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Verismus

Von hungrigen Herzen und Schlittenfahrten ohne Schnee
von

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Jonas - Von Kaugummistimmen und rosa Meerschweinchen in grünkarierten Pyjamas

II. Jonas - Von Kaugummistimmen und rosa Meerschweinchen in grünkarierten Pyjamas
 

Jonas war bestimmt keiner von der Sorte, die gerne zur Schule gingen. Keiner von denen, die es gar nicht abwarten konnten, sich im Unterricht mit ihren auswendig gelernten Formelsätzen zu profilieren.

Und doch respektierte Jonas jeden, der Tag ein Tag aus pünktlich im grauen Klotz der Lehranstalt erschien, jeden, der die Macht des Wissens schätzte und vielleicht sogar für sich zu nutzen wusste. Wobei letztere dann jedoch zu seinen Rivalen zählten.

Richtig, denn Jonas wollte alles.

Was? Hoch hinaus? Nun, wenn man es denn so nennen wollte. Ihn interessierten weder Geld noch Ansehen - er hatte beides nicht nötig. Denn seine Ziele lagen an einem Ort, den sich der Durchschnittsmensch nicht einmal erträumen konnte. Dieser Ort war allein durch Wissen erreichbar, wie er glaubte, und das war der einzige Grund, warum er sich jeden Morgen auf ein Neues aus den Federn quälte. Der einzige Grund, weshalb er trotz seiner beschränkten Mittel alles daran setzte, auf dem Gymnasium zu bleiben.

Was er wollte?

Jonas wollte verstehen. Er wollte begreifen, was der Zweck all der Dinge war, die unser aller Leben bestimmen. Was ‚Glauben’ verursachte und was hinter ‚Gott’ wirklich steckte. Er suchte den Sinn des Lebens. Wen interessierten schon die Menschen?

Und dazu war ihm fast jedes Mittel recht – auch allmorgendliches geweckt werden von einem zwölfjährigen Teenager, dessen Grundexistenz vor allem darin bestand, ihm das Leben zur Hölle zu machen.
 

„Jooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo (ooo etc.) nassssssssssssssss!!!“

Tina rannte die Tür der Dachkammer ein und sprang auf das Bett.

„Uhm…“

„Aufstehen! Na looooos!“ Jetzt fing sie an, auf und ab zu hüpfen. „Ich weiß, dass du wach bist!“ Oha, nun, dann hatte er wohl keine Wahl.

„Grmpf.“

„Was meinst du? Also, es ist immer das Gleiche mit dir!“ Die kleine Blondine stemmte die Hände in die noch nicht vorhandenen Hüften – jedenfalls nahm Jonas das an, er ließ vorsichtshalber die Augen geschlossen.

„Da sagst du, du willst pünktlich geweckt werden, ich mach mir EXTRA die Mühe-“

„Tina.“

„-und DU hast nichtmal-“

„Luft!“

„-ein anständiges Guten Morgen für mich über. Sag mal, schämst du dich nicht?“ Sollte er?

„Bist du jetzt fertig?“, brummte Jonas. „Wenn ja, wär ich dir sehr verbunden, wenn du von meinem Bauch runter gehen könntest… aahhhh. Endlich.“

Erleichtert schnappte er nach Luft und blinzelte in das – nein, Moment, da war noch nichtmal Licht. Wieso… und was…?

„Tina? Sag mal, wie spät…?“ Er brauchte den Satz nicht zu beenden, um zu erkennen, was Sache war. Ein Paar große, seiner Meinung nach unverschämt blaue und damit viel zu unschuldig aussehende, Augen starrte ihm beschwörend in die seinen.

„Heute ist Donnerstag“, sagte die dazugehörige Kaugummistimme vielsagend.

„Und?“

„Bringst du mich zur Schule?“, bettelte Tina in einem absolut hinreißend falschen Ton. „Wir fahren doch heute auf Klassenfahrt und ich möchte soooo gerne, dass meine Freundinnen dich sehen…“ Er hörte nicht länger zu.

Obwohl ihm durchaus nicht entging, dass Tinas Freundinnen ihn zwar sehen, aber nicht kennenlernen sollten. Ein zweiter Blick aus dem Fenster verriet ihm, dass es unmöglich nach fünf sein konnte – da hätte er ja lieber von rosa Meerschweinchen in grün karierten Pyjamas geträumt. Und woher nahm er bitte derartige Ideen?

„Du hörst ja gar nicht zu!“ Zwei - brrr kalte - Hände klatschten von beiden Seiten in sein Gesicht und drehten es um 25 Grad nach unten. „Weißt du eigentlich, dass du heute Nacht gesabbert hast?“, fragte Tina, nun auf selber Höhe, todernst.

„Was..?“ Unwillkürlich fuhr er sich mit der Hand über den Mund, doch schon im nächsten Augenblick hätte er sich ohrfeigen können, als das kleine Gör anfing zu kichern.

„Hach~ Jonas, du bist so ein süßer Trottel“, stellte sie noch liebenswürdigerweise fest, dann zog sie ihm die Bettdecke weg. „Und jetzt Marsch ins Bad, sonst kommen wir zu spät!“
 

Murrend ging er duschen. So hatte er sich das Leben ‚in den eigenen vier Wänden’ eigentlich nicht vorgestellt. Denn erstens waren das hier nicht seine eigenen Wände und zweitens – nein, eigentlich gab es kein Zweitens.

Jedenfalls war ursprünglich wirklich nicht geplant gewesen, bei einer langweilig standardisierten Familie unters Dach zu ziehen, die doch tatsächlich jedes Wochenende irgendeinen kranken Ausflug ins Grüne unternahm und nicht müde wurde, ihn immer aufs Neue einzuladen. Eine Familie, die auf jedes Klischee des ‚gut bürgerlichen’ noch einen drauf setzte. Der Horror.

Jonas tropfte sich den Weg zum Spiegel und begutachtete die Folgen Tinas verfrühter Weckattacke. Dunkle Schatten hatten sich unter seinen sonst so gut gelaunt wirkenden Augen gesammelt und da waren definitiv einige Bartstoppeln. Annehmbar.

Er hatte die letzte Nacht damit verbracht, ein Buch über Camus’ Philosophie über das Elend der Welt zu lesen und darüber bis vor – ein Blick auf die Uhr – drei Stunden vergessen, zu schlafen. Das passierte des Öfteren.

Normalerweise hätte es ihm auch nicht groß etwas ausgemacht, ein oder zwei Nächte durchzumachen. Er verbrachte sie schließlich arbeitend in seiner Wohnung und nicht irgendwo auf der Piste. Das unterschied ihn wohl am grundlegendsten von seinen Altersgenossen.

Nur, dass es dieses Mal schon die dritte Nacht in Folge gewesen war und er eigentlich damit gerechnet hatte, ausschlafen zu können. Mathe fiel dank des inkompetenten deutschen Schulsystems aus.

Als er schließlich bei dem Versuch, mit dem Regenschirm in der Hand in seinen grauen Wollpullover zu klettern, beinahe die Treppe runtergefallen wäre, war er doch ganz dankbar, nicht völlig allein zu sein. Jedenfalls für den Moment.

Doch als er aufblickte und feststellte, dass es sein Gastvater war, in dessen Arme er gerade gestolpert war, verflüchtigte sich diese kurze Anwandlung von Seelenfrieden nur allzu gern.

„Äh…“ Das Blut schoss ihm ins Gesicht. Peinlicher ging’s jawohl gar nicht mehr.

„Oje und ich dachte, ich wäre ein Morgenmuffel“, strahlte sein widerlich gutgelaunter Gastgeber und unterbrach Jonas’ gedankliche Verwünschungen.

Konnte in dieser Familie nicht einfach mal wer schlechte Laune haben? Das war ja abartig. Jener Mann, der für Jonas’ Dach über dem Kopf sorgte, war gerade dabei gewesen, sich seine Krawatte zu binden. Bankangestellter[1], noch so was Spießiges. Manchmal fragte Jonas sich wirklich, wie er nur hierher hatte geraten können.

Immer noch rot trat er hastig einen Schritt zurück und sein Gegenüber ließ mit einem grausam gutgelaunten Lächeln seinen Arm los.

„Kannst du mir damit vielleicht helfen?“, fragte er stattdessen und deutete auf die Verknotungen an seinem Hals, die wieder einmal bewiesen, dass die Krawatte der natürliche Feind des Mannes ist. „Es ist mir immer so schrecklich peinlich, damit zu Susanne zu gehen.“

Natürlich konnte er.
 

t.b.c.
 


 

[1] Ich hab nichts gegen unsere liebenswerten Geldverwalter, ich halte bloß nicht viel von Etikette.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2011-05-03T13:25:17+00:00 03.05.2011 15:25
> II. Jonas - Von Kaugummistimmen und rosa Meerschweinchen in grünkarierten Pyjamas
Wieder doppelter Titel und diesemal aber doch gewollt und wahrhaftig komisch, oder?

> Jonas war bestimmt keiner von der Sorte, die gerne zur Schule gingen.
Ja, doch, das kann ich verstehen. Und wir alle kennen seit dem ersten Kapitel mindestens noch einen. ^^

>Keiner von denen, die es gar nicht abwarten konnten, sich im Unterricht mit ihren auswendig gelernten Formelsätzen zu profilieren.
Unvollständiger Satz? Vorher vielleicht, trotz deines Stils, ein er war? Das ist sonst zu frei, für meinen Geschmack zumindest.

>Und doch respektierte Jonas jeden, der Tag ein Tag aus pünktlich im grauen Klotz der Lehranstalt erschien,
Hier würde ich vorschlagen, tagein tagaus zu schreiben.

>Er wollte begreifen, was der Zweck all der Dinge war, die unser aller Leben bestimmen.
Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, sozusagen. Ja, verstehen ist dabei ein sehr wichtiges Mittel. Neben allerhand anderen Dingen, um die sich die allermeisten Menschen einen Dreck scheren, schätze ich.

>Jonas tropfte sich den Weg zum Spiegel und begutachtete die Folgen Tinas verfrühter Weckattacke.
Okay, also ich kapiere ja, was du sagen willst, aber ich tropfe mich nie irgendwohin. Ich bin mir nucht wirklich sicher, ob das so sein muss.
Ferner spüre ich einen plötzlichen Wandel. Der Anfang dieses Kapitels war weit weniger... fröhlich. Die Familie sollte doch etwas abwertender betrachtet werden - da reichen die bloßen Erwähnungen der Worte Horror oder Grauen nicht aus, fürchte ich. Die Stimmung ist gerade einfach zu lebhaft.

>[1] Ich hab nichts gegen unsere liebenswerten Geldverwalter, ich halte bloß nicht viel von Etikette.
Ist zwar nett, dass du das namerkst, aber meinst du, irgendjemand hätte die, wegen einer bloßen Erwähnung, die Hölle heiß gemacht?
Fußnoten habe ich schon mal gelesen - bei Terry Pratchett und Walter Moers... da mochte ich sie aber wesentlich mehr. ^^'

Insgesamt bin ich über die... Einführungskapitel der Charaktere eher verwirrt. Tortzalledem muss ich noch wissen, was ein Schneesegler ist.

Liebe Schreibziehergrüße,
Gaemon

Von:  opa_regenhosenteddy
2008-12-10T10:45:08+00:00 10.12.2008 11:45
ähm...
*jonas ins herz geschlossen hat*
der ist so wie ich...xDDD
ach...was meinst du mit fanart, soll das eine anspielung sein?!*dumm desu* naja, die ffillu ist jedenfalls toll...und bankangestellte sind gar net alle spießer....-.-""""""""
*knuff*
teddy


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