte ihm von dem Vorfall mit Annabell und den zwei Ex-Stammkundinnen erzählt.Thorsten war fast in die Luft gegangen als er das hörte. Aber auch wenn die Chance, dass sie wieder herkam gleich Null war, so konnte es doch zumindest sein, dass sie am Cafe vorbeikam. Fand jedenfalls Thorsten.Oliver bedauerte es sehr, dass er seinem besten Freund nicht helfen konnte. Es war hart mitanzusehen, wie Thorsten nun schon wieder beinahe unglücklich verliebt war. Er wollte ihn ein wenig aufmuntern doch Thorsten starrte nur aus dem Fenster, die blauen Augen von Annabell vor seinem geistigen Auge. Schließlich straffte er die Schultern, atmete tief durch und erhob sich."Ich geh spazieren. Muss den Kopf frei kriegen." verkündete er Oliver und zog seine Jacke an. Olivers " Tu das, Mann." verhallte fast mit der Türglocke.

Zuerst lief der junge Mann nur einfach los. Er schaute nicht Links, nicht Rechts und schopn gar nicht die anderen Passanten an. Doch langsam merkte er, wie die kühle, frische Luft ihn beruhigte. Er verringerte langsam sein Tempo und blickte sich neugierig um. Im ersten Moment wusste er nicht genau wo er war, doch als er die Buchhandlung weiter die Straße hinunter sah, wusste er wo er war. Er war ganz in der Nähe seiner Arbeit. In diesem Moment musste er einer Mutter mit Kinderwagen ausweichen, die ihn aus seinen Gedanken riss. Er machte mit einem gemurmelten " Guten Tag." platz doch sie ignorierte ihn geflissentlich. Kopfschüttelnd wandte Thorsten sich um. " Solch eine Schreckschraube." dachte er. " Wenn ich da an Annabell denke..." Sein Magen krampfte sich zusammen. Nein, er konnte nicht an sie denken. Um sich abzulenken betrachtete er die Auslagen des kleinen Bioladens vor dem er gerade stand. " Tempeh, Tandoori..." Er las die Angebotsschilder. " So Sachen kenn ich ja gar nicht." Neugierig wie er war spähte er in die Regalreihen um zu sehen, welche Leute wohl Tandoori-was auch immer das war- kaufen würden. Er selbst aß ja lieber Gutbürgerlich mit einer ordentlichen Portion Fleisch auf dem Teller. Als er das Annabell gegenüber erwähnt hatte, hatte sie ihn aus ihren sagenhaften blauen Augen stumm angeguckt und die Nase kraus gezogen. Das tat sie wohl immer, wenn sie aufgeregt war. Dann hatte sie ihm verkündet, dass sie Vegetarierin sei und überhaupt Tofu sei doch viel gesünder und immerhin, was sollte sie ihrem Hausschweinchen sagen, wenn sie Frikadellen machen würde? Thorsten schloss kurz die Augen um sich ihr Bild noch lebhafter in Erinnerung zu rufen.

Im Laden hatte Annabell die roten Linsen zuende eingeräumt. Jetzt war sie gerade mit dem Auswischen der unteren Regalböden fertig. Sie erhob sich und streckte sich ausgiebig.

Thorsten schaute noch einmal in den Lade. Doch anscheinend wollte gerade niemald Mango-Lhassi aus dem Sonderangebot oder ähnliches erwerben. Als er sich abwandte sah er aus den Augenwinkeln plötzlich einen grünen Haarschopf zwischen den Reihen." Annabell!" schoss es ihm durch den Kopf und er drehte sich wieder Richtung Fenster. Doch da war nichts zu sehen. Er schüttelte den Kopf und drehte sich zum Gehen um. " Na toll. Jetzt halluziniere ich schon. Was immer ich da gesehen habe. Mein Engel war es nicht. Vielleicht ein Bio-Brokkoli oder so." Missmutig schlenderte er weiter um zurück ins Büro zu gehen. Er wollte Herrn Wegener anrufen. Seine Idee für die Bahnhofswand war innerhalb der letzten Woche entstanden und gereift. Gestern hatte er sie dann zu Papier gebracht. Wie er aus den Telefonaten mit Herrn Wegener wusste, waren die Bahnfritzen sehr begeistert, dass er den Auftrag nun doch annehmen würde. Nun wollte er kurz anrufen und absprechen ob die Wand vorbereitet war und er um 16 Uhr anfangen konnte.

Annabell wrang den Lappen aus und schleppte den Putzeimer nach draußen. " Was für eine Brühe." murmelte sie und kippte den Inhalt schwungvoll in den Rinnstein. Da sie nur mit Essigwasser wischte, machte es ihr nicht aus, es einfach vor der Tür auszukippen. Gedankenverloren blickte sie die Straße hinunter.

Vor Staunen ließ sie den Putzeimer fallen. " Das war doch Thorsten der da langging. Jetzt oder nie." sprach sie sich selbst Mut zu. Schon hatte sie ihre Schürze ausgezogen. " Ich bin mal kurz weg!" rief sie noch Richtung Lager, schnappte sich ihre Jacke die neben der Tür auf der Heizung gelgen hatte und dankte dem morgendlichen Regenschauer. Hätte es am Morgen nicht geregnet, hatte sie die Jacke erst holen müssen und Thorsten sicher aus den Augen verloren. So sah sie ihn gerade noch an der Buchhandlung um die Ecke biegen. So schnell sie gehen konnte ohne zu rennen huschte sie hinterher. Als sie abbog erkannte sie gerade noch, wie der junge Mann ein rotgeklinkertes Gebäude auf der anderen Straßenseite betrat und ihrem Blick entschwand.

Annabell ging mit laut klopfendem Herz näher. Im Moment fühlte sie sich alles andere als selbstsicher. Ein komplett untypisches Gefühl für sie. Rasch wischte sie ihre Hände am Jeansrock ab den sie über einer buntgeringelten Strumpfhose und dicken, schwarzen Wollstulpen trup. An der Tür angekommen durchforstete sie alle Schilder. Als ihr Finger auf der dritten Zeile ruhte, hatte sie es gefunden." T. Rash und R. Mongart - Illustrationen aller Art" war auf das Messingschild neben der Klingel geprägt. Ihr Zeigefinger schwebte über dem Klingelknopf und ihr wurde leicht übel. " ich kann doch nicht einfach da klingeln." schalt sie sich selbst. " Warum denn nicht?" fragte eine hartnäckige Stimme in ihrem Kopf. " Ich weiß doch gar nicht, was ich sagen soll. Besser ich überlege mir was bis zum Ende meiner Schicht und komme dann wieder. Was soll Aynur auch sonst denken, wenn ich so lange wegbleibe?" Sie wandte sich ab und ging zögernd zurück zum Laden. Nach einigen Metern sah sie sich noch einmal zu dem Backsteinhaus um. Es stand genauso friedlich da wie vorher. Als sei gar nichts geschehen. Dabei war so viel geschehen. Eine Menge sogar. Annabell hatte gerade voll und ganz ihr Herz verloren und das sie jetzt flüchtete war auch mehr als untypisch für sie die sonst so offen und direkt auf alle Menschen zuging und offen aussprach was sie dachte.

"Ja, du flüchtest. Und das weißt du. Aber lauf ruhig. Vor dir selbst kannst du nicht weglaufen. Du wirst wieder hingehen. Du musst. Du kannst ihn nicht vergessen.Du willst ihn nicht vergessen. Du willst, dass er zu dir gehört. Du willst, dass er bei dir bleibt." die Stimme in Annabells Kopf, die all diese Dinge aussprach, wurde immer lauter. So laut, dass Annabell es fast nicht mehr ertragen hätte. Daher war sie ganz froh, als sie im Laden ankam und eine kleine Schlange Kunden an der Kasse stand. Das würde sie ersteinmal ablenken. Sie atmete tief durch, band ihre Schürze um und setzte ein freundliches Lächeln auf. " Was kann ich für sie tun?"
 

Nach dem Gespräch mit Herrn wegener musste Thorsten ersteinmal, wie nach jedem Anruf, eine Tasse Tee trinken. Dieser Mann war einfach so gar nicht nach Thorstens Art. Aber immerhin hatte er Wort gehalten und die Arbeit konnte beginnen. Während der junge Mann wenig später seine Farben und Malutensilien zusammenkramte freute er sich richtig darauf gleich loslegen zu können. Es würde ein tolles Bild werden. Er könnte abschalten, verarbeiten. Bevor er um kurz vor Vier aufbrach schaute er zum dritten Mal nach, ob er seine Skizze in der Mappe und die Mappe in seiner Tasche hatte. Plötzlich war er nervös. " Dabei ist es doch nur ein Auftrag wie andere auch." versuchte er sich zu beruhigen. Doch während seine Worte laut durch das leere Büro hallten , wusste er schon das es nicht stimmte. Es war offener, ehrlicher, persönlicher. Aber er musste es tun. Vielleicht konnte er seinem Engel somit zeigen, was er für sei empfand.
 

Um Fünf hängte Annabell die Schürze an den Haken und furh sich durch die Haare. Als sie an dem kleinen Spiegel vorbei kam blickte sie prompt in eine andere Richtung. Sie wusste auch so, dass sie gerötete Wangen hatte und vor Aufregung musste sie schon wieder aufs Klo. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr.

Wenige Minuten später stand sie wieder vor dem roten Backsteinhaus, den Finger über dem Klingelknopf. Doch diesmal drückte sie drauf. Was sie genau sagen wollte, wusste sie nicht aber das würde sich schon finden. Das hatte sie sich jedenfalls die letzten zwei Stunden versucht einzureden. Als nun jedoch der Türöffner summte, rutschte ihr das Herz in die Hose. Mit einem beklommenen Gefühl stieg sie in die dritte Etage. Eine der Türen war nur angelehnt. Als sie die Türe öffnete sah sie aus den Augenwinkeln das gleiche Schild wie unten. " Hier bin ich richtig." versuchte sie sich selbst zu beruhigen. Als sie die Büroräume nun betrat kam gerade ein Mann aus einer Nebentür. Ihr Herz hüpfte und ihr Magen plumpste zwei Etagen tiefer. Doch dann erkannte sie, dass es nicht Thorsten war. Ihre Mundwinkel fielen herunter. " Na toll. Und was sage ich jetzt?! Das ist ja der Super-GAU. Ich kann ja schlecht sagen: Hi, ich bin Annabell und bin in ihren Kollegen verknallt, wo ist er bitte?" Al sie gerade überlegte schnell wieder zu gehen trat Ralf einen Schritt näher und musterte seinen Gast ausgiebig. Doch bereits bei den grünen Haaren wusste er genau, um wen es sich handeln musste. Was sie allerdings hier machte oder besser, wie sie hergefunden hatte, wusste er nicht. Annabell war es peinlich so ausgiebig und schweigend gemustert zu werden. Sie erwartete jeden Moment eine scharfe Bemerkung " Entschuldigung." murmelte sie und wollte gerade verschwinden."Annabell..." sagte Ralf nur und sie blieb wie versteinert stehen. " Woher wissen sie meinen Namen?" Sie klang sehr erstaunt als sie dies fragte und sich zu Ralf umwandte. " Aus einem einfachen Grund. Aber kommen sie doch erstmal herein und setzen sich." zögerlich kam sie der Aufforderung nach. Als sie sich wenig später in Ralfs Büro gegenüber saßen sah sie ihn nur fragend an und zog die Nase kraus.

Jetzt erzählte Ralf ihr, was vor einer Woche passiert war, als sie Thorsten ins Büro gelockt hatten, dass er totunglücklich wgewesen war nicht ihre Nummer zu haben, dass er immer ins Cafe gegangen war in der Hoffnung sie wiederzufinden. Annabell war dermaßen überrascht und glücklich, dass sie nichts sagen konnte. Sie strahlte Ralf nur aus ihren blauen Augen an. " ... und nun will er den Kopf freikriegen und ist am Bahnhof einen Auftrag zeichnen." fuhr Ralf fort und verriet Annabell absichtlich nicht, um was es sich handelte.Das würde sie schon früh genug sehen. Aber er war sich nun sicher, dass sie sich freuen würde, dass alles gut würde, dass sie gut für Thorsten sein würde.

"Ich schlage vor du solltest so schnell wie möglich hinfahren." Ralf merkte gar nicht, dass er zum DU übergewechselt war. Das passierte ihm nämlich nur, wenn er einen Menschen gut leiden konnte. und das passierte auf Anhieb nicht so häufig. " Na zu Fuß brauch ich fast zwei Stunden." murmelte Annabell. Aber sie wollte trotzdem hingehen. Sie stand auf und verabschiedete sich. Jedenfalls wollte sie das. " Ach weißt du was, ich fahr dich schnell hin. Das ist kein Problem." Annabell sah den Mann ihr gegenüber perplex an. "Danke." Mehr brachte sie vor lauter Freude nicht herraus. Sie war so gerührt über diese Freudnlichkeit.

Als Annabell zwanzig Minuten später aus dem dunklen Audi kletterte und sich von Ralf verabschiedete,begann es zu schneien. Annabell legte den Kopf in den Nacken und sah einen Moment den herabfallenden Flocken entgegen. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. " Auf in die Schlacht." lachte sie und öffnete die Tür zum Bahnhofsgebäude.
 

Thorsten war fast fertig mit seinem Kunstwerk. Eine kleine Menschentraube hatte sich bereits um ihn versammelt während er gemalt hatte. Doch das hatte ihn nicht im Mindesten gestört. Dazu war er Profi genug. Als er nun fertig war ging er ein paar Schritte zurück und setzte sich einfach auf den Boden. Er betrachtete sein Werk. Der Hintergrund war ausgefüllt mit Hochhäusern. Grau und ein wenig schäbig ragten sie empor in einen hellen aber dennoch bewölkten grauen Himmel. Auf halber Höhe war eine riesige breite Häuserwand zu sehen. Auf ihr war in schwarzer Graffittischrift Großstadtengel aufgesprayt. Im Schatten der Häuser saß ein junger Mann. Man sah ihn nur von Hinten. Er schein still dazusitzen und die grauen, einsam wirkenden Häuser zu betrachten. Seine langen,blonden Haare waren das einzige Helle an ihm.Sonst war er schwarz gekleidet. So wie Thorsten selbst sich gerade fühlte. Schwarz, farblos, traurig, unbedeutend, verloren in der großen Stadt.

Doch von der rechten Bildseite her schien Licht auf ihn zu fallen. Im hellsten Schein stand dort ein Engel. Aber es war bei weitem kein gewöhnlicher Engel. Vielleicht erkannte man nur an den riesigen, fedrigen Flügeln überhaupt, dass es ein Engel war. Dieser Engel trug Gummistiefel mit dicken Wollstulpen. Eine grüne, dreiviertel lange Hose und einen dicken Orangefarbenen Strickpulli. Doch auffälliger waren die Haare. Kurz, strubbelig und dunkelgrün. Dazu im Kontrast die wohl strahneldsten blauen Augen die man je gesehen hatte. Wie der Engel so dastand und dem jungen Mann die Hand hinhielt strahlte er so unendlich viel Liebe und Geborgenheit aus, das einem ganz warm ums Herz wurde.

Annabell hatte die Menschenmasse gesehen. Instinktiv wusste sie, dass Thorsten dort war. Sie schritt auf die Menschen zu und wollte gucken. Auch einen Blick auf das verborgene Bild erhaschen. Doch selbst wenn sie sich auf die Zehen stellte, sah sie nichts als Rücken der Leute. Da wandte sich eine Frau um und sah sie an. Ihre Augen wurden groß und sie stieß eine andere Person an. Auch diese staunte. Wortlos gingen beide zur Seite und ließen Annabell durch. Noch während sie das taten, sahen anderezu ihnen und machten ebenfalls lautlos Platz. Annabell verstand das alles nicht. Sie war verwirrt und doch ging sie weiter. Immer näher an das Bild heran. Bis sie ganz vorne stand. Jetzt konnte sie es sehen und sie begriff. " Aber das bin ja ich..." Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Als sie nach rechts blickte, sah sie tatsächlich Thorsten dort auf dem Boden sitzen. Genau wie auf dem Bild. Er war so tief in sein Werk versunken, dass er sie noch nicht bemerkte. Sie trat einen Schritt auf ihn zu und lächelte. Sie war so angefüllt von Glück, dass sie dachte platzen zu müssen. Jetzt wusste sie, dass Worte unnötig waren. Jedenfalls in diesem Moment. Stumm hielt sie Thorsten ihre Hand hin. Die Menge um sie herum hielt den Atem an.

Als sich so unvermittelt eine Hand in sein Blickfeld schob, blickte er auf. Er erschrak, sein Magen drehte sich. Doch dann begannen Schmetterlinge darin zu tanzen. Lächelnd ergriff er Annabells Hand und ließ sich hochziehen. " Ich habe dich gefunden. Mein Engel...." "Pschscht...!" machte sie nur und legte einen Finger an ihre Lippen. Dann schlang sie ihre Arme um seinen Hals und zog ihn näher zu sich heran und küsste ihn ganz sachte. Der Kuss schmeckte nach Schnee und ein kleines bißchen nach Mandarinen. Einfach himmlisch. Thorsten wurde es ganz leicht ums Herz. Er hatte seinen Großstadtengel gefunden. Und er würde sie nie mehr gehen lassen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kim_Seokjin
2008-12-30T07:50:39+00:00 30.12.2008 08:50
Das ist wirklich schön.
Tut mir Leid, dass ich mich jetzt erst melde, aber vorher ging leider nicht.
Ich mag Annabell. *grins* Und ich mag auch, wie sie sich gegen diese Zicken im Café gewehrt hat. Meine Güte.. >-<
Von:  SunWarrior
2008-12-25T14:40:40+00:00 25.12.2008 15:40
Schön, Wunderbar, erstklassig. Gut beschrieben, und mal ne neue Version des Kitsch-naja, aber muss ja auch mal sein. eine hübsche kleine Geschichte. Weiter so.


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