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Plus & Minus

von

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Kennt ihr dieses Gefühl? Eingeladen worden zu sein und doch nicht dazu zu gehören? Anwesend zu sein und doch nicht da zu sein? Dazu zugehören und dennoch Außenseiter zu sein?

Ich denke ein jeder kennt dieses Gefühl. Das Gefühl, ausgeschlossen zu werden, nicht erwünscht zu sein, in den nächsten Tagen Tratschthema für andere zu sein, wegen nichts und wieder nichts.

Ein jeder kennt wohl das Gefühl der Einsamkeit. Wir alle haben schoneinmal erlebt, wie Leute mit uns spielen, dir verstohlene Blicke zuwerfen und dir dennoch sagen, wie toll du seist.

Selbst der spätentwickelndste Vollidiot sollte bemerken, dass es irgendwann nicht mehr so weitergehen kann.

Und ich konnte von Glück reden, dass ich nicht einer dieser Vollidioten bin und es schon eher bemerkt hab. Eher, aber dennoch zu spät.

Als würde es einen perfekten Augenblick dafür überhaupt geben.

Ich sah ein, dass es falsch war, was ich tat. Dass es falsch war, dass ich dasaß und einfach nur vor mich hinblickte.

Ich traf Entscheidungen, ging meinen Weg...und machte wieder Fehler.

Die getroffenen Beschlüsse...was soll ich dazu sagen? Ich testete meine Grenzen, wollte sehen, wie weit ich gehen kann. Ich sagte jedem meine Meinung. Ich begann mich frei zu fühlen.

Ich begriff schnell, dass ich so viel schneller Freunde fand, als mit meiner stillen, zurückhaltenden Art. Also versuchte ich meine Grenzen noch mehr von mir zu schieben.

Es stürmte draußen, regnete, donnterte und blitzte. Das war vor ungefähr ein, zwei Monaten. Und ich ging trotzdem raus! Ich ging meine tägliche Runde. Isamu, mein bester Freund - der kleine Japaner von nebenan - wollte mich noch zurückhalten, mich wieder ins Haus holen. Er wollte es, aber er kennt mich. Er versuchte es gar nicht, ging einfach nur mit. Der starke Wind hätte das kleine Kerlchen fast weggeblasen und als er gerade noch so einer durch die Gegend fliegender Mülltonne auswich, musste ich lachen. Er sprang zur Zeite, auf die Wiese, rutschte aus und fiel in den Schlamm. Alles in einem endete es in einer ziemlich grausigen Schlammschlacht und vor den Ärger meiner Mutter blieb ich selbstverständlich nicht verschont.

Es wäre eine Geldverschwendung für mich überhaupt noch Sachen zu kaufen...Ja! Da könnte sie recht haben! Das war schon die fünfte Hose, die in diesen Monat mülltonnenreif wurde.
 

"Nealon? Hörst du mir überhaupt zu?!", ich schreckt auf, sah ihn kurz an, bemerkte erst jetzt, dass Isamu die ganze Zeit über irgendetwas geredet haben musste.

"Ja, natürlich", nein, eigentlich ja nicht, "red' ruhig weiter."

"Und du hast mir nicht zugehört.."

"Erwischt. 'Tschuldige."

"Hm." Irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl.. es war so ein plötzlicher Stimmungswechsel... oder war der schon länger? Vielleicht hatte ich es einfach nicht bemerkt, da ich zu sehr mit den neuen Computerkabeln beschäfftigt war..

"Was hattest du denn jetzt gesagt?"

"Dass ich..."

Nun sitze ich hier auf meinen Bett. Draußen deckte Nebel die Landschaft zu, als wolle er sie schlafen legen. Keine Sonne, kein Regen. Sagte man nicht, die Sonne lacht einen an und der Regen weint mit?

Es schien mir so, als würde das Wetter weder an-, beziehungsweise auslachen, noch mit mir heulen wollen.

Nein, heulen würde ich nicht...nicht heute. Vielleicht morgen, übermorgen..nächste Woche. Nur nicht heute.

Ich hätte es vielleicht merken können, oder nicht? War ich etwa so blind, dass ich es nicht merkte? Mochte ich ihn so sehr, dass ich nicht merkte, wie er immer mehr Zuneigung für mich entwickelte?

Lag es daran? Dass ich es als selbstverständlich nahm, dass er immer da war und absolut jeden Scheiß mitmachte? War es das wirklich?

Nein... er war verdammtnochmal auch für mich das Wichtigste! Das eine, das EINZIGE, was man schützen musste, für das man immer gradestehen musste, für welches man sich das Bein ausreißen würde!

Er war der, für den ich da zu sein hatte! Und ich lachte nur und fragte noch ungläubig, ob er denn schwul sein..so ein Schwachsinn! Natürlich war er das. Für gewöhnlich war man eben schwul, wenn man als Mann einen anderen Mann liebte. Ich bin ein Idiot. Genau dieser Mann, oder Junge, war ICH für ihn...
 

Aber der werte Nealon war sich anscheinend wieder zu fein vernünftig zu antworten.

Ich trat schon die ganze Zeit gegen mein Bett, merkte erst jetzt, wie sich die ersten Holzsplitter am Boden sammelten.

Ich sollte mit ihm reden. Nur leider habe ich keine Ahnung, wo dieser 1, 55m große Vollidiot hingerannt ist!

Ich würde ihm bestimmt nicht hinterher rennen, so wie man es in diesen ganzen Schnulzen immer sah! Und jetzt, zwei Stunden später, hätte das bestimmt auch nicht mehr viel Sinn. Ich würde morgen mit ihm reden! Morgen nach der Schule...solle er sich nur trauen, krank zu feiern! Dann würde ich persönlich dafür sorgen, dass er spätestens zur zweiten Stunde auf seinem Platz, dem Platz neben mir, saß! Und wenn ich ihm mit einer dieser rot-weißen Absperrbänder hintermir her schleifen müsste! Ja, ungefähr so würde ich es machen.

Aber was brachte mir eine Planung für morgen, wenn ich mich jetzt gerade so fühlte, als würde man mir akribisch genau das Fleisch vom Knochen schaben?

Wie konnte ich nur lachen? Wie konnte ich nur etwas so abartig dämliches fragen?

Isamu hatte - wenn mich nicht alles täuschte - sogar etwas geweint. Es war unbeschreiblich, wie mies ich mich fühlte.

Man gebe mir doch bitte noch etwas Salz, um es in die Wunde zu streuen! Um es in meine Wunde zu streuen, so wie ich es in die seine streute!
 

"Morgen! Hast du Mathe gemacht? War was in Wirtschaft auf?"

Man hätte meinen Gesichtsausdruck fotografieren und ins Internet stellen müssen! Und für die Seite Geld verlangen! Ich wäre reich! Ich starrte ihn ungläubig an, den Mund offen, mit ein paar Brotkrümeln umrandet, die ich gerade wegwischen wollte. Doch ich hielt inne und starrte ihn einfach nur an. ...So wie immer. Es war alles so wie immer! Er stand vor mir, war abgehetzt, da er anscheinend beinahe den Bus verpasst hätte und deswegen ein ganzes Stück rennen musste, sah mich fragend an und tat so als hätte es ein Gestern nie gegeben! Da war einfach nichts! ...oder ich merkte es schon wieder nicht.

"Nealon? Ich rede mit dir!....Hey!" er tippte mir nicht unbedingt sanft mit zwei Fingern gegen die Stirn, riss mich aus meiner Starre..."Au.."

"Hallo!"

"....H...ey"

Er sah mich einfach nur an. Nicht unglücklich, nicht froh, nicht genervt, wütend oder mit seinem "Das-ist-ja-mal-wieder-typisch-du"-Blick an. Nach einem Moment hob er zweifelnd die Augenbraue.

"Geht's dir nicht gut?"

"Nein, nein...alles in Ordnung...glaub ich..."

"Aha.." Ich war mir sicher! Ich hätte ein 'nicht' in meinen letzten Satz einbauen sollen! Ob das nun grammatikalisch richtig war oder nicht! Egal!

Aber es war eben nichts in Ordnung! Oder war es normal, dass der beste Freund an einem Tag noch eine Liebeserklärung bringt und am nächsten so tut, als wäre nichts gewesen?

War ich so antik, dass ich dachte, dass Liebeserklärungen noch irgendeine Bedeutung hatten? Wie sollte ich denn jetzt eine Draht zu gestern herstellen?

Denn gestern dachte ich noch, er würde sich heute irgendwie anders benehmen oder gar zu Hause bleiben und jetzt das... Das wird peinlich.

"Also?! "

"Also was?"

"Nealon...ich hab dich gefragt, ob du die Mathehausaufgabe hast.." Er seufzte genervt, kramte erstmal sein Frühstück, dann sein Rechenheft aus seinem Rucksack.

"Ja...Moment....hier!" ich legte ihm meinen Block auf die Bank, starrte weiter wie benommen vor mich hin.

So ging der Scheiß den ganzen restlichen Schultag bis um fünf Uhr! Ich hasste Dienstag! Aber es war zum Glück nur dieser eine Tag, an dem wir solange Unterrichtszeiten hatten.
 

Still gingen wir nebeneinander her, sagten nichts, sahen uns nicht an, gingen einfach weiter. Gut, dass er mein Nachbar war, so konnte ich ihn, bevor er dazu kam seine Haustür aufzuschließen, noch schnell an eine Ecke des Hauses ziehen, wo man uns nicht belauschen oder von Fenstern aus sehen konnte!

"Kannst du mir später noch Mathe erklären?" Wir standen vor der Gartentür unseres Hauses, er wollte die letzten paar Meter zu sich überbrücken, anscheinend ersteinmal weg von mir. Jetzt merkte man es wenigstens endlich...aber auch nur jetzt.

"Was hast du Arsch eigentlich immer mit deinem Mathe? Seit heute Morgen! Mathe! Mathe! Mathe! Mathe und Mathe!"

"Es ist doch ganz einfach! Minus und Plus ergibt Minus... " Ich verstand nicht gleich, was er meinte, doch dann traf es mich wie ein Schlag ins Gesicht! Minus...war ich, Plus war er.. Ich war das Negative in dieser 'Beziehung', wegen mir klappte es nicht, also kam man ebenso zu dem Endergebnis Minus.

Ich merkte, wie es langsam anfing zu regnen und ich fühlte mich so, als würde sich der Himmel über mich krank lachen und schon vor lauter Luftmangel und Lachkrämpfen heulen...jetzt wurde man schon vom Wetter verspottet!

Er wurde immer aggressiver, wollte schon einfach gehen da fing ich an, ihn mit der Faust immer wieder gegen die Schulter zu boxen. Meine zweite Hand ruhte auch nicht mehr lange, schlug immer wieder gegen ihn.

"Arschloch! Au! Was soll das!" Doch ich hörte nicht auf! Wie konnte dieser kleine Zwerg nur so dumm sein? Wieso wollte er schon wieder gehen?!

Anscheinend traf ich ihn einmal so stark, dass er nach hinten auf den Boden fiel. Ich setzte mich über ihn, hörte nicht wirklich auf, ihn zu schlagen, doch es wurde etwas sanfter...

"Hey! Ja sag mal spinnst du?! GEHT'S NO- ..weinst du?"

"Wie kann man nur so dumm sein? Wieso rennst du weg? Wieso tust du so, als wäre nichts gewesen und vor allem, wo warst du gestern?!" Er sah mich mit verklärten Augen an, wusste nicht wirklich, was er tun, geschweige denn sagen sollte.

"Aber..."

"Nichts aber! Du haust einfach immer ab!"

"Du hast gelacht!"

"Ich wusste nicht, was ich tun soll und hatte ebensowenig Ahnung, ob du es ernst meinst!"

"Wieso sollte ich dich denn verarschen?!" fragte er mich schon fast verzweifelt mit einem kläglichen und weinerlichen Klang in der Stimme. Ich wischte ihm sanft die Regentropfen und meine Tränen, die ihn trafen, von der Wange, packte ihn dann mit der anderen Hand am Kragen, zog ihn zu mir hoch, bis er aufrecht saß - und ich immer noch auf ihm.

Meine Hand ruhte auf seinem Gesicht, die andere strich schon fast entschuldigend über seinen Hals, an dem ich ihn gerade versehentlich gekratzt hatte.

"Tut mir Leid..." hauchte ich, bevor ich meine Lippen sanft an die seinigen legte. Er verstärkte den Druck, bewegte seine Lippen immer verlangender auf meinen, legte seine Arme um meinen Nacken und zog mich ganz nahe zu ihm. Er knabberte ganz sanft mit den Zähnen an meiner Unterlippe, legte seine Stirn an meine. "Rechenfehler.."

"Stimmt...Plus und Plus ergibt nämlich nicht Minus..."
 


 

Kommies?



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